Ernst Krenek: Drei Opern (Oper Frankfurt/M., 14.05.2017)

  • Momentan gibt es an der Oper Frankfurt/M. drei Raritäten zu erleben, nämlich drei Einakter von Ernst Krenek:

    - Der Diktator (Tragische Oper in einem Akt op. 49)


    - Schwergewicht oder Die Ehre der Nation (Burleske Operette in einem Akt op. 55)


    - Das geheime Königreich (Märchenoper in einem Akt op. 50)

    Uraufgeführt wurden alle drei Werke am 06. Mai 1928 am Staatstheater Wiesbaden. Der Text stammt vom Komponisten.


    Ich besuchte in FFM die gestrige Vorstellung mit folgender Besetzung:


    ML: Lothar Zagrosek
    Regie: David Hermann

    Bühne: Jo Schramm
    Chor: Markus Ehmann
    Sänger/Darsteller: Davide Damiani, Juanita Lascarro, Vincent Wolfsteiner, Sara Jakubiak, Simon Bailey, Barbara Zechmeister, Michael Porter, Ludwig Mittelhammer, Nina Tarandek, Michael McCown, Ambur Braid, Sebastian Geyer, Peter Marsh u.a.


    sowie Chor, Statisterie und Opern- und Museumsorchester.


    Was soll ich sagen? In einem Wort: Grandios!
    Zunächst: die Qualität der Stücke an sich. Das sind keine irgendwie obskur anmutenden und seltsamen Randstücke, sondern jeder Einakter für sich ist ein kleines Juwel und Meisterstück, das Krenek hier geschaffen hat. Das war für mich eine totale Überraschung. Bereits "Der Diktator" überzeugt mit präzisester Personenzeichnung- und Charakterisierung und ausgeprägtem dramatischen Gespür. Das ist reinster Verismo, würde ich mal behaupten. Hauptdarsteller Davide Damiani als Diktator und König mit markanter Erscheinung und großem persönlichen Einsatz hängt sich voll rein und gibt alles. Ich war bereits nach dem "Diktator" völlig begeistert, auch von Wolfsteiner als blindem Offizier und Jakubiak als dessen Ehefrau, die den Diktator aus Rache töten will, sind einfach nur umwerfend und glaubwürdig. Ein zeitlos gültiges, immer noch aktuelles Stück, das ganz unmittelbar berührt. Die Bühne hier ein karges Hotelzimmer in bräunlichen Tönen gehalten mit ausgezeichneter Personenführung.
    Unmittelbar danach dann "Schwergewicht", eine Art Satire über Max Schmeling. Im Zentrum: Simon Bailey und Barbara Zechmeister mit ihrem großen komödiantischen Talent, das sie hier voll ausspielen können. Ein virtuos-groteskes Stück, das einfach Spaß macht und mitreißend ist. Beide Stücke dauern jeweils eine gute halbe Stunde.
    Nach der Pause dann "Königreich" - ein ganz ungewöhnliches Werk, das sehr märchenhaft und verklärend endet. Hier kommen auch Freunde von gemalten Bühnenbildern auf ihre Kosten: im zweiten Teil erscheint ein Märchenwald, der ganz wunderbar und suggestiv von Bühnenbildner Jo Schramm gestaltet wurde. Der Diktator ist in diesem Stück zum König geworden, der nun aber im Wald sein Leben beenden will - zum Schluß verbündet er sich aber mit der Natur.
    Was wäre dieser Abend aber ohne das fantastische Dirigat von Lothar Zagrosek? Der Krenek-Kenner und Experte (er hat mit Ihm oft zusammengearbeitet und Werke aufgenommen) schält die Charakteristika jedes Einakters heraus, hält die Zügel zusammen und hat jederzeit den vollen Überblick - Souveränität pur. Außerdem spürt man seine Begeisterung und persönliche Anteilnahme - so etwas ist heutzutage sehr selten geworden. Höchste Konzentration und Engagement war also garantiert - dies übertrug sich auch auf das Publikum, das dem Ganzen sehr ruhig und gebannt folgte. Eine Wohltat.
    Nach 2 1/4 Stunden war dieser Abend zuende - ehrlich begeisterter Applaus folgte.
    Es gibt noch zwei Vorstellungen. Die Anfahrt nach Frankfurt lohnt sich auf jeden Fall - egal woher.


    Hier gibts einen sehr guten Kurzfilm über die Produktion:


    http://www.oper-frankfurt.de/d…/drei-opern/?id_datum=419


    P.S.: Eine hochinformative Ausstellung über Ernst Krenek im sog. Chagallsaal der Oper rundet diese Produktion ab.

  • Sehr interessant, lieber Agon. Das sind drei Opern, die ich überhaupt nicht kenne. Schade, dass Frankfurt doch etwas weit für mich ist.


    Wenn es noch weitere Vorstellungen gibt, wäre das auch etwas für Carusos Raritäten-Thread.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido,


    ich weiß ja nicht, wo Du wohnst, aber die Vorstellung am kommenden Sonntag (21.05.) beginnt bereits um 15.30 Uhr und sollte gegen 17.45 Uhr zuende sein. Vom Frankfurter Hbf ist es eine U-Bahn-Station zur Oper. Vielleicht hilft Dir diese Information ja.


    Gruß,
    Agon

  • Hinzufügen muß ich noch, daß mich diese Produktion insgesamt neugierig auf Ernst Krenek und sein Schaffen gemacht hat, das ja weitgehend unbekannt geblieben ist, abgesehen vielleicht von "Johnny spielt auf".
    Glenn Gould war sehr begeistert von Kreneks Musik und hat in seiner typischen Art eine Festschrift für Ihn verfasst unter dem Titel "Eine Festschrift für "Ernst Wer???""
    Krenek hat ein riesiges Schaffen hinterlassen, das man kaum überblicken kann - Opern, Oratorien, Sinfonien, Streichquartette, Klaviersonaten, Kammermusik. Da ist es nicht leicht, einen Einstieg zu finden, zumal er auch keinen Personalstil hat, sondern sich die verschiedensten Einflüsse zu eigen gemacht hat, was Gould an Ihm so besonders geschätzt hat.
    Krenek war Schüler von Franz Schreker in Berlin und hat die 20er Jahre dort hautnah miterlebt. Er hatte Kontakt zu Artur Schnabel, Eduard Erdmann, Hermann Scherchen, Hans Arp, Rainer Maria Rilke, Theodor W. Adorno und nicht zuletzt zu Karl Kraus, von dem er einige Gedichte vertonte.
    Noch 1933 erteilte Ihm Clemens Krauss, der damalige Direktor der Wiener Staatsoper, den Kompositionsauftrag für "Karl V.", Kreneks Zwölftonoper. Krenek geriet aber ins Visier der Nazis und politische Intrigen verhinderten die Uraufführung, die nun erst im Jahr 1938 in Prag in Abwesenheit des Komponisten stattfinden konnte.
    Noch in diesem Jahr emigrierte Krenek in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1945 annahm. Er ließ sich in Los Angeles und später in Palm Springs nieder, wo er am 22.12.1991 auch starb. Er wurde 91 Jahre alt. Er war verheiratet mit Anna Mahler, Berta Hermann und zuletzt mit Gladys Nordenstrom (Komponistin).
    Ich denke, diese drei Opern sind ein sehr guter Einstieg in Kreneks Welt, und es gibt ja auch eine CD-Produktion davon (mit Marek Janowski).

  • Lieber Bertarido,


    ich weiß ja nicht, wo Du wohnst, aber die Vorstellung am kommenden Sonntag (21.05.) beginnt bereits um 15.30 Uhr und sollte gegen 17.45 Uhr zuende sein. Vom Frankfurter Hbf ist es eine U-Bahn-Station zur Oper. Vielleicht hilft Dir diese Information ja.


    Gruß,
    Agon


    Lieber Agon,


    vielen Dank, aber Frankfurt ist doch etwas zu weit, um nur für eine Vorstellung hin- und wieder zurückzufahren.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.