Bayreuth 2017: PARSIFAL

  • Bin zurück von der Gralssuche. Habe ihn nicht gefunden - und auch sonst niemand, aber ich habe am letzten Donnerstag eine grandiose Vorstellung in Bayreuth erlebt. Ein durchweg erstklassiges Ensemble (mit Groissböck als Einspringer für den Titurel!) unter der musikalischen Leitung von Hartmut Haenchen, der die Parsifal-Partitur nach Sichtung von Wagners Eintragungen zur Uraufführung neu überarbeitet hat. Ein wahres Wagner-Fest! Die Inszenierung ist ebenfalls gelungen, auch wenn sie hie und da etwas "hakt", aber sie ist natürlich um Welten besser als das, was einem hier seit ein paar Jahren als innovative Regiekonzepte verkauft werden soll, da sie
    a) nicht gegen die Musik inszeniert ist oder diese gar ignoriert ("Tristan und Isolde"/Katharina Wagner)
    und
    b) die Atmosphäre des Werkes nicht (zer)stört ("Rattengrin" oder "Biogas-Anlage-Tannhäuser").
    Offene Fragen bleiben dennoch, da z.B. der Karfreitagszauber mit seiner Regendusche befremdet oder die Funktion/Bedeutung einer stummen über dem Bühnengeschehen kauernden Figur nicht ersichtlich ist. Das Ende mit seiner allen Religionen entsagenden Botschaft ist für mich jedoch absolut schlüssig.


    PS: Am Donnerstag wurde die Aufführung von BR Klassik mitgeschnitten. Hoffentlich gibts die dann irgendwann mal auf CD, da Haenchens Auslegung der Partitur auf jeden Fall dokumentiert werden sollte. Immerhin hat er, nach eigenem Bekunden, rund 700 (!) Korrekturen/Anmerkungen Wagners aufgefunden und eingebracht. Mit einem solchen Tondokument und der aktuellen Besetzung wäre man wahrscheinlich besser bedient, als mit der aktuellen DVD-Veröffentlichung vom Vorjahr mit Klaus Florian "dem Stimmchen" Vogt in der Titelrolle.

  • Hab die Übertragung im Radio gehört. Großartig fand ich Andreas Schager als Parsifal und das Dirigat von Hartmuth Haenchen. Es wurde am Ende des ersten Aktes sogar länger geklatscht als sonst, obwohl es ja sonst immer ein böses zischen gibt, da ja nach dem Akt eigentlich nicht geklatscht werden sollte.

  • Stimmt - es hat mich auch überrascht, dass nach dem Aufzug starker (berechtigter) Applaus aufkam. Allerdings blieb der Vorhang geschlossen und die Solisten zeigten sich erst nach dem zweiten Aufzug zum Verbeugen. So kam Groissböcks bedrohlicher Titurel allerdings komplett um die verdiente Würdigung des Publikums.

  • Lieber Cartman, was bedeutet der Satz von Otto Schenk?

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Nachdem ich den Sketch "DER REGISSEUR" gesehen habe., verstehe ich warum heutiges Theater und Operntheater so ist wie es ist.
    Otto Schenk kann selbst komplexe Sachverhalte plastisch rüberbringen - und ich weiß nun wo die Wurzeln des Regietheaters sind. :baeh01:


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bin zurück von der Gralssuche. Habe ihn nicht gefunden


    Richard Wagner über "wahre Religion":


    Ihre Grundlage ist das Gefühl der Unseligkeit des menschlichen Daseins, die tiefe Unbefriedigung des rein menschlichen Bedürfnisses durch den Staat. Ihr innerster Kern ist Verneinung der Welt, d. h. Erkenntnis der Welt als eines nur auf einer Täuschung beruhenden, flüchtigen und traumartigen Zustandes, sowie erstrebte Erlösung aus ihr, vorbereitet durch Entsagung, erreicht durch den Glauben.


    Unbeugsame Gerechtigkeit, stets bereit zur Gnade - hier ist das Mysterium des königlichen Ideales!

  • "Nachdem ich den Sketch "DER REGISSEUR" gesehen habe., verstehe ich warum heutiges Theater und Operntheater so ist wie es ist.
    Otto Schenk kann selbst komplexe Sachverhalte plastisch rüberbringen - und ich weiß nun wo die Wurzeln des Regietheaters sind. (Alfred)"


    Obwohl ich mich in die unsägliche und ewig fruchtlose Debatte zum Thema Regietheater eigentlich nicht mehr äußern wollte, so muss ich es hier dennoch tun, da Alfred Schenks Sketch völlig missverstanden hat. Es geht Otto Schenk hier mit Sicherheit nicht um das leidige Thema Regietheater, da er in diesem Fall für seine Darstellung des unverständlichen Zeug brabbelnden Regisseurs kein bewusst konservatives Modell in Weste und Anzug gewählt hätte, sondern mit Sicherheit eine wildere/anarchistischere Variante dieses Typus genommen hätte. Auch wäre es zur Denunziation des sogenannten Regietheaters einfacher gewesen, einen Regisseur zu nehmen, der eben ganz klar unsinnige Ansagen gemacht hätte (z.B.: "Den Chor im "Lohengrin" sehe ich in Rattenkostümen vor mir." oder "Für den "Tannhäuser" kann ich mir kein geeigneteres Umfeld als eine Biogasanlage vorstellen."). Nein, aus eigener Theatererfahrung kann ich sagen, dass es Schenk darum ging - auf kritisch-witzige Art und Weise - darzustellen, wie schwierig es sein kann, ein präzises Regiekonzept in klare Worte zu fassen; unabhängig davon, wie diese Inszenierung an sich gestaltet werden soll. (Mehr von Schenks lustigen Musiktheaterparodien etc. gibts übrigens hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=JdZbL3rpHBc)


    Doch zurück zum Thema: In Bezug auf Schenks Sketch zur Realisierung eines Regiekonzepts kann man im Bezug auf Laufenbergs Parsifal-Inszenierung sagen, dass hier mitunter eine gewisse Klarheit fehlt. So verständlich der große Bogen der Interpretation des Stoffes ist, der zur Absage an alle Religion(en) durch die Einsargung ihrer Symbole führt, so wenig klar bleiben einige Details. So bleibt, wie in meinem ersten Beitrag bereits erwähnt, z.B. die Funktion der regungslos über der Szenerie kauernden Figur im Unklaren. Auch sind einige Momente der Vorstellung sehr platt: Der Film während der ersten Verwandlungsmusik ist mit seiner "Sternenfahrt" z.B. sehr effektvoll aber ziemlich sinnlos; auch wirkt die Darstellung der gealterten "Oma Kundry" im Rollstuhl (Karfreitagszauber) zu klein und dem Stoff nicht angemessen. Trotzdem verfolgt das Ganze ein klares Ziel und ist in seiner Gesamtwirkung sehr sehens- und diskussionswert.