Julius Katchen - Zu früh gestorben.

  • Julius-Katchen.jpg


    Geboren am 15. August 1926 in Long Branch, New Jersey


    Gestorben am 29. April 1969 in Paris


    Der us-amerikanische Pianist russisch-jüdischer Abstammung debütierte bereits im Alter von elf Jahren mit einem Mozart-Konzert in Philadelphia unter der Leitung von Eugene Ormandy. Er studierte weiter bei seinen Großeltern, die an den Konservatorien in Warschau und Moskau gelehrt hatten, später dann beim Godowsky-Schüler David Saperton. Anschließend nahm er ein Studium der Philosophie und französischen Sprache in Haverford und an der Sorbonne auf. Er lebte ab diesem Zeitpunkt auch in Frankreich.
    Katchens Repertoire war zwar zunächst breit, konzentrierte sich jedoch ab Ende der 1950er Jahre immer mehr auf die Werke von Johannes Brahms.
    Er nahm so auf Schallplatte nicht nur dessen gesamtes Soloklavierwerk auf (eine bis heute in ihrer Kraft, Virtuosität und Werkdurchdringung maßstabsetzende Aufnahme), sondern auch die beiden Klavierkonzerte und eine Reihe von Kammermusikwerken (mit Josef Suk jr. und Janos Starker).
    Katchen starb im Alter von 42 Jahren an Leukämie (Blutkrebs).


    Das vielgerühmte Gesamte Soloklavierwerk von Brahms bietet Decca nach wie vor in einer Einzelbox an:



    Die große Decca-Gesamtbox habe ich mir bestellt und werde in Kürze darüber berichten können:



    Unter anderem befindet sich darin die hervorragende Gesamtaufnahme der Beethoven-Konzerte mit Piero Gamba, die Brahms-Konzerte mit Monteux und Ferencsik (unvergleichlich), sowie Klavierkonzerte von Schumann, Grieg, Bartok, Prokofiev, Mozart, Gershwin mit Münchinger, Ansermet, Kertesz, Mantovani. Außerdem beinhaltet die Box ein 88-seitiges Booklet mit präzisen Angaben, Fotos und einem Essay von Cyrus Meher-Homji, dem jetzigen Chef von Australian Eloquence.

  • Vielen Dank, lieber Agon, für die Eröffnung dieses Threads. Es ist ja fast nicht zu fassen, dass es bisher keinen für diesen außergewöhnlichen Pianisten gab. Zufällig hielt ich gerade gestern die Box mit allen Brahms-Aufnahmen in der Hand um zu schauen, ob auch die Konzerte drauf sind. Das meiste von Katchen habe ich auf Vinyl. Deine Einschätzung der Beethoven Klavierkonzerte teile ich voll und ganz. Als ich die das erste Mal hörte, war ich sehr verwundert, dass diese tollen Aufnahmen eigentlich nie irgendwo erwähnt werden.


    Beste Grüße
    lutgra

  • Ich habe diese ältere Box von ihm:



    Von den US-amerikanischen Pianisten, die wirklich etwas zu sagen hatten, sind leider die begabtesten viel zu früh verstorben. Von den "Amerikanern" ist seine Interpretation von Chopins Sonate op. 35 einfach die überragendste.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Vielen Dank, lieber Agon, für die Eröffnung dieses threads. Es ist ja fast nicht zu fassen, dass es bisher keinen für diesen außergewöhnlichen Pianisten gab.

    Ja, lieber lutgra, ich habe mich auch sehr gewundert, daß es bisher keinen Thread zu Julius Katchen gab. Das hätte ich nicht erwartet.



    Deine Einschätzung der Beethoven Klavierkonzerte teile ich voll und ganz. Als ich die das erste Mal hörte, war ich sehr verwundert, dass diese tollen Aufnahmen eigentlich nie irgendwo erwähnt werden.

    Absolut. Als ich diese Aufnahmen das erste Mal gehört habe, fragte ich mich sofort: wieso sind die nicht bekannter? Irgendwie laufen die immer nur unter ferner liefen, aber weit gefehlt, denn das, was Katchen und Gamba mit dem LSO hier abliefern, zählt zum Besten überhaupt bei den Beethoven-Konzerten.
    Es gab die Aufnahmen mal in einer Extra-Box:



    Auch klanglich absolut wunderbar.


    Die Brahms-Konzerte sind nicht in der Soloklavier-Box enthalten - leider. Gebraucht bekommt man wohl nur noch diese Doppel-CD:



    Leider ist die ganze "The Art of Julius Katchen" - Reihe auch schon wieder gestrichen. Es gibt praktisch nichts mehr. Es ist unglaublich, wie Universal mit den Aufnahmen dieses Künstlers verfährt. Die große Box scheint auch nur noch mit ewiger Lieferzeit erhältlich zu sein.

  • Die abgebildete Doppel-CD hatte ich seinerzeit eher wegen den TOP_Aufnahmen mit Jorge Bolet gekauft und um einige Repertoirelücken zu füllen: Dohnanyi: Var.über ein Kinderlied op.25, Liszt: Malediction, Ung.Fantasie, Totentanz, Wandererfantasie (mit Solti).


    Die beiden Liszt - Klavierkonzerte mit Julius Katchen auf CD1 der Doppel-CD
    Nr.1 mit dem LSO / Ataulfo Argenta und Nr. 2 LSO / Adrian Boult

    sind sicher gute Interpretationen. Aber Katchen hat so seine Eigenarten, die mir stellenweise nicht so gut gefallen. Ich gebe zu, dass es auch daran liegt, dass ich bei den Liszt-KK eindeutig durch die Richter/Kondraschin-Aufnahmen (Philips) geprägt bin, die für mich absolut mustergültig sind (auch bei Brendel/Haitink, Zimerman/Ozawa oder auch Vasary/Fricsay habe ich weniger Vergleichsprobleme zu Richter/Haitink, als bei Katchen).
    * ;) Ausserdem fördert die gebotene etwas flaue Klangqualität dieser Katchen-Aufnahmen vom Januar 1957 auch nicht gerade den Hörspass ...



    Decca, 1957 (Liszt-KK), ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Hallo


    Julius Katchen gehörte immer schon auch zu meinen Favoriten !


    Die Einspielung des Brahms Solo-Klavierwerkes (außer der Bearbeitung der Bachschen Chaconne) bei Decca sowie des 2. Konzertes sowie der Paganini-Rhapsodie ebenfalls bei Decca sind für mich ‚ewige‘ Referenz !


    LG Siamak

  • Die Liszt-Klavierkonzerte mit Argenta/LPO sind natürlich auch sehr gut, aber hier gibt es eine sehr große Konkurrenz in Gestalt von Richter, Argerich, Janis, Zimerman & Co.


    Ich habe diese sehr gut klingende Ausgabe, die auch noch die "Fantasie über ungarische Volksweisen" mit LSO/Gamba sowie einige Soloklavierwerke enthält (u.a. "Funerailles"):



    (hier gibt es übrigens eine sehr gute und treffende Amazon-Rezension zu lesen)

  • Immerhin scheint es noch eine Doppel-CD mit den Klaviertrios (mit Suk und Starker) zu geben:



    (Tonmeister war hier der unvergängliche Kenneth E. Wilkinson - Aufnahme 1968, The Maltings, Snape)


    Die Violinsonaten mit Suk gab es mal in dieser sehr guten Ausgabe:



    (Tonmeister Wilkinson - Aufnahme 1967, Kingsway Hall, London)

  • Hallo,


    Entschuldigung, das 2. KK und die Paganini-Rhapsodie natürlich von Rachmaninow


    LG Siamak

  • Diese Box hat mich nun erreicht:



    Sie macht einen sehr guten und hochwertigen Eindruck. Sie hat ein individuell gestaltetes Artwork, das in den Farben gelb, grau und weiß gehalten ist. Auf jeder Hülle sind auf der Rückseite die Werke mit Tracknummern und die Besetzung aufgeführt. Das ist sehr hilfreich und praktisch.
    Das 88-seitige Booklet ist aufwendig gestaltet und enthält als Herzstück ein ausführliches und sehr informatives Essay von Cyrus Meher-Homji (dreisprachig).
    Die 36. CD ist nicht im Booklet aufgeführt und ist also ein Bonus. Sie enthält die Stereoaufnahmen von Rachmaninovs Paganini-Rhapsodie und Dohnanyis Variationen über ein Kinderlied mit dem LPO unter Adrian Boult von 1959.


    Also, ich denke diese Box war ein sehr guter und wichtiger Kauf, an dem ich lange und immer wieder Freude haben werde.

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  • Ich höre gerade Katchens ausserordentlich bewegte und lebendige Interpretation von Rachmaninovs Zweitem Klavierkonzert mit Sir Georg Solti und dem London Symphony Orchestra von 1958. Eigentlich meide ich dieses Werk mittlerweile vollständig, aber hier war ich doch neugierig, denn Kitsch und emotionaler Überdruck ist von diesen beiden Künstlern wirklich nicht zu erwarten. Und so ist es auch. Das ist ein sehr schlanker, beweglicher, flüssiger, fliessender Rachmaninov, der nicht auf der Stelle tritt. Ich weiss nicht wie, aber Katchens extreme Sensibilität, die mich auch schon bei Brahms so tief beeindruckte, kommt auch hier voll zum Tragen. Der hervorragende Klang von Kenneth E. Wilkinson (Kingsway Hall, London) tut ein Übriges.

  • Von den US-amerikanischen Pianisten, die wirklich etwas zu sagen hatten, sind leider die begabtesten viel zu früh verstorben. Von den "Amerikanern" ist seine Interpretation von Chopins Sonate op. 35 einfach die überragendste.

    Ja, Holger, das ist wirklich wahr!
    Sowohl die Sonate op. 35 wie auch die Sonate op. 58 (beide aufgenommen 1954) finde ich ausgesprochen gelungen. Nun kenne ich diese beiden Sonaten nicht so gut und habe sie lange nicht mehr gehört, aber Katchens Lesart wirkt auf mich einmal mehr vollkommen durchdacht, pianistisch unanfechtbar und idiomatisch.

  • Im Rahmen der Rechereche für den Thread über bedeutende Pianisten der MONO Ärä stieß ich auf Julius Katchen. Ein Grenzfall, ES gab schoin etlche Stereo-Aufnahmen - aber einiges ist noch in Mono. Durch seinen frühen tragischen Tod ist sein Output überschaubar - aber gemessen an seiner kurzen Lebensspanne doch beachtlich. Daß er heute weniger bekannt ist ist vorzugsweise der Tonträgerindustrie anzulasten, die etliches gestichen hat und einiges in diese Llieblosen Boxen verpackt hat, wo sich etliches findet, das der Sammler längst hat, man muß also immer alles dreimal kaufen -und daß dann manches liegenbleibt und erneut gestrichen wird ist leider vorhersehbar.


    Genug des Jammerns. Ich fand diesen Thread und habe ihn, rumindest was die Bilder betrifft, wiederhergestellt. Daß fast nichts davon heute mehr neu lieferbar ist liegt nicht in meiner Macht. Aber es gibt ja noch Antiquariate.


    Auf youtube fand ich eine WUNDERBARE STEREO Aufnahme des Klavierkonzertes Nr 25 KV 503 von Mozart vom Dezember 1966. Es begleitet - nein gestaltet - das Stuttgarter Kammerorchester unter Karl Münchinger. Ein Ohrenschmaus....



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich besitze von Julius Katchen diese Box, die leider auch schon wieder vergriffen ist.



    DECCA versammelt da alle Aufnahmen Katchens, die Qualität ist durchaus gut. Wünschenswert wäre es, wenn nach Abverkauf der CDs die Aufnahmen als Stream oder Download zur Verfügung stünden. Katchen war lange Zeit mit seiner GA der Klavierwerke Brahms' allein auf weiter Flur, der nächste, der sich an das Unterfangen gemacht hatte, war wohl Gerhard Oppitz. Unabhängig von Einzelaufnahmen anderer Pianisten wie Ciccolini, Kempff, Backhaus oder Gould, ABM nicht zu vergessen, habe ich nach wie vor eine große Affinität zur Katchen Aufnahme. Das Schöne an der Box ist der Umstand, dass DECCA da alle Aufnahmen Katchens versammelt, also auch die Mehrfacheinspielungen einzelner Werke. Das hat die DGG bei Kempff seinerzeit ärgerlicherweise versäumt. Nun gut, bei dem Pianisten wäre man dann auch mit den zwei üppigen Klötzen nicht ausgekommen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Katchen war lange Zeit mit seiner GA der Klavierwerke Brahms' allein auf weiter Flur, der nächste, der sich an das Unterfangen gemacht hatte, war wohl Gerhard Oppitz. Unabhängig von Einzelaufnahmen anderer Pianisten wie Ciccolini, Kempff, Backhaus oder Gould, ABM nicht zu vergessen, habe ich nach wie vor eine große Affinität zur Katchen Aufnahme.

    Ich habe nicht nur eine Affinität zu dieser Einspielung sondern finde sie als Gesamtaufnahme und auch in vielen Einzelvergleichen immer noch unübertroffen. Oppitz finde ich nicht schlecht, aber oft zu wenig charmant, manchmal fast ein bisschen stur, z.B. bei manchen Scherzi oder den eher heiteren Capricci wie op. 76 Nr. 2. Detlef Kraus ist mir zu brav, Peter Rösel klanglich zu hölzern. Bei Katchen beeindruckt nicht nur die phänomenale Brillanz (an seine Paganini-Variationen kam später für mich nur noch Kissin heran) sondern vor allem sein Vermögen, die brahmsschen Zwischentöne hörbar zu machen, das Versteckte, Heimliche, Indirekte, das vor allem im Spätwerk so wichtig ist. Und Brahms' allerletztes Klavierwerk, die Rhapsodie op. 119 Nr. 4 spielt er mit buchstäblich gewaltiger Größe, mit einem Wutausbruch am Ende, den ich von niemandem sonst derart beeindruckend gehört habe:


    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • eine WUNDERBARE STEREO Aufnahme des Klavierkonzertes Nr 25 KV 503 von Mozart vom Dezember 1966. Es begleitet - nein gestaltet - das Stuttgarter Kammerorchester unter Karl Münchinger. Ein Ohrenschmaus....

    Ich kenne die Aufnahme zwar nicht, aber es gibt (gab) sie sogar auf CD, in dieser 2er Box:

    Art Of Julius Katchen, The - Volume 2: Amazon.se: CDs & Vinyl

    gekoppelt mit den Konzerte Nr. 13 KV 415, Nr. 20 KV 466 sowie Beethoven Nr. 4 op.58 und der Mozart-Sonate A-dur, KV 331.

    Ich bringe Julius Katchen mehr mit Komponisten wie Brahms, Beethoven und Liszt zusammen. Traurig, daß er so früh sterben mußte.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • aber es gibt (gab) sie sogar auf CD, in dieser 2er Box:

    Ja - es GAB sie, sie fand sich auch noch auf der weiter oben von Thomas Pape gezeigten 35 CD Box mit ALLEN Aufnahmen, die er für DECCA eingespielt hat

    ABER: EBENFALLS GESTRICHEN

    Im konkreten Fall ist das auf verständlich: Nur wenige werden ALLE Aufnahmen eines Pianisten kaufen -mit einem Programm Querbeet durch das gesamte Klassikrepertoire !!!


    Sinnvoller sind hier Einzelveröffentlichungen, wie die hier gezeigte - wobei es sich hier um ander Konzerte handelt, die tontechnisch eher bescheiden sind - ganz zu schweigen vom "Füller", sechs deutsche Tänze, die reine Orchesterstücke sind (also ohne Katchen UND tontechnisch und musikalisch geradezu eine Zumutung sind! Kling am ehesten wie ein Schlachtengemälde und ist IMO eine Zumutung !!!


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !