Misha Aster - Staatsoper. Die bewegte Geschichte der Berliner Lindenoper im 20. Jahrhundert

  • Beim Stöbern in der Musikalienhandlung bin ich heute über dieses Buch gestolpert und habe es erworben. Unglücklicherweise habe ich das Lesen mit dem letzten Kapitel begonnen, da es mir zeitlich am nächsten steht... und war ziemlich enttäuscht.


    Ich hätte erwartet, dass sich das "Epilog - Die Staatsoper in der Wendezeit" genannte Kapitel auf 28 Seiten mit der künstlerischen Entwicklung und Geschichte des Hauses, den erfolgten Umbrüchen der Wendezeit befasst, aber mitnichten. Außer der Erwähnung einer Japan-Tournee des Ensembles Ende 1990 und dem krankheitsbedingten Rücktritt Suitners als GMD in einem halben Absatz, dreht sich das gesamt Kapitel nur um den Weg Daniel Barenboims an die Spitze der Staatskapelle. Der Leser erfährt, in welchen Hinterstübchen sich welche Politiker und Orchestermusiker für Barenboim stark gemacht haben, wie Barenboim mit den Berliner Philharmonikern drei da-Ponte-Opern aufnimmt, einen Zyklus der Beethoven-Klavierkonzerte komplettiert, einen Parsifal für Teldec mit den Berliner Philharmonikern einspielt, usw... vielleicht erschließt sich beim Lesen der anderen Kapitel, was all dies mit der Lindenoper zu tun hat...
    Das Kapitel schließt datumsmäßig mit dem 31.12.1991 und einem Ausblick auf Barenboims Parsifal-Premiere im Herbst 1992... alles, was in diesem Zusammenhang und danach an der Lindenoper passierte (die einen nennen es "künstlerische Entkernung" und Auflösung des Ensembleprinzips, andere "kreative Erneuerung"), passte wohl nicht ins hagiografische Konzept dieses Kapitels... Also endet die Geschichte des Hauses im 20. Jahrhundert knappe 10 Jahre vor dem Jahrhundert - honi soit ...
    Mal sehen, ob die anderen Kapitel lesenswerter und informativer sind.


    Hat jemand von Euch schon in dieses Buch hineingeschaut? Was sind Eure Eindrücke?

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Es gibt in diesem Buch einige wirklich hanebüchene Fehler! So wird Siegfried Lorenz als "Dauer-Amfortas" des Hauses bezeichnet, was Blödsinn ist, er hat den Amfortas nie in Berlin gesungen, erst 1997 in Essen, wenn überhaupt war er der "Dauer-Wolfram" des Hauses, nämlich in mehr als 50 Vorstellungen von 1977 bis 1993 (freilich auch hier mit anderen, voran Jürgen Freier, alternierend).
    Der zweite Blödsinn ist, dass Uta Priew angeblich bei Barenboim in Ungnade gefallen sei, aber sie war im Gegenteil eine der wenigen führenden Kräfte des angestammten Ensembles, deren Karriere keinen Knick durch den Leitungswechsel bekam. Sie sang unter Barenboim weiterhin Kundry, wurde die Premieren-Fricka, die Premieren-Klytämnestra, sang unter seiner Leitung die Wozzeck-Fragmente und auch weiterhin in Bayreuth (Brangäne in der Premiere der Heiner-Müller-Inszenierung 1993 und in den Folgejahren). Hier wurde teilweise wirklich lausig recherchiert und auch nicht ausreichend redigiert.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hat jemand von Euch schon in dieses Buch hineingeschaut? Was sind Eure Eindrücke?



    Bei mir liegt dieses Buch auf dem Stapel des ungelesenen Bücher. Nur mal hineingeschaut habe ich und bin ebenfalls auf diese und jene Unstimmigkeit gestoßen. Warum fällt einem derlei nur immer sofort auf? Viele der Neuerscheinungen, die sich um Oper und Sänger drehen, strotzen vor Fehlern. Ein Buch über Frida Leider war auch so ein leidvolles Beispiel. Es gibt kaum noch Lektoren. Die Manuskripte gehen direkt in den Druck. :(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es gibt kaum noch Lektoren. Die Manuskripte gehen direkt in den Druck.

    Lektoren sind viel zu teuer, vor allen Dingen dann, wenn sie Fehler finden und die ganze Maschinerie nur aufhalten. Eine Bekannte von mir ist schreibend auf dem Gebiet der Kriminalromane unterwegs und muss seit einigen Jahren ihre Manuskripte nicht mehr auf Papier geschrieben und gedruckt postalisch einsenden, sondern per Email direkt an die Druckerei schicken. Man erwartet, dass sie selbst Korrekturen liest oder am besten sofort ohne Fehler schreibt. Bei ihr las ich 2012 erstmals den Satz, den auch Caruso41 benutzt: Wer Fehler findet, darf sie behalten.
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Eine er meiner besten Freunde ist ein bekannter Musikjournalist und hat schon viele Bücher veröffentlicht, mit ihm habe ich eben telefoniert und er sagte mir, bei Sachbüchern würde noch Korrektur gelesen werden, aber bei den Datenangaben wird sich lediglich auf die Angabe und Recherche vom Schreiberling verlassen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Vielen Dank für Eure Rückmeldung, auch den zu Fehlern und Ungenauigkeiten.
    Ich habe jetzt ein weiteres Kapitel (Hinter dem Eisernen Vorhang) quergelesen... und ich kann meine Ersteinschchätzung nicht revidieren.


    Gefühlte 50 % des Textes befassen sich mit der allgemeinen politischen Geschichte und Gemengelage in Deutschland zu Zeiten des Kalten Krieges. Die verbleibenden 50 % belichten sehr holzschnittartig die Staatsoper selber. Und selbst wo über die Staatsoper gesprochen wird, wird mit vielen Worten wenig gesagt :no:
    Das macht wenig Lust weiterzulesen...


    Mein Fazit: Fehlinvestition :thumbdown:

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz