Wir leben im Jahr 2017!

  • Zitat

    Zitat von Fiesco: Ich glaube manchesmal ihr lebt noch im vergangenen Jahrhundert, HALLO, wir haben inzwischen 2017!

    Ja, da bin ich bereits seit 10 Monaten angekommen. Und was sehe ich? Die alten Pyramiden stehen immer noch
    Also liebe "Senile" jung und alt, raus aus der Senilität. Ans Werk! Die müssen weg, sie passen nicht mehr ins Jahr 2017. Abreißen und aus den Steinen viele Häuser bauen. An vielen Orten und Städten wie Rom gibt es so viele alte Kulturdenkmäler. Sie nehmen nur unnötigen Platz weg wie etwa das Colosseum, das Forum Romanum und andere. Fort damit!
    In Jahr 2017 war ich in einigen älteren Städten mit viel Fachwerkhäusern. Zugegeben, sie sehen zwar ganz hübsch aus und viele Leute - wie ich auch - kommen zum Gaffen und Fotografieren. Ersetzen wir sie durch moderne Zweckbauten. Dann gibt es nichts mehr zu gaffen.
    Skulpturen, soweit es geht einschmelzen und neue gießen. Donald Trump hätte ja auch mal eine Kolossalstatue verdient, die man an Stelle der Freiheitsstatue setzen könnte.
    In dem Museen hängen so viele Gemälde aus der Zeit vor 2000. Was suchen die noch im Jahr 2017? Runter damit! Soweit die Leinwände noch überschmierbar sind, wiederverwenden. Die Rahmen, die nicht mehr in unsere Zeit passen, zum Schrott!
    Alle literarischen Werke, die vor 2000 entstanden sind, vernichten. Die versteht ohnehin - außer vielleicht uns paar "Senilen" - niemand mehr. Nach 2000 sollten nur noch literarische Werke erlaubt sein, die sich mit Gegenwartsproblemen beschäftigen. Romane mit historischem Hintergrund sollten verboten werden. Wem sagt denn die Historie noch etwas?
    Nur um das Kulturgut Schauspiel und Oper brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern, da hat das Regisseursverunstaltungstheater bereits genug gewütet.
    Ach nein, Name des Autors, Titel, der (jetzt meist unpassende) Text und die Musik müssen ja erhalten bleiben. Da die Neutöner nur wenig Zulauf haben, müssen diese weiterhin als Mogelpackung dienen.
    Höre ich da jetzt einen Aufschrei? Was dem einem Kulturgut recht ist, muss dem anderen Kulturgut billig sein!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • In dem Museen hängen so viele Gemälde aus der Zeit vor 2000. Was suchen die noch im Jahr 2017? Runter damit! Soweit die Leinwände noch überschmierbar sind, wiederverwenden. Die Rahmen, die nicht mehr in unsere Zeit passen, zum Schrott!


    Also so geht´s nun auch wieder nicht!
    Pferde könnten mit Autos übermalt werden, und einem geschickten Maler wäre es sicher auch möglich, alte Gewänder durch zeitgemäßer Kleidung zu ersetzen. Was in Opernhäusern geht, sollte auch in Museen möglich sein!

  • Pferde könnten mit Autos übermalt werden, und einem geschickten Maler wäre es sicher auch möglich, alte Gewänder durch zeitgemäßer Kleidung zu ersetzen.


    Vielleicht fühlt sich ja unser erfindungsreicher Freund seicento angeregt, ein paar Lösungen vorzuschlagen. :D:hello:


    Noch sind es Pferde:



    Noch ist der Kopf des Antinoos in Florenz nicht eingeschmolzen:



    Nocht steht das Pantheon an seinem angestammten Platz (hoffentlich wenigstens noch bis Mitte November, weil ich dann ganz in der Nähe wieder mein Quartier aufschlage):



    Noch trägt Innozenz X. seinen päpstlichen Purpur:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    zwar brennt - nachdem wir so heiß auf das Jahr 2017 gemacht wurden - die große Begierde in uns, alle Kulturgüter in Jahr 2017 zu transferieren. Aber ich habe mir den Termin vorgemerkt. Das Pantheon bleibt noch bis mindestens Anfang Dezember stehen, bis du es besichtigt hast. Dann aber wird es Zeit, wenn wir noch den Anschluß an 2017 erreichen wollen. Und Innozenz X werde ich meinen abgetragenen Anzug und ein Ikea-Möbel zum Sitzen auch erst zu diesem Zeitpunkt schicken, damit auch er endlich in 2017 ankommt. Die Büste des Antinoos reicht leider noch nicht, um die Kolossalstatue von Donald Trump herzustellen, du musst und also noch erheblich mehr solcher einschmelzbarer Büsten nennen. Und was das Pferdebild betrifft: Ich meine, Pferde wären auch in 2017 noch aktuell, oder sehe ich da auf den Weiden Gespenster?
    Ach, es gibt ja noch so viele Kulturgüter, die traditionell sind, z.B. Volkfeste (wie etwa das Oktoberfest, der Karneval, die schwäbische Fasnet (sehr traditionell). Ich fürchte, wir werden auch noch das Jahr 2018 benötigen, um alles zu zerschlagen. :untertauch:
    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Noch trägt Innozenz X. seinen päpstlichen Purpur:

    Und warum sollte man das eigentlich nicht übermalen dürfen? Ist der Purpur auf dem Bild überhaupt ein Kunstwerk? Ich glaube nicht! (Mal sehen, wo ich meinen seicento-Pinsel habe!) :D Joseph Beuys hat ja damals auch der Putzfrau nicht den geringsten Vorwurf gemacht, welche seine Badewanne von den Spuren seiner Arbeit reinigte. Und was diese Putzfrau kann, das kann und darf ich als Maler schon lange und erst recht. Es ist deshalb empfehlenswert mich zu kontrollieren, ob ich Pinsel und Farbe dabei habe, wenn ich unterwegs in Richtung etwas Gemaltem bin... :angel:

  • Und warum sollte man das eigentlich nicht übermalen dürfen? Ist der Purpur auf dem Bild überhaupt ein Kunstwerk? Ich glaube nicht! (Mal sehen, wo ich meinen seicento-Pinsel habe!) :D Joseph Beuys hat ja damals auch der Putzfrau nicht den geringsten Vorwurf gemacht, welche seine Badewanne von den Spuren seiner Arbeit reinigte. Und was diese Putzfrau kann, das kann und darf ich als Maler schon lange und erst recht. Es ist deshalb empfehlenswert mich zu kontrollieren, ob ich Pinsel und Farbe dabei habe, wenn ich unterwegs in Richtung etwas Gemaltem bin... :angel:

    Ich darf auch daran erinnern, dass die Nacktheit der Menschen im "Jüngsten Gericht" Michelangelos als anstößig empfunden wurde und Danielo Ricciarelli musste sie alle bekleiden (was ihm den Spitznamen "Hosenmaler" einrachte). Adam und Eva waren in Masaccios Trintätsfresco benfalls zu nackt; man verpasste ihnen Feigenblätter. Spätere Operationen von Künstlern am eigenen Werk erwähne ich hier nicht, wie etwa die, das Jan van Eyk dem Kanzler Rollin seine Geldkatze wegpinseln musste, die der Heiligen Madonna gegenüber wohl zu anstößig gewesen war.


    Und der gute Jupp, mein lieber Holger: dem konnte ich in Kassel zuschauen, wie er eine Replikt der Zarenkrone nahm (Replik hin oder her, das war Kunsthandwerk von Graden), die Edelsteine herausbrach und das kunstvoll gearbeitete Metall zu einem putzige Friedesnhäslein einschmolz. Anlässlich der Documenta 1982 war das. Das Häslein war während der Documenta ausgestellt, wurde zuvor allerdings versteigert. Beuys finazierte mit dem Erlös das Anpflanzen von 7.000 Eichen. Wie heißt es doch: Kinder schaffte Neues.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas,


    ich glaube es ist schon ein gewaltiger Unterschied, wenn ein Maler sein eigenes Werk übermalt oder wenn jemand ein fremdes Werk willkürlich überschmiert. Das ist für mich eine Kunstschändung.
    Bei Gemälden privater Besitzer könnte ich es noch hinnehmen, wenn sein Besitzer Kunstwerke überschmiert und sie damit wertlos macht, obwohl dabei leider auch schon mancher Kunstschatz verloren gegangen ist. Aber wenn das mit Werken, die der Öffentlichkeit gehören, durch fremde Hände geschieht, ist das ein Verbrechen an den Werken und auch an der Menschheit.
    Nichts Anderes ist das Verschandeln der Originalhandlung der großen Opernwerke. Ist der Regisseur denn der einzige Besitzer, der mit seinem Eigentum willkürlich tun und lassen kann, was er will.
    Wenn, wie ein Berliner Regisseur behauptet,


    Zitat

    "Ich bin ein autonomer Künstler und kein Dienstleister von einem Autor, dessen Drecksarbeit ich machen soll..."

    ?(?(

    dann hat er seinen Beruf verfehlt und sollte sich schleunigst nach einem anderen Beruf umsehen. Wird das Verdrehen einer Handlung unter Missbrauch der zugehörigen Komponenten und das Anpreisen unter der Mogelpackung eines anderen Autoren mit dessen gutem Namen, dessen bekanntem Titel, der Verwendung des (unpassenden) Textes und der Musik heutzutage "autonome" Kunst genannt?? Ist es das, was man 2017 darunter versteht??
    ?( ?( ?(

    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Thomas,


    ich glaube es ist schon ein gewaltiger Unterschied, wenn ein Maler sein eigenes Werk übermalt oder wenn jemand ein fremdes Werk willkürlich überschmiert. Das ist für mich eine Kunstschändung.

    Lieber Gerhard, genau das ist ja mit den Werken von Michelangelo und Masaccio geschehen. Die sind ja nicht von ihren Schöpfern übermalt worden. Übrigens aus ideologischen Gründen. Den van Exk habe ich deshalb auch nur beiläufig erwähnt.


    Bei einer, sicherlich nicht bös' gemeinten Bemerkung "Hallo, wir leben im Jahr 2017" verziehe ich allerdings auch leicht säuerlich die Mundwinkel. In letzter Zeit finde ich öfter im Altpapier ganze Brockhaus Bände. Kein Witz. Ist das die Segnung des Jahre 2017? Braucht man nicht mehr, gibt Wikipedia? Auch Operninszenierungen folgen ästhetischen Grundlagen (ästhetisch jetzt nicht als Fremdwort für schön gemeint, wie es gerne fälschlich verwendet wird). Ich mag da in dem, was ich für akzeptabel halte etwas weiter gehen als Du, was aber kein Grunddissens zwischen uns beiden ist. Einig sind wir uns gewiss in diesem Punkt: Ich muß die Dinge aber nicht anders machen, nur weil wir das Jahr 2017 haben.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich darf auch daran erinnern, dass die Nacktheit der Menschen im "Jüngsten Gericht" Michelangelos als anstößig empfunden wurde und Danielo Ricciarelli musste sie alle bekleiden (was ihm den Spitznamen "Hosenmaler" einrachte). Adam und Eva waren in Masaccios Trintätsfresco benfalls zu nackt; man verpasste ihnen Feigenblätter. Spätere Operationen von Künstlern am eigenen Werk erwähne ich hier nicht, wie etwa die, das Jan van Eyk dem Kanzler Rollin seine Geldkatze wegpinseln musste, die der Heiligen Madonna gegenüber wohl zu anstößig gewesen war.

    Ich ergänzte, lieber Thomas: Und was ist mit der "Nachtwache" geschehen (dokumentiert im Rijksmuseum Amsterdam)? Die Auftraggeber haben einfach ein gutes Stück der rechten Seite abgeschnitten, weil ihnen das Bild zu groß war. Die Interpreten, die das nicht wussten, haben dann tiefsinnig über die "offene Form" bei Rembrandt in diesem Bild spekuliert. Bemerkt hat man erst, dass hier etwas fehlt, als man die verkleinerte Kopie entdeckt hat, die sich der Hauptmann auf dem Bild hat malen lassen (zu sehen alles im Rijksmuseum heute). Da sieht man endlich die vollständige Komposition.

    Und der gute Jupp, mein lieber Holger: dem konnte ich in Kassel zuschauen, wie er eine Replikt der Zarenkrone nahm (Replik hin oder her, das war Kunsthandwerk von Graden), die Edelsteine herausbrach und das kunstvoll gearbeitete Metall zu einem putzige Friedesnhäslein einschmolz. Anlässlich der Documenta 1982 war das. Das Häslein war während der Documenta ausgestellt, wurde zuvor allerdings versteigert. Beuys finazierte mit dem Erlös das Anpflanzen von 7.000 Eichen. Wie heißt es doch: Kinder schaffte Neues.

    Ich verstehe was er sagen will: Die Kunst als schöpferischer Akt ist wichtiger als unproduktiv das scheinbar Wertvolle, Beständige, Ewige anzubeten.


    Die Ironie in meinem Beispiel ist natürlich nicht verstanden worden. Beuys verstand überhaupt keinen Spaß, was die Zerstörung seines Werkes anging. Nur verklagt hat er nicht die Putzfrau, sondern die Stadt Düsseldorf. Was sagt das? Die Vorstellung, dass das "Werk" der "physische" Gegenstand sei, etwa das Bild, das an der Wand hängt, ist einfach naiv. Ein Kunstwerk wird erst zum Kunstwerk in den Augen des Betrachters. Die Putzfrau konnte die Badewanne von Beuys überhaupt nicht als Kunstwerk ansehen, weil sie nicht so aufgestellt war, dass sie als Kunstwerk gesehen werden konnte. Das Problem, dem Akt ein Feigenblatt zu verpassen ist so auch nicht die "physische" Übermalung, sondern die Veränderung des Sinnes: Da wird der antiken bzw. der Sicht aus der Renaissance auf den Körper die christliche Leibfeindlichkeit übergestülpt. Das "unveränderliche Kunstwerk" ist eine Fiktion, die nirgendwo existiert. Das "Übermalen" des Bildes geschieht in jedem Betrachter, dazu braucht man keinen Pinsel, das schafft unser sinndeutender Blick auch ohne. Ein Betrachter aus dem Mittelalter sieht ein mittelalterliches Bild eben völlig anders als heute. Er sieht einfach ganz andere Dinge. Es gibt ein Kunstwerk nur innerhalb und nicht außerhalb eines Veränderungsprozesses der Sinndeutung. Letztere Vorstellung ist eine Hypostasierung. In der Werkästhetik ist dies das Problem der rezeptionsästhetischen Vermittlung. Wie sagte Marcel Duchamp: Ein Werk wird erst vollständig und ganz in den Augen des Betrachters.


    Was RT-Gegner nie begreifen werden, so oft man es ihnen erklärt, weil sie sich hier einfach dem rationalen Sinnverständnis verweigern: Bei darstellender Kunst, also Kunst, die einer Aufführung bedarf, geht diese rezeptionsästhetische Vermittlung eben noch weiter als bei einem Bild oder Gedicht oder Roman: Die veränderlichen Aufführungsbedingungen gehören selber zum Werk und sind von ihnen nicht zu trennen. Es geht wiederum nicht um eine "physische" Unveränderlichkeit des Werkes, welche RT-Gegner unterstellen: nämlich in der wörtlichen Umsetzung des Librettos bis zum Bühnenbild. Selbst wenn eine Aufführung keine physische Veränderung vornimmt, also das Libretto "wörtlich umsetzen" würde (was allerdings auch eine Fiktion ist, denn das ist per se unmöglich), wäre das dann eine Sinnveränderung des Werks. Gerade die physische Veränderung (z.B. Wechsel von Ort und Zeit der Handlung) kann ein Mittel sein, den Sinn des Werkes annähernd unverändert wiederzugeben.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Lieber Holger, Du hast es - wieder einmal - wunderbar auf den Punkt gebracht. Es wird nur nichts nützen, wie Du zu Recht befürchtest, weil sich die üblichen Verdächtigen einem rationalen Diskurs verweigern.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Und was ist mit der "Nachtwache" geschehen (dokumentiert im Rijksmuseum Amsterdam)? Die Auftraggeber haben einfach ein gutes Stück der rechten Seite abgeschnitten, weil ihnen das Bild zu groß war. Die Interpreten, die das nicht wussten, haben dann tiefsinnig über die "offene Form" bei Rembrandt in diesem Bild spekuliert. Bemerkt hat man erst, dass hier etwas fehlt, als man die verkleinerte Kopie entdeckt hat, die sich der Hauptmann auf dem Bild hat malen lassen (zu sehen alles im Rijksmuseum heute). Da sieht man endlich die vollständige Komposition.


    Das kam früher gar nicht so selten vor, lieber Holger, dass von Kunstwerken einfach mal eben ein Stück abgeschnitten wurde. Mir sind da einige Fälle bekannt. Ein ganz konkreter wäre etwa das im KHM Wien hängende berühmte Kardinalsportrait des Jan van Eyck (entstanden um 1435), bei dem man bis heute nicht genau weiß, wer der darauf Dargestellte ist. Lange Zeit ging man von Kardinal Albergati aus, doch gab es schon vor gut hundert Jahren Stimmen, die sich für den englischen Kardinal Beaufort aussprachen. Mittlerweile hat das KHM tatsächlich ein Fragezeichen hinter den Namen Albergati gesetzt. Die Frage ließe sich wohl recht leicht klären, wäre nicht ein Teil des Bildes abgeschnitten worden – auf dem abgetrennten Teil vermutet die Forschung das Kardinalswappen, das eine eindeutige Identifizierung ermöglicht hätte.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das kam früher gar nicht so selten vor, lieber Holger, dass von Kunstwerken einfach mal eben ein Stück abgeschnitten wurde. Mir sind da einige Fälle bekannt. Ein ganz konkreter wäre etwa das im KHM Wien hängende berühmte Kardinalsportrait des Jan van Eyck

    Gibt es denn Anhaltspunkte, lieber Joseph, warum das geschehen ist? Das wäre natürlich interessant! Wer hatte ein Interesse daran, die Identität des Abgebildeten zu verschleiern?


    Schöne Grüße
    Holger

  • Gibt es denn Anhaltspunkte, lieber Joseph, warum das geschehen ist? Das wäre natürlich interessant! Wer hatte ein Interesse daran, die Identität des Abgebildeten zu verschleiern?


    Lieber Holger,


    wenn ich die Provenienz des Gemäldes verfolge, befand es sich bis 1648 im Besitz des Antwerpener Kunsthändlers Peeter Stevens und wurde im selben Jahr vom kunstsinnigen Erzherzog Leopold Wilhelm, Bruder von Kaiser Ferdinand III. und seinerzeit Statthalter der Niederlande, erworben. Meiner bescheidenen Meinung nach hatte das wohl keine Gründe der Verschleierung. Eher tippe ich darauf, dass man es zuschnitt, damit es in einen Rahmen passte oder dergleichen. Man war da wenig zimperlich. Wann das geschah, wird sich wohl kaum mehr feststellen lassen – wohl eher davor als danach, denn es scheint seit 1648 im Besitz der Habsburger gewesen zu sein, wodurch es dann auch ins KHM wanderte. Es scheint sich ja auch anderweitig kein Dokument erhalten zu haben, das den Dargestellten benennt. Dies klingt für uns heute zwar seltsam, aber oft weiß man ja noch nicht einmal, wer der Maler war. Zumindest das ist in diesem Falle eindeutig gesichert: Es war tatsächlich der "König der Maler" Jan van Eyck. Ich zumindest bin froh, dass sich dieses Meisterwerk auch nach fast 600 Jahren (!) weitgehend erhalten hat und uns einen realistischen Blick auf einen spätmittelalterlichen Kirchenfürsten erlaubt. :)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich zumindest bin froh, dass sich dieses Meisterwerk auch nach fast 600 Jahren (!) weitgehend erhalten hat und uns einen realistischen Blick auf einen spätmittelalterlichen Kirchenfürsten erlaubt. :)

    Ich bin auch schwer beeindruckt, lieber Joseph - das ist einfach unglaublich, eine in jeder Hinsicht atemberaubende Charakterdarstellung. Und wie fein das Gesicht "gezeichnet" ist! Da kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus! Das möchte ich auch gerne im Original sehen!


    Man könnte nun darüber nachdenken, warum man in dieser Zeit keine Skrupel hatte, so ein Bild abzuschneiden. Vielleicht, weil damals der Gegenstand der Darstellung wichtig war und nicht die Bildkomposition. In der Moderne dreht sich das ja um - da wird die bildliche Darstellung wichtiger als der dargestellte Gegenstand. Allerdings ist bei diesem Bild die Blickperspektive so gewählt, dass dies dem Bildeindruck weniger schadet. Was wiederum zeigt, dass eigentlich der "Werk"-Charakter nicht die Bedeutung hatte, wie heute.


    Schöne Grüße
    Holger

  • So interessant die Anmerkungen und Beispiele zu den Gemälden und auch zu Beuys sind, so wenig erschließt sich mir doch die eigentliche (satirische) Idee dieses Threads ... :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die satirische Idee erschließt sich mir schon....umso schöner finde ich es, dass hier RT-Freunde und RT-Skeptiker Witziges aber auch Interessantes austauschen, ohne sich in die Haare zu kriegen. Wäre es nur immer so! Humor ist m.E. Der richtige Weg, um auch scharfen Auseinandersetzungen die Schärfe persönlicher Angriffe zu nehmen. BRAVO! Da capo! ^^

  • Zitat

    Zitat von Thomas Pape: Ich mag da in dem, was ich für akzeptabel halte etwas weiter gehen als Du, was aber kein Grunddissens zwischen uns beiden ist.

    Lieber Thomas,


    ich weiß, dass du nicht so radikal bist, zu fordern dass alles verändert werden muss, weil wir in einer anderen Zeit leben. Aber gehört nicht auch die Handlung den Autoren des Werkes? Auch die haben sich erhebliche Gedanken gemacht, warum sie ihre Aussagen in genau diese Handlungsumgebung verpackt haben, oder bist du der Meinung, dass z.B. Wagner nicht seinen Werken genau diese Gestalt (z.B. den "Rings" in mystischer Gestalt) gegeben hat? Scheint dir der Sinn durch z.B. den Castorf-Ring oder den anderer Regisseure (wie Konwitschny) eindeutiger erreicht?
    Für mich ist einfach die vom Autoren gewollte Handlung (auch in Ort und Zeit) fester Bestandteil der Oper, da "beißt die Maus für mich keinen Faden ab.
    Es ist eine unsinnige Behauptung - wie sie hier leider von einigen immer wieder geäußert wird - dass wir immer nur dasselbe sehen wollten und nicht mit den Gegebenheiten der Zeit gehen wollten. Gerade die moderne Bühnentechnik hat so viele verschiedene Möglichkeiten, mit einfachen Mitteln die verschiedene Orte einer Handlung darzustellen, also einen schnellen Szenenwechsel zu vollziehen. Es geht nicht um "schöne" Bilder, es geht um wahrheitsgemäße Bilder. Wir verlangen nicht die überladenen Bühnenbilder früherer Zeiten, sondern sind auch schon mit schlichteren Bildern, die aber die wahren Handlungsorte erkennen lassen, zufrieden. Dagegen werden heute aufwendige, öde, nichtssagende, das Stück verfälschende Einheitsbilder konstruiert, die einen Szenenwechsel in kurzer Zeit nicht mehr erlauben. Ja sie müssen, wie ich erfahren habe, manchmal so aufwendig zusammengeschraubt bzw abgebaut werden, dass Solisten, Chor und Orchester bei den Proben ins Hintertreffen geraten.
    Auch die Kostüme müssen nicht maßlos übertrieben, aber glaubwürdig sein. Ein Don Carlos gehört nun mal ins 16 Jahrhundert (die Handlung spielt 1560), und wenn dieser im weißen Pullover erscheint, ist er wohl aus der Zeit geraten. Über das Spielzeugpferd kann der Zuschauer eigentlich nur lachen, so albern ist das. Und was vermittle ich dem Zuschauer? Wohl, dass es im Jahre 2017 noch Inquisition und Autodafés gibt?
    Wer z.B. die Carmen als Nutte im Bordell darstellt, hat für mich diese "femme fatale" nicht verstanden.
    Wir haben in der Vergangenheit hier genügend Beispiele solch geistiger Verirrungen aufgeführt.
    Und die Behauptung stimmt auch insofern nicht, als dass ich z.B. gerade die Carmen in einer Reihe verschiedener Inszenierungen und Aufnahmen gesehen habe, von denen jede anders war, und die sich trotzdem immer an die Originalhandlung hielten (ausgenommen natürlich die Verunstaltung im Bordell). Wer es nicht versteht, dem Werk zu dienen, ohne die Originalhandlung zu zerstören, hat, wie schon gesagt, den Beruf des Regisseurs verfehlt.
    Bei vielen Opernfreunden sträuben sich die Haare bei dem, was seit Jahren mit den Meisterwerken geschieht und im Jahr 2017
    immer noch üblich ist, ja eher noch schlimmer geworden ist.
    Ich, und mit mir viele wehren sich gegen die Zerstörung durch Brutalisierung (leider macht die Oper diesen weltweit immer mehr feststellbaren Trend mit) oder andererseits Veralberung (in Richtung Spaßgesellschaft). Den Sinn, der sich früher durch dezente Andeutungen weit eleganter erschloss, glaubt man heute durch aufdringliche Holzhammermethode ersetzen zu müssen, damit auch der Dümmste es versteht. Sind die Opernzuschauer denn wirklich so dumm??


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • So interessant die Anmerkungen und Beispiele zu den Gemälden und auch zu Beuys sind, so wenig erschließt sich mir doch die eigentliche (satirische) Idee dieses Threads ... :untertauch:

    Um es in der Sprache des Hosenmalers auszudrücken: Die "satirische Idee" ist schlicht "in die Hose" gegangen. Das Beispiel des Hosenmalers zeigt schön, dass es in der Gesellschaft Tabus gibt, was gezeigt werden darf und was nicht. Und der Einhaltung dieser Tabus wird die Bewahrung der Identität des Werkes rücksichtslos untergeordnet. Die Ironie der Geschichte: Auch da ging es nicht zuletzt um Sexualität. Wenn immer wieder dem RT vorgerworfen wird, naturalistisch Sex auf der Bühne zu zeigen, dann liegt auch hier die Vermutung nahe, dass es gar nicht um das Werk und vermeintliche Werktreue geht, sondern um die Einhaltung genau desselben gesellschaftlichen Tabus, was gezeigt werden darf und was nicht, mit dem damals die Schamteile mit Feigenblättern übermalt wurden. Womit dann letztendlich gezeigt ist, dass die "satirische Idee" des Threads in die Hose gegangen ist. :D


    Und noch eine Nebenbemerkung: Eigentlich ist das auch die Veralberung einer Kunstrichtung des 20. Jhd., dem Futurismus. In Tommaso Marinettis Manifest steht bekanntlich:


    „Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken, … Leitet den Lauf der Kanäle um, um die Museen zu überschwemmen! … Ergreift die Spitzhacken, die Äxte und die Hämmer und reißt nieder, reißt ohne Erbarmen die ehrwürdigen Städte nieder!“


    Nähme man dieses Programm wörtlich, wäre das freilich Barbarei. Gleichwohl hat der Futurismus seine Wirkungsgeschichte - es gibt futuristische Motive schon bei Richard Wagner oder dann bei Ferruccio Busoni. Das Interessante daran ist, dass schon Wagner - und auch Franz Liszt - der Meinung waren, dass es keine "unvergänglichen" Werke gibt und dass sich der Komponist dieser Vergänglichkeit stellen muss, gerade wenn es um die Aufführung und Aufführungspraxis geht - durch die Notwendigkeit der Erneuerung. Eine Antwort auf diese Frage ist eben RT. Da nützt es nichts, das veralbern zu wollen, das ist dann wirklich selbst nur albern.


    Schöne Grüße
    Holger

  • So verführerisch es ist, ich steige in dieses Thema nicht ein. Es scheint mir vermintes Gelände zu sein. Ich sehe die Gefahr, dass in unserem zuletzt so friedlich, harmonischen Forum wieder die Diskussion um die Grundsatzfrage auflammt. Es wäre schade, wenn wir die erreichten Übeinstimmungen nicht beibehalten würden.


    Herzlichst
    Operus
    mit besten Grüßen aus Ungarn

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • So verführerisch es ist, ich steige in dieses Thema nicht ein. Es scheint mir vermintes Gelände zu sein. Ich sehe die Gefahr, dass in unserem zuletzt so friedlich, harmonischen Forum wieder die Diskussion um die Grundsatzfrage auflammt. Es wäre schade, wenn wir die erreichten Übeinstimmungen nicht beibehalten würden.

    Lieber Hans,
    ich halte es (fast) genauso. Das Terrain bietet Zündstoff bis zur Explosion. Zu einem Punkt nur eine kurze Bemerkung:


    Es geht wiederum nicht um eine "physische" Unveränderlichkeit des Werkes, welche RT-Gegner unterstellen: nämlich in der wörtlichen Umsetzung des Librettos bis zum Bühnenbild. Selbst wenn eine Aufführung keine physische Veränderung vornimmt, also das Libretto "wörtlich umsetzen" würde (was allerdings auch eine Fiktion ist, denn das ist per se unmöglich), wäre das dann eine Sinnveränderung des Werks. Gerade die physische Veränderung (z.B. Wechsel von Ort und Zeit der Handlung) kann ein Mittel sein, den Sinn des Werkes annähernd unverändert wiederzugeben.

    Geht es nicht auch um Standpunkte? Unsere Politiker lehren uns doch auch, wie Standpunkte unabhängig von ihren Grundlagen zu fehlerhaften Interpretationen und dann zu falschen Handlungen führen können. Nicht anders ist es hier. Weltbilder kann man nicht verrücken wie Möbel, deshalb wird es immer unterschiedliche Meinungen geben, und jeder glaubt, recht zu haben. Auch in der Kunst und in ihrer Betrachtung. Ich will einfach meine Meinung behalten und brauche keine Missionierung, solange ich meine Meinung für richtig halte und damit zufrieden bin (und keine Gesetze verletze). Wenn sie falsch ist, bin auch ich bereit, meine Meinung zu ändern. Aber sicher nicht meinen Standpunkt zu grundsätzlichen Fragen.

    Es wird nur nichts nützen, wie Du zu Recht befürchtest, weil sich die üblichen Verdächtigen einem rationalen Diskurs verweigern.

    So ist es. Wenn der Diskurs von vornherein davon ausgeht, die Meinung und den Standpunkt anderer zu verändern, brauche ich keinen Diskurs. Auch Du wirst bei Deinem Standpunkt bleiben. Warum sollte ich meinen ändern? Soll ich Dir zuliebe etwas gut heißen, was gegen meine Überzeugung ist? Du tust es doch auch nicht. Da bringen persönliche Beschimpfungen von senil bis zum Trottel kein Ergebnis außer einer Verhärtung der Fronten. Dabei vereint uns doch alle die Liebe zu einer der schönsten Sachen der Welt - der Musik!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Geht es nicht auch um Standpunkte? Unsere Politiker lehren uns doch auch, wie Standpunkte unabhängig von ihren Grundlagen zu fehlerhaften Interpretationen und dann zu falschen Handlungen führen können. Nicht anders ist es hier. Weltbilder kann man nicht verrücken wie Möbel, deshalb wird es immer unterschiedliche Meinungen geben, und jeder glaubt, recht zu haben. Auch in der Kunst und in ihrer Betrachtung. Ich will einfach meine Meinung behalten und brauche keine Missionierung, solange ich meine Meinung für richtig halte und damit zufrieden bin (und keine Gesetze verletze). Wenn sie falsch ist, bin auch ich bereit, meine Meinung zu ändern. Aber sicher nicht meinen Standpunkt zu grundsätzlichen Fragen.

    Wer ist eigentlich der "Missionar"? Derjenige, welcher RT und Menschen, die das nicht im Prinzip ablehnen und ihm aufgeschlossen gegenüberstehen ständig als "hirnkrank" u.ä. bezeichnet, d.h. diese Kunst, solche Künstler und ihr wohlwollendes Publikum als eine pathologische Erscheinung betrachtet, von der es die Welt zu befreien gilt, damit sie endlich gesund wird oder derjenige, der dagegen opponiert, indem er die Legitimität einer solchen Kunstauffassung betont, die zu respektieren und Ernst zu nehmen ist? Wer seine Meinung der Intoleranz und der Verächtlichmachung einer ganzen Auffassung von Kunst behalten will, der muss eben mit heftigem Widerstand rechnen.

    So ist es. Wenn der Diskurs von vornherein davon ausgeht, die Meinung und den Standpunkt anderer zu verändern, brauche ich keinen Diskurs. Auch Du wirst bei Deinem Standpunkt bleiben. Warum sollte ich meinen ändern? Soll ich Dir zuliebe etwas gut heißen, was gegen meine Überzeugung ist? Du tust es doch auch nicht. Da bringen persönliche Beschimpfungen von senil bis zum Trottel kein Ergebnis außer einer Verhärtung der Fronten. Dabei vereint uns doch alle die Liebe zu einer der schönsten Sachen der Welt - der Musik!

    Bigotter geht es nicht! "Senil" war die humoristische Entgegnung auf die vorausgegangene auch noch bekräftigte Beschimpfung "hirnkrank" - um es noch einmal zu wiederholen. Solange RT-Gegner nicht aufhören, das was sie nicht mögen und diejenigen die sie nicht mögen zu verunglimpfen mit Wort und Tat, wird es bei den verhärteten Fronten bleiben.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Weltbilder kann man nicht verrücken wie Möbel, deshalb wird es immer unterschiedliche Meinungen geben, und jeder glaubt, recht zu haben.

    P.S. Damit habe ich gar kein Problem. Ich bleibe auch mein Leben lang Phänomenologe. Nur sollte die Aufgeschlossenheit für die andere Weltsicht erhalten bleiben, indem man zumindest die Bereitschaft zeigt, dass man sich bemüht, den Sinn auch dieser Sichtweise, die man nicht teilt, zu verstehen. Das geschieht eben nicht durch Kriminalisierung und sprachlich diskriminierende Zuschreibungen, die statt Sinn zu suchen immer nur Unsinn unterstellen. Auch hier wiederhole ich mich nochmals, was ich schon mal erwähnte: Eduard Hanslick hielt Wagners "vernichtender" Kritik an Meyerbeer vor, dass man Künstler nicht wie Verbrecher behandeln dürfe. Hanslick selbst hat zwar Wagner auch sehr scharf kritisiert und das war letztlich "weltanschaulich" motiviert, aber sich eben auch darum bemüht, ihn wirklich zu verstehen. Diese Qualität ist der entscheidende Unterschied zu polemischen Debatten über RT von heute. Aus Hanslicks Polemik gegen Wagner kann man deshalb einen Gewinn ziehen, aus destruktiver Rhetorik gegen RT von heute nicht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Der Duden bezeichnet Bigotterie als Scheinheiligkeit und „kleinliche, engherzige Frömmigkeit und übertriebene(n) Glaubenseifer“.[2] Das dazugehörige Adjektiv ist „bigott“.

    Danke. Stört mich nicht, nicht von Dir.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    dass wir die Überzeugung der Anhänger der verunstalteten Meisterwerke nicht ändern können, ist klar. Genau so wenig können sie unsere Überzeugung ändern, obwohl sie uns immer wieder missionieren wollen was daran eindeutig zu erkennen ist, dass sie immer wieder betonen, wir seien unbelehrbar. Schon dieser Vorwurf zeigt es doch: Sie möchten uns gerne in ihre Meinung zwingen. Im Grunde sind sie doch genauso unbelehrbar.
    Uns liegt überhaupt nichts daran, ihre Meinung zu ändern, sie zu belehren. Es geht doch hier nur darum, das, was wir von diesen Entstellungen der Meisterwerke halten - durchaus in klarer und scharfer Form - auszudrücken, wozu auch ein Wort wie "hirnverbrannt" gehört, wenn ich es so sehe. Und das wird mir auch in Zukunft niemand nehmen.
    An Worten haben sich doch wohl beide Seiten nichts vorzuwerfen, nur dass sie von einigen sogar unter Nennung von Namen ausgesprochen werden.
    Ich weiß, dass ich persönlich häufiger unter persönlicher Namensnennung angegriffen werde, aber das berührt mich absolut nicht, ich bin nicht beleidigt, da ich mich einfach nicht angesprochen fühle. Und wenn sich jemand - ohne dass ich einen Namen nenne - persönlich beleidigt fühlt, dann soll er es doch meinetwegen sein.
    Sollen sie doch ihre Einstellung behalten. Das rührt mich nicht. Die ständigen Belehrungsversuche gehen schon lange an mir vorbei.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • An Worten haben sich doch wohl beide Seiten nichts vorzuwerfen, nur dass sie von einigen sogar unter Nennung von Namen ausgesprochen werden. Ich weiß, dass ich persönlich häufiger unter persönlicher Namensnennung angegriffen werde, aber das berührt mich absolut nicht, ich bin nicht beleidigt, da ich mich einfach nicht angesprochen fühle. Und wenn sich jemand - ohne dass ich einen Namen nenne - persönlich beleidigt fühlt, dann soll er es doch meinetwegen sein.

    Also ich persönlich schätze (schon zur Vermeidung allfälliger Mißverständnisse und unabhängig vom Thema) viel eher das offene Visier, die offene Kritik, die sich direkt und namentlich an den richtet, den ich kritisiere. Versteckte, "hintergründige" und doch mehr oder weniger eindeutige Anspielungen, allein schon Bezeichnungen, wie "Der Dr. und seine Schildträger" o.ä. sind in meinen Augen weder höflich, noch deaskalierend oder gar sachlich. Vielmehr versteckt sich dahinter nichts anderes, als die Feigheit des Kritisierenden, der sich hier mit Hilfe vollkommen unzureichender rhetorischer Mittel ganz offensichtlich die Möglichkeit erhalten will a posteriori zu behaupten, man hätte es garnicht so gemeint oder überhaupt sei man ja schon sachlich allein, weil man keine Namen nennt. Tatsächlich halte ich solchermaßen versteckte Kritik bis hin zu sehr wohl persönlichen Angriffen schlicht für eine perfide Form des Mobbings.- True Story. So sad!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Also ich persönlich schätze (schon zur Vermeidung allfälliger Mißverständnisse und unabhängig vom Thema) viel eher das offene Visier, die offene Kritik, die sich direkt und namentlich an den richtet, den ich kritisiere. Versteckte, "hintergründige" und doch mehr oder weniger eindeutige Anspielungen, allein schon Bezeichnungen, wie "Der Dr. und seine Schildträger" o.ä. sind in meinen Augen weder höflich, noch deaskalierend oder gar sachlich. Vielmehr versteckt sich dahinter nichts anderes, als die Feigheit des Kritisierenden, der sich hier mit Hilfe vollkommen unzureichender rhetorischer Mittel ganz offensichtlich die Möglichkeit erhalten will a posteriori zu behaupten, man hätte es garnicht so gemeint oder überhaupt sei man ja schon sachlich allein, weil man keine Namen nennt. Tatsächlich halte ich solchermaßen versteckte Kritik bis hin zu sehr wohl persönlichen Angriffen schlicht für eine perfide Form des Mobbings.- True Story. So sad!

    Zum Glück, lieber Michael, ist das alles Forenkomödie und die Betreffenden haben das Glück, nicht Ernst genommen werden zu müssen. Wären wir in der Realität, sähe es anders aus. Was wollen sie denn eigentlich? Keiner von uns erteilt RT nur weil es RT ist den Persilschein des anything goes. Ich habe immer Reich-Ranicki gerne zitiert, dass es gutes und schlechtes RT gibt, betont, dass mir solche Schubladen wie RT oder konventionelle Inszenierung egal sind, sondern ich immer nur die einzelne künstlerische Leistung danach bewerte, ob sie für mich Sinn macht oder nicht. Bertarido hat geschrieben, dass er sich über RT immer wieder mächtig ärgert, ihm das aber lieber ist, als sich zu langweilen. Trotz alledem sind wir alle zusammen oder RT überhaupt "hirnkrank". Worum geht es also? Die Sprache, die man spricht, ist nun mal entlarvend. Es geht in Wahrheit um einen Kulturkampf, RT als "entartete Kunst" zu brandmarken. Man operiert mit dem kategorialen Schema gesund/krank. Wir sind also "Krankheitserreger", in der Hannoveraner Aktion war von "Kulturzersetzung" die Rede, d.h. RT als entartete Kunst ist todbringend für die Kultur. Deswegen ist auch die einzige logische Konsequenz, dass man die gefährlichen Krankheitserreger abtötet, um die Genesung des Kulturkörpers einzuleiten. Mit todbringenden Keimen verhandelt man nicht demokratisch, genauso wenig wie mit Hirnkranken, die rottet man aus oder sperrt sie weg ins Irrenhaus. Aus solcher Sprache spricht eine Geisteshaltung, die politisch Rechtsaußen ist - so was kennen wir von der AfD, die eine Ministerin mit Migrationshintergrund in "Anatolien entsorgen" wollte. Als Demokrat sage ich da nur: Leuten mit solcher Geisteshaltung bin ich als überzeugter Demokrat nicht bereit, auch nur den geringsten politischen Einfluss einzuräumen. Sie können beteuern wie sie wollen, wie demokratisch sie seien, ich glaube ihnen kein einziges Wort. Denn ihre Sprache ist entlarvend. Solchen Leuten irgendein aktives Mitspracherecht in Sachen Kultur zu geben wäre eine Gefährdung für die Kunstfreiheit und die Demokratie. Zum Glück brauchen wir die Komödie hier nicht Ernst zu nehmen. Die Beteiligten haben Foren-Narrenfreiheit. Sollen doch die selbsternannten Kulturverbesserer wie Don Quichote gegen Windmühlen kämpfen! Sie werden da allerdings leider die Erfahrung der Realität insofern machen müssen, dass "Hirnkranke" wehrhaft sind und sich nicht ins Irrenhaus so leicht wegsperren lassen.


    ich glaube es ist schon ein gewaltiger Unterschied, wenn ein Maler sein eigenes Werk übermalt oder wenn jemand ein fremdes Werk willkürlich überschmiert. Das ist für mich eine Kunstschändung.

    Irrtum. Wenn der Künstler sein Werk aus den Händen gibt, indem er es veröffentlicht, dann ist das Werk auch vor den zerstörenden Händen des Künstlers geschützt, gehört ihm nämlich nicht mehr als Privatbesitz, sondern ist öffentliches Eigentum und genießt den entsprechenden Schutz.

    Der "Berliner Regisseur" hat völlig Recht. Franz Kafka verlangte von seinem Freund Max Brod, dass er für ihn die "Drecksarbeit" macht und nach seinem Tod sein komplettes Werk verbrennt. Max Brod hat sich aber nicht als Dienstleister Kafkas verstehen wollen und statt dessen das Werk, dessen unschätzbaren Wert er erkannte, vor dem Willen seines Autors geschützt. Und nur deswegen kennen wir heute überhaupt Kafkas "Prozeß" und andere bedeutende Werke. Der Künstler hat primär eine Verpflichtung gegenüber dem Werk, nicht aber auch in gleicher Weise gegenüber dem Künstler, der das Werk geschaffen hat.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zum Glück, lieber Michael, ist das alles Forenkomödie und die Betreffenden haben das Glück, nicht Ernst genommen werden zu müssen. Wären wir in der Realität, sähe es anders aus. Was wollen sie denn eigentlich? Keiner von uns erteilt RT nur weil es RT ist den Persilschein des anything goes. Ich habe immer Reich-Ranicki gerne zitiert, dass es gutes und schlechtes RT gibt, betont, dass mir solche Schubladen wie RT oder konventionelle Inszenierung egal sind, sondern ich immer nur die einzelne künstlerische Leistung danach bewerte, ob sie für mich Sinn macht oder nicht. Bertarido hat geschrieben, dass er sich über RT immer wieder mächtig ärgert, ihm das aber lieber ist, als sich zu langweilen. Trotz alledem sind wir alle zusammen oder RT überhaupt "hirnkrank".Worum geht es also? Die Sprache, die man spricht, ist nun mal entlarvend. Es geht in Wahrheit um einen Kulturkampf, RT als "entartete Kunst" zu brandmarken. Man operiert mit dem kategorialen Schema gesund/krank. Wir sind also "Krankheitserreger", in der Hannoveraner Aktion war von "Kulturzersetzung" die Rede, d.h. RT als entartete Kunst ist todbringend für die Kultur. Deswegen ist auch die einzige logische Konsequenz, dass man die gefährlichen Krankheitserreger abtötet, um die Genesung des Kulturkörpers einzuleiten. Mit todbringenden Keimen verhandelt man nicht demokratisch, genauso wenig wie mit Hirnkranken, die rottet man aus oder sperrt sie weg ins Irrenhaus. Aus solcher Sprache spricht eine Geisteshaltung, die politisch Rechtsaußen ist - so was kennen wir von der AfD, die eine Ministerin mit Migrationshintergrund in "Anatolien entsorgen" wollte. Als Demokrat sage ich da nur: Leuten mit solcher Geisteshaltung bin ich als überzeugter Demokrat nicht bereit, auch nur den geringsten politischen Einfluss einzuräumen. Sie können beteuern wie sie wollen, wie demokratisch sie seien, ich glaube ihnen kein einziges Wort. Denn ihre Sprache ist entlarvend. Solchen Leuten irgendein aktives Mitspracherecht in Sachen Kultur zu geben wäre eine Gefährdung für die Kunstfreiheit und die Demokratie. Zum Glück brauchen wir die Komödie hier nicht Ernst zu nehmen. Die Beteiligten haben Foren-Narrenfreiheit. Sollen doch die selbsternannten Kulturverbesserer wie Don Quichote gegen Windmühlen kämpfen! Sie werden da allerdings leider die Erfahrung der Realität insofern machen müssen, dass "Hirnkranke" wehrhaft sind und sich nicht ins Irrenhaus so leicht wegsperren lassen.

    Dieser Beitrag sollte genau gelesen werden. Deuten sollte es jeder selbst.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • gelöscht


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Dieser Beitrag sollte genau gelesen werden. Deuten sollte es jeder selbst.


    Ja, dieser Beitrag sollte aufmerksam gelesen und vor allem auch verstanden und beherzigt werden. Ich habe da bei manchen allerdings wenig Hoffnung, dass er auf fruchtbaren Boden fällt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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