Der Rosenkavalier - Wiener Staatsoper, 10. Dezember 2017

  • Am 13. April 1968 hatte Strauss‘ Der Rosenkavalier in der Inszenierung von Otto Schenk seine Premiere an der Wiener Staatsoper. Damals standen – unter der musikalischen Leitung von Leonard Bernstein – Christa Ludwig, Walter Berry, Erich Kunz, Reri Grist und Gwyneth Jones in der Titelrolle auf der Bühne. Und fast 50 Jahre später erfreut sich diese Produktion nach wie vor größter Beliebtheit beim Publikum und gilt für viele – gerade wegen ihrer librettogetreuen Umsetzung – als unantastbar. Denn wo bekommt man heute einen solchen Rosenkavalier noch zu sehen?


    [timg]http://4.bp.blogspot.com/-YfgG…p_upscale.jpg;l;420;315;*[/timg]Die Aufführung am 10. September 2017 erwies sich jedenfalls auch in musikalischer Hinsicht als sehr gelungen.
    Im Mittelpunkt des Interesses stand natürlich Kammersängerin Krassimira Stoyanova. Der Liebling des Wiener Publikums sang die Rolle der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg erstmalig im Haus am Ring. Es ist ganz erstaunlich wie diese Sängerin in jedem Fach Hervorragendes zu leisten weiß. Es scheint für sie einfach keine Grenzen zu geben. Wer die Sopranistin vorwiegend durch ihre Verdi- und Puccini-Interpretationen kennt, wird erstaunt gewesen sein, wie sehr die Bulgarin imstande ist, ihre Stimme zurückzunehmen, um den Strauss’schen Ton zu treffen. Ihr Sopran schimmert weich und glänzend, klingt anmutig und delikat. Sie formt - mit enormer darstellerischer Präsenz – eine Marschallin wie aus dem Lehrbuch für Gesang.


    Stephanie Houtzeel in der Titelrolle verfügt über ein gefälliges Timbre und eine ansprechende Mittellage. Doch im hohen Register wird es problematisch. Da gehen die filigranen Töne vollends verloren, Spitzentöne erklingen forciert, die Stimme beginnt zu scheppern. In der Hosenrolle macht Houtzeel eine gute Figur – optisch erinnert sie aufgrund ihrer großen schlanken Gestalt an den Octavian von Anne Sofie von Otter – doch als „Mariandl“ neigt sie darstellerisch zur Übertreibung.


    Einen glasklaren, leichten Sopran findet man in der Sophie von Erin Morley. Die Stimme der US-amerikanischen Sopranistin scheint sich gerade in den exponierten Höhen sehr wohl zu fühlen, doch so mancher ihrer Töne hat es schon schwer gegen den üppigen Orchesterklang anzukommen. Da wäre ein wenig mehr Klangvolumen nötig.


    Als Herr von Faninal hat der waschechte Wiener Adrian Eröd leichtes Spiel im Umgang mit der Hoffmannsthal’schen Sprache. Zudem läßt er einen der Rolle adäquaten noblen Bariton hören.


    Peter Rose hat schon viele Male den Baron Ochs in Wien gesungen und gilt als einer der besten Rollenvertreter. Der britische Bass, der schon vom Typ her ganz der Partie entspricht und mit einer klangvollen Bassstimme aufwartet, hat im Laufe der vielen Jahre das Wienerische recht gut verinnerlicht. Trotz seiner zur Schau gestellten Triebhaftigkeit vergisst dieser Ochs nicht ganz auf seine Abstammung und gleitet nie zu stark ins Ordinäre ab.


    Mit der italienischen Arie des Sängers hat Jinxu Xiahou so seine Mühe, bereits in der höheren Mittellage klingt die Stimme sehr gequetscht und schmelzfrei, sodass man bei den Spitzentönen geradezu zittern muss. Hervorragend hingegen die Annina von Ulrike Helzel, die aus der Vielzahl von kleineren Rollen heraussticht und unbedingte Erwähnung finden sollte.


    Von Adam Fischer am Dirigentenpult hätte man sich vom hervorragend disponierten Staatsopernorchester einen mehr „Wienerischen“ Klang gewünscht, doch sorgte er trotzdem für eine dynamische Umsetzung der Partitur.


    Laut Information der Wiener Staatsoper kommt Der Rosenkavalier - der bereits im Uraufführungsjahr 1911 erstmalig am "K. & K. Hofoperntheater" aufgeführt wurde - im Haus am Ring auf inzwischen 1000 (!!!) Aufführungen.


    Gregor

  • Es muß doch etwas dran sein, wenn Inszenierungen von Otto Schenk fast 50 Jahre laufen, aber Neudeutungen selbst in Bayreuth nach wenigen Jahren abgesetzt werden. Das kann aber nichts mit dem Publikumsgeschmack zu tun haben?


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es muß doch etwas dran sein, wenn Inszenierungen von Otto Schenk fast 50 Jahre laufen,
    aber Neudeutungen selbst in Bayreuth nach wenigen Jahren abgesetzt werden.
    Das kann aber nichts mit dem Publikumsgeschmack zu tun haben?


    Herzlichst La Roche

    Ja, lieber La Roche, das wird ganz sicher "gute" Gründe haben!
    Solche Inszenierungen, wenn sie über einen so langen Zeitraum laufen, können wohl nicht ganz schlecht gewesen sein.
    Und sie treffen aktuell immer noch den Publikumsgeschmack.
    So weit mir bekannt ist, läuft die "Boheme" in der Wiener Staatsoper seit mehr als fünfzig Jahren unverändert dort.
    Die Riha - Inszenierung der "Tosca" lief an der Berliner Staatsoper (bis zur baulichen Schließung des Hauses) 35 Jahre. Und die war großartig, habe sie viele Male dort gesehen.
    Und auch in Liberec /Reichenberg steht die Oper "Nabucco" nun schon 15 Jahre, immer noch unverändert seit der damaligen Premiere, auf dem Spielplan.
    Man kann da wohl zurecht vermuten und sagen - Qualität hat eben doch Bestand!!!


    PS.: Und Gregor vielen Dank für Deinen ausführlichen, informativen Bericht.


    Herzliche (sonnige) Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich würde mir wünschen, dass man in Düsseldorf einige der grandiosen Inszenieren der Ära Grischa Barfuß mit den wunderbaren Bühnenbildern von Heinrich Wendel aufbewahrt hätte: Monteverdi, Janacek, Pelléas!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Gregor,


    zunächst einmal vielen Dank für den erfreulichen Bericht. Ja es ist wahr: Alles das, was das Regisseurstheater hervorgebracht hat, sind Eintagsfliegen für eine kleine Minderheit, die einsame modische Deutungen und entstellende Verdrehungen der Handlung nötig haben. Sie leeren die Häuser und verschwinden dann nach kürzester Zeit. Die erfreulichen Berichte der letzten Zeit lassen hoffen, dass an den Opernbühnen langsam wieder Vernunft einkehrt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • So weit mir bekannt ist, läuft die "Boheme" in der Wiener Staatsoper seit mehr als fünfzig Jahren unverändert dort.


    Stimmt, chrissy. Die Zeffirelli-Boheme ist seit 1963 im Repertoire der Staatsoper. Aber es gibt Produktionen die sogar noch älter sind. Die Tosca-Inszenierung der Staatsoper ist seit April 1958 im Repertoire, die der Madama Butterfly gar seit September 1957!


    Alles das, was das Regisseurstheater hervorgebracht hat, sind Eintagsfliegen für eine kleine Minderheit, die einsame modische Deutungen und entstellende Verdrehungen der Handlung nötig haben. Sie leeren die Häuser und verschwinden dann nach kürzester Zeit.


    Sieht man sich an modernen Produktionen wirklich schneller satt? Und warum ist das wohl so? ?(


    Gregor

  • Ich freu mich morgen auf den Livestream. Schade das Linda Watson nicht die Marschallin singt. Heute Abend geh ich erst mal nach Duisburg in die Oper zur Premiere von Donizetti Maria Stuarda und vorher auf den Weihnachtsmarkt.

  • Heute Abend geh ich erst mal nach Duisburg in die Oper zur Premiere von Donizetti Maria Stuarda.


    Zu meiner fast Lieblingsoper wünsche ich dir ganz viel Freude, hoffentlich bekommen sich beide Königinnen richtig in die Wolle. :D


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Es muß doch etwas dran sein, wenn Inszenierungen von Otto Schenk fast 50 Jahre laufen, aber Neudeutungen selbst in Bayreuth nach wenigen Jahren abgesetzt werden. Das kann aber nichts mit dem Publikumsgeschmack zu tun haben?


    Unabhängig davon, ob einem der Schenksche Rosenkavalier gefällt oder nicht: ich glaube, der Vergleich zur Spieldauer einer Festspiel-Inszenierung hinkt, da die Idee einer solchen ja gerade nicht ist, jedes Jahr aufs Neue gespielt zu werden.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • ich glaube, der Vergleich zur Spieldauer einer Festspiel-Inszenierung hinkt, da die Idee einer solchen ja gerade nicht ist, jedes Jahr aufs Neue gespielt zu werden.

    So klar ist das auch nicht. Die Bayreuther Uraufführungs-Inszenierung des "Parsifal" lief 50 Jahre, die erste Wieland-Wagner-Inszenierung in "Neu-Bayreuth", auch "Parsifal", immerhin 22 Jahre und in Verona läuft eine "Aida" in den Bühnenbildern und Kostümen nach den Entwürfen der ersten Arena-"Aida" von 1913.
    Und es gibt auch Festspiele, wo jedes Jahr dasselbe Werk in derselben Inszenierung gespielt wird. Brittens "Verlorener Sohn" in Ossiach lief 14 Sommer hintereinander.
    Bei den Müchner Opern-Festspielen lief über Jahre immer zum Abschluss am 31.7. die Everding-Inszenierung der "Meistersinger".
    Also: Pauschal kommt man hier also nicht weiter, selbt wenn es bei den aktuellen Bayreuther und Salzburger Festspielen so ist , wie du sagst.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Das kann aber nichts mit dem Publikumsgeschmack zu tun haben?


    Natürlich hat das was mit dem Publikumsgeschmack zu tun
    Denn eigentlich sollte eine Inszenierung (und natürlich das Werk, die Stimmen etc) dem Publikum gefallen.


    Der schlechte Ruf des Publikumsgeschmacks kam ja erst auf, als Werke (verschiedenster Art) geschaffen wurden, welche dem Publikumsgeschmak nicht genügten. Beleidigte "Künstler" prägten somit den Begriff des 2dummen Publikums", welches von wahrer Kunst keine Ahnung habe.


    Ähnliches spielt sich jetzt übrigens in der Österreichischen Politik ab, wo man mehr "direkte Demokratie" (zumindest dem Schein nach) ermöglichen will - allerding unter AUSKLAMMERUNG des Themas ÖXIT. Das beweist wie genau man - trotz manipulierter Pressemeldungen - die Meinung des"Publikums" kennt - und sie mit Gewalt zu negieren versucht


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Frage, warum manche Inszenierungen so lange laufen und sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen, ist am Ende gar nicht so leicht zu beantworten. Schenks "Rosenkavalier" ist ein Beispiel. Das entgegengesetzte ist der Rossinische "Barbier" von Ruth Berghaus an der Berliner Staatsoper. Der kann getrost als eine Ikone oder gar als Initialzündung des so genannten Regietheaters gelten. Anfangs angefeindet, beschimpft und grell ausgebuht, gewöhnten sich die Leute mehr und mehr daran. Die Inszenierung, die 1968 Premiere hatte, erlebte 2014 die 350. Vorstellung. Eine Triumphzug! Auch für diese Art, Oper auf die Bühne zu bringen. Für mich kann also die Erkenntnis aus dem anhaltenden Erfolg des Wienere "Rosenkavalier" nicht allein darin bestehen, dass das Publikum konservativere Deutungen bevorzugt. Ich kenne besagten "Rosenkavalier" nur als Film. Den "Barbier" hingegen habe ich sehr oft live gesehen. Beide Produktionen waren szenisch auf ihre deutlich unterschiedliche Weise sehr genau und konsequent gearbeitet. Und musikalisch bedeutsam. Das ist es, was sich nach meiner Überzeugung durchsetzt: die künstlerische Qualität. Sonst nichts.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Das ist es, was sich nach meiner Überzeugung durchsetzt: die künstlerische Qualität. Sonst nichts.


    Ja lieber Rheingold1876, das ist es was zählt! :jubel:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Auch die Inszenierung einer meiner Lieblingsopern "Parsifal" von Richard Wagner läuft in der Inszenierung von Hans Schüler seit 14. April 1957 im Nationaltheater Mannheim. Auch 2018 soll sie wieder auf dem Spielplan stehen. Der Richard Wagner-Verband Mannheim ermöglichte durch eine Spende sogar die Restaurierung des Bühnenbildes. Es soll massive Proteste besonders von den Richard Wagner Freunden aus Frankreich gegeben haben, als mehrmals versucht wurde, diese Inszenierung abzusetzen. Meine Frau und ich sahen diese sehr märchenhafte Realisierung des Bühnenweihespiels bereits mehrmals und sind immer wieder berührt, begeistert und fasziniert. Traditionell oder modern? Die Absurdität dieser Fragestellung wird bei der Qualität dieser zeitlos gültigen Inszenierung deutlich. Wie Rheingold bereits ausführte ausschließlich die künstlerische Qualität zählt. Vielleicht ist die Mehrzahl des oft als rückständig gebrandmarkten Publukums doch nicht so dumm und empfindet die echte künstlerische Qualität. Empfindet den Eindruck des Gesamtkunstwerks in seiner Gesamtheit und zerpfückt ihn nicht in haarspalterischen analytischen Diskussionen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Schenk Inszenierung ist in Düsseldorf etwas anders. Das Bett im ersten Akt ist auf der linken Seite und ist etwas größer. Auch der zweite Akt ist nicht so aufwendig inszeniert wie in Wien. Meine Karte für den Rosrnkavalier im Mai hab ich schon. Jaqueline Wagner wird die Marschallin singen.