Thomaskantoren vor Bach

  • Die Thomaskirche in Leipzig blickt auf eine lange und nicht nur wegen Bach ausgesprochen musikalisch Geschichte zurück. Sie wurde aus einem Anfang des 13. Jahrhunderts errichteten Vorläufer um 1490 in die heute noch erhaltene äußere Gestalt gebracht. Lediglich der Turm und das Hauptportal sind jüngeren Datums.


    Das Amt des Thomaskantors umfasste nicht nur musikalische Aufgaben, sondern auch die Ausbildung der Thomasschüler. Trotzdem war und ist es eines der begehrtesten kirchenmusikalischen Ämter. Als erster Thomaskantor wird Georg Rhau (oder Rhaw) genannt, der von 1518-1520 dieses Amt inne hatte. Die meisten seiner Nachfolger sind heute allerdings vergessen. Bei manchen zu Unrecht! Das soll dieser Thread ein wenig ändern.


    Da wäre zum Beispiel Bachs direkter Vorgänger Johann Kuhnau. Bevor er das Amt übernahm war er hautsächlich als Komponist für das Clavier* bekannt (z.B. die 6 Sonaten nach Biblischen Historien oder die Frischen Clavier Früchte). Er war der erste, der den Begriff "Sonate" über eines seiner Clavierwerke setzte. Als Thomaskantor komponierte er nunmehr hauptsächlich Kirchenmusik für den Gebrauch im Gottesdienst. War er auf dem Gebiet der Claviermusik noch als Neuerer hoch geschätzt, so galten seine Kirchenmusiken als veraltet. Er verzichtete aber ganz bewußt auf Elemente auf der inzwischen weit verbreiteten Oper. Leider hat sich von den vielen Werken nicht viel bis in unsere Zeit erhalten. Kuhnau hatte auch mit der Konkurrenz schwer zu kämpfen. In seine Amtszeit fällt die Anwesenheit von Größen des Deutschen Barocks in Leipzig, nämlich Telemann, Händel und Fasch. Die gründeten Musikervereinigungen, die schnell sehr beliebt wurden. Der alternde und häufige kränkliche Kuhnau hatte dem nicht mehr viel entgegenzusetzen.


    Ich gleichen Ort wie Kuhnau wurde auch, allerdings ein paar Jahre früher, sein Vorgänger Johann Schelle geboren, im erzgebirgischen Geising. Schelle war schon als Schüler an der Thomasschule, nachdem er in Dresden unter Heinrich Schütz gelernt hat. Schelle verließ Leipzig für ein paar Jahre, um eine Stelle in Eilenburg auszufüllen. 1677 kam er als Nachfolger von Sebastian Knüpfer nach Leipzig zurück. Auch von ihm sind viele seiner Kirchenmusiken verloren.


    Der schon erwähnte Sebastian Knüpfer war einer der jüngsten Thomaskantoren. Schon mit 24 kam er in dieses Amt. Dabei hätte er das Amt beinahe gar nicht bekommen. Der designierte Nachfolger vom 1657 verstorbenen Tobias Michael war eigentlich Rosenmüller. Der mußte aber, noch vor Michaels Tod, wegen Vorwürfen des Kindesmißbrauchs auf Leipzig flüchten. Knüpfers Berufung erwies sich aber als Glücksfall für Leipzig. Er brachte die Kirchenmusik zu einer ungeahnten Blüte. Er war weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt und geschätzt. So erhielt er z.B. den Auftrag die Kaiserkrönung Leopolds I., der selbst komponierte, musikalisch zu umrahmen.



    Nun noch ein paar Aufnahme-Empfehlungen mit Werken dieser drei:



    Werke von Knüpfer, Schelle und Kuhnau
    Cantus Cölln unter Konrad Junghänel, erschienen bei DHM




    Werke der Thomaskantoren Seth Calvisius, Tobias Michael, Johann Hermann Schein, Johann Schelle und Sebastian Knüpfer sowie Johann Rosenmüller, Werner Fabricius, Jacob Weckmann und Heinrich Isaac
    Ensemble Alte Musik Dresden unter Norbert Schuster, erschienen bei Raumklang




    Werke von Johann Schelle
    Musica Fiata und Capella Ducale unter Roland Wilson, erschienen bei cpo




    Johann Schelle, Actus auf Weyh-Nachten im interessanten Vergleich mit der Weihnachtshistoria von Heinrich Schütz,
    Schütz-Akademie unter Howard Arman, erschienen bei Capriccio




    Clavierwerke von Kuhnau,
    John Butt an Cembalo, Clavichord & Orgel, erschienen bei harmonia mundi



    Des weiteren gibt es noch eine Serie von hyperion mit Aufnahmen der drei genannten Thomaskantoren mit dem King´s Consort unter Robert King. Die haben aber leider noch nicht den Weg in meine Sammlung gefunden.. ;(



    Thomas



    *Der Begriff Clavier ist hier nicht gleichzusetzen mit der heutigen Auffassung, sondern als allgemeiner Begriff für Tasteninstrumente. Zur Kenntlichmachung der Benutzung im Sinne der alten Bedeutung schreibe ich es mit "C".

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Danke Thomas für den tollen Thread! :jubel::jubel::jubel::jubel:


    ich besitze bisher lediglich vereinzelte Werke, natürlich eine Reihe von Werken mit Rosenmüller.
    Das wunderschöne "vom Himmel hoch der Engel Schar" von Schelle und eine CD die ich besonders schätze:



    Sebastian Knüpfer - Sacred Music
    The King's Consort / King


    ich bin wirklich begeistert von dieser Aufnahme und eine weitere die ganz oben auf meinem Wunschzettel steht ist die Einspielung von Schelle:



    Schelle - Sacred Music
    The King's Consort / King


    wenn die nur halb so gut ist wie die Knüpfer CD dann würde sich der Kauf schon lohnen.
    die beiden CD's von Schelle haben ja glücklicherweise unterschiedliches Repertoire - und Unterschiedliche Preise...
    Bei Amazon ist die CPO cd schon für 28,99 zu haben was für ein Schnäppchen :kotz: dabei kostet sie bei JPC nur 7,99 (!)


    Also zur Knüpfer CD kann ich Dir nur raten - sie wird Dir gefallen. Das King's Consort ist sowieso spitze, eines der besten Ensembles überhaupt!
    Mich würde es brennend interessieren welche Einspielungen es noch gibt aus dieser wunderbaren Serie.

  • Guten Tag


    von 1616 bis zu seinem Tode 1630 begleitete Joh. Hermann Schein



    das Amt des Leipziger Thomaskantor.


    Auf dieser CD,



    interpretiert von der musica fiata Köln und la capella ducale,
    sind einige vokale Meisterwerke dieses fabelhaften Komponist vortrefflich eingespielt.



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard