Kristian Bezuidenhout mit Beethoven und Haydn in der Kölner Philharmonie, 11. 1. 2018

  • Ich hatte gestern wieder meinen Klavier-Abo-Tag und sozusagen "lila, der zweite Versuch". Das bezieht sich auf den zweiten Versuch, einen Klavierabend mit einem "Originalklanginstrument" zu erleben, der mir besser gefallen sollte als der erste, der sich vor fast genau drei Jahren, am Donnerstag, dem 15. 1. 2015, ebenfalls in Köln, zutrug.
    Damals gab Ronald Brautigam einen reinen Beethovenabend, ebenfalls auf dem Hammerklavier: op. 13 (Pathétique), op. 53 (Waldstein) und op. 111. Ich habe darüber berichtet im Thread "Konzertbesuche und Bewertung", Seite 35, Beitrag 1047.
    Gestern war angetreten Kristian Bezuidenhout:


    * 1979 in Südafrika, australischer Pianist


    Zitat

    Wikipedia: Er gilt als Fachmann für die historische Aufführungspraxis und speziell für historische Tasteninstrumente. Dabei ist er gleichzeitig auch dem heutigen Konzertflügel verbunden.


    Das Instrument, auf dem er spielte, könnte wohl dieses gewesen sein:


    Ein Hammerflügel von Conrad Graf


    Nun muss man wissen, dass eine CD-Aufnahme mit einem Hammerflügel und ein Klavierabend mit dem gleichen Flügel zwei völlig verschieden Paare Schuhe sind, zumal in der riesigen Kölner Philharmonie.
    Ursprünglich sollte das Programm aus den beiden Beethovenrondos op. 51, der Pathétique op. 13 , Haydns f-moll-Variationen und Schuberts Sonate D.568 bestehen. Nun hatte er aber kurzfristig sein Programm geändert, und für den Schubert Beethovens Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr.. 3 aufs Programm gesetzt, die er vor der Pause nach den beiden Rondos spielte. und nach der Pause erst die Haydn-Variationen und dann als "krönenden Abschluss" die "Grande Sonate pathétique" Nr. 8 c-moll op. 13.


    Aus verschiedenen Gründen nahm dann das von mir befürchtete Unheil seinen Lauf (ich übertreibe, aber nur ein bisschen).
    Erstens ist Bezuidenhout ein Vierteljahrhundert jünger als Brautigam und ging mit jugendlichem Tempo an die Sache, und das bei dem Programm.
    Das führte dann dazu, dass er mit der Sonate Nr. 7 in 20 Minuten fertig war, im Gegensatz beispielsweise zu Korstick oder Sokolov, die beide etwa 26 Minuten brauchen.


    Das heißt in diesem Fall auch, dass Bezuidenhout den zweiten Satz, Largo e mesto, m. E. erheblich zu schnell spielte, das war kein Largo, bestenfalls zwischen Andante und flottem Adagio angesiedelt.
    Was aber zweitens noch weitaus schwerer wog, war die dynamische Unzulänglichkeit des Instruments und m. E. auch der mangelnde Wille des Pianisten, die dynamischen Vorgaben Beethovens umzusetzen. Allein in der Exposition des Largos schreibt Beethoven in den Takten 22 bis 28! drei ff-Akkorde und 3 ffp-Akkorde vor, in der Durchführung in den Takten 35 bis 37 vier ff-Akkorde- nichts davon war hier zu hören. Der jeweils erste war maximal ein Mezzoforte, die nächsten nahm er zurück. Das Gleiche wiederholte sich in der Reprise.
    Und dann die wundersame Coda, in der es in Takt 65 mii Pianissimo in Zweiunddreißigstel-Quintolen losgeht und schon im nächsten Takt ein Crescendo beginnt, das sich schon in Takt 67 im Forte befindet, das fünf Takte durchzuhalten ist und in Takt 71 im Fortissimo angelangt ist. In diesem Takt 71 sind sechs Vierundsechzigstel-Septolen, also 42 Vierundsechzigstel im Fortissimo zu spielen. Das alles war von Bezuidenhout nicht ansatzweise zu hören.
    Wenn überhaupt das Instrument punkten konnte, war es in den lyrischen Momenten der Sonate, z. B. im zweiten Thema des Presto-Kopfsatzes (Takt 53 bis 65) und in der zweiten Hälfte der Schlussgruppe (Takt 105 bis 123), in der Reprise ab Takt 233 bis Takt 253 sowie Takt 300 mit Auftakt bis Takt 316, im Allegro des 3. Satzes, Menuetto und im finalen Rondo in der wundersamen Pianissimo-Coda.
    Ab er das ist ja nicht der Sinn der Sache. Bezuidenhout hätte sich vielleicht bei Brautigam erkundigen sollen. Der hatte weiland mit seinem noch heftigeren Programm (siehe oben) wenigstens versucht alles zu geben, was im Instrument drin saß, und er war dann auch stehend k.o.. Davon war bei Bezuidenhout nichts zu merken. Dabei hat er doch zweifellos Potential. Warum hat er bei dem Programm nicht einen Steinway oder Bechstein genommen (wenn er das doch auch kann), oder warum hat er bei dem Flügel nicht ein anderes Programm genommen?


    Wir werden es wohl nicht erfahren.


    Über die Pathétique werde ich heute Nachmittag berichten. jetzt geht es ins Bett.


    Liebe Grüße


    Willi :(?(:no:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nach der Pause spielt Bezuidenhout zuerst die Variationen für Klavier f-moll Hob. XVII:6 "Un piccolo divertimento"
    Auf dieses Werk, das ich vorher nicht kannte, war das von Bezuidenhout verwendete Instrument (siehe vorherigen Beitrag) wohl eher zugeschnitten. Da ich es nicht kannte und davon auch keine Noten habe, kann ich allerdings nicht näher sagen, ob er das Stück auch partiturgerecht gespielt hat. ich gehe mal davon aus, und unter diesem Aspekt gefiel es mir auch recht gut. Es war zwischen 3 und 5 Jahren eher als die Beethovenwerke entstanden und entstammten auch einer ganz anderen musikalischen Welt als die beiden Sonaten Nr. 7 und 8 von Beethoven.
    Von der Letzteren soll heute noch die Rede sein, und ich will, da es ein bezeichnendes Licht auch auf diese Interpretation wirft, zunächst noch aus meinem oben erwähnten Bericht vom 15. 1. 2015 (Beethoven-Recital von Ronald Brautigam) zitieren:


    Zitat

    Da wundert sich Christoph Vratz (Fono Forum) in Bezug auf Beethoven-Sonaten und Hammerklavier: "Die diskographische Auswahl ist erstaunlich spärlich, trotz der nunmehr jahrzehntelangen Bemühungen um das historisierende Musizieren. Noch dünner ist die Auswahl bei Beethovens letzter Sonate..." (Paul Komen 1993, Peter Serkin 80er Jahre, Ronald Brautigam 2008). Vratz geht dann auf das "Besondere" an Brautigams Beethoven ein. die "Spannkraft zwischen erfrischendem Revoluzzertum und lyrischer Zurücknahme", die "wunderbare Balance...der silbrigen Töne im Diskant" und der ""knurrenden Bässe", "die zügigen Tempi".
    Weiter spricht Vratz davon, dass "die Läufe schneller aneinandergereiht werden können als beim modernen Flügel, ohne zu verschwimmen".


    (Christoph Vratz betreute auch dieses Konzert)
    Auch hier bestand meine erste Kritik darin, dass Bezuidenhout das hochdynamische Niveau schon im einleitenden Grave nicht annähernd erreichte bzw. erreichen wollte.
    War das erste fp Takt 1, erster Akkord, noch halbwegs akzeptabel, so kamen die weiteren Takt 2, 3 und 4 nicht mehr heran, ganz zu schweigen von den notierten ff-Akkorden in Takt 5 und Takt 6.
    Der zweite Einwand betraf abermals das Tempo. Bezuidenhout war auch hier weitaus zu schnell. Er spielte das Grave in wenigen als 70 Sekunden, vergleichbar mit Wilhelm Backhaus (1:09), während z. B. Claudio Arrau für das gleiche Grave 1986 1:45 min. gebrauchte. Vergessen wir nicht das "Grave" von den siebenlangsamen Tempi das zweitlangsamste ist, direkt hinter "Larghissimo".
    Der dritte Einwand bezog sich auf den Umstand, dass er als einer der Wenigen von den knapp 60 Aufnahmen der Pathétique, die ich bisher rezensiert habe, die Exposition nicht wiederholt hat, ebenfalls wie Backhaus. Serkin z. B. wiederholt nicht nur, wie die meisten anderen, die Exposition, sondern sogar das Grave. So landete Bezuidenhout natürlich in der Gesamtdauer des Kopfsatzes auch bei den ominösen 6 Minuten und einigen Sekunden .
    Die Tempoverfehlung bezog sich m. e. , vierter Einwand, auch auf einen der schönsten langsamen Sätze, die wir in der gesamten Klavierliteratur kennen, das überirdische Adagio cantabile, das er in gut 4 Minuten herunter ratterte, was mir richtig weh tat.
    Zum Schluss habe ich aber noch etwas Positives zu vermelden:
    Der Höhepunkt des ganzen Konzertes, und das meine ich durchaus positiv, war die Zugabe:
    er spielte einen weiteren herausragenden langsamen Satz aus Beethovens Sonatenoeuvre, das "Largo, con gran espressione" aus der Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7, zwar auch nicht so langsam wie etwa Korstick (10:23), aber mit 8 Minuten deutlich langsamer als Backhaus (6:06).
    Gerade solche langsamen Sätze werden beiläufig und wirkungslos, wenn sie zu schnell gespielt werden, aber dieses Largo lag Bezuidenhout offensichtlich, im Gegensatz zum "Largo e mesto" aus der Sonate Nr. 7 op. 10 Nr. 3.
    Jetzt freue ich mich schon auf den nächsten Klavierabend am 21. 1. hier in Coesfeld, wenn Magdalena Müllerperth auftritt mit Mozart, Mendelssohn, Hindemith, Ravel und Strawinsky.
    Schau*n wir mal.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).