Die Traumpantomime

  • So recht weiß ich nicht, warum ich diesen Thread eröffne, der wahrscheinlich wieder in heftigsten Auseinandersetzungen endet. Aber nachdem die Annexion des Threads "Volles Rohr Romantik" durch die üblichen Verdächtigen aufgrund der strikten Spielregeln in geschützten Forenbereich "Traditionelle Inszenierungen" gerade noch vereitelt wurde, möchte ich hier eine Spielwiese wissen.


    Der Name ist mit Absicht gewählt. Ich möchte das Ganze einmal kreativ angehen. Und zwar anhand eines ausgewählten Librettobeispiels. Eines Beispiels, das den Regietheateranhängern in ihrer entwunderten und ach so aufgeklärten Welt offensichtlich große Kopfschmerzen bereitet. Selbige versuchen sie zu kurieren mit Hilfe von Karikatur, Verfremdungen und kompletten Umdeutungen. Ich spreche von Humperdincks Traumpantomime für Hänsel und Gretel, die noch vor der Premiere konzertant erklang und den Direktor des Münchner Nationaltheaters veranlasste, sich direkt begeistert die Uraufführungsrechte der kompletten Oper zu sichern.


    Hier die Regieanweisungen von Komponist und Librettisten,



    "Plötzlich dringt von oben her ein heller Schein durch den Nebel, der sich wolkenförmig zusammenballt und die Gestalt einer in die Mitte der Bühne hinabführenden Treppe annimmt. Vierzehn Engel, die kleinsten voran, die größten zuletzt, schreiten paarweise, während das Licht an Helligkeit zunimmt, in Zwischenräumen die Wolkentreppen hinab und stellen sich, der Reihenfolgedes Abendsegens entsprechend, um die schlafenden Kinder auf, das erste Paar zu Häupten, das zweite zu Füßen, das dritte rechts, das vierte links; dann verteilen sich das fünfte und sechste Paar zwischen die übrigen Paare, so daß der Kreis der Engel vollständig geschlossen wird. Zuletzt tritt das siebente Paar in den Kreis und nimmt als »Schutzengel« zu beiden Seiten der Kinder Platz, während die übrigen sich die Hände reichen und einen feierlichen Reigen um die Gruppe aufführen. Indem sie sich zu einem malerischen Schlußbilde ordnen, schließt sich langsam der Vorhang."


    http://www.operone.de/libretto/humphade.html


    Und jetzt seid Ihr dran:


    • Wie beurteilt ihr die Partitur?
      Wie beurteilt ihr die Partitur in Verbindung mit dem Regieanweisungen?
      Was sind Eure Erwartungen an eine gelungene Produktion?
      Was ist eure Bilderwelt hinsichtlich dieser Szene , verweisend auf Gemälde, Filme und Illustrationen?
      Wie würdet Ihr das Ganze inszenieren?
      Welche Inszenierungen beurteilt ihr als vorbildlich und welche als misslungen, welche als tolerierbar und warum?
      Hat sich euer Geschmack gewandelt?
      Wo ist eure Toleranzgrenze?
      Welche Erinnerungen habt ihr an Produktionen, die nicht mehr im Spielplan verankert sind?


    Bedingung zur Teilnahme an diesem Thread ist, dass jeder bitte die Fragen beantwortet. Und zwar bitte der Reihe nach. Vielleicht kann ein Moderator bitte noch die Aufzählung vor meinen Fragen aktivieren. Ich habe das als Technik -Yeti wieder mal nicht geschafft.


    Sollte dieser Thread wider Erwarten positiv verlaufen, was bei einem so schönen Thema doch mal möglich sein dürfte, so habe ich bereits andere Threads in der Pipeline: Margarethens Verklärung, die Himmelfahrt des Holländers, der grünende Pilgerstab und und und

  • "Plötzlich dringt von oben her ein heller Schein durch den Nebel, der sich wolkenförmig zusammenballt und die Gestalt einer in die Mitte der Bühne hinabführenden Treppe annimmt. Vierzehn Engel, die kleinsten voran, die größten zuletzt, schreiten paarweise, während das Licht an Helligkeit zunimmt, in Zwischenräumen die Wolkentreppen hinab und stellen sich, der Reihenfolgedes Abendsegens entsprechend, um die schlafenden Kinder auf, das erste Paar zu Häupten, das zweite zu Füßen, das dritte rechts, das vierte links; dann verteilen sich das fünfte und sechste Paar zwischen die übrigen Paare, so daß der Kreis der Engel vollständig geschlossen wird. Zuletzt tritt das siebente Paar in den Kreis und nimmt als »Schutzengel« zu beiden Seiten der Kinder Platz, während die übrigen sich die Hände reichen und einen feierlichen Reigen um die Gruppe aufführen. Indem sie sich zu einem malerischen Schlußbilde ordnen, schließt sich langsam der Vorhang."

    Ein paar Anweisungen, die hier genannt werden, kenne ich gar nicht.


    Ich habe vier Quellen vorliegen: eine originale Erstausgabe des Klavierauszugs von 1893, den Nachdruck des Klavierauszugs aus den 90ern, die Partitur in der Version von DOVER, sowie in der Version von EULENBURG.


    In der Partitur und im alten Klavierauszug heißt es:

    Das "die kleinsten voran, die größten zuletzt" habe ich nirgendwo gefunden.


    Wie beurteilt ihr die Partitur?

    Dazu fehlt mir das nötige Fachwissen, aber nach dem, was ich bis jetzt davon gelesen habe, finde ich sie ausgezeichnet, reich an Klangfarben und Details, die es wert sind, entdeckt zu werden. Ich entdecke ständig neue Dinge, die mir bisher entgangen sind.


    Wie beurteilt ihr die Partitur in Verbindung mit dem Regieanweisungen?

    Humperdinck setzt, im Gegensatz zu Wagner, vergleichsweise weniger Regieanweisungen, wenn er sie setzt, dann aber immer genau synchronisiert mit der Musik.



    Was sind Eure Erwartungen an eine gelungene Produktion?

    Erst einmal: Darmsaiten bei den Streichern! Ansonsten erwarte ich mir, dass die Anweisungen möglichst präzise umgesetzt werden, die Kulisse und die Kostüme keinen 50er Jahre-Postkarten-Kitsch, aber auch keine Verlegung in die Neuzeit präsentieren. Ich habe nichts dagegen, wenn die Kulisse keine naturalistischen Bäume zeigt, sondern viel mit Beleuchtung und Andeutungen arbeitet, etwa mit Scherenschnitt-Bäumen oder ähnliches.



    Was ist eure Bilderwelt hinsichtlich dieser Szene , verweisend auf Gemälde, Filme und Illustrationen?

    Mir fallen da keine Vorbilder ein, mir ist nur wichtig, dass man sich an die Anweisungen hält. Ich bin absolut nicht religiös, aber wenn ich keine Engel sehen will, dann gehe ich in eine solche Oper gar nicht erst hinein.



    Wie würdet Ihr das Ganze inszenieren?

    Gar nicht, weil mir HUG nicht mehr wichtig genug ist und ich mehr Interesse an der Salome habe, sie für die interessantere Oper halte. WENN ich es aber inszenieren würde, dann eben gemäß der Anweisungen. Die Traumpantomime hat für mich einen kleinen Nachteil: sie dauert recht lange (zum Vergleich: Hexenritt = 91 Takte, Pantomine ab dem Lichtschein = 96 Takte), aber es passiert auf der Bühne nicht sehr viel, und das was passiert ist jetzt auch kein Brüller. Humperdinck hat aber eh genau aufgeschrieben, wann was passiert.



    Welche Inszenierungen beurteilt ihr als vorbildlich und welche als misslungen, welche als tolerierbar und warum?

    Keine Einzige finde ich vorbildlich, weil die Regieanweisungen IMMER missachtet werden. Der Komponist schildert nach dem Abendsegen von RZ 94 - 95 mit den immer höher und leiser werdenden Streichern, die mit zarten Flageolett-Tönen in ganz hoher Lage verklingen, wie es auf der Bühne stockdunkel wird. Auskomponierte Dunkelheit. Und das hat niemand umgesetzt.



    Hat sich euer Geschmack gewandelt?

    Jep, ich mag die Salome jetzt mehr.



    Wo ist eure Toleranzgrenze?

    Wenn man sich nicht an die Anweisungen hält.



    Welche Erinnerungen habt ihr an Produktionen, die nicht mehr im Spielplan verankert sind?

    Live kenne ich nur die aus der Wiener Volksoper, die aber immer noch am Spielplan steht. Die finde ich aber ebenfalls misslungen, weil es aus den Engeln kleine Kinder macht, die herumtollen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • In einem anderen Thread , der mittlerweile geschlossen wurde, ging es ebenfalls um die Traumpantomime. Hier möchte ich noch ergänzend etwas dazu sagen, was User "farinelli" dort geschrieben hat.



    Zitat

    Der Abendsegen ist ein leicht stilisierter Kinderreim (Reclam nennt als Quelle die Wunderhorn-Lieder

    In einem Booklet einer Live-DVD (aus dem Anhaltischen Theater Dessau) heißt es: "Der älteste Beleg dieser Verse findet sich auf dem Grabstein des verstorbenen Markgrafen zu Meißen aus dem Jahre 1324. Es handelt sich hier um ein Sterbegebet. Durch die Verwendung dieser Verse verschränkt Humperdinck die Motive Schlaf und Erlösung durch Gottes Hilfe und rückt den Vorgang sehr nah an die Grenze des Reiches von Schlafes Bruder - und damit in die Nähe der Erlösung im Tod."


    Was davon jetzt stimmt kann ich aber nicht sagen.




    LG,
    Hosenrolle1