Nurgeldiyev als Belmonte, Mozarts Entführung am 21.6.17 in der Hamburgischen Staatsoper

  • Die Entführung aus dem Serail ist für mich die sängerisch anspruchsvollste Mozartoper. Nur selten sind alle Partien herausragend besetzt. 1995 erlebte ich eine solche Vorstellung unter der Leitung von Bernhard Klee mit Luba Orgonasova als Konstanze, Hellen Kwon als Blonde, Kurt Streit als Belmonte, Robert Wörle als Pedrillo und, alle übertreffend, Kurt Moll als Osmin. Diesen Sängerinnen und Sängern konnte heute nur Dovlet Nurgediyev als Belmonte das Wasser reichen, er sang erstklassig, mit metallischem Kern und goldenem Glanz in der Stimme, mit bewundernswert langem Atem, klaren Koloraturen und großem, emotional berührenden Ausdruck in der Stimme. Wilhelm Schwinghammer war ein guter Osmin, die, zugegebenermaßen sehr großen Schuhe von Kurt Moll passten ihm aber noch nicht. Dafür fehlte es noch an Kraft in der durchaus schon klingenden Tiefe und auch an Bassbalsam; über beides verfügte Kurt Moll im Übermaß. Vielleicht ist Schwinghammer für den Osmin auch einfach noch zu jung und zu wenig beleibt. Thomas Ebenstein sang den Pedrillo ohne Fehl und Tadel, nur bei den gesprochenen Passagen hatte er zweimal Aussetzer. Die Konstanze habe ich eigentlich nur nvon zwei Sängerinnen überzeugend gehört, von der erwähnten Luba Orgonasova und von Hellen Kwon, die ab 1997 auch diese Rolle übernahm (vorher war sie eine ausgezeichnete Blonde). Die heutige Sängerin Laura Aikin überzeugte mich dagegen nicht. In den langsamen, mehr getragenen Partien, vor allem in der zweiten Arie, störte ein deutlicheres Vibrato, die Koloraturen, etwa in der Marternarie, wirkten nicht klar und die Spitzentöne wurden mit Kraft in den Raum geschleudert, was dem Ganzen eine gewisse Schärfe gab. Vor allem in den Duetten mit Nurgeldiyev machten sich die abrupten Lautstärkewechsel der Sopranistin unangenehm bemerkbar. Sibylla Duffe erhielt für ihre Blonde viel Beifall, vor allem für ihr Spiel, gesanglich klang sie für mich zu soubrettenhaft, d. h. mit durchaus Kraft und auch Klang in der Höhe, aber eher entfärbter Stimme in der Mittellage. Als größter Schwachpunkt des heutigen Abends erwies sich der Schauspieler Uwe Bohm in der Rolle des Bassa Selim. Mit manirierter Vokaldehnung versuchte er bei resonanzarmer Sprechstimme den Klang der Sänger-Sprechstimmen etwas eigenes entgegen zu setzen. Dass misslang in meinen Augen. Auch fehlte es ihm für die Rolle an dem nötigen, aber nur selten erlebten Charisma für diese wichtige, aber gesanglose Rolle.


    Insgesamt war es Nurgeldiyevs wegen kein verlorener Abend. Dieser Ausnahmetenor bleibt uns in Hamburg auch für die nächste Saison erhalten, als Tamino, Alfredo und Telemaco (Monteverdi Il Ritorno), vor allem aber als Lenski im Februar nächsten Jahres zusammen mit dem Ausnahmebass Alexander Tsymbalyuk als Gremin. Dieser Onegin in der Inszenierung von Adolf Dresen und dem Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann dürfte auch den mehr an klassischen Aufführungen Interessierten gefallen.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Lieber Ralf Reck,


    die Entwicklung von Dovlet Nurgediyev habe ich auch in den letzten Jahren mit großer Freude verfolgt.
    Er fiel mir schon in etlichen kleinen Partien auf. Seit seinem Vladimir in "Fürst Igor" bin ich sicher, dass da ein wirklich vorzüglicher Tenor heranwächst! Du hast seine Stimme und seine gesanglichen Qualitäten ganz ausgezeichnet beschrieben!


    Willst Du ihn nicht in dem Thread "Neue Stimmen" vorstellen?
    Er hätte es wirklich verdient, dass auch Opernfreunde ausserhalb Hamburgs auf ihn aufmerksam gemacht werden!


    Es gibt inzwischen einige recht gute Videos von ihm bei Youtube!



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Caruso41, ich werde es einmal versuchen, herzlichst, Ralf Reck

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv