Gestern abend: Tosca aus der Met

  • Sonya Yontcheva, Željko Lučić, Vittorio Grigolo in den Hauptrollen. Emmanuel Villaume "in the pit".



    Es hieß, James Levine hätte dirigieren sollen und sei gegen Villaume ausgetauscht worden. Hier komme ich zur einzigen Kritik des Abends: Ich sah einen Opernfilm mit gedämpftem Orchester, das stellenweise zu leise war. Das mag an meinem Kino gelegen haben, oder am Konzept der Übertragung. Alles ist auf die Sänger zugeschnitten, denen die Kamera und Richtmikrofone sehr eng folgen. Man sieht und hört sie phantastisch, aber der Eindruck ist eben der eines Films und von dem der Oper recht verschieden.
    Es war meine erste Tosca, deshalb berichte ich auch nur kurz. Sonya Yontcheva singt bei ihrem Rollendebüt die Titelpartie so leidenschaftlich, wie sie angelegt ist und spielt ebenso überzeugend.
    Lučić ein finsterer und zuweilen sardonischer Scarpia. Ich kannte ihn als Heerrufer und finde, daß er für Rollen im Sicherheitsapparat hervorragend geeignet ist. Im Rom des Jahres 1800 macht der Chef der Geheimpolizei noch fast alles selbst. Ein heutiger Scarpia säße nach dem Malheur blaß auf einer Pressekonferenz, würde die Überlastung seines Dienstes beklagen und sich mehr vor #metoo, als vor der Revolution fürchten.
    Cavaradossi empfinde ich als eher undankbare Rolle. Im ersten Akt gestaltet er sein Leben, in den beiden anderen dient er Tosca zu ihrer dramatischen Enfaltung. Grigolo reißt das Publikum mehrfach zu Beifall hin, aber bleibt, der Figur gemäß, auf die Dimension dessen beschränkt, dem eine Gefühlsaufwallung den Untergang bereitet.
    Die Met hat eine opulente, naturalistische Kulisse auf die Bühne gestellt, die raffiniert um ein paar Grad aus der Totalen gedreht wurde. John Mcfarlane, der das Bühnenbild entworfen hat, ist ein exzellenter Zeichner. Von seinen Rom-Skizzen, die kurz in der Pause gezeigt werden, würde ich gern mehr sehen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Als Nachtrag noch ein Schnipsel Cavaradossi:

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Ich habe mich gestern geschont , da ich heute in Düsseldorg die Premiere von der Walküre sehen werde. Hab die Tosca im Radio gehört und war nicht so begeistert. Das Dirigat plätscherte vor sich hin. Der Scarpia von Herrn Lucic war mir nicht böse genug. Am Besten hat mir noch Vittorio Grigolo gefallen. Was mich bei ihm immer stört ist seine Faxen macherei. Wenn er das mal abstellen könnte. Frau Yontcheva verfügt zwar über einen schönen Sopran , sie berührt mich aber nicht.

  • Lieber rodolfo39, dann wünsche ich Dir eine schöne Walküre in Düsseldorf. Wenn ich richtig gesehen habe, singt Simon Neal, den ich aus Berlin als zuverlässigen Telramund kenne, den Wotan. Berichte doch bitte, wie er sich geschlagen hat!

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    -- Aydan Ö*oğu*

  • Hallo, Hans
    Vielen Dank für Deinen kurzen Bericht. Da es ja für Dich, wie Du mitgeteilt hast, Deine erste gesehene Tosca war, hoffe ich,
    daß diese Oper für Dich in der Gesamtheit einen ersten positiven Eindruck hinterlassen hat, der das Interesse auf weitere andere Aufführungen geweckt hat.
    Besonders danke ich Dir auch für das Reinstellen der beiden Links, denn da muß ich aus eigenem früheren vielmaligen Erleben sagen, ich habe nichts verpaßt.
    Ich möchte Dir auch keinesfalls die Freude über das Erlebte nehmen, aber wenn ich mich da an die beiden früheren Solisten (Tomowa - Sintow /Orofino) an der
    Berliner Staatsoper erinnere, da tun sich für mich riesige Unterschiede auf. Aber das ist persönliche Ansicht und Geschmack.


    Weiterhin viel Freude mit der Tosca wünscht
    CHRISSY


    Und Rodolfo wünsche ich ein beglückendes Erlebnis mit der Walküre.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber chrissy, als Bewunderer von Fr. Tomowa-Sintow interessiert es mich doch, ob es eine Aufnahme mit ihr als Tosca gibt. Ich kenne nur Schnipsel auf youtube, wie z.B. diesen: Vissi d'arte

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber chrissy, als Bewunderer von Fr. Tomowa-Sintow interessiert es mich doch, ob es eine Aufnahme mit ihr als Tosca gibt. Ich kenne nur Schnipsel auf youtube, wie z.B. diesen: Vissi d'arte

    Hallo, lieber Hans
    Ich freue mich, daß Du ein Bewunderer von Anna Tomowa - Sintow bist. Da haben wir etwas Gemeinsames. Ich habe A T S viele, viele Male als "Tosca, Aida und als Butterfly"
    früher in der Deutschen Staatsoper Berlin erlebt. Und ich behaupte, in ihrer Glanzzeit, war sie eine Sängerin von absoluter Weltklasse.
    Die von Dir reingestellte Aufnahme der Tosca kenne ich, da war sie aber schon über ihren Zenit.
    1976 drehte die Filmgesellschaft DEFA eine Dokumentation über die damaligen führenden Solisten, heute würde man sagen über "die Stars", der Deutschen Staatsoper Berlin.
    Ich stelle Dir diesen Film mal rein und hoffe Dir damit eine Freude zu machen, er lohnt sich in der Gesamtheit mal anzuschauen.
    Mein besonderer Hinweis - die beiden Ausschnitte aus der Tosca. Und da muß ich sagen, das sind für mich deutliche Unterschiede zu den aktuellen Met - Solisten.


    Viel Freude wünscht Dir
    CHRISSY


    https://youtu.be/rdXZjFW6iJM?t=3


    hier ab Min. 8.20 und ab Min. 33.55

    Jegliches hat seine Zeit...

  • als Bewunderer von Fr. Tomowa-Sintow interessiert es mich doch, ob es eine Aufnahme mit ihr als Tosca gibt.


    Eine kurze Recherche förderte zumindest drei Aufnahmen zu Tage:


    Puccini: Tosca - Tomowa-Sintow, Domingo, Roar; Lopez-Cobos (München 1977)
    Puccini: Tosca - Tomowa-Sintow, Gedda, Wixell; Tchakarov (never issued Sony recording 1988)
    Puccini: Tosca - Tomowa-Sintow, Dvorský, Morris; Prêtre (Salzburg 1989)


    Das eine scheint sogar eine Studioeinspielung zu sein, die aber (wieso auch immer) nie veröffentlicht wurde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber chrissy, lieber Joseph II, vielen Dank für Eure Hinweise! Ich hatte in der Tat nur Amazon befragt und gesehen, daß es dort keine Aufnahme gibt. Nun werde ich bei opera depot oder premiere opera schauen, bei denen ich schon manch spannende Aufnahme erworben habe.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Im Juni 1988 (das sind meine Informationen) wurde bei Sony sogar eine Studioeinspielung der "Tosca" mit Anna Tomowa-Sintow produziert. Cavaraossi ist Nicolai Gedda, Scarpia Ingvar Wixell. Sie wurde von dem bulgarischen Dirigenten Emil Tschakarow geleitet. Diese Aufnahme wurde schließlich nicht freigegeben, fand aber doch einen heimlichen Weg in Sammlerkreise. Wer sie je gehört hat, kann verstehen, warum sie im Archiv bleiben sollte. Sie kommt für die Sängerin zu spät. Und auch Gedda macht - wie ich finde - keine glückliche Figur. Es war nicht sein Fach.


    Nachtrag:
    Erst jetzt sehe ich, dass Joseph die ominöse Aufnahme bereits gelistet hatte mit entsprechendem Hinweis.


    Im Salzburger Mitschnitt, der sogar noch ein Jahr später entstand, finde ich die Tomowa noch etwas besser als im Studio. Vielleicht fühlte sie sich da freier und nicht so unter Druck. An ihre einstigen Zeiten, die Chrissy beschwor, kann sie leider nicht mehr anschließen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Lieber Rüdiger
    Ich habe Anna Tomowa - Sintow letztmalig live im Jahr1985 erlebt, u. a. als Tosca, damals am 1. Februar und da war sie noch überragend.
    Du wirst mir das bestätigen können, denn wir haben beide von dieser Vorstellung den Live - Video - Mitschnitt.
    Der Beifall nach ihrer Arie "Vissi d´arte" und der Schlußapplaus für sie und Orofino war frenetisch. Und ich war im Zuschauerraum live dabei.
    Ja, das waren noch Zeiten, das waren noch Sternstunden, das waren noch Höhepunkte... Glück und Dankbarkeit, daß man das erleben durfte.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Hans,


    auch von mir herzlichen Dank für den Bericht und das Einstellen der Trailer. Ich hatte den Besuch dieser wundervollen Inszenierung auch für uns vorgesehen, aber habe leider etwas zu spät reagiert. Beide großen Kinosaäle waren schon im Herbst, kurz nach Erscheinen des Programms, bis auf ein paar Plätze in der ersten Reihe (direkt vor der Leinwand) ausverkauft. Die Übertragungen aus der MET scheinen doch vielen tausend Opernfreunden als Ersatz zu dienen für werkgerechte Inszenierungen, die es heute bei uns kaum noch gibt.
    Ich habe erst vor gut einem Jahr entdeckt, dass es bei uns auch diese Live-Übertragungen gibt und inzwischen mehrere schöne Inszenierungen gesehen und für diese Saison drei kommende Inszenierungen noch rechtzeitig buchen können.
    Natürlich ersetzt das Kinoerlebnis nicht voll den Genuss, den man bei einer passenden Inszenierung im Opernhaus hat. Aber es ist schon beeindruckend und auf jeden Fall besser, als mit Zorn einer das Werk entstellenden Inszenierung beizuwohnen.
    Was die Lautstärke betrifft: Einige haben sich hier schon eher über zu große Lautstärke geäußert. Ich habe nur einmal den Eindruck von etwas zu hoher Lautstärke im ersten Akt gehabt und es dem Leiter des Kinos in der Pause gesagt. Man hat dann die Lautstärke im nächsten Akt etwas reduziert. Du hast einiges eher als zu leise empfunden. Es mag natürlich, wie man es manchmal auch bei DVDs hat, an der Aufnahmetechnik liegen. Andererseits kann es aber auch an der Einstellung im Kino liegen.
    Die Toneinstellung vorher ist wohl nicht sehr einfach, weil etwas bei leerem Saal anders klingt als bei gefülltem.


    Liebe Grüße


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da habe ich etwas übersehen: Ich vermisste in der Rubrik Oper in Rundfunk und Fernsehen einen Bericht über ebendiese Tosca - und stellte selber noch einen Bericht dort ein. Er weicht in manchem vom hiesigen Bericht ab, was wohl teilweise auch daran liegt, dass ich nicht im Kino war, sondern die Übertragung vom Rundfunk mitgeschnitten habe.
    Ich war jedenfalls vom akustischen Eindruck sehr zufrieden mit dem Scarpia von Lucic - und begeistert von der Tosca der Yoncheva. Auch der Dirigent kam im Radio sehr gut rüber. Außerdem achtet jeder auf andere Aspekte. Bei mir liegt der Schwerpunkt in der Regel bei den Sängern.
    Herzliche Grüße von Sixtus