Jolanthe (Peter Tschaikowsky), großartiges Gastspiel des Petersburger Mariinski-Theaters in der Elbphilharmonie, 10.02.2018

  • Wovon handelt diese lyrische, 1892 in St. Petersburg ur- (und ein jahr später in Hamburg unter Gustav Mahler erst-) aufgeführte einaktige Oper: Dem provencalischen König René (Stanislav Trofimov, Bass) wird eine blinde Tochter geboren, Jolanthe (Irina Churilova, Sopran). Niemand darf ihr sagen, dass sie blind ist. Jolanthe ist dem Herzog von Burgund namens Robert (Alexei Markov, Bariton) versprochen. Dieser liebt aber eine andere. Der König holt den maurischen Arzt Ibn-Hakia (Roman Burdenko, Bariton) an den Hof. Dieser hält Heilung für möglich, Jolanthe müsse allerdings um ihre Blindheit zuvor wissen. Der König lehnt entschieden ab. Roberts Freund Graf Vaudémont (Najmiddin Mavlyanov, Tenor) verliebt sich in Jolanthe, zunächst nicht erkennend, dass diese um ihre Blindheit nicht weiß. Vaudémont klärt Jolanthe auf, schwärmt von der Schönheit des Lichts. Jolanthe lässt sich behandeln, wird sehend und erhält Vaudémont zum Ehemann.


    Das Orchester des Mariinsky Theaters spielte unter der Leitung von Valery Gergiev prächtig, die tiefen Streicher klangen zum Niederknien, auch die beiden Harfen. Hier traf die für Orchestermusik grandiose Akustik der Elbphilharmonie auf großes Können der Petersburger Musikerinnen und Musiker. Gergiev leitete sein Orchester mit flirrender, manchmal auch an einen grobschlägigen Tremor erinnernder Handbewegung. Man hatte das Gefühl, jeder einzelne Finger sei für jeweils andere Musikergruppen zuständig gewesen. Gergiev hatte einen Teil des hinteren Podiums leer gelassen, so dass die allesamt sehr guten Sängerinnen und Sänger dort halbszenisch agieren konnten. Besonders hervorzuheben waren die beiden Bässe Stanislav Trofimov und Yuri Vorobiev, letzterer in der kleineren Partie des Bertrand. Beide imponierten mit vollem, schwarzen Klang in der Tiefe, wie er offenbar nur manchen Russen in die Wiege gelegt wird. Auch Irina Churilova überzeugte mit slawisch dunkler, in der Höhe glänzender Sopranstimme als blinde Jolanthe und erhielt, neben Trofimov, den meisten Beifall vom offensichtlich begeisterten Publikum.


    Der Inhalt dieser Oper ist märchenhaft, tiefsinnig und in verschiedener Weise interpretationsfähig. In diesem Einakter gibt es keine bösen Menschen, alles wendet sich zum Guten. So ist es auch schier unmöglich, ob der Geschichte der blinden Jolanthe und ihrer innerlichen Naturschau („Kann man denn das Zwitschern der Vögelchen im Rosenstrauch sehen oder das Murmel des Bachs?..Kann man denn im Himmel das Rollen des Donners sehen oder die Triller der Nachtigall oder den Duft der Blüte?“) unberührt zu bleiben (man erhielt gratis ein Textheft und konnte in dem nur wenig abgedunkelten Saal gut mitlesen). Die Oper ist weniger nach Nummern aufgebaut, sondern eher durchkomponiert. Aus verschiedenen Gründen erinnerte sie mich musikalisch an Bartoks Herzog Blaubarts Burg, hier nur mit umgekehrten Zeichen, im strahlenden C-Dur endend.


    Noch eine Nachbemerkung: Die Stimmen der Sängerinnen und Sänger klingen im großen Saal der Elbphilharmonie anders als in der Hamburgischen Staatsoper. Sie wirken oben auf Ebene 16 ätherischer, weniger körperlich, nicht unbedingt leiser, aber mit weniger Unmittelbarkeit, die man es im Opernhaus spürt. Vor zwei Tagen hörten wir hier Jonas Kaufmann (und Diana Damrau) mit Liedern von Hugo Wolf (und Klavierbegleitung). Da fiel mir dieses überhaupt nicht auf, vielmehr überzeugte Kaufmann selbst im Piano und Pianissimo mit Klangschönheit und farblicher Vielfalt, ohne dass ich stimmliche Körperlichkeit vermisste. Mal sehen, wie Anfang April Juan Diego Florez im Großen Saal klingt (Arien mit Orchesterbegleitung).


    Die Elbphilharmonie ist ein wirklicher Olymp. Wenn man schon mehrere Male da war, wie meine Frau und ich, nimmt man nicht mehr die lange, auf 30 m Höhe zur Plaza führende Rolltreppe, sondern gleich den Fahrstuhl dorthin. Dann sind es aber noch drei Etagen bis zur Garderobe und schließlich noch knapp 150 Stufen auf die Ebene 16 Block S (vor dem Orchester). Die Garderoben sind jetzt ganz gut personell versorgt, so dass man nicht mehr lange auf die Mäntel warten muss, auch rollen jetzt beide Rolltreppen am Ende der Vorstellung nach unten, so dass sich die jeweils gut 2.000 Besucher nicht mehr auf der Plaza drängeln müssen. Selbst für die Taxen schient jetzt eine akzeptable Lösung gefunden worden zu sein, aber zur in Sichtweite liegenden Hochbahnstation Baumwall sind es ja auch nur 5 bis 7 Minuten, und die Bahn fährt bis nach 23 Uhr noch alle 5 Minuten (bis auf Sonntagabend). Letztlich kann mann in jedem vernünftigen Konzert- und Opernhaus noch 5 Minuten vor Beginn der Aufführung eintreffen und hat noch genügen Zeit, seine Plätze zu finden. Bei der Elbphilharmonie muss man schon deutlich längere Zeiten, mindestens 20 Minuten einplanen. Aber, und das sei das Schlusswort, die Akustik des Großen Saals macht süchtig (wenn gut gespielt wird), man nimmt die zusätzlichen Mühen in Kauf und freut sich schon auf den nächsten Besuch.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Die Elbphilharmonie ist ein wirklicher Olymp. Wenn man schon mehrere Male da war, wie meine Frau und ich, nimmt man nicht mehr die lange, auf 30 m Höhe zur Plaza führende Rolltreppe, sondern gleich den Fahrstuhl dorthin.

    Herrlich! Auch wir sind nach inzwischen gefühlten mehreren Rolltreppen-Kilometern zumindest für die "Anfahrt" auf den Fahrstuhl umgestiegen :thumbup:

    mfG Michael


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