LORTZING, Albert: ROLANDS KNAPPEN

  • Albert Lortzing (1801-1851):


    ROLANDS KNAPPEN
    Märchenoper in drei Akten nach Johann Karl August Musäus
    Gesamtkonzeption vom Komponisten, Dialoge von Georg Meisinger, Verse von Karl Haffner


    Uraufführung am 25. Mai 1849 im Stadttheater Leipzig



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Die Königin der Berge und des Gnomenreiches - Mezzosopran
    Garsias, König von Leon - Bass
    Isalda, seine Tochter - Sopran
    Tutatu, ein Prinz aus China - Tenor
    Andiol, Amarin und Sarron, Knappen in Rolands Diensten - 2 Tenöre, Bass
    Ein Jäger - Tenor
    Chor, Statisterie: Hofstaat, Page, Tänzer und Tänzerinnen, Jagdgefolge, Krieger, Gnomen, Volk, Erdgeister


    Märchenwelt, Spanien um 778.



    INHALTSANGABE nach einer Bearbeitung des Original-Librettos von Georg Richard Kruse


    ERSTER AKT
    Grausige Felsengegend in der Nähe von Astorga bei Nacht; Blitz und Donner.


    Die Knappen Andiol, Amarin und Sarron haben sich aus der Schlacht bei Roncevalles* (bei der der Ritter Roland den Tod fand) retten können; sie irren ziellos umher und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Trotz des Gewitters beschließen sie, vor Ort zu übernachten und am nächsten Tag alles weitere zu besprechen. Als das Gewitter sich verzogen hat und sie fast eingeschlafen sind, wünscht sich Andiol plötzlich eine gute Fee, die ihnen aus der Not helfen möge. Sarron nimmt den Faden auf und meint, sie müsste vor allen Dingen zunächst eine gute Mahlzeit, dann aber auch einen Haufen Geld bereitstellen, um ihnen einen guten Neustart zu ermöglichen. Der Gedanke an viel Geld beflügelt Andiol: Er erwähnt seinen Traum, mit reichlich Geld versorgt viele Länder zu bereisen und die Menschen kennen zu lernen. Dieses Thema macht auch Amarin munter: Er würde den Reichtum nutzen, um jene Schöne zu suchen, in die er sich verliebt hat. Den erstaunt blickenden Kameraden erklärt er, dass ihm bei der Verteidigung jenes Klosters bei Zamora ein wunderschönes Mädchen aufgefallen sei, mit der er sich angefreundet und dann sogar Treueschwüre ausgetauscht habe. Eines Tages war sie jedoch ohne eine Erklärung verschwunden - und er kannte nicht einmal ihren Namen, hatte nie danach gefragt...
    *Roncevalles (baskisch Orreaga) liegt in der autonomen spanischen Region Navarra in den Pyrenäen am Fluss Urrobi. Bekannt ist der Ort, weil er einerseits als wichtige Pilgerstation auf dem Jakobsweg gilt, andererseits aber auch durch die Schlacht vom 15. August 778 in die Geschichte einging. Dabei erlitt die Nachhut der Truppen Kaiser Karls des Großen unter der Führung von Ritter Roland durch die örtlichen Vaskonen eine Niederlage, was als historische Grundlage für das Rolandslied gilt.


    In diesem Moment erschüttert ein Donnerschlag die Szene; die drei zucken zusammen und sehen auf den sich teilenden Felsen im Hintergrund: Dort steht, umgeben von Geistern und Gnomen, die Königin der Berge.


    Sarron fängt sich als erster und bittet seinen Freund Andiol, der ein loses Mundwerk besitzt, mit der Erscheinung zu reden. Aber die geheimnisvolle Gestalt sagt, dass sie schon alles wisse und auch helfen will, aber nur unter Bedingungen: Sie müssen sich Prüfungen unterziehen und dürfen Abenteuern aller Art nicht ausweichen. Nach Abenteuern aber ist es dem heimwärts drängenden Sarron nicht zumute, folglich will er aussteigen und Andiol fühlt sich überrumpelt und schweigt, nur Amarin verspricht, dass sie sich den Bedingungen unterwerfen wollen. Das akzeptiert die Bergkönigin und auf ihren Wink hin übergibt ein Gnom Amarin einen ledernen Beutel, Andiol ein Käppchen und Sarron ein weißes Tuch -Talismane sollen es sein. Die drei bedanken sich, und die Königin schiebt plötzlich noch die Forderung nach, dass sie sich trennen müssen, damit sich ihre jeweiligen Wünsche erfüllen können. Als eine Art "Beruhigungspille" behauptet sie, dass sie sich wiedersehen werden, sobald die Wünsche erfüllt wurden. Ein erneuter Wink der Bergkönigin lässt drei ihrer Gnome vortreten und jedem der Knappen einen Becher überreichen, den sie leeren sollen. Der Trank wird sie in einen Schlaf versetzen und "von dannen" bringen; irritiert befolgen die drei die Anweisung und fallen sofort in einen Tiefschlaf.


    Während einer Verwandlungsmusik schließt sich der Felsen wieder; die Bühne verwandelt sich in einen Wald mit freier Aussicht auf eine reizende Gegend. In der Ferne eine Jagdfanfare. Die Knappen kommen langsam zu sich.


    Sie blicken sich erstaunt um und rätseln: Träumen sie oder ist es Wirklichkeit? Der Blick auf die Talismane beweist, dass sie nicht träumen. Was aber mag es mit den Geschenken auf sich haben? Sarron überlegt beispielsweise, ob das weiße Tuch vor ihm die Windel für sein jüngstes Kind sei, um dann plötzlich, wie die Freunde auch, mit weit aufgerissenen Augen zu sehen, wie sich unter dem ausgebreiteten Tuch ein opulent gedeckter Tisch erhebt. Der kommt den hungrigen Knappen gerade recht und während sie Tafelfreuden genießen, versuchen auch Andiol und Amarin hinter das Geheimnisse ihrer Geschenke zu kommen - erfolglos. Enttäuscht steckt Amarin das Geschenk in seine Tasche und man beratschlagt das weitere Vorgehen - es läuft, darin besteht Einigkeit, auf Trennung hinaus. Plötzlich spürt Amarin "Gewichtiges" in seiner Tasche und zieht dann einen prall gefüllten Geldbeutel heraus, und noch einen zweiten und noch einen dritten. Großzügig gibt er den Kameraden Beutel ab. Nur Andiol ist mit seinem Geschenk unzufrieden, denn sein Käppi zeigt keine irgendwie geartete Wirkung. Als aus der Ferne plötzlich Hörnerklang zu hören ist, denken die drei zunächst an angriffslustige Sarazenen, machen sich dann aber schnell klar, dass eine Jagdgesellschaft im Wald unterwegs ist. Sie verabschieden sich mit guten Wünschen und jeder geht seines Weges.


    Mit einem näher kommenden Jägerchor treten König Garsias von Leon mit Gefolge und der Prinz Tutatu aus China auf die Szene. Der König ist von der Jagd müde und möchte sich bei "Speis' und Trank" ausruhen. Ein Jagdgehilfe erinnert ihn daran, dass sich der Obermundkoch nach einer Verfehlung aus Angst vor Züchtigung abgesetzt hat und man am Morgen auf Nahrung bei der Jagd vergessen habe. Garsias fordert das Personal auf, aus dem "nahen Quell" wenigstens Wasser zu holen. Unterdessen muss Garsias seinen Gast Tutatu wegen dessen unerfüllter Liebe zu Isalda, der Königstochter, beruhigen: Deren verstorbene Mutter hat verfügt, dass ihr Kind bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr in "klösterlicher Einsamkeit erzogen" werde, dann aber nur "nach ihrer Neigung" heiraten darf. Auch wenn es ihm, dem König, nicht gefällt, muss er den Willen seiner verstorbenen Gattin akzeptieren; hinzu kommt, dass Isalda inzwischen selbstbewusst geworden ist und sich nichts mehr vorschreiben lassen wird, auch von ihm als Vater nicht. Für Tutatu hat Isaldas Zurückhaltung ihm gegenüber jedoch einen anderen Grund: Sie hat einen anderen Mann "in ihrem Herzen"! Das kann sich Garsias nicht vorstellen, denn sie war ja in einem Kloster.


    Jetzt kommen die Diener von der Quelle zurück, haben aber nicht nur Wasser, sondern auch noch Sarron dabei. Sie beschuldigen ihn vor dem König der "Fopperei" und Sarron muss sich erklären: Er hat an der Quelle gesessen, einen guten Tropfen in seinem Becher gehabt und den Dienern aus Freundlichkeit davon zu trinken gegeben. Und die waren, weil sich der Becher immer wieder neu füllte, zunächst konsterniert, beschuldigten ihn dann sogar der Zauberei, verlangten schließlich einen Schankerlaubnisschein (von dem er noch nie etwas gehört hat) und führten ihn hierher. Der König hat mit spitzen Ohren zugehört und möchte selbst sehen, was es mit Sarrons Kunststück auf sich hat. Der bietet neben Getränken auch noch ein opulentes Mahl an (was von allen jubelnd begrüßt wird), verlangt aber, dass sich alle abwenden (was auf des Königs Geheiß alle befolgen). Sarron legt das Tuch an mehreren Stellen aus und es kommen die wundervollsten Speisen und Getränke hervor. Unnötig zu erklären, dass alle von dem Anblick des Festmahles erst sprachlos sind, sich dann aber, der König voran, das Mahl munden lassen. Für die hervorragende Bewirtung wird Sarron vom König belobigt und als Oberleibkoch und Mundschenk am Hof angestellt. Der erste Akt endet mit einem Loblied auf den König, auf Sarron und die Tafelfreuden.



    ZWEITER AKT
    Ein prachtvoller Saal mit Aussicht auf reizende Gartenanlagen.


    Isalda ist mit ihren Freundinnen, die sie mit Gesang und Tanz unterhalten möchten, unzufrieden; die Lieder und Tänze stören ihre Trauer um „den verlorenen Heißgeliebten“, doch die Mädchen geben so schnell nicht auf.


    Andiol hat inzwischen das Geheimnis seines Geschenks herausgefunden: Wenn er sich das Käppi aufsetzt, wird er unsichtbar. Und so hat er sich unter die Mädchen in Isaldas Zimmer gemischt und neckt sie mit Küssen und Streicheln - was bei denen zu Irritationen führt. Als er dann sein Käppchen abnimmt, rennen die Mädchen schreiend in verschiedene Richtungen auseinander.


    Andiol entschuldigt sich bei Isalda und den Gespielinnen für seine Neckereien und stellt sich vor: Der König hat ihn engagiert, um Isalda mit Erzählungen über seine Weltreisen aufzuheitern. Er fügt listig hinzu, dass er viel von der Welt gesehen habe (beispielsweise mit einem Eisbären auf Brüderschaft getrunken hat), dass er aber nirgends so hübsche Mädchen sah, wie hier in Garsias' Leon. Bevor Andiol nun mit seinen heiteren Erzählungen beginnen kann, kommt der König hinzu und schickt alle hinaus, weil er mit Isalda privates zu besprechen habe. Andiol aber kommt mit seinem Käppchen auf dem Kopf, folglich für Vater und Tochter unsichtbar, zurück und stellt sich ungeniert zwischen die beiden. So bekommt er Garsias Standpauke für Isalda mit: Er und sein Staat sind klamm und die Berater empfehlen, dass Isalda reich heiraten solle, um das Problem zu lösen. Sein Vorschlag wäre ja der unermesslich reiche Prinz Tutatu mit seinen 6832 Ahnen, doch Isalda weist den Vater auf der Mutter Wille hin und lehnt ab. Garsias hat diese Antwort erwartet und er schaltet sofort um: Ja, das weiß er natürlich (wenn er es auch nie goutiert hat), aber nun ist ein neuer Bewerber um ihre Hand aufgetaucht, Prinz Childrich aus karolingischem Haus. Garsias schickt Isalda in ihr Zimmer und bittet sie, dort zu warten, bis er sie rufen lässt. Isalda gehorcht und auch Garsias geht ab.


    Als Andiol alleine auf der Szene ist, äußert er sich in einer großen Solonummer - Rezitativ und Arie - begeistert über sein Geschenk: Endlich kann er die Torheit der Menschen betrachten, kann ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagen und mit Hilfe der Kappe auch schnell verschwinden, wenn ihm einer unangenehm kommt. Die Welt und viele ihrer Bewohner sind Narren und er gehört zu ihnen, denn „ein Glück ist's, Narr zu sein!“


    Nun wird es pompös: Der König kommt mit dem gesamten Hofstaat auf die Szene und der Chor der Bediensteten stimmt einen Lobgesang* auf den Herrscher, das Land und den hohen Besuch des Prinzen Childrich an. Garsias heißt danach den Besucher mit freundlichen, und Stolz über die Ehre des Besuchs vermittelnden Worten willkommen. Ohne Umschweife kommt er zum Punkt: Er möchte dem werten Gast das „kostbarste Kleinod seines Königreiches“ vorstellen - und er will es persönlich holen! Weil ihm der gesamte Hofstaat folgt, steht Childrich (hinter dem sich kein anderer als Amarin verbirgt) plötzlich allein auf der Szene. Das ist natürlich eine Unhöflichkeit, gibt der Handlung aber einen Schub, denn jetzt treten Andiol und Sarron auf und nach kurzem, ungläubigem Staunen fallen sie sich in die Arme. Natürlich erzählen sie sich ihre bisherigen Erlebnisse - vor allen Dingen Andiol ist stolz, dass er hinter das Geheimnis seines Talismanns gekommen ist.
    (*lt. Libretto kann alternativ zu diesem Chor der kurze Marsch, der beim Abgang des Königs mit seinem Hofstaat erklingt, gespielt werden.)


    Da kommt Garsias mit dem Prinzen Tutatu im Schlepptau zurück. Als sei ihm bewusst geworden, dass er sich seinem Gast gegenüber unhöflich benommen hat, bittet er ihn für seine Abwesenheit um Entschuldigung, ergänzt dann aber mit Stolz in der Stimme, dass seine Tochter Isalda sich auf eine Bekanntschaft mit ihm freut. Als er ihm dann Tutatu vorstellt, warnt Andiol Amarin leise vor dem Chinesen, den er inzwischen als hinterhältig ansieht. Tatsächlich enthält der folgende Dialog zwischen Tutatu und Amarin einige Spitzen, was nichts Gutes erahnen lässt. Garsias scheint das zu spüren, denn er unterbricht das Gespräch und befiehlt seinem Majordomo, Childrich durch die Burg zu führen. Amarin gibt den Freunden ein Zeichen, ihm zu folgen.


    Mit dem König nun allein auf der Szene kommt der wahre Tutatu zum Vorschein: Er hat gehört, dass die Truppe wegen ausbleibendem Sold murrt. Garsias, dem eine große Redekunst zu eigen ist, glaubt, dass er seine Leute mit einer Rede wieder in die Spur bringen kann. Tutatu macht nun einen thematischen Sprung und schwärzt Childrich als Abenteurer und Betrüger an. Man hat ihn, erklärt er dem verdutzten Garsias, nämlich im Gasthaus belauscht und so mitbekommen, dass er einen Talismann besitzt, der „Gold in Hülle und Fülle“ hervorzaubern kann. Das hört Garsias mit Freude, denn das ist genau der Mensch, den er so dringend benötigt! Und sollte er sich um Isaldas Hand bewerben, wird man ihn natürlich der „Ahnenprobe“ unterziehen, die, fällt sie nachteilig aus, zu seiner Ausweisung, aber mit Einzug des Talismanns führt.


    Im Finale treffen sich Isalda und Amarin im Beisein des Königs und seines Hofstaates, erkennen sich überglücklich und freuen sich auf die gemeinsame Zukunft - bejubelt von allen Anwesenden. Doch Garsias verlangt von Childrich den Ahnennachweis und der angebliche Prinz muss nun die Wahrheit bekennen: Er ist „in Niedrigkeit geboren“ und verdankt sonst alles seinem Schwert und seinem Mut. Aber er ist zu Isalda in Liebe entbrannt und will sie glücklich machen. Dem ist aber Garsias vor, denn das „verbrecherische Treiben“ kennt nur den Kerker, nicht die Heirat mit der hochgeborenen Tochter! Aber - Garsias führt seinen Plan aus - vor dem Kerker und dem sicheren Tod kann ihn die Herausgabe des geheimnisvollen Beutels bewahren. Amarin wirft den Beutel wütend dem König vor die Füße, und fordert damit die Freunde Andiol und Sarron zu heftigem Widerspruch heraus. Die Erkenntnis, dass sich die drei kennen, lässt Garsias die Wache rufen und ihr die Verhaftung der Freunde befehlen.


    In diesem Moment wird hinter der Szene großer Lärm laut und Soldateska kommt mit viel Volk herein und verlangt sofort den ausstehenden Lohn. Garsias probiert den Talismann aus und wirft aus seinen Taschen einen vollen Geldbeutel nach dem anderen hervor in die Menge. Es herrscht über diesen Geldsegen großer Jubel. Andiol, der sich inszwischen sein Käppi aufgesetzt hat und dadurch unsichtbar wurde, spricht Amarin und seinen Freunden Mut zu...



    DRITTER AKT
    Eine große Palasthalle.


    In einer großen Solonummer dankt König Garsias dem „Lenker der Staaten“, dass er zum Wohle des Herrschers und seines Reiches eine schmähliche Lage befriedet hat. Zukünftig möchte er mit dem Gold aus Amarins Beutel seinem Volk das Leben erleichtern, will die Kunst fördern, ist aber auch selbst an einem guten Leben interessiert. Sarrons Wunder-Tischtuch wird immer für einen gut gefüllten Tisch sorgen. Aber: Leider fehlt ihm noch der dritte Talismann, der ihn unsichtbar machen kann - mit all den grandiosen Möglichkeiten.


    War es geheimnisvolle Gedankenübertragung, dass Prinz Tutatu genau in diesem Moment jenen dritten Talismann bringt? Leider zeigt er keine Wirkung, wie Garsias das Käppchen auch dreht und wendet - Prinz Tutatu gibt immer an, dass Majestät sichtbar ist. Das aber muss doch einen Grund haben, meint Tutatu, und denkt laut, dass es möglicherweise einen (noch geheimen) Code gibt. Man müsste Andiol rufen lassen und ihm die Freiheit versprechen, wenn er das Geheimnis verrät. Tutatu rät Garsias, auch Amarin und Sarron rufen zu lassen, denn es könnte sein, dass alle drei von Wichtigkeit sind. Die beiden gehen ab, um die Sache voranzutreiben.


    Nun treten Andiol, Sarron und Amarin auf. Andiol berichtet, dass er in einer Grotte versteckt und deshalb bisher in Freiheit war. Wichtiger ist aber sein Hinweis, dass ihm dort die Bergkönigin erschien und ihn aufforderte, Isalda aus der Burg zu holen und in diese Grotte zu bringen. Das hat er zwar getan, aber dann tauchte plötzlich Prinz Tutatu mit Soldaten auf und man verhaftete ihn. Aber: Er hat beim Prinzen sein Käppi gesehen; der muss es ihm während des Schlafes gestohlen haben! Und: Als sich man sich Isaldas bemächtigen wollte, war sie verschwunden. Diese Aussage reißt Amarin aus seiner Lethargie; er äußert seine schlimmsten Befürchtungen. Die Freunde sind dagegen wegen der Bergkönigin guten Mutes und beruhigen Amarin. Andiol fängt sich und will aktiv werden: Er muss an seinen Talisman kommen, denn wenn er den hat, hat er auch die beiden anderen!


    Mit dem Auftritt des Königs wird es nun spannend: Der hat Andiols Käppchen in der Hand und verlangt die Handhabung zu wissen. Andiol ist bereit, gegen die Gnade der Freiheit für ihn und seine Freunde das Geheimnis preiszugeben. Nach Garsias' Zusage der Freiheit (aber nur für ihn!) geht Andiol nach kurzer Überlegung darauf ein, und behauptet, dass man das Käppchen beim Aufsetzen drehen muss. Garsias probiert es aus und die drei markieren die Erstaunten und sagen, er sei nicht zu sehen. Andiol ist frei und Garsias verspricht auch Sarron und Amarin die Freiheit, wenn sie ihm ihre Talismane überlassen. Bevor es dazu kommt, treten einige Höflinge ein und stellen die Knappen bloß: Der Herrscher ist sichtbar! Garsias will sich gerade empören, da kommt Prinz Tutatu mit der Nachricht, Prinzessin Isalda sei verschwunden. Sofort sind die drei Betrüger vergessen und Garsias befiehlt, einen Suchtrupp zusammenzustellen. In dem Durcheinander kann Andiol sein Käppchen, Sarrons Tuch sowie Amarins Beutel an sich zu bringen, und jetzt wieder unsichtbar, die Anwesenden zum Narren zu halten. Garsias lässt Sarron und Amarin festnehmen und ihre Aburteilung auf später verschieben, denn jetzt gilt es vordringlich, Isalda zu suchen!


    Verwandlung
    Eine finstere Felsenhöhle.


    Isalda klagt über ihre Lage - sie weiß nicht, wo sie ist, wie sie herkam und wie es weitergehen soll. Ihre Stimmung hellt sich auf, als Andiol ihr die Nachricht bringt, dass der Jüngling, der „Eurem Herzen teuer ist“ bald wieder bei ihr sein wird.


    Gnome steigen aus Klüften empor, wälzen Steinbrocken vor sich her und leuchten mit Lampen die Bühne aus. Hinter den Kleinen wird plötzlich Amarin sichtbar und die Gnome verschwinden.


    Die Verliebten fallen sich in die Arme und besingen ihre Wiedersehensfreude, werden aber durch Andiols Ankündigung, dass Freund Sarron nahe, unterbrochen. Das Quartett freut sich über das Ende der Leiden und preist die Bergkönigin als Beschirmerin der Bedrängten. Andiol übergibt den Freunden ihren Talisman, und Sarron breitet sofort das Tuch auf der Erde aus, doch bleibt die erwartete Wirkung aus. Andiol setzt daraufhin sein Käppchen auf - und muss von den Freunden hören, dass auch dessen Wirkung ausgeblieben ist. Zum Wundern bleibt keine Zeit, da plötzlich Garsias mit Trupp und Prinz Tutatu auf die Szene kommen. Garsias legt sofort mit einer Wutrede los: Das verschenkte Gold hat sich in Blei verwandelt und einen Aufstand ausgelöst. Amarin soll sofort den Zauber lösen, andernfalls ist er noch hier des Todes. Die drei gestehen kleinlaut, dass ihnen die Zaubermacht genommen wurde, sie nicht mehr helfen können; er muss selbst sehen, wie er sein Problem löst. Das wird er tun, meint Garsias, und die erste Amtshandlung wird sein, Amarin vom Leben zum Tode zu befördern. Und auch die beiden anderen...


    Ein Donnerschlag lässt die Erde erzittern, den Felsen im Hintergrund sich spalten und die Steine erglühen. Die Königin der Berge wird, mit großer Pracht umgeben, und ihrem Gnomenhofstaat sichtbar.


    ...sollen des Todes sein, doch die geheimnisvolle Erscheinung lässt alle erschrocken innehalten. Und die Bergkönigin gebietet sofortigen Frieden, verjagt mit gestrengen Worten Garsias und sein Gefolge (das nach allen Seiten hin flieht), nimmt den drei Knappen die Talismane ab, die ihren Dienst erfüllt haben und entlässt sie „zu den Eurigen“, um dort das Glück zu finden.


    Verwandlung
    Die Bergkönigin und ihre Gnome verschwinden, die Felsenhöhle stürzt in sich zusammen und gibt den Blick auf eine blühende Landschaft frei. Der Chor und Statisten füllen die Bühne, zeigen sich dabei mit den unterschiedlichsten Arbeiten beschäftigt, so dass das Ganze ein recht großes bewegliches Tableau bildet.


    Der Finalchor mit vollem Orchester ist ein Loblied auf das Vaterland:

    O süße Heimatlüfte -/Wie weht ihr doch so mild,
    Wie labet ihr, o Düfte,/Vom heimischen Gefild!
    Was auch auf fernen Wegen/Das Herz für Freude fand,
    Es gibt den reichsten Segen/Doch nur das Vaterland.
    Ob höhrer Glanz und Schimmer/Die Fremde gleich erhellt,
    Die Heimat bleibt doch immer/Der schönste Ort der Welt.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    1848 hatte Albert Lortzing seinen Posten als Kapellmeister am Theater an der Wien durch den Bankrott von Direktor Pokorny verloren. Der Komponist, Schauspieler und Kapellmeister klagte seinem Freund Philipp Reger, dass man ihm „drei Monatsgehälter und ein Benefiz“ schuldig sei, er aber nicht mehr darauf hoffen könne. Unter diesen Umständen war an eine Uraufführung der fast vollendeten Oper „Regina“ nicht zu denken. Und Lortzing hatte bereits eine neue Opernarbeit begonnen: „Rolands Knappen oder Das ersehnte Glück“. Das Sujet hatte er in der Sammlung von deutschen Volksmärchen von Karl August Musäus (einem Onkel von August von Kotzebue) gefunden, das sich mit dem „Rolandslied“ befasste.


    Der historische Hintergrund ist in dem Pyrenäenfeldzug von Kaiser Karl (dem Großen) im Jahre 778 zu sehen, der nach einem Kampf gegen Mächtegruppen in jenem Landstrich zunächst nach einem Sieg aussah, tatsächlich aber nach dem Abzug des Kaisers und seinem Heer mit Angriffen aus dem Hinterhalt der dort ansässigen Vaskonen weiter ging. Der Neffe des Kaisers, Roland, eingesetzt als Statthalter in Saragossa, verlor dabei sein Leben, während die drei Knappen fliehen konnten.


    Die Gesamtkonzeption des satrischen Stückes entwickelte Lortzing selber, die Dialoge schrieb ihm der befreundete Wiener Schauspieler Gorg Meisinger, die Verse (der später als Mitlibrettist der „Fledermaus“ bekannt gewordene) Karl Haffner. Im Unterschied zur literarischen Vorlage, in der die Knappen erneut in den Krieg ziehen, um den Tod Rolands zu rächen, hat Lortzings Oper einen glücklichen Ausgang. Das Werk bekam den Titel einer „frei bearbeiteten“ komisch-romantischen Zauberoper, doch ist das Romantische nur der Rahmen für ein durchaus handfestes Geschehen: Hier die kecken, einander verschworenen Abenteurer, dort der König und sein chinesischer Paladin, die den Knappen letztlich unterlegen sind. Der Held des Stücks, als Hosenrolle für Sopran geschrieben, ist Andiol, dessen Tapferkeit, Mut und Wahrheitsliebe als Pendant zum „närrischen König Garsias“ letztlich die Freiheit für seine Freunde und Isalda erzwingt. Im „Narrenkostüm“ kann er es als einziger wagen, für die Wahrheit einzutreten und sie auch laut zu äußern. Lortzing und seine textlichen Mitautoren gehen auch Preußens König Friedrich Wilhelm IV., der hämisch die deutsche Kaiserkrone zurückwies, direkt mit Andiols Worte an:

    Jener bahnt zu seinem Throne sich durch Blut und Graus.
    Jenem bietet man die Krone, doch er dankt und schlägt sie aus. […]
    Und das soll eine Weltordnung sein!
    Nein, nein, nein - nein, nein, nein!
    Es ist die Welt, gesteht es nur, ein großes Narrenhaus.“


    Nach der trotz aller Widrigkeiten am 7. Februar 1849 im Josefstädtischen Theater erfolgten Aufführung seiner Oper „Der Großadmiral“ fuhr Albert Lortzing nach Leipzig, wo am 25. Mai 1849 gemäß einer Vereinbarung mit dem Theaterdirektor Rudolph Wirsing die Uraufführung von „Rolands Knappen“ unter der Leitung des Komponisten über die Bühne ging. Das für Lortzing sicherlich wichtige Ereignis traf aber mit den politischen Gegebenheiten im Lande zusammen und das damalige Publikum hat möglicherweise den direkten Bezug zwischen der aktuellen Lage und der Opernhandlung verstanden. Um die Aufführung nicht zu gefährden musste das Libretto allerdings auf Druck der Zensurbehörde (der die Brisanz des Textes sicher nicht entgangen war) „entschärft“ werden.


    Für Lortzing war „Rolands Knappen“ ein wichtiger Erfolg: Er schrieb, dass fast jede Nummer „stürmisch applaudiert“ wurde und er mit allen Mitwirkenden nach jedem Akt vor den Vorhang gerufen wurde. Noch wichtiger war jedoch, dass er mit Theaterdirektor Wirsing den Vertrag mit „800 Taler“ Gage über ein Engagement als Kapellmeister schließen konnte. Daß es dann letztlich zu einem Vertragsbruch durch Wirsing kam, weil Lortzings Leipziger Gegner nicht untätig waren (für ihn hätte nämlich der dort beliebte Kapellmeister Rietz gehen müssen) und seine Bestallung hintertrieben, ist ein weiterer Schlag in des Komponisten an Niederlagen reichem Leben, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden.


    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2017
    unter Hinzuziehung des Librettos aus dem Reclam-Verlag von 1906
    und der Lortzing-Biographie von Heinz Schirmag (Kapitel über „Rolands Knappen“)

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    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Hallo,
    bei operadepot gibt es eine gekürzte, aber ganz anhörbare Aufnahme von "Rolands Knappen".
    Schöne Grüße
    wega

  • Danke für diesen Hinweis, denn die Labels haben das Werk bisher nicht auf ihrem Leistungsschirm.
    Ich kann mir vorstellen, dass Sammler mit (a) Interesse für Lortzings Werk und (b) profunden Technik-Kenntnissen bei der genannten Seite hellhörig werden.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Danke, lieber musikwanderer, dass Du Dich so oft und intensiv dem Schaffen von Albert Lortzing widmest. "Wie sich die Bilder gleichen." Gerade habe ich im Thread "Nischenrepertoire" eine Lanze für die Spieloper gebrochen. Wir schieinen hier auf einer Welle zu liegen. :hello:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ja, lieber operus, es sieht so aus, als wären neben Alfred auch wir beide der deutschen Spieloper zugetan. Ein weiterer Liebhaber dieses Genres war der unvergessliche Harald Kral, dessen Todestag im September gedacht werden wird. Seine umfangreiche Sammlung an Spielopern könnte in der Lieferung an den ebenso unvergesslichen hami gesteckt haben und ich frage mich, was aus den vielen Kartons geworden ist...


    Und ich kann verraten, dass ich an der nächsten Inhaltsbeschreibung einer Lortzing-Komödie arbeite: Prinz Caramo oder das Fischerstechen.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER