Mozart: Die Entführung aus dem Serail (Wien, 1989)


  • Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
    Nikolaus Harnoncourt :jubel:


    Bassa Selim: Hilmar Thate :no:
    Belmonte: Kurt Streit
    Konstanze: Aga Winska :thumbup:
    Blonde: Elzbieta Szmytka
    Pedrillo: Wilfried Gahmlich
    Osmin: Artur Korn


    Bühnenbild ?( und Kostüme: Karl-Ernst Herrmann
    Inszenierung: Ursel und Karl-Ernst Herrmann :sleeping:


    Bei dieser DVD würde es sich empfehlen, sich lediglich die musikalischen Nummern anzuhören und das Bild wie die Dialogszenen auszublenden.


    Langweiliger habe ich die "Entführung" noch nie gesehen. Das fängt bei den Bühnenbildern an (Aufzug 1: eine hohe weiße Wand im Bühnenvordergrund mit einer Pforte in der Mitte und einem Strauch auf der Zinne schränkt den Spielraum erheblich ein und erlaubt eigentlich nur Aktionen an der Rampe oder - im Falle Osmins - auf der Mauer / Aufzug 2 & 3: ein spiralartig angelegter Gebäudegrundriss nimmt den Großteil der Bühne ein, im Vordergrund links eine Treppe zu Konstanzes Gemächern, ein niedriger schwarzer Teich mittig im Vordergrund, dem den alle Beteiligten beim Applaus immer wieder ausweichen müssen, um nicht ins Wasser zu treten.)
    Die Kostüme sind da ein wenig gelungener, bis auf Osmins seltsam herumlappendes langes gelbes Gewand. Belmonte kommt als Intellektueller daher (Nickelbrille,schwarzes Gewand, weiße Schuhe und weißes Halstuch), Pedrillo mit gelber Weste und gestreifter Hose mit einer schwarzen Perücke, während die Damen und der Bassa natürlich in orientalischer Kleidung gezeigt werden. Ein wenig mehr Mut zur Farbe bei allen Beteiligten hätte hier meiner Meinung nach nicht geschadet.


    Die Inszenierung läuft ziemlich überraschungsarm ab und lässt sich in den Dialogpassagen mitunter zu viel Zeit, die Hilmar Thate mit viel Gesichtsakrobatik und Kopfgerucke (vor allem im ersten Aufzug) füllt; später absolviert er noch ein beträchtliches Laufpensum, wenn es um die Begnadigung der Gefangenen geht... Gesprochen jedoch ist sein Bassa Selim gut und hätte dieses äußerlichen Gehabes nicht in diesem Maße bedurft. Das Sängerensemble entledigt sich seiner gesprochenen Passagen mal besser (Osmin, Pedrillo) mal schlechter (Konstanze). Ein interessanter inszenatorischer Aspekt scheint sich im ersten Aufzug aufzutun, wenn sich Konstanze und der Bassa bei der Arie "Ach, ich liebte, war so glücklich" auf einer sehr vertrauten Ebene miteinander befinden. Konstanze öffnet ihr Herz und gewinnt durch diese Ehrlichkeit das Vertrauen Selims. Hier endet aber schon das, was man zumindest als interessanten Ansatz, die Geschichte zu erzählen, bezeichnen mag. Ansonsten läuft alles vorhersehbar und bis auf ganz wenige Momente sogar recht humorlos ab. Lediglich Osmin und Pedrillo können im zweiten und dritten Aufzug ein wenig aus sich herausgehen, was das betrifft.
    Zu der recht drögen Regiearbeit kommt noch ein weiterer seltsamer Aspekt, der einem die Aufführung vermiest: Die Beleuchtung. Nicht nur im dritten Aufzug, der ja gegen Mitternacht spielt, stehen die Beteiligten fast immer(!) im Dunkeln. Das Beleuchtungskonzept ist wahrscheinlich bei einem Stromausfall entstanden und macht das längere Zuschauen zu einer ermüdenden Angelegenheit. (Das wiederum passt zum Bild der DVD, das leider sehr grobkörnig geraten ist.)


    Im Gegensatz zu dem, was man sieht, ist das, was man hört sehr gelungen. Meiner Meinung nach ist die "Entführung" sowieso Harnoncourts Meisterstück, was seine Mozartinterpretationen angeht. Zupackend und "frisch" kommen die Klänge aus dem Orchestergraben und bei der Sängerriege gibt es keinen Schwachpunkt zu verzeichnen. Hervorzuheben sind vielleicht Aga Winska, die für ihre "Martenarie" zurecht reichlich Szenenapplaus erhält. Ein weiterer Höhepunkt ist das Finale des zweiten Aufzugs "Ach, Belmonte! Ach, mein Leben!", das mich schon bei Harnoncourts CD-Einspielung begeistern konnte. Es wäre nun schön gewesen, wenn man diese musikalisch-sängerischen Glanzpunkte auch in entsprechender Klangqualität zu hören bekommen könnte, aber hier versagt die DVD leider auf weiten Strecken. Irgendwie scheint die Balance zwischen Orchestergraben und Bühne nicht recht gewahrt und der Klang insgesamt recht trocken und farblos. Noch dazu sind die Daiaogpassagen kaum hörbar und verständlich. Lediglich Thates Bassa kann sich da gut retten.


    Insgesamt eine Produktion, der eine konzertante Aufführung (oder spannendere Inszenierung) in besserer Bild- und Ton-Qualität gut getan hätte. So bleibt aber immerhin der Eindruck eines Abends auf beeindruckendem musikalischen Niveau.

  • die Hilmar Thate mit viel Gesichtsakrobatik und Kopfgerucke (vor allem im ersten Aufzug) füllt; später absolviert er noch ein beträchtliches Laufpensum, wenn es um die Begnadigung der Gefangenen geht... Gesprochen jedoch ist sein Bassa Selim gut und hätte dieses äußerlichen Gehabes nicht in diesem Maße bedurft.

    Natürich kann Thate sprechen (er kann übrigens auch sehr gut singen, ist ein wunderbarer Brecht-Lieder-Interpret, also Kompositionen von Eisler und anderen), wurde ja nicht ohne Grund drei Jahre nach Brechts Tod von Helene Weigel ans Berliner Ensemble geholt und war dort über Jahre einer der wichtigsten Protagonisten.
    Für alles andere kann er nichts, da hat er mit Sicherheit das gemacht, was der Regisseur von ihm gefordert hat.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"