Der Stoff aus dem die Opern sind (18) - Opern nach Märchen

  • Diese Threadserie ist ja leider nicht allzu frequentiert - dabe i sollte jedem Opernfreund das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn er sie sieht.
    Die heutige Folge befasst sich mit Opern, welch nach Märchestoffen entstanden sind (VORSICHT: Ein ÄHNLICHER Thread in Bezug auf Sagen des Mittelaters besteht bereits, aber eigentlich ist es doch etwas anders. Die Idee zur heutigen Folge kamm mir durch eine Bemerkung von Dr. Holger Kaletha, der da (sinngemäß) meinte, Märchenstoffe auf der Opernbühnr seine ohnesies problematisch. Sofort war mein Widerspruchsgeist erwacht und ich begann Matereial für diesen Thread zu sammeln. Meine ersten Versuche in dieser Richtung schienen die Kaletha-Aussage indirekt zu bestätigen, denn zu Beginn fand ich in der Tat nur wenig Material. Erst am Schluß meiner Recherche kam dann einiges zutage, vor allem auch die Erklärung WARUM das so ist:
    Die meisten uns heute bekannten Mächen des deutschen Sprachraums, stammen aus den Sammlungen der Gebrüder Grimm (darüber gibt es übrigens einige interssante Erkenntnisse neueren Datums), Von Bechstein,Hauff und die Kunstmärchen Von Andersen. All das war beispielsweise im 18. und frühen 19, Jahrhundert unbekannt. vielleicht mit Ausnahme der Märchen Hauffs (1802-1827) desse Bedeutung zu Lebzeiten und kurz damach ich allerdings nicht einschätzen kann-


    PRINZIPELL sollten Märchen indes eine gerdezu ideale Vorlage für Opernlibretti abgeben - denn sie sind zumeist von der Struktur her einfach und brauchen nicht simplifiziert werden, was bei komplexeren Vorlagen zumeist der Fall ist.
    Hier nochmals, meine Bitte, sich auf MÄRCHEN zu beschränken und SAGEN außen vor zu lassen - da gibt es bereit einen eigenen Thread- Ich weiß - die Übergänge sind fließend, aber irgenwie kann man das schon auseinanderhalten.


    Bei dieser Gelegenheit bringe ich hier eine Übersicht zu den bereits bestehenden Threads der Serie : Der Stoff aus dem die Opern sind:



    Der Stoff aus dem die Opern sind (1) - Giuseppe Verdi und seine Librettisten
    Der Stoff aus dem die Opern sind (2) - Sagen des Mittelalters
    Der Stoff aus dem die Opern sind (3) - Vergessene Literaturvorlagen der klassischen Musik und Opern
    Der Stoff aus dem die Opern sind (4) - Librettii nach griechischen und römischen Klassikern
    Der Stoff aus dem die Opern sind (5) - Gekrönte Häupter und welche es gern geworden wären....
    Der Stoff aus dem die Opern sind (6) - Christoph Columbus
    Der Stoff aus dem die Opern sind (7) – Historische Themen in Opern des 20. Jahrhuinderts
    Der Stoff aus dem die Opern sind (8) - Zeitgenössische Themen in Opern des 20. Jahrhunderts
    Der Stoff aus dem die Opern sind (9) – Deus ex machina
    Der Stoff aus dem die Opern sind (10) - Komponisten als Librettisten ihrer Opernkompositionen
    Der Stoff aus dem die Opern sind (11) - Opern der Mozartzeit: Zeitgeist, Gesellschaft und Politik
    Der Stoff aus dem die Opern sind (12) – Komische, leichte, und unterhaltsame Opern
    Der Stoff aus dem die Opern sind (13) – Die verschiedenen Richtungen
    Der Stoff aus dem die Opern sind (14) – Richard Wagner und seine Ausstatter
    Der Stoff aus dem die Opern sind (15) – Wieso vergehen sich die Verunstalter primär an Wagner?
    Der Stoff aus dem die Opern sind (16) – William Shakespeare als literarische Grundlage
    Der Stoff aus dem die Opern sind (17) – Warum historische Stoffe ?

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da ich im Moment auf Reisen bin, möchte ich heute nur kurz 3 Opern in den Ring werfen, die auf Märchen beruhen. Ein paar mehr Details dann in der nächsten Woche:


    Hans Christian Andersens Märchen "Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen" ist die textliche Grundlage einer Oper des Dänen August Enna (1858-1939) mit fast gleichlautendem Titel. Ein wenn auch kurzes, so doch wunderschönes und trauriges Werk.
    cpo hat vor einiger Zeit eine Aufnahme herausgebracht:


    Das gleiche Märchen ist auch die Basis für Helmut Lachenmanns Oper, die ich allerdings nur dem Namen nach kenne:


    Neben der allbekannten Oper "Hänsel und Gretel" gibt es von Engelbert Humperdinck auch noch die Oper "Dornröschen" nach dem gleichnamigen Grimm-Märchen. Die cpo-Aufnahme ist ein live Mitschnitt einer konzertanten Aufführung vom Dezember 2008, die ich selbst im Münchner Prinzregententheater im Rahmen der BR-Sonntagskonzerte erlebt habe.



    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz


  • Carl Loewes nach einem orientalischen Märchen entstandene Oper steht seit erst wenigen Tagen im Opernführer, passt aber ganz sicher nach den Intentionen des Threaderstellers hierhin...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Eine meiner Lieblingsopern "Die Frau ohne Schatten" hat Hofmannthal konzipiert aus Motiven fernöstlicher und europäischen Märchen. Die Verbindung von realer Welt, verkörpert durch das Färberpaar und auch durch den Kaiser und dem Zauber Keukobads, verkörpert durch die Amme, die Kaiserin und den Geisterboten bietet schon etwas märchenhaftes.


    Leider habe ich bisher noch keine Inszenierung gesehen, die dem Rechnung trägt. Das ändert aber nichts an der Tatsache und dem Märchencharakter. Daß man auch Parallelen zu Goethes Faust ziehen kann, unterstreicht den Charakter noch. Im Prinzip ist der Teufel ja auch eine Märchengestalt, seine Zaubereien entspringen der Märchenwelt, und die macht sich Keukobad zu eigen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zunächst freue ich mich, daß der Thread trotz Tropenhitze frequentiert wird. Ich ich werde mich vorerst mit einer Aufzählung von zwei weiteren Opern (wenngleich nicht als solche vom Komponisten deklariert) nach Märchen der Gebrüder Grimm:
    Da wäre zunächst "Die Kluge" nach dem Märchen "Die kluge Bauerntochter", und dann auch noch "Der Mond" nach dem gleichnamigen Märchen. Carl Orff ist in beiden Fällen Komponist und Librettist. Die hier gezeigte Doppel-CD enthält BEIDE Werke in einer im wahrsten Sinne des Wortes Bilderbuchbesetzung.
    Die bei der Produktdeklaration gemachte Angabe ADD/m ist FALSCH. Natürlich handelt es sich bei der aus den Jahren 1956/57 produzierten Einspieling um eine Analogaufnahme - und natürlich wurde sie für die Veröffentlichung auf CD digitalisiert. ABER es handelt sich nicht - fie fälschkich angegeben um eine Mono-Aufnahme, nein, sie ist veritables, originales STEREO - und noch dazu vom Feinsten. Für 7.99 Euro - ein Muß für jeden Opernfreund


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "La Cenerentola" ist eine weitere bekannhte Märchenoper- In unseren Breiten wird hier wohl sofort das Märchn der Gebrüder Grimm in Erinnerung gerufen werden. Aber das Märchen ist viel älter, die ersten schriftlichen Aufzeichnungen des bereits früher mündlich tradierten Märchens stammen von Charles Perrault (1628-1702), der an sich Schriftsteller und hohert Beamter in Frankreich war. Im Jahre 1697 veröffentlichte er die Sammlung: Histoires ou Contes du temps passé ( ‚Geschichten, oder Erzählungen aus alter Zeit‘) derer sich teilweise sowohl die Gebrüder Grimm, als auch Ludwig Bechstein bedienten. Für Rossinis Oper schrieb Jacopo Feretti das Libretti, wobei er einerseits Perraults Version, andrerseite bereits ältere Libretti desselben Stoffes verarbeitete- Der volle - heute nicht mehr verwendete- Titel von Rossinis Oper ist: "La Cenerentola, ossia La bontà in trionfo" ("Aschenputtel, oder Der Triumph des Guten") Geprägt hat mich eine DECCA Einspielung unter Gavazzeni mir der IMO in dieser Rolle bis heute unerreichten Giulietta Simionato. (Die Aufnahme ist bereits gestrichen) Auch die aus den 70er Jahren stammende Aufnahme mit Berganza in der Hauptrolle und Abbado am Pult ist nur mehr als "Fremdpressung" erhältlich (siehe oben) Diese Umschnitte sind nicht immer mit der Tonqualität des Originals vergleichbar.


    Hier nun ein Videclip aus Glyndbourne aus den achziger Jahren....



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine meiner Lieblingsopern "Die Frau ohne Schatten" hat Hofmannthal konzipiert aus Motiven fernöstlicher und europäischen Märchen. Die Verbindung von realer Welt, verkörpert durch das Färberpaar und auch durch den Kaiser und dem Zauber Keukobads, verkörpert durch die Amme, die Kaiserin und den Geisterboten bietet schon etwas märchenhaftes.


    Leider habe ich bisher noch keine Inszenierung gesehen, die dem Rechnung trägt.

    lieber La Roche,


    eine traumhaft schöne Inszenierung der "Frau ohne Schatten" hat es in den 90er Jahren in München gegeben, die es mittlweile auf auf DVD gibt.
    Inszeniert wurde sie von dem Japaner Ennosuke Ichikawa, der teilweise Prinzipien des traditionellen japanischen Kabuki-Theaters umsetzt. Die Produktion entstand 1992 zur Eröffnung des Opernhauses von Nagoya und wurde 1993 nach München übernommen. Hier lief sie bis 2004 mit großem Erfolg.
    Leider wurde sie 2014 durch eine neue Produktion ersetzt... X(



    Einen kleinen Vorgeschmack von einer Aufführung in Nagoya gibt es hier, allerdings ist hier die Bildqualität nicht so toll.

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Auf der Version von Perrault des Aschenputtel-Märchens beruht auch die Oper "Le Cendrillon" von Jules Massenet. Diese entstand 1899.
    Auf der DVD brillieren Joyce di Donato als Aschenputtel und Alice Coote als Prince Charmant in einer Aufführung von 2011 aus dem Royal Opera House, während auf der etwas älteren CD-Aufnahme Frederica van Stade und Nicolai Gedda als Protagonistenpaar zu hören sind.


    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • eine traumhaft schöne Inszenierung der "Frau ohne Schatten" hat es in den 90er Jahren in München gegeben, die es mittlweile auf auf DVD gibt.

    Lieber Orsini, ich danke Dir für die Information. Ich glaube, die von Dir angesprochene Inszenierung ist die mit Peter Seiffert. Darum werde ich mich kümmern. Bei yt habe ich sie leider nicht gefunden.


    Es gibt auch eine wirklich märchenhafte Inszenierung mit Birgit Nilsson, die leider bei yt nur in schlechter Qualität zu empfangen ist. Kennst Du diese, weißt Du, wo man sie in guter Qualität bekommen kann? Weitere Sänger, den mich eigentlich in diesem Fall gar nicht interssierenden Regisseur und auch den Dirigenten kenne ich nicht.


    Und alles, was man in den letzten Jahren im TV aus München und aus Salzburg angeboten hat oder gegenwärtig in Leipzig auf dem Spielplan steht, das entspricht nicht meine Vorstellungen dieser herrlichen Oper. Ich besitze lediglich die DVD mit der damals noch tollen Cheryl Studer, Eva Marton, Thomas Moser und Robert Hale. Die Inszenierung befriedigt mich auch nicht, die musikalische Leistung schon.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe mir nochmals den Einführungsbeitrag durchgelesen und keinen Hinweis auf eine Forderung nach einer CD-Aufnahme gefunden.
    Das gibt mir die Gelegenheit auf eine Märchenoper von Albert Lortzing hinzuweisen, deren Text der Komponist frei nach Johann Karl August Musäus gestaltet hat:
    Rolands Knappen. Von diesem Werk gibt es in der Tat keine Einspielung und es steht wohl auch nicht zu erwarten, dass sich das mal ändern wird (es müsste sich denn ein Label trauen).


    Ich habe nun ein Reclam-Textbuch von 1906 aufgetrieben und werde in der nächsten Zeit eine Inhaltsangabe für den Opernführer entwerfen. Interessant ist das Titelblatt des Drucks insofern, als es ausdrücklich den Hinweis Neue Bearbeitung, vollständiges Buch, herausgegeben von Georg Richard Kruse enthält. Das lässt doch eindeutig den Schluss zu, dass man seinerzeit zumindest diesen Operntext nicht als sakrosankt ansah und ihn bearbeitet hat. Ich bin aber mal vorsichtig bei der Antwort auf die Frage nach dem Warum, weil ich keine editorischen Hinweise fand, warum eine Neubearbeitung als notwendig erachtet wurde. Das Textbuch enthält keinen Hinweis auf eine Notenausgabe, weder Klavierauszug noch Partitur...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

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  • Zitat

    Das lässt doch eindeutig den Schluss zu, dass man seinerzeit zumindest diesen Operntext nicht als sakrosankt ansah und ihn bearbeitet hat.


    Eigenartigerweise war mir sofort klar WARUM. Es sit bekannt, daß Lortzing teilweise politisch subversive Werke schrieb. Egal, wie man dazu steht - politische Aussagen in Stücken sollte man vermeiden, wenn man das Werk "unsterblich machen will", das ist genauso bei einer Kabarettnummer, wenn man sich mit allgemeinen über die Zeit nichau menschlichen Schwächen befasst, dann kann das Werk über Jahrhunderte hinaus bestehen. Ein gutes Beispiel ist hier Moliere, der zwar zeitbezogen - aber dennoch allgemeingültig ist. Dennoch gibt es gewisse Feinheiten, die man nur verstehen kann, wenn man die Gepflogenheiten der Zeit kennt, und somit den verbunden Spott. Lortzing , machte aber durchaus sehr direkte Aussagen, die heute einfachj überholt sind.
    Ich habe gesucht und genau das gefunden, was ich zu finden hoffteAusnahmsweise, da kurz und prägnant und dennaoch ausführlich, der WIKIPEDIA Text- Hervorhebungen sind von mir:


    So - jetzt wissen wie, warum der Text nicht sakrosankt ist . Wir müssen froh sein, daß das Werk heute nicht als "verschollen" gilt.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Ich habe mir nochmals den Einführungsbeitrag durchgelesen und keinen Hinweis auf eine Forderung nach einer CD-Aufnahme gefunden.


    Nein - diese Forderung gibt es hier nicht, das Nennen der Aufnahmen ist ja nur EIN Aspekt. Wichtiger ist vielleicht, sich die Fragen zu stellen, warum in der Tat nicht allzuviele Märchen den Weg als Oper auf diie Bühnen schafften, bzw wie operntauglich oder opernuntauglich ddas Genre "Märchen" im allgemeinen isr. Letztlich war das ja der Auslöser zu diesem Thema


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber La Roche,


    die Aufnahme mit der Nilsson kenne ich selber nicht. Ich habe nur gesehen, dass es eine Aufzeichnung aus der Stockholmer Oper aus den 70er Jahren ist. Aber das weißt Du vermutlich selber. Eventuell stellt ja das schwedische TV auf Anfrage eine Kopie bereit (http://www.svt.tv)?
    Aber es scheint eine CD dieser Aufführung zu geben, die beim schwedischen Label Sterling erschinenen ist (Disc No: CDA-1696/98, 3 CDs so um die 25 €). Neben Nilsson als Färberin singen: Der Kaiser - Matti Kastu; Die Kaiserin - Siv Wennberg; Barak - Walter Berry; Die Amme - Barbro Ericson. Dirigent ist Berislav Klobucar. Als Datum ist hier 1975 angegeben.


    Ich habe im Sommer 2014 die neue Inszenierung in München gesehen. Musikalisch war es Extraklasse!!! (...und über den Rest schweigt des Sängers Höflichkeit)
    Sebastian Weigle dirigierte, Pieczonka und Botha als herrliches Kaiserpaar und Elena Pankratova als stimmgewaltige und emotional sehr bewegende Färberin.


    beste Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Lieber Orsini,


    auch ich habe die neue Münchener Inszenierung sehen wollen, ebenso die Salzburger Premiere. Beides hatte ich aufgezeichnet und nach kurzem Ansehen entnervt gelöscht. Das wollte ich nicht sehen.


    Zum Hören gibt es schon gute Aufnahmen. Ich würde auf eine einsame Insel auf alle Fälle eine "Frau ohne Schatten" mitnehmen, denn selbst beim 20. mal Hören kann mann Neues entdecken. Nur nützt das nichts, wenn auf der einsamen Insel keine Steckdose existiert oder der Batterieladen geschlossen hat.


    Es gibt viele Opern und sinfonische Werke, die ich dorthin mitnehmen würde. Allerdings möchte ich da nicht hin, denn außer Batterien dürfte auch der Getränke- und Steakverkauf nicht für meine Befriedigung reichen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es gibt auch Opern, die NICHT nach Märchen entstanden sind?
    Nein, Spaß, Märchenopern sind ein Spezialgebiet von mir.
    Ich lasse jetzt einmal die (hinreißenden) Humperdinck-Opern beiseite, denn da käme man aus dem Aufzählen nicht mehr heraus. Nicht übersehen darf man die italienischen Märchensammlungen, die zu den Gozzi-Dramen führten und von dort zu Puccini und Busoni ("Turandot") und zu Wagner ("La donna serpente" -> "Die Feen"). Das Märchen vom König, der in einen Hirsch verwandelt wird, nützt Hans Werner Henze für "König Hirsch" ("Il er cervo") und die italienische Variante des "Däumling" im "Pollicino".
    Die Orff-Märchenopern sind bereits genannt worden, nicht jedoch die einer ähnlichen stilistischen Sphäre entstammende Oper "Das kalte Herz" von Mark Lothar, einem brillant begabten Komponisten, der sich allerdings den Nationalsozialisten angedient und sich nach 1945 davon nie wieder so richtig erholt hat.
    Das Feld der russischen (oder der slawischen) Märchenoper wäre ein eigener Thread, da muß man eher die nicht auf Märchen fußenden Opern suchen.
    Genau umgekehrt ist es bei den Briten und US-Amerikanern: Weder Volks- noch Kunstmärchen sind prominent in Opern eingegangen. Malcolm Williamson hat aus Oscar Wildes "Glücklichem Prinzen" eine Britten-hörige Kinderkammeroper gemacht, Lukas Foss aus "Griffelkin" eine hübsche Hindemithiade - und wir sind weitestgehend am Ende. Nein, nicht ganz: Erstens muß ich Holst mit dem indischen Märchen "Savitri" nennen. Zweitens den leider fast unbekannt gebliebenen David Selwyn mit einer hinreißenden Oper "Beauty and the Beast": Pate gestanden sind Britten, Strauss, Strawinski und Ravel - aber die Musik ist doch sehr eigenständig, und die Chor-Zwischenspiele, Variationen über "O rosa bella", sind ein Geniestreich. Jetzt fällt mir ein, daß auch Judith Weirs "Blond Eckbert" auf einem Kunstmärchen - von Tieck - beruht.
    Und mit Tieck zurück nach Deutschland und hin zu Günter Bialas mit seinem "Gestiefelten Kater". Udo Zimmermann hat Hacks' Kunstmärchen "Der Schuhu und die fliegende Prinzessin" zu seiner gewiß besten Oper gemacht. Wer weiß, daß Karl "das Kapital" Marx ein Märchen geschrieben hat? - "Meister Röckle und der Teufel" ist herrlich, und das ist auch die gleichnamige Oper von Joachim Werzlau, die klingt, als habe Strawinski sein Märchenspiel vom Soldaten für großes Orchester instrumentiert.
    Und zum Schluß mein persönlicher Favorit (abgesehen von den Orffiaden, natürlich): Nicht von den Grimms, sondern von Otto Philipp Runge stammt das Märchen "Vom Fischer und syner Fru" - Othmar Schoeck hat seine gesamte Farbpalette an harmonischen Hexereien, Instrumentierungskünsten und melodischen Erfindungen vom Volksliedstil bis zur komplexen Kantilene in einer 50-Minuten-Oper zusammengedrängt, die man nur bewundern kann. Aufführen sollte man dieses makellose Meisterwerk natürlich auch.

    ...

  • Nach der Aufzählung nun ein paar prinzipielle Überlegungen.
    Sind Märchen operntauglich?
    Eigentlich weniger?
    Eigentlich mehr?
    Märchen sind im Prinzip Erzählungen, die etwas Archetypisches durch eine Geschichte bebildern oder Vorgänge in der Seele oder in der Natur in eine Geschichte umformen, etwa die Mondphasen im "Mond" der Grimms, den Orff komponiert hat. Das Märchen kümmert sich dabei wenig um Logik oder um Realität, sondern entwickelt eine eigene Welt, in der alles geschehen kann.
    Ist das operntauglich? - Ich kann es nur für mich beantworten. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem singenden pädophilen Fischer und einem singenden Petrus halte ich den singenden Petrus für operntauglicher, obwohl ich Brittens "Peter Grimes" über die Maßen schätze.
    Warum? - Nun: Oper ist eine völlig unnatürliche, in höchstem Maße stilisierte Kunstform. Noch "unnatürlicher" ist allenfalls nur noch das Handlungsballett. Deshalb bin ich bei der Eignung von Stoffen, die Anspruch erheben, realistisch zu sein, von vorneherein skeptisch, wenn man sie als Opernstoff verwenden will. Mir sind da Götter, Helden, Hexen und Drachen lieber. Mythen und Märchen sind für mich die idealen Opernstoffe, gerade weil sie nicht realistisch sind und weil sie es ermöglichen, durch das Libretto bzw. den Komponisten gedeutet zu werden. So hat zB Orff den "Mond" von der Naturerklärung in Richtung Frage nach dem Schicksal und dem Sinn des Lebens verschoben. Der im Grimm-Märchen nur in einem oder zwei Sätzen genannte Petrus wird bei Orff zum Mittelpunkt der humanen Welterklärung, die jene der unabänderlichen Natur ergänzt. Einen derartigen Gestaltungsspielraum hätte man nicht, wenn man sich an eine Dichtung wagt, es sei denn, man traut sich eine Umformung zu - dann aber sollte es, um halten zu können, ein Geniestreich sein wie das "Midsummer Night's Dream"-Libretto von Peter Pears. Ich kenne wenige Opern, die mit Romanen und Stücken einen freien Umgang pflegen und mit ihren Vorlagen gleichziehen können.
    Wie es bei allen Erzählungstypen (ich beziehe da jetzt ausnahmsweise das Drama mit ein, denn es erzählt dem Zuschauer etwas) ist, so sind auch nicht alle Märchen von vorneherein als Opernstoff geeignet. So, wie kaum jemand Manns "Buddenbrooks" veropern wird, Joyces "Ulysses", Musils "Mann ohne Eigenschaften" oder Doderers "Strudelhofstiege", so stellen auch manche Märchen vor Probleme, nämlich alle, die im Prinzip aus Try-and-Error bestehen, also aus wiederholten Handlungen à la "Es waren einmal sieben Brüder...". Inwiefern sprechende=singende Tiere tauglich sind für Opern, die auch Erwachsene begeistern sollen, wage ich nicht zu entscheiden. Bei Wagner, Janácek und Ravel, bei dem ja sogar ein Teekessel jazzt, funktioniert es vortrefflich, und Schoecks Butt stört mich so wenig wie Strawinskis Nachtigall. Würde ich in einer allfälligen Sindbad-Oper eine Arie des Vogel Rokh akzeptieren und in einer Oper "Das Donauweibchen" einen Chor der alten Welse?
    Auf keinen Fall würde ich in einer "Moby Dick"-Oper Mobys Koloraturarie "Was willst du, Ahab, mit deiner Harpun'? / Ich werde dich versenken nun") schlucken, was wieder zeigt, daß selbst in Opern auf der Basis mythisch überhöhter Geschichten nicht alles geht, wenn diese Geschichten im Realismus wurzeln. Denn prinzipiell könnte man durchaus sagen: Warum soll ein Pottwal nicht können, was ein Butt schafft? - Aber der Butt ist eben Märchen und der Pottwal Melvilles Roman. Das Märchen und die Märchenoper können mit allem spielen, was in die Sphäre hineinpaßt (und ein Chor der alten Welse wäre mir sogar allein aus Kuriositätsgründen wilkommen), während die Roman- und Dramenvertonungen am Roman bzw am Drama kleben müssen.
    Soll heißen: Ich halte das Genre Märchen für sehr operntauglich, sofern es nicht aus Wiederholungen bestehende Märchen sind oder solche, die kaum eine Handlung haben und nur durch die Art der Erzählung leben.
    Ob das mit heutigen Mitteln machbar ist, ohne in Romantizismen zu verfallen? - Wilfried Hiller hat im "Goggolori" gezeigt, dass man Märchen auf neue Art erzählen kann, ohne sie zu demontieren oder den schützenden Bereich der Kinderoper aufzusuchen, wo selbst Avantgardekomponisten ihre Lust am C-Dur ausleben können.

    ...

  • Auf der Version von Perrault des Aschenputtel-Märchens beruht auch die Oper "Le Cendrillon" von Jules Massenet. Diese entstand 1899.


    Lieber Orsini!


    Ist "Cendrillon" wirklich eine Märchenoper? Äußerlich natürlich schon!


    Aber trotzdem verstehe ich sie anders! Genau genommen kann man der Märchenerzählung nur folgen, wenn man die Geschichte von Perrault einigermaßen im Kopf hat. Viele für die Handlung wichtige Details kommen bei Henri Cain und Jules Massenet gar nicht vor oder sie haben keine Bedeutung! Librettist und Komponist geht es eigentlich auch um eine ganz andere Konstellation: Sie wollen die berauschte und berauschende Traumwelt Cendrillons dem Publikum ganz offen und unverhohlen als Fluchtmöglichkeit aus der gänzlich äußerlichen, nur dem Genuss ergebenen und schon lange fade gewordenen Wirklichkeit der Belle Époche anbieten!
    In einem ursprünglich vorgesehenen Prolog sollte das Publikum sogar aufgefordert werden, sich aus dem "schwarzen Einerlei der allzu wirklichen Dinge" entführen zu lassen. Am Schluß der Oper wenden sich dann auch alle Darsteller an das Publikum und versichern, "ihr bestes gegeben zu haben, um euch in das schöne Märchenland zu entführen."


    Diese Konstellation wird auch durch die musikalische Struktur und durch die Klangwelten für Wirklichkeit und erträumtes Märchenland beglaubigt. Aber dazu habe ich in einem andere Thread etwas geschrieben.


    Märchenoper?
    Nun gut: Der Stoff stammt aus der Märchenwelt. Aber erzählt wird letztlich was anderes!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Caruso41,


    da ich Cendrillon vor gefühlten Urzeiten nur ein-, zweimal auf CD gehört habe, muss ich erst ein wenig lesen, bevor ich auf Deine Punkte bezüglich Cendrilon eingehen kann. Ab morgen bin ich wieder daheim, das wird eines der ersten Themen! :)


    Wenn ich Deine Antwort aber richtig verstanden habe, triffst Du eine Unterscheidung zwischen einer Märchenoper und einer Oper, die auf einem Märchen beruht. Ist der Unterschied für Dich der, dass eine Märchenoper das Märchen mehr oder weniger eins zu eins wiedergibt (z.B. Hänsel und Gretel), während der andere Typus lediglich die Grundkonstellation übernimmt, diese dafür aber mit anderen (Zeit- oder ähnlichen) Bezügen verquickt (z.B Cendrillon)?


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Zitat

    Sind Märchen operntauglich?


    Lieber Edwin. Genau das war die Frage, die ein Mitglied in einem anderen Thread gestellt hat, und die mich zu diesem 18. Thread in einer mittel erfolgreichen Serie verleitet hat.
    Auch ich bin der Meinung, daß viele Märchen durchaus operntauglich wären. Eigentlich braucht man sie nicht zu "demontieren", eine leichte Bearbeitung genügt oft schon. Manch einer wird da erstaunt aufhorchen, wieso Alfred einer Bearbeitung "zustimmt", wo er doch sonst dagegen ist.
    Nun - die Betonung liegt auf "leichte" Bearbeitung, und außerdem sind die Märchen, die man uns als Kind erzählt hat schon mehrfach "bearbeitet". Zum einen durch die erzählende Person, die Erinnerungslücken geschickt auffüllte, zum andern durch die "Zensur" der Veröffentlicher, man beachte die verschiedenen Versionen derer, die die alten Märchen in eine schriftliche Form gebracht haben. Beispielsweise bei Hänsel un Gretel, wo mich eigentlich wundert, daß heute nicht irgendwelche "Moralisten" fordern es wegen seines Inhalt aus dem Verkehr zu ziehen oder erneut abzuändern, denn eigentlich enthält dieses Märchen alle Elemente eines veritablen Schundromans.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich möchte an dieser Stelle kurz auf ein Zitat aus Wikipedia eingehen, das Alfred in seinem Beitrag 11 gebracht hat:


    Zitat

    Die Oper Rolands Knappen oder Das ersehnte Glück ist Albert Lortzings letzte abendfüllende Oper. Sie ist zugleich hochkomisch und tieftraurig. Mit diesem Werk reagierte der Komponist auf das Scheitern der republikanischen Aufstände von 1848. Lortzing hat offenbar, da sein Text zahlreiche politische Anspielungen enthielt, mit „G.M.“ einen fremden Librettisten vortäuschen müssen.

    Nachdem ich jetzt ein Biografie von Lortzing durchstöbert habe, fand ich bezogen auf "Rolands Knappen" die folgende Stelle:


    Zitat

    Die Dialoge schrieb ihm der befreundete Wiener Schauspieler Georg Meisinger, die Verse verfasste der späterhin als Mitlibrettist der "Fledermaus" bekannt gewordene Karl Haffner.

    Es ist interessant, Haffners Beitrag aus dem zweiten Finale von "Rolands Knappen" mit dem Couplet "Im Feuerstrom der Reben" aus der "Fledermaus" zu vergleichen, dafür ist hier aber nicht der Ort. Ich werde es mir für die "Informationen zum Werk" im Opernführer aufheben...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

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  • Auf keinen Fall würde ich in einer "Moby Dick"-Oper Mobys Koloraturarie "Was willst du, Ahab, mit deiner Harpun'? / Ich werde dich versenken nun") schlucken,


    You've made my day :hahahaha:


    Ich fand Deine Beiträge sehr aufschlußreich. Allerdings bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich es genau anders mag als Du: Realistische Stoffe sind mir als Grundlage von Opern weitaus lieber als Märchen im engeren Sinne.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Ohne Zweifel ist "Aschenputtel" (bei Grimm und "Aschenbrödel" bei Bechstein) ein Märchen (und die Bartoli bietet mit ihrer Stimme hier ein Feuerwerk, das abermals ein Märchen ist). Insofern kann dieses musikalisch einmalige Stück hier genannt werden...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Ohne Zweifel ist "Aschenputtel" (bei Grimm und "Aschenbrödel" bei Bechstein) ein Märchen (und die Bartoli bietet mit ihrer Stimme hier ein Feuerwerk, das abermals ein Märchen ist). Insofern kann dieses musikalisch einmalige Stück hier genannt werden...


    Deshalb ist das Werk ja auch schon im Beitrag #6 genannt worden.


    Die Oper "Le Cendrillon" von Jules Massenet ist aber wirklich ganz was anderes!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • In meiner Schulzeit hat der damals rührige Musiklehrer für eine Jubiläumsfeier "Der Igel als Bräutigam" (Oper für große und kleine Leute in fünf Bildern) von Cesar Bresgen mit Schülern inszeniert. Ich weiß nicht mehr zu sagen, ob gekürzt wurde, aber ich weiß (und ein Bild aus den Kindertagen beweist es), dass ich dabei war und dass es ein Heidenspaß war. Das Libretto schrieben Ludwig Andersen (mit Pseudonym Ludwig Strecker) und Bresgen nach Motiven von „Hans mein Igel“ der Gebrüder Grimm. Das Werkwurde am 13. November 1951 in Nürnberg uraufgeführt. Außer dem Notenbuch habe ich keine Einspielung finden können...


    .


    MUSIKWANDERER

  • Deshalb ist das Werk ja auch schon im Beitrag #6 genannt worden.

    Das, lieber Caruso, habe ich total verdrängt. Vor einigen Tagen hatte ich das Stück selber auf dem Schirm, doch Alfred kam mir zuvor und diese Tatsache war mir entfallen. Mea culpa!
    Ich wollte meinen Beitrag streichen, aber dann wäre Dein Hinweis unverständlich - also lasse ich es als Hinweis auf Bartoli stehen....


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Wenn ich Deine Antwort aber richtig verstanden habe, triffst Du eine Unterscheidung zwischen einer Märchenoper und einer Oper, die auf einem Märchen beruht. Ist der Unterschied für Dich der, dass eine Märchenoper das Märchen mehr oder weniger eins zu eins wiedergibt (z.B. Hänsel und Gretel), während der andere Typus lediglich die Grundkonstellation übernimmt, diese dafür aber mit anderen (Zeit- oder ähnlichen) Bezügen verquickt (z.B Cendrillon)?


    Ja, lieber Orsini,
    das hatte ich so etwa im Kopf. Aber allzu trennscharf ist der Unterschied bei den konkreten Opern eigentlich kaum. Immerhin für "Cendrillon" würde ich eigentlich schon behaupten, dass das keine Märchenoper ist. Aber das hatte ich ja schon begründet!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • lieber Caruso41,


    Ich habe jetzt nochmal das Perrault'sche Original (dank Projekt Gutenberg) und das Libretto gelesen. Die Unterschiede sind meiner Meinung nach eher marginal und nicht die Handlung wesentlich verändernd (aus der Kürbis/Mäuse-Kutsche wird eine von Elfen gezogene Kutsche, der zweite Ballbesuch entfällt im Sinne einer Straffung der Handlung). Neu hinzu gekommen ist das Todessehnen der Cendrillon im 3. Akt. Das empfinde ich aber als eine romantisierende Überhöhung, um die Dramatik etwas zu steigern.


    Das Booklet meiner CD-Aufnahme bietet die folgende Erklärung:

    Zitat

    Die Verbindung von Mensch zu Mensch ist außerhalb der täglich erfahrenen Wirklichkeit, außerhalb der eigenen zerspaltenen Welt zu suchen und - vielleicht - zu finden. Selbstisolierung und Flucht aus dem angestammten, doch dissoziierten Lebensraum - so könnte man die Verhaltensweisen Cendrillons und des Prinzen deuten und die mit Märchenattributen verbrämte Geschichte in ihrer zeitbezogenen Thematik freilegen. (K. D. Gräwe in der CBS-Aufnahme)


    Hier wird für mich etwas mit dem Wissen und den Ansichten des ausgehenden 20. Jahrhunderts interpretiert (wenn auch vorsichtshalber nur im Konjunktiv), was so möglicherweise im Libretto nicht intendiert ist/war oder aber genauso gut für das Originalmärchen gilt...


    Fazit: Deine Feststellung, dass der Unterschied zwischen einer Märchenoper im engeren Sinne und einer im weiteren Sinne nicht allzu trennscharf ist und es eher einen mehr oder weniger breiten Graubereich anstelle von reinem Schwarz-weiß gibt, ist ein Statement, das ich gut unterschreiben kann. Die Grenze mag jeder für sich ein klein wenig anders ziehen.


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Hallo,

    gestern fand in Hildesheim eine szenische Aufführung von Engelbert Humperdincks "Dornröschen " statt, und ich habe es im letzten Moment noch geschafft, Karten zu bekommen. Meine Erwartungen waren nicht überragend hoch, also war es nicht allzu schwer , sie zu übertreffen. Das gelang allerdings gut. Die Musik, die ein wenig mehr an "Königskinder" als an Hänsel und Gretel erinnert, ist durchaus hörenswert, es gibt einige sehr schöne Stellen, die mich ernstlich fragen lassen, warum das Stück auch auf Tonaufnahme nur ein einziges Mal erschienen ist. Ein Problem sind die langen gesprochenen Dialoge, die nicht gerade Gipfelpunkte der Dichtung darstellen, außerdem wurden sie nicht auf der Bühne gesprochen, sondern kamen vom Band, was das Innenleben der Figuren verdeutlichen sollte, naja, wenn das denn sein muß. Gerade dieser Tatsache waren wohl auch die paar Buhrufe geschuldet.

    Die Handlung hält sich eng an das Grimmsche Märchen, was natürlich eine große Personenzahl (allein die 13 Feen) erfordert. Abendfüllend ist das nicht, und deshalb lassen Humperdinck und seine Librettistinnen den Prinzen in den Himmel aufsteigen und Sonne, Mond und Sterne nach dem Dornröschenschloß befragen. Das ist hübsch anzusehen, auch hübsch musiziert, zieht sich aber ein wenig und wirkt aufgesetzt. Das sehr junge Hildesheimer Ensemble ist mit großer Spielfreude und gesanglicher Präsenz dabei, das Orchester läßt die Schönheiten der Partitur durchaus transparent durchklingen. Dem Publikum hat es insgesamt gefallen, und auch ich bereue diesen Ausflug in die vergessene Oper nicht. Vielleicht erlebt die Oper ein Revival, zumindest als Kinderoper, wofür sie sich sicher eignet. Doch nicht nur dafür.

    Schöne Grüße

    wega

  • Hans Christian Andersen hat mit einem seiner Kunstmärchen die Vorlage zu einer der sieben Opern von Charles Villiers Stanford (1852-1924) geliefert:


    The Travelling Compagnion



    Der Reisekamerad


    Der Inhalt: Der Vater des armen Johannes liegt im Sterben und verabschiedet sich mit den Worten „Du warst ein guter Sohn, Johannes!“ von seinem geliebten Sohn. Da der Rest seiner Familie bereits verstorben ist, ist Johannes auf sich allein gestellt und muss das Haus seines verstorbenen Vaters verlassen. Unterwegs trifft er einen alten Kameraden mit wundersamen Kräften. Johannes erfährt durch ihn von einer schönen Prinzessin, die verhext sein soll. Johannes will das Rätsel um die Königstochter lösen und sie von ihrem Fluch befreien. Um dies zu tun, muss man drei Prüfungen bestehen. Als Belohnung für denjenigen, der es schafft, die Prinzessin zu entzaubern, verspricht der König den Thron und die Hand seiner Tochter. In der Nacht vor der Prüfung träumt Johannes, dass sein Reisekamerad ihm die richtigen Antworten zuflüstert. Im Schloss beantwortet er die Fragen allesamt richtig, und die Prinzessin ist erlöst. Der König löst sein Versprechen ein: Johannes wird Thronfolger und ehelicht seine Tochter.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928