Leben
Berndt (Bernhard) Henrik Crusell wurde am 15. Oktober 1775 in Nystad (heute Uusikaupunki, Finnland) geboren und starb am 28. Juli 1838 in Stockholm. Er war ein hervorragender Klarinettensolist, Komponist (und Arrangeur) und auch Übersetzer zahlreicher Opern ins Schwedische. Obwohl Crusell den Hauptteil seines Lebens in Schweden verbrachte (ab 1791), bezeichnete er sich selbst sein Leben lang als Finne. Auch seine Reisetagebücher schrieb er zeitlebens auf finnisch.
Sein Vater war ein armer Buchbinder, dem die Mittel fehlten, seinem Sohn eine angemessene Schulbildung angedeihen zu lassen. Als Crusell 8 Jahre alt war, zog die Familie zuerst nach Hämeenlinna und kurz darauf nach Nurmijärvi (nördlich von Helsinki). Hier hatte er im Hause des Hauptmann Armfelt ersten Unterricht zusammen mit den Kindern des Hausherrn und erlernte die Grundbegriffe des Klarinettenspiels beim Klarinettisten Westerberg vom Nyland-Regiment. 1788 brachte ein Freund der Familie den jungen Crusell nach Sveaborg (Suomenlinna), eine Inselfestung direkt vor der Küste von Helsinki. Major Wallenstjerna war besonders beeindruckt von Crusells Klarinettenspiel und warb ihn als freiwilliges Mitglied der Militärkapelle von Sveaborg und nahm Crusell in sein Haus auf. Crusell erhielt hier umfassende Bildung, vor allem auch in Sprachen und Musik. 1791 wurde Wallenstjerna nach Stockholm versetzt; Crusell folgte ihm dorthin.
Zwischen 1791 und 1799 studierte Crusell in Stockholm Musiktheorie und Komposition bei Matheus Daniel Böritz und Abbé Vogler, dem Leiter der Königlichen Hofkapelle. 1793 wurde Crusell Mitglied der Kungliga Hovkapellet (der Königlichen Hofkapelle) und blieb dies bis 1833. Ab 1795 trat Crusell in den spieltechnisch forderndsten Klarinettenkonzerten seiner Zeit auf (u.a. 1797 von Michel Yost). 1798 reiste er für mehrere Monate nach Berlin, um Unterricht bei dem legendären Klarinettenpionier Franz Tausch zu nehmen. Im Rahmen dieser Reise konzertierte er in Berlin und Hamburg – dies sollten gleichzeitig seine letzten Auftritte auf dem Kontinent sein. 1801 wurde er auf Vorschlag von Paul Struck und Akademiepräsident Axel Gabriel Silfverstolpe Mitglied der Königlich-Schwedischen Akademie für Musik (Kungliga Musikaliska Akademien).
1803 verbrachte Crusell auf Einladung sechs Monate in Paris, um Kompositionsunterricht bei Henri Montan Berton und François Gossec zu nehmen. Er machte hier die Bekanntschaft mit Luigi Cherubini, Étienne-Nicolas Méhul, Pierre Baillot und Daniel François Esprit Auber. 1811 reiste Crusell nach Leipzig, um sich einen Verleger für seine Kompositionen zu suchen - das Bureau de musique von Ambrosius Kühnel veröffentlichte Crusells Klarinettenkonzert Es-Dur op. 1 und sein Klarinettenquartett Es-Dur op. 2. Auch nach der Übernahme durch C.F. Peters 1814 wurden weitere Werke Crusells in Leipzig publiziert.
Ab 1817 rief Crusell zusammen mit anderen Musikern der Hofkapelle eine Subskriptionsreihe mit Kammermusikabenden ins Leben. Im Jahre 1818 wurde Crusell Musikdirektor der beiden Leibgrenadierregimenter in Linköping, eine Position, die er bis 1836 inne behielt. Er stiftete aus den Erlösen seiner Konzerte einen Fonds zur Unterstützung von Musikern und deren Familien. Im Frühjahr 1822 wurde Crusell von Schwindelanfällen und schweren nervösen Störungen gequält, die es ihm für ein paar Jahre unmöglich machen sollten, seinen Verpflichtungen im Orchester nachzukommen. Im Juni 1822 brach er deshalb zu einer Kurreise nach Karlsbad auf. Als er im Oktober desselben Jahres nach Stockholm zurückkehrte, fühlte er sich besser, aber keineswegs auskuriert. Auf dieser Kurreise traf er in Berlin u.a. mit dem jungen Felix Mendelssohn-Bartholdy und dessen Schwester Fanny zusammen, in Dresden mit Giacomo Meyerbeer und Carl Maria von Weber. Im gleichen Jahr wurde Crusell auch als Nachfolger für den Posten des Hofkapellmeisters gehandelt, letztlich aber abgelehnt, da er „zu liebenswürdig“ war.
1822 veröffentliche Crusell drei Bände mit Sololiedern auf Texte des schwedischen Dichters Esaias Tegnér und anderer. 1826 folgte ein weiterer Band Frithiofs saga mit zehn Liedern wiederum auf Texte von Tegnér. Seine Oper Lilla slavinnan (Die kleine Sklavin) wurde 1824 in Stockholm uraufgeführt und erlebte 34 Wiederholungen in den folgenden Jahren. Für die Eröffnung des Göta-Kanals am 26. September 1832 komponierte Crusell eine Chorkantate auf Worte von Magnus Martin af Pontin. In den 1820er und 1830er Jahren begann Crusell, der auch ein sehr talentierter Übersetzer war, mit der Übertragung von Opernlibretti ins Schwedische (u.a. Le nozze di Figaro, Il barbiere di Siviglia, Fra Diavolo, Fidelio). Die meisterhafte Übertragung des Figaro brachte ihm die Wahl in den „Götiska förbundet“ ein, den wichtigsten literarischen Verein in Schweden. Im Jahre 1837 erhielt er den großen Preis der Schwedischen Akademie (die Goldmedaille) und er wurde in den Vasa-Orden für Verdienste um Staat und Gesellschaft aufgenommen.
Crusells letzter Auftritt als Solist in Stockholm war wahrscheinlich am 18. November 1831 im Rahmen eines Konzertes im Königlichen Schloß in Stockholm. Crusell verließ die Hovkapellet zum 1. Januar 1834. Trotzdem trat er noch einmal im November 1834 im Riddarhuset auf, um bei einer Aufführung von Beethovens Septett op. 20 mitzuwirken. Bernhard Crusell starb in Stockholm am 28 Juli 1838. Bei der Beerdigung führten die Hofkapelle und Mitglieder des Chores der Oper Teile von Mozarts Requiem zu seinem Gedächtnis auf. Crusell wurde auf dem Solna Friedhof begraben; ein Freimaurersymbol markiert sein Grab.
Wirkung
Anfang des 19. Jh. zählte Crusell zu den herausragendsten Klarinettenvirtuosen Europas (von vielen Zeitgenossen wurde Crusells Tonbildung als wunderschön und meisterhaft bezeichnet) und er galt der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1827 als „der beliebteste schwedische Componist“. Nach seinem Tode verblaßte die Erinnerung an seine Konzerte und seine Kammermusik allmählich. Ein neuer musikalischer Stil – geprägt von den Komponisten Adolf Fredrik Lindblad und vor allem Franz Berwald – brach sich Bahn und beherrschte die Podien. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. kam es national (in Schweden und Finnland) und international zu einer Renaissance der Musik Crusells. Seine sehr virtuosen Kompositionen – meist mit oder für Klarinette – werden heute weithin geschätzt. Die Kompositionen sind einem klassizistisch-frühromantischen Klangideal verpflichtet, voller origineller thematischer Einfälle und rücken Crusells Stil in die Nähe Webers und Spohrs.
Werke
Crusell hinterließ 62 verschiedene Werke: Orchesterwerke, Kammermusik, die Oper Den lilla Slafvinnan, ferner Schauspielmusiken, Kantaten und Lieder für Solostimme und Chor sowie Militärmusik:
Op. 1 Klarinettenkonzert Es-Dur, 1811
Op. 2 Klarinettenquartett Nr. 1 Es-Dur, 1811
Op. 3 Concertante für Klarinette, Horn, Fagott und Orchester, 1816 (Pot Pourri pour clarinette, cor et basson par Bernhard Crusell)
Op. 4 Klarinettenquartett Nr. 2 c-Moll, 1817
Op. 5 Klarinettenkonzert f-Moll, 1817
Op. 6 Drei Klarinettenduos, 1821
Op. 7 Klarinettenquartett Nr. 3 D-Dur, 1823
Op. 8 Flötenquartett D-Dur (Arrangement von Op.7), 1823
Op. 9 Divertimento für Oboe und Streicher C-Dur, 1823
Op. 11 Klarinettenkonzert B-Dur, 1829
Op. 12 Introduction et Air suédois varié , 1830
Concertino für Fagott und Orchester B-Dur, 1829
"Die kleine Sklavin" ("Den lilla slavinnan"), Romantisches Schauspiel in drey Akten, 1824
zahlreiche Lieder und Chorsätze