Semyon Bychkov wird Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie


  • Wie Radio Praha meldet, soll der amerikanische Dirigent russischer Herkunft Semyon Bychkov neuer Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag werden. Am Montag soll dies während einer Pressekonferenz offiziell verlautbart werden.


    Bychkov war in Prag Gastdirigent während der letzten Spielzeit. Mit dem Tode von Jiří Bělohlávek im Mai diesen Jahres verlor die Tschechische Philharmonie ihren bisherigen künstlerischen Leiter.


    Semyon Bychkov amtierte u. a. als Chefdirigent des Buffalo Philharmonic Orchestra, des Orchestre de Paris sowie des WDR Sinfonieorchesters Köln.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gute Wahl für Prag! Auch wenn es etwas bedauerlich ist, dass es heute offenbach keine ernsthaften tschechischen Kandidaten für diesen Job gibt. Die wunderbare Garde der hervorragenden tschechischen Dirigenten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ist inzwischen abgetreten. (Ich könnte jetzt ein volles Dutzend Namen nennen.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Warum sollte es denn in Prag ausgerchnet ein Tscheche sein? In Berlin sind doch auch alle wichtigen Posten (Staatsoper, Deutsche Oper, Komische Oper, Philharmoniker, DSO, RSO) mit Dirigenten aus dem Ausland besetzt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nicht "ausgerechnet", aber natürlich muss sich die tschechische Philharmonie auf dem globalen Markt für allem als Spezialist tschechischer Musik profilieren - ein solches Spezialistentum benötigen die Berliner oder Wiender Philharmoniker nicht. (Insofer hinkt dein Vergleich ganz gewaltig.) Dass Herr Bychkov sich bislang im Bereich der tschechischen Musik besonders profiliert hätte, wäre mir zumindest entgangen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Man sieht hier schon im Kleinen, was Bychkov im richtigen Leben blüht. Die Tschechische Philharmonie gilt ja als Schlangengrube. Hoffentlich ergeht es ihm dort nicht wie Gerd Albrecht.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Man sieht hier schon im Kleinen, was Bychkov im richtigen Leben blüht. Die Tschechische Philharmonie gilt ja als Schlangengrube. Hoffentlich ergeht es ihm dort nicht wie Gerd Albrecht.

    Och, ich habe keine Sorgen um die Zukunft dieses Dirigenten - solche Leute stehen nach einem eventuellen Fall auch immer wieder auf. Aber ich kenne seine Psyche nicht, weiß nicht um seine Durchsetzungskraft, kann mir aber ohne weiteres vorstellen (weil es beim WDR-Orchester, wie man so gehört hat, immer mal wieder "rumpelte") , dass er sich nicht unterkriegen lässt.
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich finde diese Entscheidung für Semyon Bychkov ehrlich gesagt doch ziemlich fragwürdig, und sie scheint in erster Linie kommerziell motiviert zu sein, denn Bychkov hat ja offensichtlich einen lukrativen Decca-Plattenvertrag und nimmt mit dem Orchester momentan sämtliche Tchaikovsky-Sinfonien auf. Vermutlich werden auch zahlreiche Gastspielreisen ins Ausland folgen.


    Der Tod von Jiri Belohlavek hat ein riesiges Loch aufgerissen, und er kann eigentlich nicht angemessen ersetzt werden. Das ist tragisch. Aber man hätte sich doch lieber für einen jungen tschechischen Dirigenten entscheiden sollen, wie Jakub Hrusa, der aber gerade in Bamberg angefangen hat. Naja, vielleicht ist Bychkov ja nur eine Übergangslösung.

  • Ich finde diese Entscheidung für Semyon Bychkov ehrlich gesagt doch ziemlich fragwürdig, und sie scheint in erster Linie kommerziell motiviert zu sein, denn Bychkov hat ja offensichtlich einen lukrativen Decca-Plattenvertrag und nimmt mit dem Orchester momentan sämtliche Tchaikovsky-Sinfonien auf. Vermutlich werden auch zahlreiche Gastspielreisen ins Ausland folgen.

    Na ja, wenn ich Orchestermitglied der Česká filharmonie wäre und die Wahl hätte zwischen einem Dirigenten mit großen künstlerischen Ambitionen, jedoch ohne Aussicht auf einen Plattenvertrag für "mein" Orchester und einem Dirigenten mit weniger großen künstlerischen Ambitionen aber der Aussicht auf gut dotierte Aufnahmen und Reisen in Ausland ... Letzlich muss auch ein Orchestermusiker u.U. eine Familie ernähren und daran vermag ich nichts zu erkennen, was "fragwürdig" wäre!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich würde das auch so sehen. Ein Plattenvertrag ist eine gute "Mitgift" in die Ehe zwischen Dirigent und Orchester.
    Die Bestellung von Chefdirigenten ist in der Regel immer "kommerziell motiviert"
    Ein trauriges Beispiel dafür ist der Fall "Heidelberger Sinfoniker" wo nach dem Ausfall ihres Stardirigenten Thomas Fey das Plattenlabel das Projekt abgebrochen hat.
    Wie sehen hier einigesm aber vor allem, wie fixiert man auf bestimmte Namen von Dirigenten ist.
    Die Wiener Philharmoniker sind dieser Problemati a priori ausgewichen, indem sie keinen Star an ihrer Spitze zuliessen -
    SIE SELBST sind die Stars.. Aber das kann sich nicht jedes Orchester leisten.....
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Tschechische Philharmonie ist wirklich ein wunderbares Orchester mit eigener Tradition und eigenem, ja einzigartigem Klang, wie man es in Europa sonst nirgendwo mehr findet. Das Problem hat Vladimir Ashkenazy mal geschildert, der für kurze Zeit ihr Chef war: "Die wollen am liebsten nur Dvorak spielen". Was da wohl zum Ausdruck kommt, ist der tschechische Nationalismus. Nationalismus ist das, was in osteuropäischen Ländern heute dominiert. Und da machen auch Kultur und Musik keine Ausnahme. Ashkenazy weiter: Sie wollen sich auch nicht der internationalen Konkurrenz stellen. Deswegen ist er schließlich aus Prag weggegangen, weil seine Mentalität mit der des Orchesters nicht harmonierte. Bychkov ist nun wieder ein russischer Dirigent dort. Neumann und Ancerl haben mit dem Orchester einst auch Schönberg und Strawinsky gespielt und gezeigt, dass gerade die Tschechen das exemplarisch gut können. Nur hat Tschechien heute leider keine Dirigenten mehr vom Format eines Neumann, Kubelik, Talich oder Ancerl, die an diese großartige Tradition des Orchesters anknüpfen könnten Man kann Bychkov nur Erfolg wünschen! Ich bleibe ein großer Liebhaber dieses Orchesters - allerdings besteht meine umfangreiche Sammlung fast ausschließlich aus Aufnahmen der "großen Alten".


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Ich bleibe dabei, daß ich die Wahl von Bychkov zum Chef fragwürdig finde.


    Und eine solche Aussage ist wirklich lächerlich:

    Letzlich muss auch ein Orchestermusiker u.U. eine Familie ernähren und daran vermag ich nichts zu erkennen, was "fragwürdig" wäre!

    Als ob die Wahl eines jungen tschechischen Dirigenten zum Chef die Musiker des Orchesters und Ihre Familien in die Hungersnot treiben würde!


    Bychkov ist m. E. ein relativ uninteressanter Dirigent. Und es ist nicht klar, ob die Musiker Ihn wirklich wollten ober ob das Management Ihn durchgesetzt hat (denn genau danach sieht es aus).


    Ich prophezeie schon jetzt, daß Bychkov nicht lange Chef der Tschechischen Philharmonie sein wird. Als Übergangslösung nach dem plötzlichen Tod von Belohlavek mag er in Ordnung gehen, aber sicher nicht als langfristige Lösung.

  • Bychkov ist m. E. ein relativ uninteressanter Dirigent.

    Ich halte Bychkov für einen wirklich guten Dirigenten, aber das Genie in der Familie war meiner Meinung nach sein viel zu früh verstorbener Bruder Yakov Kreizberg.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich halte Bychkov für einen wirklich guten Dirigenten, aber das Genie in der Familie war meiner Meinung nach sein viel zu früh verstorbener Bruder Yakov Kreizberg.


    Na sowas. Das fiel mir bis heute gar nicht auf, dass die beiden Brüder waren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Herrn Bychkow habe ich eigentlich nur in positiver Erinnerung.


    Meine erste Bekanntschaft machte ich in der Semperoper, als er eine fulminate Elektra-Aufführung dirigierte. Es war auch meine erste Elektra, und es ist sicher 20 Jahre her. Die Klangmassen des Orchesters fazinierten mich vom ersten Moment an, seither ist die Elektra einer meiner Lieblingsopern, und ich habe sie mindestens noch 6 mal an verschiedenen Häusern erlebt. Aber nie wurde die Urgewalt der Dresdener Inszenierung erreicht, obwohl mich in der Berghaus-Inszenierung im Nachhinein manches störte.


    Dann erlebte ich im Gewandhaus eune aufwühlende Alpensinfonie. Damit war Bychkow das zweite mal mit Strauss bei mir erfolgreich. Er scheint zu ihm eine besondere Affinität zu haben.


    Der Höhepunkt mit Bychkow sollte aber noch kommen. Wieder im Gewandhaus, diesmal mit der 7. von Schostakowitsch. Für mich unter den mit ihm erlebten Aufführungen das Meisterstück. Die fürchterliche Musik des ersten Satzes ließ einen erschauern und mitfühlen, was in den Belagerungsjahren in Leningrad an Furchtbarem passierte, von Dauerbeschuß bis zu Hungersnot und sogar Kannibalismus, alles ließ Bychkow plastisch entstehen, um dann im bombastischen Finale nicht zu versöhnen, aber einen positiven Blick in die Zukunft zu gewähren. Er selbst verausgabte sich völlig bei diesem Dirigat, er war sichtlich geschafft und wie üblich durchgeschwitzt.


    Ob ihm das alles in Prag nutzen wird? Es sei ihm gegönnt. Mich hat er überzeugt, mit Strauss und Schostakowitsch. Aber ich bin kein Tscheche!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich bleibe dabei, daß ich die Wahl von Bychkov zum Chef fragwürdig finde.


    Und eine solche Aussage ist wirklich lächerlich:

    Als ob die Wahl eines jungen tschechischen Dirigenten zum Chef die Musiker des Orchesters und Ihre Familien in die Hungersnot treiben würde!

    Warum so apodiktisch, lieber Agon? - Von einer Hungersnot einzelner Orchestermusiker habe ich überhaupt nichts geschrieben, sondern lediglich (indirekt) darauf hinweisen wollen, dass bei einer solchen Entscheidung wohl auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. Es wird doch auch niemand glauben, dass derartige Erwägungen bei der Entscheidung der Berliner Philharmoniker zwischen Sergiu "Ich nehme keine Platten auf!" Celibidache und dem Vermarktungsgenie HvK keinerlei Rolle gespielt haben!? Eine wirkliche Begründung für die "Fragwürdigkeit" der Entscheidung vermag ich weiterhin nicht zu erkennen.


    Bychkov ist m. E. ein relativ uninteressanter Dirigent. Und es ist nicht klar, ob die Musiker Ihn wirklich wollten ober ob das Management Ihn durchgesetzt hat (denn genau danach sieht es aus).

    Natürlich kann ich nicht beurteilen, "ob die Musiker Ihn wirklich wollten ober ob das Management Ihn durchgesetzt hat". Solltest Du hier über Insiderinformationen verfügen, nur heraus damit! Das Du Bychkov für uninteressant hälst, scheint mir insbesondere aufgrund der hier durch andere Taminos gegebenen Einschätzungen nicht valide genug für ein "denn genau danach sieht es aus".

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.