Eine Frage zur Wichtigkeit von Bedeutung

  • Ich stöbere ja gerne mal in alten Threads und da begegnet einem häufiger mal das Wort Bedeutung, wenn es darum geht welche Sinfonie einem besser gefällt. Zuletzt gestern im Prokofview Thread, wo es ein Ranking gibt. Und wo immer wieder Sinfonien in einer persönlichen Beliebtheitsskala wegen ihrer Bedeutung nach vorne sortiert werden.


    Das interessiert mich jetzt wirklich, ist der historische Kontext für euch beim Hören wirklich wichtig? Sprich wenn eine Symphonie Musikhistorisch bedeutender ist als eine andere, würdet ihr dann auch sagen, ihr hört sie lieber?


    Viele Grüße, Michael

  • Das interessiert mich jetzt wirklich, ist der historische Kontext für euch beim Hören wirklich wichtig? Sprich wenn eine Symphonie Musikhistorisch bedeutender ist als eine andere, würdet ihr dann auch sagen, ihr hört sie lieber?


    Da gibt es verschiedene "Schulen (im Sinne von "Denkansätzen)
    Im Allgemeinen wird davon ausgegangen daß jene Sinfonien, die "von Bedeutung" sind auch jene sind, die immer wieder gespielt und gehört werden,und das Vergessenes (meist) zu recht vergessen wurde.


    Diesen Ansatz vertrete ich indes NICHT !!
    Ich bin jemand, der gerne "schöne" Musik hört, egal wie berühmt sie ist.
    Deswegen mag ich auch die sogannten "Epigonen", die einen Stil, der mir gefällt, noch weiterverfolgten, aus wenn er schon lange nicht mehr den jeweiligen "Zeitgeist" entsprach.
    Etwa seit dem 20. Jahrhundert hat es sich eingebürgert, daß "Originalität" und "Innovation" über "Schönheit" zu stellen sind. - Ein Denkansatz der mir - in Sachen Kunst - und vorzugsweise in der Musik - zutiefst zuwider ist.


    Wärde man diesem Ansatz folgen, wäre die Endkonsequenz jene, daß Zwöftonmusik - und all das Schlimme, was danach kam, Mozarts Musik gegenüber ein "Fortschritt" wäre.


    Da lobe ich mir schon meinen Pleyel, Vanhal, Vranicky, Ries , Field. Czerny, Raff etc....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Grunde ist das bei mir nicht so, dass die wissenschaftliche Bedeutung mein Hörprogramm bestimmen würde. Ich höre sehr gerne - also wirklich gerne - beispielsweise die sinfonischen Erstlinge von Sibelius oder Tschaikowsky. Beide Tonsetzer haben musikhistorisch bedeutendere Symphonien hinterlassen als diese Erstlinge. Und dennoch habe ich etwa Tschaikowskys Erste wohl schon häufiger gehört als dessen Sechste, die als eine Art abschließendes Großwerk mit sehr großem Tiefgang gilt. Oft ist es allerdings auch wieder so, dass musikhistorische Bedeutung korreliert mit meinem persönlichen Gefallen, den ich an bestimmten Werken finde, einfach, weil die bedeutenden Werke eben oftmals auch die ungleich größere kompositorische Qualität und geistige wie emotionale Tiefe besitzen und deswegen einfach besser sind, mehr in mir auslösen.


    Gefällt mir ein Werk nicht, auch wenn es musikgeschichtlich von großer Bedeutung ist, dann höre ich es auch kaum. Als Beispiel möge hier die Nennung von Berlioz' "Symphonie Fantastique" ausreichen. Musikgeschichtlich bedeutungsvoll, lässt mich dieses Werk über weite Strecken kalt. Warum sollte ich mir dann ständig die Tortur antun und es mir immer und immer wieder anhören?


    Grüße
    Garaguly

  • Man kann sich dem Kontext doch gar nicht entziehen. Wenn nicht die Gemeinschaft der Musiker und Hörer "beschlossen" hat (es ist natürlich keine ausdrückliche Abstimmung), dass ein Werk gedruckt und regelmäßig aufgeführt wird, wirst Du es nie kennenlernen. Du magst ja "hinterfragen", ob nun die allgegenwärtige "Symphonie Classique" vielleicht doch weniger interessant ist als die 2. oder 6.
    Aber Du hinterfragst erstmal nicht, warum Du Prokofieff und Rachmaninoff hörst statt Miaskovsky, Medtner oder Lyapunov oder Popov oder was es noch für Komponisten in Russland Anfang des 20. Jhds. gegeben hat. (Und die anderen genannten sind ja auch verlegt, aufgeführt, aufgenommen worden, nur nicht so verbreitet wie die ersten beiden.) Diese Vorauswahl ist längst getroffen, bevor Du als Hörer Deinen exquisiten Geschmack, der natürlich ganz eigenständig ist und nichts mit der Popularität, dem musikhistorischen Rang usw. einer Musik zu tun hat, ausbilden kannst... :stumm::pfeif:

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Musik ist ein Hörerlebnis - also im weitesten Sinn etwas Akustisches (sie hat mit Schallwellen zu tun), kann dieser Wert durch etwas Nicht-Akustisches gesteigert werden?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Z

    Musik ist ein Hörerlebnis - also im weitesten Sinn etwas Akustisches (sie hat mit Schallwellen zu tun), kann dieser Wert durch etwas Nicht-Akustisches gesteigert werden?


    Zweifellos, denn die Verarbeitung des Hörerlebnisses erfolgt im Gehirn :)

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Etwa seit dem 20. Jahrhundert hat es sich eingebürgert, daß "Originalität" und "Innovation" über "Schönheit" zu stellen sind. - Ein Denkansatz der mir - in Sachen Kunst - und vorzugsweise in der Musik - zutiefst zuwider ist.

    Dass ein musikalisches Thema "originell" sein müsse, ist allerdings ein Wert-Kriterium der Romantik des 19. Jhd. :) Darunter hatte u.a. Gustav Mahler zu leiden, dem man vorhielt, "unoriginelle" Themen - sprich bloße "Zitate" - zu verwenden. Innovation ist natürlich kein Wert an sich. Das Innovative bekam einen positiven Wert im Zuge der Kritik spätromantischer Dekadenz. So konnte z.B. als "innovativ" der Klassizismus (als Anti-Romantik) proklamiert werden - also eine Musik, die ausdrücklich "schön" sein will.

    Wärde man diesem Ansatz folgen, wäre die Endkonsequenz jene, daß Zwöftonmusik - und all das Schlimme, was danach kam, Mozarts Musik gegenüber ein "Fortschritt" wäre.

    Das haben Schönberg und Webern auch nie behauptet. Die Klassiker (einschließlich Richard Wagner) waren für sie sakrosankt. Es gibt selbstverständlich ein Fortschrittsdenken bei Schönberg, aber nur was die verwendete musikalische Grammatik angeht und das - musikgeschichtlich - selbstverständlich gegenwartsbezogen. Das betrifft ausdrücklich nicht die "Werke".

    ... oder noch einfacher: Die Bedeutung die etwas Akustisches für uns hat, ist selber kein akustisches Phänomen!


    Es ist so: Die Bedeutung, die ein musikalisches Werk für mich hat, muss nicht der allgemeinen Wertschätzung durch Rezeption oder gar Musikwissenschaft entsprechen. Und natürlich gibt es keinen "kategorischen Imperativ", sich daran zu orientieren. Auch ist es richtig, dass natürlich eine Vorauswahl durch die Häufigkeit der Aufführung erfolgt. Aber erfahrungsgemäß haben Interpreten einen großen Anteil daran, dass auch wenig Populäres einen Wert für einen selbst bekommt. Wegen des Interesses für den Interpreten lernt man seltenes Repertoire kennen - z.B. bei Horowitz war das bei mir so. Zuletzt habe ich mich gefreut, dass in der kürzlich erschienen Ashkenazy-Box endlich wieder Präludium und Fuge von Tanejew drin ist. Das war mal sein unbekanntes "Zugaben"-Programm zu Mussorgskys bekannten "Bildern einer Ausstellung". Das fand ich schon beim ersten Hören ein sehr eindrucksvolles Stück, was ich auch gerne wieder höre, obwohl es kaum jemand kennt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat von »zweiterbass«



    Musik ist ein Hörerlebnis - also im weitesten Sinn etwas Akustisches (sie hat mit Schallwellen zu tun), kann dieser Wert durch etwas Nicht-Akustisches gesteigert werden?


    Zweifellos, denn die Verarbeitung des Hörerlebnisses erfolgt im Gehirn


    Und als was wird es im Gehirn erkannt, "einsortiert" und gespeichert? - als z. B. sensorisches Erlebnis?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Friese,


    Musik ist immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wie sollte man sonst erkären, daß es so viele Richtungen bis zu Rep usw gibt.


    Trotz aller Bemühungen habe ich es nich geschafft, mich für Musik vor Mozart zu begeistern, wohl wissend, daß in diesem Segment unendlich viele Hörer musikalische Befriedigung finden. Selbst bei Mozart und Beethoven , bei Schumann und Schubert sind es nur Einzelstücke, die mich fesseln.


    Und in die Neuzeit mag ich gar nicht reinhören, Schönberg jenseits der Gurrelieder , Stockhausen oder Riehm sind für meine Ohren nicht gemacht.


    Meine Vorlieben haben sich eingependelt auf Musik von Wagner, Bruckner, Mahler und Strauss, mit dem Drumherum wie Tschaikowski, Berlioz, Debussy, Respighi (außer seinen Barockversuchen) usw. Um diese Musik auf mich wirken zu lassen, brauche und will ich keine wissenschaftlichen oder gar philosophischen Abhandlungen lesen, sondern versuche, aus der Biographie des Komponisten und auch zeitinformationen etwas üner die Gedanken der Komponisten zu erfassen. Früher fand ich Mahlers 9. oder Bruckners 9. grausam, jetzt, nach mehrfachem Lesen der Biographien und häufigem Hören gehören sie zu meinen Lieblingswerken. Und so geht es mir auch mit Skrjabin (Poem de la Ecstase), mit der römischen Trilogie von Respighi usw.


    Über meine Opernvorlieben spreche ich hier nicht weiter, sie sind zeitlich ähnlich angesiedelt wie die im Konzertsaal.


    Ich habe nichts dagegen, wenn es bei mir auf der Bühne (Oper und Konzertsaal) auch mal ordentlich kracht (z.B. Gewitter oder auf dem Gipfel der Alpensinfonie), aber zarte Stellen (z.B. Beginn der Verklärung in Tod und Verklärung - also etwa die letzten 7-8 Minuten) erzeugen bei mir Gänsehaut. Auf solche Momente freue ich mich, ich verliere dann die Bodenhaftung und beginne zu "schweben". Ich glaube nicht, daß ein Analytiker solche Momente erleben kann und will.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich frage überhaupt nicht nach der "Bedeutung" eines Komponisten oder der eines seiner Werke. Zu bestimmten Komponisten und Werken habe ich in frühen Jahren keinen Zugang gefunden. Heute ist mein Interesse sehr breit gestreut, lediglich zur Zwölftonmusik und zu anderen Experimenten - auch wenn sie als "bedeutend" gepriesen werden - finde ich keinen Zugang.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Ich finde den Begriff "Bedeutung" überbewertet und irreführend. Wer oder was gibt etwas eine "Bedeutung"? Warum zum Beispiel ist die Neunte von Beethoven "bedeutender" als die Achte? Habe ich nie verstanden.
    Was ich sagen will ist, daß es darauf ankommt, welche Bedeutung man selber einer Sache beimißt.
    Händel zum Beispiel war sicher ein "bedeutender" Komponist - interessieren tut er mich nur deshalb eigentlich nicht.

  • Alles ist relativ.
    Was ist von größerer Bedeuting : die Weiterenticklung und Erfindung neuer Instruemnte , die die Musik z.B. eines Beethoven ermöglichte oder die Musik selbst?
    Was ist Bedeutender: die erste Musik von damals oder die Weiterentwicklung über die Jahrhunderte?


    Und jetzt gehe ich mit größtem Vergnügen zum Schafkopfen mit Freunden.
    Bis bald?

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Ich muss sagen, es freut mich, dass hier doch der Tenor dahin geht, die Bedeutung eines Werkes nicht zu hoch zu hängen. Ich hatte das schon anders befürchtet. ;-)


    Für mich ist die Bedeutung eines Werkes ja eher eine Randnotiz die mich mich natürlich grundsätzlich, aber eben nur theoretisch interessiert, und sie ist für mich kein Grund ein Werk besser oder schlechter zu finden, oder häufiger oder weniger häufig zu hören. Allerhöchstens würde es ein Stück, dass mir eh gut gefällt, aufwerten.


    Musik hören hat für mich viel mit Emotionen, Gedanken, Stimmung zu tun, da ist wenig Platz in meinem Kopf für theoretische Bedeutung.


    Natürlich ist es richtig, allgemein als wichtig und bedeutend anerkannte Werke hört man viel häufiger und liegen auch meistens in vielen verschiedenen Einspielungen vor, wodurch man bei den Werken natürlich häufig zwangsläufig etwas finden kann, dass einem gefällt, aber diese Indirekten Einflüsse kann man je eh nicht ausschalten. Mir ging es ehr um die bewusste Auswahl. Und da freut es mich, dass es hier doch einige gibt, die das so sehen wie ich.


    Viele grüße Michael

  • Ja, auch mir geht es ähnlich, wie den meisten hier: Entscheidend ist das persönliche Gefallenfinden an einem Werk. :thumbup:


    Will ich mir eines neues musikalisches Gebiet erschließen, orientiere ich mich schon an musikwissenschaftlichen Bewertungen der Werke, an einem veröffentlichenten Kanon (wie auch hier gerne gemacht) oder einer persönlichen Empfehlung. Letzten Endes muß ich dann aber für mich herausfinden, ob mir das Werk etwas sagt, ob ich dazu eine emotionale Beziehung aufbauen kann oder eben auch nicht.


    Und dann geht es mit wie Friese: Treffen sich allgemeine Bewertung und meine Einschätzung, freut es mich und ich fühle mich irgendwie bestätigt. Gibt es zwischen diesen beiden Enden Diskrepanzen, ist mir die öffentliche Bedeutung ziemlich egal... :untertauch: Ich kann das Werk auf der sachlichen Ebene akzeptieren, gefallen muß und wird es mir nicht.


    Das ganze ist natürlich keine statischer, in Stein gemeißelter Zustand. Was mir vor fünf Jahren nichts gesagt hat, kann heute auf Grund veränderter Erfahrungen, Lebensumstände etc. ein Lieblingsstück sein. Auch der umgekehrte Weg ist möglich... die allgemeine Bedeutung des entsprechenden Werkes spielt dabei keine Rolle.


    Einige "blinde Flecken" halten sich bei mir allerdings sehr hartnäckig: ich kann z.B. mit vielen Instrumentalwerken von Bach nach wie vor nichts anfangen, bin aber ein großer Freund der vergleichbaren Musik Händels, Telemanns oder z.B. Bibers. Auch Mahlers Sinfonik ist für mich (mit Ausnahme der Auferstehungssinfonie) nach wie vor größtenteils terra incognita...


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Zitat

    Zitat von Friese: Musik hören hat für mich viel mit Emotionen, Gedanken, Stimmung zu tun, da ist wenig Platz in meinem Kopf für theoretische Bedeutung.

    Lieber Michael,


    es geht mir ähnlich. Ich habe z.B. eine Reihe schöner Opern, die ich auch immer wieder gerne höre, denen aber heute in den Opernhäusern keine "Bedeutung" mehr beigemessen wird. Für mich ist es immer wieder erfreulich, wenn einmal ein Werk wiederentdeckt wird. Aber viele Zuschauer lassen sich von dem Trend beeinflussen, dass nur die immer wieder gespielten Werke für sie einen "Bedeutung" haben. So wird die "Bedeutung" oft auch nur suggeriert, was mich aber nicht beeinflussen kann.
    Wir haben hier nur ein Theater, das von Gastspielen lebt. Ich habe es selbst erlebt, sogar bei "Andrea Chenier" von Umberto Giordano, der einigen Abonnenten nicht geläufig war, dass sie sich fragten, ob sie an der nächsten Veranstaltung, in der dieser gegeben wurde, überhaupt teilnehmen sollten, wovon ich sie dann überzeugen konnte.
    Die "Bedeutung" - wer immer diese bestimmt hat - scheint bei vielen Leuten doch eine gewichtige Rolle zu spielen. Da ich mich jetzt auf die Übertragungen aus der MET umgestellt habe, habe ich folgende Entdeckung gemacht: Opern, wie "Tosca" und "La Bohème" waren schnell ausverkauft, bei der "Semiramide", deren wunderbare Inszenierung aus der MET ich auch auf DVD habe, waren noch genügend - auch der besseren - Plätze zu haben.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Die "Bedeutung" - wer immer diese bestimmt hat - scheint bei vielen Leuten doch eine gewichtige Rolle zu spielen. Da ich mich jetzt auf die Übertragungen aus der MET umgestellt habe, habe ich folgende Entdeckung gemacht: Opern, wie "Tosca" und "La Bohème" waren schnell ausverkauft, bei der "Semiramide", deren wunderbare Inszenierung aus der MET ich auch auf DVD habe, waren noch genügend - auch der besseren - Plätze zu haben.

    Da glaube ich allerdings, dass dies weniger mit "Bedeutung", sondern mit "Bekanntheit" zu tun hat; vulgo: Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich. Insbesondere müssen wohl bedeutende Dinge nicht unbedingt bekannt sein und bekannte nicht unbedingt bedeutend. Womit wir quasi eine dialektische Volte zu Marx schlagen und fragen: Bestimmt die Wichtigkeit die Bedeutung? Oder bestimmt die Bedeutung die Wichtigkeit?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Jaja die Bedeutung der Bedeutung. Darüber ist schon manche unnütze Rede geschwungen worden. Bei der Musik gibt es eine objektive und eine subjektive Bedeutung. Objektiv kann ein Werk bedeutend sein, wenn nicht nur in schon ausgetretenen Pfaden gewandelt wird, sondern etwas eigenes unverwechselbares zu hören ist, also eine Tonsprache, die etwas Neues zum Ausdruck bringt. Das muss sich dann aber erweisen in einer Rezeption, die diese "Bedeutung" auch bestätigt, wir reden hier nicht über Eintagsfliegen. Beethoven z.B. ging neue Wege in seiner Musik, daran versuchten sich auch viele Epigonen, die aber nur kopieren wollten, das Original aber doch niemals erreichten. Die Bedeutung von Musik zeigt sich auch in dem Umstand, dass Komponisten sich zum Teil an anderen Komponisten orientieren. Schubert wollte gerne Beethoven nachahmen, z.B. in der so genannten "tragischen" Sinfonie. Das ist ihm völlig misslungen, spätestens in der "großen" C-Dur-Sinfonie hat er sich endlich von den Klammern der Tradition befreit.
    Subjektiv sieht das ganz anders aus, hier spielen die persönlichen Vorlieben eine Rolle. Für den einen ist Mozart bedeutend, für den anderen eben Mahler. Schönberg ist zweifellos bedeutend in dem Sinne, dass er mit seiner Abkehr von der reinen Tonalität etwas völlig Neues präsentiert. Dennoch haben viele dazu eine Hemmschwelle, weil das Ohr sich an die tonale Abfolge gewöhnt hat und das schön findet. Ich zähle mich auch dazu, versuche dennoch, ab und an mir mal so etwas anzuhören, um schließlich festzustellen, das ist sicher interessant und technisch schwer, aber nichts für mich. Im übrigen gibt es viele musikalisch "unbedeutende" Werke, die ganz passabel sind und durchaus gespielt werden sollten. Ich würde das mit der Bedeutung persönlich nicht überbewerten. So wichtig ist das für mich persönlich nicht.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP