live oder CD?

  • Liebe Taminos, es ist Samstag morgen, die Tochter schläft noch, die Frau ist joggen und ich sitze gemütlich mit einer Tasse Kaffee in meinem Sessel und höre CD´s, die ich länger nicht gehört habe (z. B. Reger Sinfonietta), freue mich über die Ruhe und dabei kommt mir eine Frage in den Sinn, die ich jetzt hier stelle: Warum soll ich eigentlch noch in die Philharmonie gehen, ich hab es doch zu Hause viel angenehmer? (gilt natürlich nicht für Opern)
    Ich gehöre erfreulicherweise nicht zu den Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen und zahle meine Steuern in dem Bewußtsein, dass es anderen schlecht geht und ein Ausgleich eine Frage der Gerechtigkeitkeit ist - aber 80 - 120 € für eine Philharmoniekarte oder bei einem Starorchester deutlich mehr? Mir kommen erste Zweifel. Und dann habe ich viel Geld bezahlt und sitze neben jemandem, der in Pausen ständig hustet, oder - noch schlimmer - mit seinem Bonbonpapier knistert. Je älter ich werde, desto unduldsamer werde ich gegenüber schlechtem Benehmen im Konzert. Es fällt mir zunehmend schwer, die Klatscher zwischen den Sätzen zu belächeln, nein, ich muß schwer gegen einen Wutanfall ankämpfen. Und am Schluß des Konzertes - ich bin begeistert über die Leistung der Künstler und will das durch donnerernden Applaus zum Ausdruck bringen, da eilen die ersten schon an mir vorbei nach draußen, wohl um als erster im Parkhaus zu sein und somit am schnellsten zu Hause. Soll ich mir das wirklich antun? Nach einem Konzert möchte ich beglückt und zufrieden nach Hause kommen und nicht mit einem Kloß im Hals nach einem mühsam unterdrückten Wutanfall.
    Wie macht ihr das? Könnt ihr den nervigen Sitznachbarn mit dem Räusperzwang ausblenden?


    LG


    Konrad

  • Das sich die Zuschauer nicht so benehmen wie sie sollten, erlebe ich häufig in der Oper und das grade bei älteren Menschen, die meinen sich während der Vorstellung mit ihrem Nachbarn unterhalten zu müssen oder ganz laut ein Bonbon aus ihrer Tasche holen müssen. Mittlerweile spreche ich diese Personen an und bekomme dann meißtens die Antwort, daß ich mich nicht so anstellen soll. Davon laß ich mir aber das live Erlebnis nicht vermiesen . Manchmal hat man aber auch Glück. Meine Bekannte die ab und an mit mir mitgeht, hab ich als Sitznachbarin im Düsseldorfer Opernhaus kennengelernt.

  • Ich denke, ich gehe recht häufig in die Oper oder ins Konzert (siehe z.B. hier), weshalb ich mich auch eher im Bereich der Karten für 20€ bis 40€ bewege (gibt es tatsächlich auch in der Elbphilharmonie ;-) ). Von großem Vorteil für ist, dass ich inzwischen einen kleinen Kreis ebenso begeisterter Musikliebhaber um mich habe und die Abende so nicht nur der Kultur- sondern auch der Freundschaftspflege dienen. Ebenso finde ich es ausgesprochen spannend, wenn Mit-Tamino Ralf Beck die jeweilige Produktion zumeist hier in Hamburg ebenfalls gesehen bzw. gehört hat und wir unsere Eindrücke vergleichen können. Natürlich habe ich es aufgrund der Tatsache, mitten in Hamburg zu leben sehr leicht, die vielfältigen Angebote wahrzunehmen: Der ÖPNV bringt mich sicher hin und zurück und im Vergleich zu beispielsweise Berlin oder München sind die Kartenpreise m.E. recht moderat.


    Was rodolfo39 oben schreibt, kann ich leider aus eigener Erfahrung nur bestätigen: Das "Benimm-Problem" - sei es im Saal selbst, an der Theaterbar oder an der Gardrobe - hat fast nur die ältere Generation, die eventuell meint, es sich aufgrund ihrer "Leistungen" erlauben zu können. Jüngere Besucher oder gar Jugendliche benehmen sich in den allermeisten Fällen einwandfrei.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich gehöre erfreulicherweise nicht zu den Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen und zahle meine Steuern in dem Bewußtsein, dass es anderen schlecht geht und ein Ausgleich eine Frage der Gerechtigkeitkeit ist - aber 80 - 120 € für eine Philharmoniekarte oder bei einem Starorchester deutlich mehr? Mir kommen erste Zweifel. Und dann habe ich viel Geld bezahlt und sitze neben jemandem, der in Pausen ständig hustet, oder - noch schlimmer - mit seinem Bonbonpapier knistert.


    Hallo Konrad, mit den Steuern ist es wie mit den Besuchern, man kann sich nichts aussuchen. Steuern werden schließlich auch für Aufrüstung, Geheimdienste, Militäreinsätze etc. verwendet. Und auch hustende oder nicht gut erzogene Menschen haben ein Recht, Konzerte zu besuchen. Sie wissen es nicht anders. Ich muss das tolerieren, und wenn es micih stört, dann suche ich ein Gespräch. Manche husten aber auch, weil sie kränkeln. Selbst gehe ich inzwischen ziemlich selten in derartige Veranstaltungen, weil ich diese Menschenmassen, deren Teil ich auch bin, nicht mehr gern um mich habe. Und doch überwinde ich mich oft genug und bin anschließend froh darüber. Manche Stücke und Komponisten, die ich liebe, klingen nun mal live viel besser als von einer Konserve: Mahler und Schostakowitsch. Die brauchen den Raum, sonst klingt es nicht. Ich will Musik spüren. Das geht für mich nur im Konzertsaal. Wir haben hier in Berlin, wo ich lebe, eine große Auswahl. Zuletzt habe ich Konzerte mit Robin Ticciati besucht. Der ist ja fast nur live zu haben. Es macht Freude, Dirigenten auch zu sehen und nicht nur zu hören.


    Die gemütliche Stunde in der eigenen iWohnung weiß auch ich zu schätzen. Beim Equipment bin ich aber nicht sonderlich wählerisch. Meistens höre ich von Festplatte und von Spotify.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bin ein bekennender Konservenhörer
    Ich vermeide damit - von vielen als "interessant" bejubelt - die Imponderabilitäten des Live Konzerts.


    Ich bin zwar in Geldangelegenheiten ein "Verschwender" - allerdings nur für "Bleibendes" -also die Anschaffung eines teuren HIFI Geräts etc.
    In gewisser Hinsicht ist es aber eine "Doppelmühle"
    In meiner Jugend wurde ich mit Freikarten zu Künstlern der ersten Wahl geradezu überhäuft - Ich kam aus den dunklen Anzügen überhaupt nicht heraus.
    JETZT ist es wenig einleuchtend für mich eine Menge Geld dafür auszugeben, um Künstler zu hören. die IMO jenen der Verghangenheit nicht das Wasser reichen können und kein Charisma haben, da wandern dann wieder 10 historische CDs (der Stereo-Ära) in meine Sammlung......
    Herbert von Karajan - ein Technikfreak erster Güte legte mal dar, warum die Tonaufzeichnung dem Live Erlebnis vorzuziehen sei,
    Wenn er auch nicht in allen Punkten recht hat, so ist IMO nur schwer bestreitbat, daß Singstimmen als Konserve lieblicher klingen als im Original


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • JETZT ist es wenig einleuchtend für mich eine Menge Geld dafür auszugeben, um Küünstler zu hören. die IMO jenen der Vergangenheit nicht das Wasser reichen können und kein Charisma haben


    Lieber Alfred,


    da möchte ich doch eine Lanze brechen für den ein oder anderen aktiven Künstler. Mich haben durchaus auch Künstler live sehr beeindruckt, die gar nicht auf CD zu bekommen sind. Hinzu kommt für mich das ganze drum herum: mit Bekannten den Abend verbringen, Pausengespräche und das Mitfiebern mit den Sängerinnen und Sängern in der Oper ist für mich nicht mit einer CD vergleichbar.
    Deine Ansicht in Ehren, da bin ich einfach anders gestrickt.

    Wenn er auch nicht in allen Punkten recht hat, so ist IMO nur schwwer bestreitbar, daß Singstimmen als Konserve lieblicher klingen als im Original


    Hier muss man in meinen Augen differenzieren. Es gibt durchaus Stimmen, die auf Tonträgern besser zur Geltung kommen als live. Andere wiederum haben eben keine Mikrophonstimme wie man so schön sagt. Sie bleiben auf Aufnahmen hinter dem Live-Erlebnis zurück.

  • Bei mir ist es eindeutig.


    Oper bis etwa 2000 90 % live, 10 % DVD. Entwicklung bis jetzt: Live 5 %, der Rest DVD. Begründung bekannt.


    Konzert etwa 40 % live, Rest DVD oder CD. Zusätzlich youtube. Live-Konzert wird weniger werden, da mein Euro 4 Diesel (Immerhin von Daimler) demnächst damit rechnen kann, in bestimmte Städte wie Leipzig oder Dresden nicht mehr rein zu dürfen. Karten im Vorverkauf wären damit russisches Roulette. Der Anteil live wird sinken. Leider.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Klar, ich mag live-Konzerte, besonders natürlich mit tollen Künstlern. Da kann das "visuelle - der/die Künstler bei der Arbeit" Erlebnis ein ruhiges CD Hören zu Hause nicht wirklich ersetzen.
    Aber nach einem verhusteten Brahms Sextett mit Klatscherei zwischen den Pausen und damit Zerstörung des Spannungsbogens des Werkes kamen mir doch wie öfter nach live Konzerten wieder mal die Zweifel: "Hat sich das wirklich gelohnt?"


    Übrigens, bei der sog. "Neuen" Musik (die ich ja wie vielleicht schon bekannt auch sehr schätze) steht bei mir das live Erlebnis ganz im Vordergrund - für meine Frau ist Neue Musik fast ausschließlich live zu genießen - ich höre schon auch gerne die CD´s. Aber bei den Konzerten oder festivals - sei es Donauschinger Musiktage, Acht Brücken in Köln oder musica viva habe ich nie oder nur selten Störungen durch das Publikum während des Konzertes bemerkt. Sollten die "Neue Musik Fans" etwa besseres Benehmen an den Tag legen??? Einmal allerdings: Das berühmt-berüchtigte Sonntags nachmittags Konzert in der Kölner Philharmonie mit dem Cembalisten Mahan Esfahani wurde vom konservativen Publikum das Stück Piano Phase von Steve Reich nach 2-3 Minuten durch Zwischenrufen, Buhen und Klatschen zum Abbruch gezwungen. Selten habe ich mich so fremdgeschämt - das waren aber eben nicht die an Neuer Musik Interessierten (die waren wie ich und meine Freunde über dermaßene Intoleranz empört), sondern das waren eindeutig die "Konservativen", die Telemann, Corelli und C.Ph. Bach hören wollten, so wie ich auch aber wir wollten eben auch Reich hören. Ich frage mich, ist es wirklich zu viel verlangt, mal 10 min ein (dann auch eher zahmes) Stück anzuhören, auch wenn es vielleicht einigen nicht gefällt? Wie engstirnig sind denn sog. "Kulturbegeisterte", wenn sie sich derart unduldsam aufführen. Ich habe soetwas noch nie erlebt.


    LG


    Konrad

  • Die Frage "live oder CD" stellt sich bei vielen Werken, die mich interessieren, gar nicht erst. Selbst in Wien bin ich praktisch jede Spielzeit mehr oder minder ernüchtert, wie wenig wirklich ausgefallene Sachen im Konzert und in der Oper gespielt werden. Einige absolute Standardwerke findet man natürlich immer, aber wehe, es soll etwas spezieller sein. Da bleibt dann letzten Endes nur die Tonkonserve. Das sind bei mir mittlerweile nur mehr selten waschechte CDs, da ich nahezu alles für mich Relevante digitalisiert habe.


    Natürlich kann ein Live-Erlebnis besonders eindrücklich ausfallen. Ich hatte auch einige solche, die ich nicht missen möchte. Trotzdem bin ich in der letzten Zeit viel seltener im Konzert oder in der Oper. Auch das beste Live-Erlebnis ist vergänglich und kann nicht rekapituliert werden (außer es wurde zufälligerweise mitgeschnitten). Es gehört unzweifelhaft mehr Aufwand dazu, sich klassische Musik live anzuhören. Zumindest ich gehöre noch zur offenbar aussterbenden Spezies, die sich dafür noch adäquat kleidet. Die Ernüchterung ist auch hier meist groß, wenn man als beinahe einziger unter 50 nicht wie im Kino aufkreuzt. Zudem braucht man akustisch günstig gelegene Plätze. Einige Erlebnisse mit Sichteinschränkung haben mich da heikel gemacht (am schlimmsten war mal Donizettis "Liebestrank" in Loge 2. Reihe, wo man praktisch gar nichts gesehen hat, was die Langeweile doch stark überhand nehmen ließ). Stehplätze kommen für mich eigentlich auch nicht in Frage. Ich habe keine Lust, mich ewig davor anzustellen und quasi auf gut Glück hinzugehen. Außerdem soll's ja auch ein wenig würdevoll sein. Wenn zudem keine künstlerischen Glanzleistungen zu erwarten sind, bin ich, ehrlich gesagt, auch allmählich zu knickrig. Ein weiteres Ausschlusskriterium stellen für mich diverse Dirigenten dar (auch im Opernhaus). Das summiert sich, so dass am Ende nur wenige Veranstaltungen übrig bleiben, wo ich mir denke: Da muss man unbedingt hin. Mal schnell spontan sagen: Heute Abend möchte ich diese oder jene Oper oder diese oder jene Symphonie hören, geht ja live auch nicht so einfach. Selbst wenn das Werk zufällig tatsächlich gespielt wird, braucht man in aller Regel lange davor Karten.


    Kurzum: Meistens fällt die Entscheidung zugunsten der Tonaufnahmen aus, die man in aller Ruhe hören und ggf. auch unterbrechen oder diese und jene Stelle bei Bedarf auch endlos wiederholen kann. Zudem fällt zumindest mir das Vergleichen bei Tonaufnahmen leichter. Sie haben schlichtweg etwas Dauerhaftes, bleibenden Wert. Selbst das schönste Live-Erlebnis ist irgendwann nicht mehr als eine blasse Erinnerung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Meine Frau und ich haben einenkleinen spleen entwickelt; seit Jahren sammeln wir die Eintrittskarten zu Konzerten etc.. Als Rentner in ein paar Jahren werde ich das mal auswerten und schauen, von welchem Konzert etwas (im Kopf) geblieben ist. Bin mal sehr gespannt.


    Konrad

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  • Da ich einen großen Teil meiner beruflichen Tätigkeit in der Verwaltung von Sinfonieorchestern verbracht habe, habe ich sicher viele hundert Konzerte live erleben können, die früheren sind natürlich im Gedächtnis nicht mehr abrufbar, aber ich habe dadurch den Zugang zur Tätigkeit von Instrumentalmusikern bekommen und kann mich in etwa beim Konzert in sie hereinversetzen. Deshalb schätze ich das Live-Erlebnis weiterhin sehr hoch. Es ist eben ein Spontanerlebnis, keine in Einzelstücken zusammengesetzte Konserve, wo natürlich nichts schiefgeht. Hier in Berlin suche ich mir die Konzerte meiner Wahl heraus und kann eigentlich die negativen Bemerkungen zum Publikumsverhalten nicht teilen. Und da kann man wirklich Großartiges erleben, auch manchmal, wenn man es eigentlich nicht erwartet. Karajan und Bernstein, Rubinstein, Horowitz, Menuhin und Oistrach sind tot, deswegen muss ich jetzt doch nicht zu Hause bleiben und in Nostalgie schwelgen. Sicher das kostet etwas, früher fiel ein Konzertbesuch leichter, was den Geldbeutel betrifft. Ich mische die Platzwahl, mal leiste ich mir einen Bestplatz, mal einen preisgünstigen, wo man aber auch gut hören und sehen kann, nur vielleicht hinter dem Orchester oder etwas höher. In der Philharmonie kann man auch ganz oben sehr gut die leisesten Töne hören. Und in der Deutschen Oper habe ich in Preisgruppe 3 meinen Lieblingsplatz. Also live oder CD - lieber live, aber natürlich auch CD. Letzte Bemerkung zum Erscheinungsbild des Publikums: Der dunkle Anzug und die Krawatte sind, zumindestens in Berlin, weitgehend Vergangenheit. Wenn ich in Tshirt, Jeans und Sandalen komme, werde ich nicht auffallen. Eher noch mit Schlips und Anzug. Das ist schade, spricht aber für einen allgemeinen Werteverfall. Sehe ich im TV Konzerte z.B. in Leipzig oder München, ist das noch anders. Dem Publikunsmainstream schließe ich mich dennoch nicht an. Ein Konzert- oder Opernbesuch ist etwas Besonderes, das sollte man auch selbst beim eigenen Outfit berücksichtigen.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Bei mir ist die Quote 10 zu 90. 10 Prozent Livebesuche in der Oper, vorzugsweise in der Volksoper, um Publikumslieblinge zu sehen bzw. zu hören und 90 Prozent Musik von Festplatte oder CD/DVD.


    Adäquate Kleidung bei Konzert- und Opernbesuchen für mich unerlässlich.