Die Zeit der großen Helden ist vorbei. (?) - Dirigenten und Interpreten

  • Im Tread über Christian Thielemann brachte "Friese" folgendes interessante Statement:


    Zitat

    Nein lieber Operus, ich glaube unsere Zeit will keine großen Idole. Vielleicht wären sie ihr sogar unheimlich, wenn es jetzt noch welche geben würde. Aber ich glaube, auch ein Karajan wäre heute "nur" ein guter Thielemann.
    Kein Mensch würde ihm zugestehen, wochenlang Aufnahmen zu machen, nur um des ewigen Ruhmes willen. Und auch manches andere würde heute wohl auch nicht mehr so funktionieren. Die Zeit der großen Helden ist vorbei.


    Einserseits ist das richtig - und IMO traurig . denn wir leben in einer Zeit, wo "Teamfähigkeit" verlangt wird, wo (falsche) Freundlichkeit über Fähigkeit rangiert, wo Begriffe, wie Perfektionismus, Elite und Extravaganz zu Negetivwörtern geworden sind . kurzum: wo das Mittelmaß regiert. Der Einzelne ist austauschbar, ersetzbar, und manipulierbar, selbst die Sprache wird reglementiert. Außergewöhnliches wird als selbstverständlich hingenommen oder gar nicht wahrgenimmen und, wenn, dann mit einem gewissen Unbehagen, unbrauchbares toleriert, aber am liebsten ist den Leuten das unauffällige Mittelmaß.


    Andrerseits gibt es schon seit längerer Zeit gegenteilige Bewegungen, die oft - aber nicht immer von Erfolg gekrönt sind.
    Die Zeit der "großen Helden" ist vorbei. Es scheint so - Aber ist sie es wirklich ?


    Oder sind sie wieder im Kommen ? Namen werde ich erst im weiteren Verlauf des Threads nennem, ausser jemand anderer kommt mir zuvor.....
    "Helden" entstehen nicht aus dem nichts - der Nähboden ist die Gesellschaft. Sie können sich nur entwickeln und entfalten, wenn dieser Nährboden intakt ist, wenn ein Bedürfnis besteht.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Unsere Zeit hat ihre Helden und Idole - nur sie kommen aus anderen Bereichen: Aus dem Sport, dem Film, der Mode- und Modelszene, der leichten, seichten Musikszene, dem Adel und Geldadel und aus der unerschöplichen Welt der Stars, Sternchen und Möchtegern-Promis. In dem Maße, wie traditionelle Werte wieder gesucht, erkannt und geschätzt werden, wird auch die Klassikszene wieder mehr Helden und Idole bekommen, die über Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, Lang Lang und David Garrett hinausgehen. Talmi wird durch Edelmetall ersetzt.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Teodor Currentzis stilisiert sich doch dieser Tage zum neuen Stardirigenten. Sein exzentrisches Auftreten ist sicher nicht jedermanns Sache. Die Ergebnisse spalten auch zuweilen. Ich habe ihn einmal live erlebt in einem Konzert, das komplett Rameau gewidmet war. Das ist kein Selbstläufer und war gewissermaßen auch gewagt. Am Ende stehende Ovationen im Wiener Konzerthaus. Die Darbietung war schlechterdings sensationell und hat mir diesen Komponisten auch durchaus nähergebracht. Wie Thielemann ist er hoch umstritten, deswegen aber auch ständig im Gespräch. Beide haben ihren kultartigen Kreis von bedingungslosen Anhängern. Dann gibt es noch die letzten Verbliebenen der großen Alten, etwa Blomstedt, Haitink, Previn, Dohnányi. In unseren Breiten haben die zwar nicht diesen Kultstatus, aber in Japan sieht es ganz anders aus. Es gibt dort einen Kreis, der wirklich jede Rundfunkübertragung von Blomstedt akribisch sammelt und ihm zwecks Konzertauftritten sogar hinterher reist. Ich glaube insofern nicht, dass die Zeit der großen Helden (oder was man dafür hält) vorbei ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es ist eine gute Frage, wo Talmi endet, und wo Edelmtall beginnt. Manchem das einst für Edelmatall eingeschätzt wurde , wird heute ein Hauch von Talmi angedichtet (Paganini) Unantastbare Größen von einst haben unbehelligt und ohne dafür kritisiert zu werden Crossover aufgenommen, ich denke da an Bishops "Home Sweet home", von Patti und Melba - den grössten Sängerinnen ihrer Zeit - auf Grammophonplatten verewigt. Aber auch Caruso, Gigli, Tauber, Strienz, Kiepura, Slezak waren in der Auswahl ihres Repertoires nicht zimperlich.
    Dirigenten hatten es da schon einfacher. Da fallen mir spontan Furtwängler, Karajan, Klemperer, Bernstein, Harnoncourt, Szell,Rainer, Mravinsky und Celibidache ein.
    Ohh da fehlen noch etliche hervorragende Dirigenten, aber ich nannte hier besondere "Helden" oder "Pultdiktatoren" sowie "Heilsgestalten" die in den Augen der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise göttlich verehrt oder dämonisiert wurden.


    Die durch einen Luxusklang oder besondere persönliche Eigenschaften, wie Perfektionismus, Esoterik, Sektierertum oder dogmatischen Statements auf sich aufmerksam machten.


    Das war einst für das Publikum Anreiz sie zu hören, sich mit ihnen zu befassen, Allmählich wollte man aber solche Typen nicht, sie wirkten arrogant, überlegen, unmenschlich, und man konnte sich nicht mit ihnen identifizieren,
    Und hier liegt ein gewisser Unterschied: Früher wollte man die großen Künstler aus der Ferne still bewundern oder ihnen zujubeln.
    Heute möchte man mit ihnen diskutieren, ihren Stil hinterfragen, mit ihnen im Extremfall nach dem Konzert privat als Gruppe im nächstgelegenen Restaurant speisen.
    Sozusagen auf Augenhöhe.
    Man kommt sich menschlich näher, kauft die Aufnahmen dieser Künstler, aber der Nimbus des Unnahbaren ist dahin....


    Dieser Nimbus wurde auch in der Vergangenheit nicht eigentlich von den Künstlern angeregt, ein grioßer Teil des Publikums hatte die Erwartungshaltung - und die PR Abteilungen der jeweiligen Plattenkonzerne haben die nach Möglichkeit befriedigt....


    Wir erleben -langsam aber sicher - daß das Publikum wieder nach "Übermenschen" Sehnsucht hat, und wir erleben die Ansätze bereits...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Teodor Currentzis stilisiert sich doch dieser Tage zum neuen Stardirigenten. Sein exzentrisches Auftreten ist sicher nicht jedermanns Sache.Wie Thielemann ist er hoch umstritten, deswegen aber auch ständig im Gespräch. Beide haben ihren kultartigen Kreis von bedingungslosen Anhängern


    Ich habe das Zitat gekürzt- wie im Internet erwümscht.
    Aber genau an Currentzis hatte ich als zweiten Star neben Thielemann im Hinterkopf. Mir ist er unsympathisch, aber da er seine Anhänger hat, und Interesse an der Klassik. Er sieht jünger aus als er ist und ich mag keine allzu selbstbewussten "jungen Leute". Da ich mich für ihn bislang nicht interessiert habe, musste ich jetzt sein Alter googeln. er ist immerhin bereit 45, in dem Alter darf man schon seine Marotten haben, muß es vielleicht sogar um im Gespräch zu bleiben. Was immer ich persönlich von ihm halte, ist nur von sekundärer Bedeutung, denn der Erfolg gibt ihm recht. Wie Joseph II richtig schreibt, ist er ständig im Gespräch. Und genau das ist es was die Klassikszene heute so dringend braucht. Daß er "nebstbei" auch den Job beherrscht bedarf wohl keiner Erwähnung,


    Ich glaube insofern nicht, dass die Zeit der großen Helden (oder was man dafür hält) vorbei ist.
    Ich glaube, sie ist gerade wieder im Kommen


    Weitere Kandidaten in Sicht?


    mfg aus Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Aber genau an Currentzis hatte ich als zweiten Star neben Thielemann im Hinterkopf.


    Aber wer, hier im Forum, würde ihn den neben Karajan und Wand stellen und stehen lassen? Ich glaube 95% würden sich damit nicht anfreunden können, oder?

  • Günter Wand ist aber ein denkbar unglückliches Beispiel für einen "Star". Er hätte um nichts in der Welt im selben Atemzug wie Karajan genannt werden wollen. Ich zitiere aus dem Booklet seiner Aufnahme der 1. Symphonie von Brahms mit dem Chicago Symphony Orchestra mal ein Interview in "Fanfare" von März/April 1990:


    Zitat

    "Zu Beginn des Jahrhunderts", sagt Wand, "war der Dirigentenberuf hoch angesehen, gleichgestellt dem eines Universitätsprofesors. Die Medien haben dies alles verändert. Heutzutage gebaren sich die Dirigenten so, wie sie glauben, daß das Publikum sie sehen möchte. Sie sind halb Clown, halb Publicity-Jäger. Erst wird man zum Star, dann zum Superstar, und dann zum Megastar – wie Michael Jackson. Nun, ich bin kein Star! Es ist mir gleichgültig, wie meine Leistungen von der Außenwelt beurteilt werden. Es ist mir egal, ob ich anerkannt werde oder nicht. Ich weiß, wofür ich gearbeitet habe – aber ich war nie an einer 'Karriere' interessiert."

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Na gut, aus seiner eigen Sicht, hat sich Wand vielleicht nicht als Star gesehen. Aber wie ist dasdenn aus unserer Sicht? Würden wir Currentzis auf eine Stufe mit ihm stellen?

  • Also zumindest ich würde Wand und Currentzis für nicht vergleichbar halten. Die beiden sind ja auch so verschieden wie Tag und Nacht.


    Günter Wand war ein hoch seriöser Kapellmeister (und das ist jetzt positiv gemeint), der Jahrzehnte lang allenfalls eine lokale Bekanntheit erlangte. Er war bereits um die sechzig, als seine "Alterskarriere" in den 70er Jahren begann – mit einer Einspielung der Symphonien von Bruckner mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester. Wenn ich mich recht entsinne, war es die 5. Symphonie, die wie eine Bombe einschlug, so dass daraus überhaupt erst eine Gesamtaufnahme wurde. Er ging eher widerwillig ins Studio. Die meisten seiner Aufnahmen sind live entstanden, wobei da an mehreren Tagen mitgeschnitten und dann das Beste extrahiert wurde. Wand suchte von sich aus nie das Rampenlicht. Das nimmt man ihm aufgrund seiner untadeligen Vita voll und ganz ab.


    Teodor Currentzis war erstens mal viel jünger, als er berühmt wurde, kaum vierzig. Er scheint im Gegensatz zu Wand den Rummel um seine Person zu genießen und gerne von sich aus im Mittelpunkt zu stehen. Als Dirigent ist er sehr extrovertiert und setzt sich dermaßen selbst in Szene, dass dagegen sogar Karajan harmlos erscheint. Er ist offenbar ein überaus penibler und akkurater Musiker, der aufgrund der für ihn idyllischen Verhältnisse in Russland auch mal Monate für eine Einspielung bewilligt bekommt (er genießt in Sibirien offenbar Narrenfreiheit). Bei seinem "Don Giovanni" für Sony ließ er große Teile neu aufnehmen, nachdem er sich mit einer führenden Sängerin zerkriegt hatte und diese auswechselte. Solche Starallüren, die bereitwillig akzeptiert werden von einem großen Label, erinnern nun tatsächlich an HvK. Vermutlich ist Currentzis auf dem besten Weg zu einem Megastar, wie Wand das so schön (und abfällig) formulierte.

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    – Luís de Camões

  • Das Bedürfnis nach Heldenverehrung scheint nur noch bei einem immer kleiner werdenden Teil des Publikums vorhanden zu sein. Und das ist gut so.


    Und auch die wenigsten Protagonisten des Betriebs wollen sich als Held bewundern lassen, man merkt das denen ja an, wie prinzessinnenhaft oder natürlich sie sich in der Öffentlichkeit geben. Ich brauche keine Helden, auch wenn mir einige wenige, quasi unterbewusst und gegen meinen Willen, im persönlichen Gespräch doch gehörig "Respekt" einflössen würden.

    Er hat Jehova gesagt!

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  • Hallo!


    War denn früher die "Szene" auch so ausdifferenziert wie heute? Dadurch dass fast alles auf CD erworben werden kann - und sei es ein Sinfonieorchester aus der hinteren Mongolei - ist es vielleicht auch schwieriger, sich mit Können und Charisma hervor zu tun. Und das vor allem über lange Zeit hinweg.


    Ich möchte das mit dem Fernsehprogramm vergleichen. Wahrscheinlich hat zumindest jeder zweite von uns (zumindest in der BRD) in den 60er und 70er Jahren Samstag abends Daktari oder Lassie gesehen. Das hatte sicher nichts mit Qualität zu tun, wohl aber mit der Auswahl. Diese Entwicklung resultiert vielleicht auch aus dem Drang zum Individualismus (den ich nicht schlecht reden möchte) und damit dem Zeitgeist.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ahhh da ist ja inzwischen doch eine Diskussion in Gang gekommen.
    Fürs erste möchte ich zu Wand kommen: Er war zumidest über den Großteil sienes Lebens KEIN Star sondern galt als zuverlässiger Lapellmeister, erst in den letzen Jahren seines Lebens wurde er so etwas vie vereher, geschätzt und rspektiert wurde er "immer" - in diesem Punkt gibt es gewisse Ähnlichkeiten mit Karl Böhm, dessen Bewunderung auch erst im Alter einsetzte, wogegen das Wunder Karajan schon früh erkannt wurde.
    Aber auch Karajan tut man unrecht, wenn man ihn als "Medienstar" bezeichnte. Zu Beginn verbot er sogar Fernsehaufnahmen während der Proben und er führte zeitlebens ein eher unspektakuläres Privatleben. Erst als er erkannte, daß Medienpräsenz der Schlüssel zum Geldhahn für Subventionen zur Realisierung seiner künstlerischen Wünsche waren änderte er seine Strategie
    Ob ich Thielemann von der Bedeutung her mit Karajan vergleichen möchten ? Ja durchaus.
    Auch Karajan hätte heute nicht mehr jene Allmacht, die ihm den größsten Teil seines Lebens mehr oder weniger kritiklos zugestanden wurde.
    Zum Bruch mit den Berliner Philharmonikern kam es, weil das plötzlich nicht mehr der Fall war....
    Was anders ist, ist nicht der Dirigent, sondern das was man großzügigerweise heute "Gesellschaft"nennt.
    Karajan wurde von den Berliner Philharmonikern zum Chefdirigenten, wegen seines kompromisslosen Willens zur Qualität und seiner Durchsetzungskraft und charismatischen Persönlichkeit gewählt, Thielemann wurde GENAU DESHALB NICHT gewählt.
    Thielemann wurde von seinen Gegenern "ins rechte Eck" gestellt , m.R zu unrecht - um ihm zu schaden. Irgendwann wird er erkannt haben, daß ihm das eher nützt.
    Und ich glaube - in Hinkunft wird ihm das noch mehr nützen.


    Currentzis ist derzeit schwer einschätzbar. Ich würde ihn nicht mit Wand vergleichen, sondern eher mit - Franz Liszt, obwohl dieser ja Pianist war. Aber auch Liszt verstand es - mehr als durchaus gleichwertige Interpreten (z.B. Thalberg) immer im Mittelpunkt zu stehen - IMO mehr als seine Kompositionen hergeben, Aber es war vermutlich nicht der Komponist , sondern der Klaviervirtuose Franz Liszt der die Leute faszinierte, bis ins hohe Alter, soger über seinen Tod hinaus, sogar bis heute...


    Nun würde mich allerdings interessieren ob ihr ein Pedant zu Leonard Bernstein seht...


    mfg aus Wien
    Alfred


    clck 381

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Friese: Na gut, aus seiner eigen Sicht, hat sich Wand vielleicht nicht als Star gesehen. Aber wie ist das denn aus unserer Sicht?


    Etwas weiter oben hat Joseph Wands Konzert mit der Chikago Symphony erwähnt, in dem er die Erste Brahms dirigierte und von dem in Orchesterkreisen hinterher noch lange geschwärmt wurde.
    Was vorher geschah, zeigt, welche Bedeutung Wand in den Augen des Orchesters hatte, das ja seinerseits auch absolute Starqualitäten hatte. Wand verlangte 6 Proben à 2 Stunden, und das Management des Orchesters wehrte ab, das sei in Chikago nicht üblich, wo man das Stück doch sowieso voll im Reprtoire habe. Man könnte ihm bestenfalls 5 Proben zugestehen. Wand zeigte sich mit fünf Proben einverstanden, aber à 2 1/2 Stunden, und er bekam sie. Nach dem Konzert war das Orchester begeistert und ließ verlauten, dass man auf diesem hohen Niveau die Erste Brahms noch nie gespielt habe.
    Wen ich heute für einen weltweit führenden Star halten würde, obwohl er das sicherlich weit von sich weisen würde, ist aufgrund seines überragenden Könnens und des daraus inzwischen entstandenen Nimbus der russische Pianist Grigory Sokolov, und von den jungen ist Yuja Wang auf einem guten Wege, es zu werden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Früher wollte man die großen Künstler aus der Ferne still bewundern oder ihnen zujubeln.
    Heute möchte man mit ihnen diskutieren, ihren Stil hinterfragen, mit ihnen im Extremfall nach dem Konzert privat als Gruppe im nächstgelegenen Restaurant speisen.
    Sozusagen auf Augenhöhe.

    Lieber Alfred,
    bewußt oder unbewußt hast Du hier einen Unterschied zwischen gestern und heute aufgezeigt. Das Publikum will und braucht auch heute Heroen/Helden, aber diese sollen nicht auf einem hohen Sockel thronen und der Welt entrückt sein. Der Star muss greifbar und begreifbar sein. Man will ihm nahe sein, mit ihm kommunizieren, will sich identifizieren können. Und das ist das Erstaunliche: Eine Persönlichkeit, die wirklich Ausstrahlung, Charisma, natürliche Autorität, dieses undefinierbare Besondere hat, verliert nicht durch die Nähe, sondern fasziniert im engeren Kontakt immer stärker. Ich hatte schon häufig das Erleben: Man kommt in einen Saal mit einer großen Zahl von unbekannten Menschen und nach kurzer Zeit weiß man, das ist der Boss. Diese Persönlichkeit muss gar nicht viel machen. Sie ist einfach die Führungsfigur und strahlt natürliche Führungsfähigkeit aus. Stars, die sich vor ihren Fans schützen müssen und sich durch sie belästigt fühlen, sind arrogant, dumm und unehrlich. Was wäre, wenn sie plötzlich keine Aufmerksamkeit mehr genießen würden? Sie würden die Zeit ihrer Popularität herbei sehnen, vielleicht sogar ins Dschungelcamp gehen und Maden fressen, nur um ein Zipfelchen Popularität zurück zu bekommen. Es gibt sie noch die großen, prägenden Persönlichkeiten auch in der Klassikszene, die wirken und Bleibendes bewirken. Vielleicht können wir im Fortgang unserer Diskussion doch einige Beispiele im Hier und Jetzt finden. Helmut Schmidt war in der jüngeren Politikgeschichte eine solche Leitfigur, um nur einen der Heroen zu nennen, die ich erleben durfte. Der so herrlich natürlich gebliebene Sänger Matti Salminen kommt in einen Raum und beherrscht ihn. Was ist das Faszinosum?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Was ist ein Star? Wer ist einer? Ist einer ein Star, weil er sich mit fremden Federn schmückt und damit glänzt?


    Für mich persönlich wurde Günter Wand zum Star, als ich ihn zum ersten male Bruckner dirigieren hörte. Ich war bis dahin kein Brucknerfan, und Wand war mir völlig unbekannt. Im Flieger nach Gran Canaria 1993 wurde mir angeboten, Musik zu hören, ich habe Wand und Bruckners 7. gewählt, mit einem Kölner Orchester (WDR?). Es war mein erste Bekanntschaft mit Bruckner, und es wurde der Beginn einer langen Freundschaft. Wand wurde dadurch für mich zum Star, ohne ihn jemals persönlich erlebt zu haben, außer im Fernsehen. Er wirkte immer bescheiden, zurückhaltend, ganz ohne Starallüren. Vielleicht ist er für mich deshalb ein Star, weil er sich hervorhebt als Sympathieträger.


    Vor Jahren habe ich dann Currentzis im Fernsehen erlebt, mit einem Konzert des Permer Orchesters (ich kenne Perm aus den 80-ern, habe dort 3 Jahre gelebt) in Frankreich. Mir hat sein Äußeres gar nicht behagt. Als ich dann eine Doku über ihn und sein Wirken in Perm gesehen habe, war für mich eines klar: Für diesen Mann werde ich nie Sympathie empfinden können. Kann ein Unsympath ein Star werden? Für mich nicht, auch wenn er tolle Leistungen bringen sollte, was ich gar nicht ausschließe. Allerdings habe ich auch aus Perm das 1. Klavierkonzert von Tschaikowski gehört, mit seinem Orchester und seinem Lieblingspianisten. Ich habe es nicht wieder erkannt. Wenn man Swjatoslaw Richter mit Karajan auf der Platte und im Kopf hat und dann Currentzis erlebt, war für mich klar, wer ein Star ist. Nicht Currentzis. Er polarisiert. Andere mögen ihn als Star sehen. Warten wir ab, was er in Stuttgart anstellen wird, mit freiem Oberkörper dirigieren oder barfuß. Oder mit Frack.


    Herzlichst La Roche


    Abschließend nur meine Meinung: Wir brauchen Helden!! Wenn schon in der Politik die Kreisklasse regiert, dann um so mehr in der Kunst, im Sport oder einfach im Volk!

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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