Louise Farrenc - Vol. 1 – Sinfonien und Orchesterwerke

  • Ich eröffne heute den ersten Teil einer Threadtrilogie über die französische Komponistin, Pianistin, Musikwissenschaftlerin und Pädadogin Louise Farrenc (1804 - 1875)
    Da wird sich mancher die Frage stellen, ob ich ein besonderer Verehrer dieser Komponistin bin. Die Antwort lautet: Ich bin es nicht. Darauf könnte die Frage kommen, warun ich ihr dann dennoch einen Thread widmen – angedroht sind sogar drei !!


    Die Antwort ist einfach: Ich eröffne diesen längst fälligen Thread, weil es sonst niemand getan hat. Egal wie mir persönlich ihre Kompositionen gefallen oder nicht, sie hatte zu Lebzeiten einen relativ hohen Bekanntheitsgrad, war bei den Kollegen anerkannt und vom eher unbarmherzigen Musikkritiker Robert Schumann sogar geschätzt., zudem Musikwissenschaftlerin und Instrumentalprofessorin füt Klavier. Die Frau muß schon was draufgehabt haben. Dazu kommt noch, dass mein kritischer Ansatz ihrer Musik gegenüber durchaus kontrovers beurteilt werden kann, was aus einem lexikalen Thread einen Diskussionsthread machen kann. Generell behaupte ich mal, dass Louise Farrenc doch ein wenig überschätzt ist, sie bekommt heute die Aufmerksamkeit, weil sie eine Frau ist.
    Hätte ein Mann ihre Werke geschrieben, so würden wir sie heute wahrscheinlich gar nicht kennen.


    Ein wenig Glück, geschicktes Agieren und ein entsprechendes familiäres Umfeld sind sicher auch eine gute Basis für den Erfolg als Komponistin, ebenso, wie die richtige Auswahl des Lebenspartners.


    Ich habe mich für DREI Threads zu Loise Farrenc entschieden, weil das die Übersichtlichkeit fördert und weil die Neuerscheinungen der letzten Jahre als Hinweis zu sehen sind, dass da noch mehr kommt. Es gibt immerhin mehr als 50 Werke mit Opuszahl.


    Louise Farrenc stammte aus einer Künstlerfamilie. Der Vater war Bildhauer, den ersten Klavierunterricht erhielt sie von ihrer Patin, der Pianistin Anne-Elisabeth Soria
    Privatunterricht erhielt sie ab 1819 von Anton Reicha. Da war sie grade mal 15
    Sie heiratete sehr früh, imd zwar den richtigen Mann, den Flötisten und Musikverleger Aristide Farrenc. Dieser war ihren kompositorischen Ambitionen – ähnlich wie Robert Schumann bei seiner Frau – gegenüber nicht nur aufgeschlossen, sondern er verlegte ab 1822 auch ihre Werke.
    Sechs Jahre später startete sie ihre Karriere als Konzertpianistin. Hummel, und Moscheles zählten zu ihren Freunden (bzw. der jungen Familie Farrenc)
    Die erste Sinfonie entstand 1841, sie wurde – wie auch sie beiden anderen – von Presse, Kollegen uns Publikum durchwegs positiv aufgenommen.


    Ihre Domäne blieb aber die Kammermusik, sowie die Musik für „ihr“ Instrument, das Klavier – Darüber werden wir aber in weiteren Threads schreiben.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 38

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Farrenc Louise: Sinfonie Nr 1


    Im Rahmen diese Threads war es natürlich nitwenig eine Neubewertung der Sinfonien vorzunehemen, was bedeutet, daß ich sie erneut hören muß. Gestern habe ich die Sinfonie Nr 1 erstmals seit langem wieder gehört - und zwar zweimal. Persönlich ziehe ich es vor ein Sinfonie mehrfach zu hören, an Stelle mehrerer anderer kurz hintereinander. Das hat den Vorteil, daß man sich allmählich einhört und so dem Werk näher kommt, als bei einmaligem flüchtigem hören. Dieses Privileg hatten vor Einführung der Schallplatte nur wenige, aber man hörte ja auf Grund fehlender Reproduktionsmöglichkeiten seltener Musik als heute - dafür aber (vermutlich) konzentrierter.
    Im es vorwegzunehmen: Die gestern abgehörte Sinfonie Nr 1 op 32 in c-moll gefiel mir diesmal wesentlich besser als vor etlichen Jahren, wo ich die Aufnahme erwarb (vermutlich zwischen 1998 und 2000)
    Wahrscheinlich war auch die Erwartungshaltung eine andere.
    Der Einstig in den ersten Satz ist ein wenig belanglos, wandelt sich dann einen Klagenden Ton um, changiert ins liebliche und wird nun durch eine "beethovensche" Orchesterattack unterbrochen, bzw abgelöst. Ich hatte einst geschrieben, daß die BezeichnunG "Französischer Beethoven" oder "weiblicher Beethoven" nicht passen sei. Ich hatte damals vermutlich eine Ähnlichkeit erwartet, wie wir sie stellenweise bei Ferdinand Ries vorfinden. Diese ist aber IMO nicht gegeben. Im Beiheft können wir lesen, daß Farrencs Kompositionsansatz der Sindonien auf der Wiener Klassik fusst. Und wenn wir das akzeptieren, bleibt eigentlich wirklich nur Beethoven zum Vergleich übrig - wenn man denn überhaupt Vergleiche braucht-
    Die erste Sinfonie wurde 1841 vollendet. Es brauchte aber 4 Jahre bis sie schließlich in Brüssel unter Francois-Joseph Fetis, selbst Komponist, Dirigent, Direktor und Mitbegründer des Brüsseler Konservstoriums, sowie Musikkritiker , uraufgeführt wurde. In seiner Eigenschaft als Musikkritiker lobte er die Sinfonie als bedeutendes Werk und empfal der Komponistin derselben mehr verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. Sehen wir mal von Beethoven und Schubert ab, dann ist die Sinfonie mit allem anderen was in jenen Tagen komponiert wurde durchaus auf Augenhöhe zu sehen. Besonders die lieblicherern Passagen scheinen der Komponistenin zu liegen, bei den dramatischen Stellen bin ich nicht ganz glücklich, ich habe mich aber gefragt, wie das wäre, wenn ein Orchester wie die Wiener, Berliner oder Dresdener das aufführen würden. ?
    Wie so oft bei Aufnahmen von Sinfonien dieser Zeit vermisse ich die Wucht und Tiefe, die IMO ohn Druck entstehen sollte, statt dessen ist das Klanbild oft ohne reales Bassfundament, dafür aber stellenweise überaus Aggressiv, vermutlich um davon abzulenken, daß das Orchester die erforderliche Klang- und Baßfülle gar nicht zu leisten imstande ist...
    An sich sollte das mit 89 Musikern allerdings möglich sein.


    Hier würden mich die Meinungen anderer Miglieder interessieren.
    mit freundlichen GRüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Farrenc Louise: Sinfonie Nr 1


    Erfreulicherweise gibt es bei Naxos seit einigen Tagen eine Neuaufnahme der Sinfonie Nr 2. Die beiden anderen Sinfonien sind dort schon vor einiger Zeit erschienen, wurden von mir aber leider übersehen und vom Rest der Forenbelegschaft scheinbar auch.

    Ich habe die Neuaufnahme heute mit viel Vergnügen gehört, sie ist etwas schneller im Tempo als ihre Mitbewerberin von cpo unter Goricki. Ich muss sagen, daß mir diese Sinfonie von mal zu mal besser gefällt, vor allem der 2 Teil des 3. Satzes mit den betörenden Hornpassagen...

    Farrenc war eine der wenigen Frauen, die im 19. Jahrhunderten eine professionelle Karierre absolvieren konnten, und wo der Ehemann, selbst Flötist und Musikverlege,r sie förderte und motivierte. Noch auffälliger, daß auch die Kritiker - selbst der böse Robert Schumann ihr ausserordenliche Fähigkeiten zugestanden und sie unter Komponistenkollegen für vollwertig genommen wurde. Nach ihrem Ableben verblasste indes ihr Ruhm rasch und es ist einigen Plattenlabels zu verdanken , daß sie doch noch irgedwie bekannt ist, denn sowohl der Harenberg, als auch der Csamoai/Holland Konzertführer finden sie keiner Erwähnung wert. Hier ist mir vielleich erstmals klar geworden, daß das "feministisch angehauchte";) Reclam Komponistenlexikon eine entscheidened Lücke füllt. Hier finden wir so ziemlich alles was man erwartet, - vielleicht sogar einen Hauch mehr.

    Die neue Aufnahme ( November 2017 eingespielt, November 2018 als veröffentlicht markiert, im Februar 2020 im jpc Program ) bietet dankenswerterweis über sie Sinfonie Nr 1 drei (!!!) weitere Stücke, die bislang noch nicht auf CD verfügbar waren, nämlch die Ouvertüren 1 und 2, sowie die Weltpremiere-Recording von "Grand Vraitiones über ein Thema von Graf Gallenberg. Wenzel Robert Graf Gallenberg (1783-1839) war ein österreichischer Komponist mit Schwerpunkt Ballet.


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 617

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  • Louise FARRENC: Grandes Variations sur un thème du comte Gallenberg" op 25


    Ein Werk auf dieser CD möchte ich noch speziell erwähnen:

    Die "Grandes Variations sur un thème du comte Gallenberg" op 25

    Hier wird die Fassung für Klavier mit Orchesterbegleitung gespielt. Es gibt eine zweite Version ohne Orchesterbegleitung -mit gleicher Opuszahl veröffentlicht, die wir dann aber in einem speziellen Thread mit Werken von Louise Farrenc für Klavier solo vorstellen werden.

    Graf Gallenberg war ein österreichischer Komponist - Schüler von Albrechtsberger - Intendant etc.

    Er heiratete die 21 jährige Schülerin Beethovens, Gräfin Giulietta Guicciardi, der Beethoven, der angeblich ebenso in sie verliebt war, seine "Mondsceinsonate" widmete, die damals noch "Laubensonate" hieß. Das Thema wird im Booklet der CD als "nicht besonders auffällig" bewertet, wird aber durch die Variationen der Farrenc geadelt - auf jeden Fall ein Ohrwurm....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Louise FARRENC: Ouvertüren

    Louise Farrenc hat zwei Ouvertüren geschrieben, aber keine Oper, obwohl sie das Llaut Booklet vorgehabt hatte - aber es kam eben nicht dazu..

    Die "Konzertouvertüren" - ohne Bezug zu einem Stück, zeigen ides, daß sie durchaus das Zeug dazu gehabet hätte, siwe zeigen die Komponistin von ihrer "dramatischen" Seite, ich würde sogat sagen - "plakativen" Seite, wobei mir die Nr 2 besser gefällt - sie hat IMO mehr Profil und somit den besseren Wiedererkennungswert. Dieses "schnellschuß-Urteil" kann sich natürlich nach öfterem Hören durchaus ändern-


    Beide Ouvertüren stammen von 1834:


    Ouvertüre Nr 1 in e-moll op 23

    Ouvertüre Nr 2 in Es.dur op 24


    Beide Ouvertüren sind in zwei Aufnahmen verfügbar:

    Auf jeder der hier gezeigten CDs befinden sich jeweils BEIDE Ouvertüren - als Ergänzung zm Hauptprogrann, einer Sinfonie



    mfg aus Wien

    Alfred


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Verdikt, dass Frauen nicht komponieren könnten, unter anderem von einem ehemaligen deutschen Literaturpapst vertreten, hält sich bis heute. Allenfalls kleinere kammermusikalische Werke traute man ihnen zu. Tatsächlich gibt es wenige Komponistinnen und noch weniger, die größere Orchesterwerke schrieben. Louise Farrenc ist eine der Ausnahmen, von ihrem symphonischen Œuvre her vielleicht erst von Amy Beach erreicht. Drei Symphonien, zwei Ouvertüren, zwei Phantasien für Klavier und Orchester, eigentlich gar nicht so wenig, bedenkt man zudem, dass all diese Werke in einem recht überschaubaren Zeitraum, von Mitte der 1830er bis Ende der 1840er Jahre, entstanden. Eine kleine Farrenc-Renaissance erleben wir mittlerweile. Den Startschuss gab 1997 cpo mit der NDR-Radiophilharmonie unter Johannes Goritzki, der ein ganz großes Plädoyer für die Farrenc aussprach. Es folgten Stefan Sanderling auf Diques Pierre Verany und zuletzt Christoph König auf Naxos. Letzterer hat die Diskographie um die Grand Variations sur un thème du comte Gallenberg erweitert. Was ich von Farrenc bisher hörte, gefiel mir durchaus. Komponieren konnte sie allemal. Aber man darf da nichts in Richtung Berlioz erwarten. Es ist eher eine Mischung aus Wiener Klassik und früher Romantik, ohne besonders französisch zu klingen, ein Potpourri aus Mozart, Beethoven, Mendelssohn und Schumann.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Nachdem ich mich noch ein wenig eingehender mit den Orchesterwerken der Farrenc beschäftigt habe, würde ich der 2. Symphonie den Vorzug geben. Besonders großartig der Finalsatz, wo gar auf Bachs Kunst der Fuge referiert wird. Die Interpretation von Johannes Goritzki bei cpo ist nach wie vor das Maß der Dinge. Der Klang bei Naxos ist im Vergleich leicht verwaschen, worunter besonders die Pauken leiden.


    clck 759

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões