Bartok, Bela: Divertimento für Streicher Sz 113

  • Das Div. wurde im Sommer 1939 im Sommerhaus des damaligen Leiters des Baseler Kammerorchesters, Paul Sacher, komponiert, im hochgebirglichen Saanen im westlichen Berner Oberland. B. hat es zumindest in seinen wesentlichen Teilen in ca. zwei Wochen skizziert und teilweise niedergeschrieben. Dort sind auch wesentliche Teile des 6. Streichquartetts entstanden. In zeitlichem Zusammenhang mit diesen Kompositionen lag die Entstehung weiterer Werke für das Baseler Orchester. 1940 emigrierte B. schliesslich in die USA, wo vor seinem relativ frühen Tod an grossen Werken noch das Konzert für Orchester (1943) und das Bratschenkonzert (1945) entstanden sind.


    Von Bartok gibt es mehrere Dutzend Violinduos, welche ausdrücklich für Violinschüler gemacht worden sind, sowie ein ganzer Strauss weiterer Kammermusik.


    Die Besetzung sind:


    mind. 6 erste Geigen
    mind. 6 zweite G.,
    4 Celli
    2 Kontrabässe


    Die Spieldauer sind 26 Min., die Satzdauer und die Satzbezeichnungen ergeben sich aus dem Cover Link:




    Der erste Satz beginnt mit einem eingängigen Thema, in dem die Geigen vom gefühlten Grundton herab und halb wieder hin und zurück hüpfen. Einen kurzen Moment scheint hier Jazz oder Blues angesagt, doch gleich ist der Eindruck wieder weg und das Thema verliert sich allmählich irgendwo zwischen den Instrumenten. Im ersten Satz sind die musikalischen Linien rhythmusdominiert, kommen aber immer wieder zur Ruhe. Bartok schreibt zur Struktur des Div.:
    "I. Satz (...) Sonatenform, II. (...) A B A, III. (hier stehen drei Tempobezeichnungen) rondoartig"
    In ihrem Gesamteindruck sind erster und dritter Satz recht ähnlich, sie wirken ziemlich geschlossen und sind von ähnlicher Länge, unterscheiden sich dann - wie zu erwarten - im Melodiös- Harmonischen sowie auch in den Rhythmen. In manchen Texten steht, dass dieses Werk der neoklassizistischen (späten) Periode in Bartoks Schaffensphasen zugerechnet wird. Und wir hören wiederum keinerlei folkloristische Motive oder Zitate, sondern eben durch Bartoks geistig- emotionales Filtersystem gelaufenes und dabei neu synthetisiertes und meist ziemlich streng geordnetes, musikalisches Material.


    Der Höreindruck in meinem Wohnzimmer war besonders bei den lauteren Stellen unglaublich satt und rund und von reichhaltigem Nachhall, welcher natürlich kurz ist. Es war nichts verschwommen, alles wunderschön transparent (aufg. 1988/ 89). Das habe ich auf meiner früheren Anlage überhaupt nicht gehört !


    Zum Schluss noch eine Bemerkung zum zweiten, langsamen Satz, dessen ruhige, teils sehr leise Stellen von den Ecksätzen eingerahmt werden. Hier treten die Gruppenführer des Orchesters mit ihren jeweiligen Instrumenten solistisch auf. Um mir einen Vergleich zu denken, kam mir ein langsamer Prozess aus der Medizin oder Biologie in den Sinn, kein Klagen und keine Traurigkeit, noch nicht einmal eine elegische Beeinflussung. Deshalb verwende ich auch nicht den Begriff Trauermarsch als Bezeichnung für den B- Teil des zweiten Satzes. Auch hier werden gerne Kriegs- und Untergangsahnungen unterlegt. Ich habe keinen Text gesehen, wo Bartok von der bevorstehenden Emigration spricht.


    (Je älter ich werde, desto lieber höre ich leise und leiseste Musik. Hoffentlich höre ich noch lange nicht zu schlecht. :rolleyes: )


    MlG
    D.

  • Eigentlich schade, dass keine weitere Resonanz zu diesem Thread vorhanden ist.
    Damiro´s Vorhaben einige wichtige Werke Bartok´s mit Beiträgen (ggf. neu zu Erstellende) zu belegen begrüsse ich ausserordentlich ... :hello: ich bin dabei !


    *** Ich habe mir nach langer Zeit wieder einmal das Divertimento angehört.
    Die Solti-Aufnahme mit seinem Chicago SO hat mich absolut begeistert. Wie Solti selbst das ruhige Molto Adagio (2.Satz) im Mitteteil auf Siedehitze bringt und dabei für Gänsehäute sorgt, übertrifft alle mir bekannten Aufnahmen. Auch in den anderen Sätzen sorgt Solti für eine hoch angemessen Interpretation mit Biss, die einfach Hörspass macht.



    Decca, 1990 (Div.), DDD



    Ich habe noch auf CD eine weitere CD mit Werken für Streichorchester mit dem Bournemouth SO/Richard Studt zurückbehalten (wegen der anderen Komponisten Britten, Walton, Strawinsky), aber Solti´s glutvoller Bartok wird hier nicht in dem Maße erreicht, obwohl die Aufnahme auch ganz ordentlich ist. Das Malto Adagio hat zwar Atmosphäre, aber der (eigentlich) erregende Mittelteil ist bei weitem zu harmlos ...



    NAXOS, 1993, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Solti habe ich natürlich auch. :D Sehr gut gefallen tut mir auch diese Version, ist natürlich intimer als die mit dem CSO:


  • Au, jetzt hab`ich`s aber dick an der Backe.


    Und CDs hab ich aber viiiiel weniger als ihr Beiden !!! :whistling: (die Solti hab ich natürlich nicht, bitteschön)
    :pfeif: :pfeif: :pfeif:

  • Ich habe den Solti natürlich auch nicht. Ich habe aber bisher eh nur ganz, ganz wenig von Bartok, obwohl er mir eigentlich gefällt. Aber da mir die Idee von Damiro auch gefällt und ich natürlich auch die Fraktion die neuere Musik hört, unterstützen möchte, habe ich mir jetzt bei Youtube das Divertimento mal angehört. Ein tolles Stück Musik!


    Es gibt ja viele Aufnahmen. Mir hat gut gefallen. Mit John Edward Kelly


    Als Kontrast. Und auch das finde ich hat was. Die Berliner Philharmoniker als riesen Orchester.


    Und natürlich auch dieses, wobei mir das vielleicht am besten gefallen hat und ich habe mich durch einige Videos gehört.


    Also wer das Stück wie ich nicht kennt.... Es lohnt sich.

  • Zitat

    Ich habe den Solti natürlich auch nicht.


    Hallo Friese, dann solltest Du den Mitlesern mitteilen, dass es nicht an Solti liegt, sondern an deiner Vorliebe für Aufnahmen ab 2000 ... und da gehört Solti ja nunmal leider nicht mehr dazu. Bedauerlich, dass diese Dir so vorenthalten bleiben ... gerade bei Bartok ...



    Die guten Kritiken zu Dorati als aussergewöhnlich herausragendem Bartok-Dirigenten und meinen eigenen positiven Erfahrungen mit seinen Decca-Aufnahmen haben mich bewogen mir auch mehrere Dorati-Bartok-CD´s, die Dorati auf Mercury (Living Presence) vorgelegt hat, zuzulegen.


    :angel: Der Erfolg war bisher unbeschreiblich, denn alle Bartok-Werke unter Dorati zeigen ihn als einen Kenner die Werke seines Landsmannes mit unglaubliche hohem Niveau darzubieten.
    :| Ich war bisher immer der Meinung, dass diese Stereo-Aufnahmen mit Aufnahmedaten ab 1955 bis in die 60er klanglich nicht so überzeugend sein können. 8-) Mit der Annahme lag ich voll daneben, denn die 3Kanal-Living Presence-Aufnahmen, haben eine frapierende Durchsichtigkeit und Räumlichkeit, wovon man zu der Zeit bei uns in Europa nur träumen konnte, wenn ich u.a. an die dumpfen und in den Höhen schrillen EMI-Aufnahmen mit Rauschfaktor aus der Zeit denke.
    :thumbsup: Die Mercury-Living Presence und auch die Serie bei RCA Living Stereo sind 3-Kanal-Aufnahmen (Beispiele bei Fritz Reiner mit dem CSO), die von einer anderen Welt zu sein scheinen.


    So auch diese Mercury - CD mit dem Divertimento:

    Mercury, 1960, 1964 (Div., Mandarin), ADD


    Dorati hier mit dem BBC Symphony Orchestra lässt die 3 Sätze atmen und entwickelt sie mitunter zu einer gekonnten Hochspannung.
    Zu den Kopplungen komme ich an richtiger Stelle, denn der Wunderbare Mandarin als gesamtes Ballett und nicht als Suite, sowie die fantastische Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug zeugen ebenfalls von dieser aussergewöhnlichen Interpretation.
    :thumbup: Hörspass erster Klasse !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Friese, dann solltest Du den Mitlesern mitteilen, dass es nicht an Solti liegt


    Guten Morgen Teleton,


    Da hast du recht. Dass jemand denken könnte es liege an Solti, darauf bin ich gar nicht gekommen.
    Nein, Teleton hat recht, es liegt natürlich daran, dass ich mir nur CDs kaufe, die nach 2000 produziert wurden. Finde aber dieses Divertimento so toll, dass ich da bestimmt auch noch eine tolle Ausgabe aus dem 21.Jahrhundert finden und kaufe werde. :)


    LG, Friese