Benjamin Britten - Death in Venice Stuttgart - 6.10.2017

  • Gestern abend war ich in der Stuttgarter Oper, um die letzte Oper von Benjamin Britten nach Thomas Manns bekannter Novelle zu hören und zu sehen. Die Oper wurde von Denis Volpi (Nachwuchskünstler des Jahres) vom Stuttgarter Ballett inszeniert, dessen Ballett "Krabat" zu den Highlights des Stuttgarter Balletts gehört. Während mich selbiges im Frühjahr begeisterte, kam ich mit sehr zwiespältigen Eindrücken von diesem Opernabend zurück.


    Ich muss vorausschicken, dass ich die Oper nicht kannte, und mit dem Opernschaffen insgesamt von Benjamin Britten wenig vertraut bin. Außer einer genialischen Aufführung des Mittsommernachttraums vor 30 Jahren in New York durch das Juilliard Opera Ensemble hatte ich noch nie eine Oper von ihm auf der Bühne erlebt.


    Die Inszenierung durch den Stuttgarter Ballettchoreografen stellt natürlich die auch in der Vorlage angelegten Bezüge zum Tanztheater in den Vordergrund. Die am Strand spielenden Kinder, die polnische Familie des Tadzios, er selbst und zahlreiche andere Episoden werden getanzt. Auch von Aschenbach hat einige beinahe tänzerische Einlagen zu leisten.


    Die ganze Geschichte findet bei Volpi im Kopf von Aschenbach statt, d.h. er verlässt sein Bücherzimmer über den ganzen ersten Akt nicht, und die Bücher dienen als Requisiten auch für die Spiele der Jungen am Strand, als Gepäck etc. Statt Gondolieren gibt es Hotelkofferwagen und Venedig, den Strand und das Hotel muss man sich dazu denken. Konsequenterweise stirbt der Dichter am Ende auch nicht, sondern erwacht aus einem bösen Albtagtraum. Eine Szene gegen Ende des ersten Aktes, verlässt das ansonsten sehr nüchterne, und kalte, wenn auch raffiniert sich ständige ändernde Bühnenbild und zeigt Apollo auf einer überaus kitschigen Riesenblume tanzend, eine Szene die Jeff Koons gestaltet haben könnte. Eindrucksvoll und beklemmend die Szenen, bei denen sich die tödliche Seuche ankündigt und das Geschehen immer mehr bestimmt. Und ohne Zweifel eine Riesenleistung von Matthias Klink in der Hauptrolle, die ja auch zu seiner Kür als Sänger des Jahres wesentlich mit beigetragen hat.
    Und trotzdem hat mich das Geschehen auf der Bühne überhaupt nicht berührt und teils sogar genervt. Ob das jetzt am Sujet, der Inszenierung, der Oper selbst oder einer Mischung aus allem lag, muss ich noch auseinander sortieren.
    Ein zwiespältiger Abend jedenfalls für mich.

  • "Death in Venice" ist sicher eine schwierige und sperrige Spätoper von Britten, im Grunde viel zu lang und larmoyant und weltschmerzlich. Vor ein paar Jahren kam sie hier in FFM in einer Inszenierung von Keith Warner, dirigiert von Martyn Brabbins. Hauptrolle gesungen von Kim Begley, glaube ich. Mich hat das auch nicht wirklich erreicht, ich erinnere mich auch kaum noch daran. Möchte ich auch ehrlich gesagt nicht nochmal hören oder sehen. Da gucke ich mir lieber den Visconti-Film an.


    Von Britten gibt es eindringlichere bzw. geschlossenere Opern, so z. B. "Peter Grimes", "Billy Budd" oder "The Turn of the Screw".

  • Möchte ich auch ehrlich gesagt nicht nochmal hören oder sehen. Da gucke ich mir lieber den Visconti-Film an.


    So sehe ich das im Augenblick auch. Es freut mich, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin. ;)


    Von Britten gibt es eindringlichere bzw. geschlossenere Opern, so z. B. "Peter Grimes", "Billy Budd" oder "The Turn of the Screw".


    "Peter Grimes" und "The turn of the screw" kenne ich bisher zwar nur von der Schallplatte, aber beide haben mich deutlich mehr angesprochen als "Death in Venice".

  • Zu "Death in Venice" von Britten habe ich auch keinen Zugang gefunden. Ich sehe nicht den geringsten Grund, aus der Geschichte eine Oper zu machen, es sei denn, man anerkennt das tiefe Bedürnis des Komponisten, sich den Stoff aneignen zu müssen. Auch aus einem sehr persönlichen Motiv. Das akzeptiere ich natprlich gern. Mir ist das Werk auch zu langatmig. Es fließt über vor Selbstmitleid. Zuletzt habe ich die Oper in Berlin gesehen. Alle Mitwirkenden haben sich wirklich verausgabt. Aber reicht das aus? Aus der tragischen Künstergeschichte drohte fast schon ein phädophieles Drama zu werden. Und das ist "Tod in Venedig" nicht. Wie alle Romane und Erzählungen von Thomas Mann eigenet sich auch diese nach meinem Eindruck wenig zur Adapotion. Die meisten Filme nach seinen Werken halte ich für misslungen, bis auf die von Agon genannte Verfilmung der Venedig-Novelle durch Visconti. Die war ein Geniestreich auf der ganzen Linie, auch deshalb, weil aus dem Schriftsteller ein Komponoist wurde, was bei der Umsetzung viel besser zu handhaben gewesen ist. Ansonsten empfehle ich die Lektüre des Originals - oder eine der gelungenen Vorlesungen, etwas durch Will Quadflieg, Matthias Brandt oder Gert Westphal.



    Das ist die Musik im gesprochenen Wort!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zu "Death in Venice" von Britten habe ich auch keinen Zugang gefunden. Ich sehe nicht den geringsten Grund, aus der Geschichte eine Oper zu machen, es sei denn, man anerkennt das tiefe Bedürnis des Komponisten, sich den Stoff aneignen zu müssen. Auch aus einem sehr persönlichen Motiv. Das akzeptiere ich natprlich gern. Mir ist das Werk auch zu langatmig. Es fließt über vor Selbstmitleid. Zuletzt habe ich die Oper in Berlin gesehen. Alle Mitwirkenden haben sich wirklich verausgabt. Aber reicht das aus? Aus der tragischen Künstergeschichte drohte fast schon ein phädophieles Drama zu werden. Und das ist "Tod in Venedig" nicht. Wie alle Romane und Erzählungen von Thomas Mann eigenet sich auch diese nach meinem Eindruck wenig zur Adapotion. Die meisten Filme nach seinen Werken halte ich für misslungen, bis auf die von Agon genannte Verfilmung der Venedig-Novelle durch Visconti. Die war ein Geniestreich auf der ganzen Linie, auch deshalb, weil aus dem Schriftsteller ein Komponoist wurde, was bei der Umsetzung viel besser zu handhaben gewesen ist. Ansonsten empfehle ich die Lektüre des Originals - oder eine der gelungenen Vorlesungen, etwas durch Will Quadflieg, Matthias Brandt oder Gert Westphal.



    Das ist die Musik im gesprochenen Wort!


    Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn man mit seinem Urteil nicht alleine dasteht. :D Den Text habe ich mir schon aus dem Regal hervorgeholt und werde ihn zeitnah lesen; ich erinnere nicht, ob ich den früher schon mal gelesen habe. Den Film kenne ich natürlich. Ist aber auch schon vierzig Jahre her?


    Grüße in die Hauptstadt :hello:

  • Den Film kenne ich natürlich. Ist aber auch schon vierzig Jahre her?


    Ja, ja, lieber lutgra, das ist wohl so. Zumindest düfte der Fim auch einiges in Richtung Mahler bewegt haben. Es gab sogar mal diese LP:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was habe ich mir anhören müssen, als ich in einer anderen Rubrik ein ähnlich kritisches Urteil über diese Oper gefällt habe...


    Aber ich stimme euch dreien absolut zu!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Was habe ich mir anhören müssen, als ich in einer anderen Rubrik ein ähnlich kritisches Urteil über diese Oper gefällt habe...


    Ja, Du musstest Dir eine andere Meinung anhören. Ich bin nämlich - zur Erklärung für die anderen - der Meinung, dass "Death in Venice" ein spätes Meisterwerk von Britten ist, und damit stehe ich auch nicht allein.


    Ich empfehle diese DVD, die wirklich rundum gelungen ist:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ja, Du musstest Dir eine andere Meinung anhören.

    Nein, ich musste mir von Dr. Pingel anhören, dass ich keine Ahnung von Musiktheater hätte. Außerdem wurde mir vom gleichen User unterstellt, dass ich gegen Janacek gehetzt hätte - einen Beleg dafür konnte er freilich nicht erbringen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"