Es war eine durchgehend gut gesungene Aufführung, ohne im Detail wirklich herausragend gewesen zu sein. Katerina Tretyakovas Stimme ist mir als Lucia, bei allem sängerischen Können, persönlich zu wenig warm und manchmal, in den dramatischeren Passagen der ersten Arie, auch zu nah am Rand der Schärfe. Das Leiden der empfindsamen Seele stellt sie nicht so sehr mit Klang, sondern eher technisch mittels dynamischer Abstufungen ihrer strahlkräftigen Stimme und natürlich schauspielerisch dar. Trotzdem ist ihre Gesamtleistung in Ordnung. Schwieriger ist die Rolle des Edgardo zu besetzen. Die Anzahl geeigneter Tenöre scheint begrenzt zu sein. In dieser Aufführung sang der Mexikaner Ramon Vargas. Seine Stimme klingt noch überraschend jung, mit schöner Mittellage, vielleicht nicht mehr mit dem nötigen Glanz in der Höhe. Insgesamt war es aber in meinen Augen die beste Leistung des Abends. Alexander Roslavets (Raimondo Bidebent) und Alexey Bogdanchikov (Enrico Ashton) reihten sich stimmlich in die guten Leistungen ein, ohne mit einem spezifischen Stimmklang hervorzustechen. Als Normanno ließ das Mitglied des Internationalen Opernstudios Sergei Ababkin aufhorchen. Lucias anempfohlener Bräutigam Arturo Bucklaw hat wenig zu singen und wird deswegen häufig unterbesetzt, allerdings muss er schön klingen und auch laut genug sein. Oleksiy Palchykov erfüllte beides, allerdings mit etwas engem Tenorklang. Das Orchester spielte unter der Leitung von Pier Giorgio Morandi mehr routiniert als inspiriert. Jubelnder Applaus für Katerina Tretyakova, Ramon Vargas und Alexander Roslavets.
Die Inszenierung ist nach wie vor unter die Halbnegativen einzuordnen. Bühnenbild und Kostüme sind in Ordnung, allerlei inszenatorische Mätzchen (Sandra Leupold) sind aber nach wie vor nicht selbsterklärend (einem männlichen Schauspieler werden anfangs sämtliche Kleider vom Leib gerissen, eine Schauspielerin klettert später auf das Himmebett und führt dort den Tanz einer Verrückten auf, andere Statisten schleichen im Schneckentempo über die Bühne etc.). Zumindest mussten Lucia und Edgardo nicht mehr auf die schwankenden Palmen des von Lucia von der Hinterbühne nach vorn gezogenen Gewächshauses klettern und dort, um sicheren Stand bemüht, ihr Liebesduett singen.