Sind heutige Interpreten benachteiligt ?

  • Durch einen eher lauen Eindruck einer Interpretation eines Mozart-Violinkonzertes habe ich mir die Frage gestellt, woran das eigentlich liegt, daß man immer wieder ältere Interpretationen bevorzugt. Aber es mag sein, daß das auch eine Generationsfrage ist.
    Für ein jüngeres Publikum, das die gegenwärtigen Interpreten im Konzert erlebt, mag sich vieles anders darstellen als für einen "alten Hasen".
    Dem steht aber die Tatsache gegenüber, daß man in der Vergangenheit geradezu versessen darauf war, die Interpretationen für die Zukunft festzuhalten, wobei heute das Interesse daran eher - sagen wir mal - moderat ist.
    Mittelfristig wird oder kann das dazu führen, daß der Ruhm der gegenwärtigen Interpreten (von Ausnahmen mal abgesehen) in der Tat lediglich ein gegenwärtiger ist, sie werden nach ihrem Abtreten mehr oder weniger vergessen sein - ganz wie in der Zeit vor der Erfindung der Schallplatte... (??)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • daß man in der Vergangenheit geradezu versessen darauf war, die Interpretationen für die Zukunft festzuhalten,


    In diese Richtung denke ich auch. Es wurde viel mehr Energie, Zeit und Leidenschaft in die Produktion von Aufnahmen gelegt. Zahlreiche Dokumentationen und Berichte geben darüber Aufschluss. Die Rolle der Produzenten hat völlig an Bedeutung verloren. Schon aus Kostengründen ist der Aufwand von einst heute so nicht mehr möglich. Und wäre es auch wünschenswerte? Der Markt ist ziemlich voll. Der Zugang zu Aufnahmen und Musik ist ein ganz anderer geworden. Erst kürzlich diskutierten wir im Freundeskreis darüber, was es für ein erhebendes Gefühl gewesen ist, eine neue und nicht eben billige Platte nach Hause zu tragen wie einen gehobenen Schatz - und dann wieder und wieder zu hören. Heute stehe ich vor meinen Regalen und werde angesichts der Menge von Depressionen befallen. Ich gehe dann zu meinem PC, Laptop oder anderen entsprechende Quellen und bediene mich beispielsweise bei Spotify oder von den Festplatten.


    Junge Künstler halte ich nicht für benachteiligt. Zur Not können sie sich eigene CDs produzieren. Sie haben auch ganz neue Möglichkeiten, sich über das Netz bekannt zu machen. Andererseits sind viele Leistungen so, dass ich sie nicht auf einer CD verewigt haben möchte. Noch ein Beethoven? Nicht eine "Winterreise"? Es hält mir allenthalben an Tiefe des Ausdrucks und an Alleinstellungsmerkmalen. Die neuen Namen und Talente purzeln nur so durch die Medien und durch meine Wahrnehmungen. Die meisten vergesse ich ich sofort wieder, schon weil ich mir die oft komplizierten Namen nicht merken kann. Dann kommen wieder neue daher. Ich muss immer an Richelieus Katzen denken. Ganz wenige Sänger und Interpreten bleiben emotional in mir haften. Sie bedienen bei mir oft nur den Moment. Der Neue-Stimmen-Thread von Caruso, den ich hiermit ausdrücklich und erneut lobend herausstellen möchte, ist ein sehr treffendes Abbild meiner ganz persönlichen Wahrnehmungen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mittelfristig wird oder kann das dazu führen, daß der Ruhm der gegenwärtigen Interpreten (von Ausnahmen mal abgesehen) in der Tat lediglich ein gegenwärtiger ist, sie werden nach ihrem Abtreten mehr oder weniger vergessen sein - ganz wie in der Zeit vor der Erfindung der Schallplatte... (??)


    Lieber Alfred!
    Kann man das so undifferenziert sagen?
    Ich rede mal nur von den Sängern.


    Einen Juan Diego Florenz, einen Piotr Beczała, einen Michael Spyres, eine Joseph Calleja oder aber eine Renée Fleming, eine Susan Graham, eine Joyce di Donato, eine Nina Stemme und so weiter wird man gewiss auch nach ihrem Abgang von den Bühnen und Podien nicht vergessen. Es gibt eine ganze Menge ausgezeichneter Sänger zur Zeit! Und sie haben auch Maßstab setzende Aufnahmen gemacht, die man in Zukunft noch gerne hören wird.


    Aber es gibt eben in unseren Tagen leider in manchen Fächern keine herausragenden Interpreten! Das zu leugnen wäre dumm. Aber war das früher anders?

    Wo waren denn die adäquaten Rossini-Tenöre als Maria Callas sang? Wo gab es denn in den 50er, 60er und 70er Jahren Sänger, die im französischen Repertoire wirklich stimmlich und stilistisch überzeugen konnten? Die kann man doch an den Fingern einer Hand abzählen!
    Und: wenn ich mich an Händel-Aufführungen in den 50er und 60er Jahren erinnere, dann waren die leider kein Vergnügen, weil die Sänger einfach mit ihren Partien überfordert waren!
    Jede Zeit hat ihre starken Interpreten und jede Zeit muss mit Notlösungen vorliebnehmen.


    Freuen wir uns doch an den guten Interpreten, die es heute ohne Frage gibt.
    Wenn sie nicht das Repertoire singen, das wir bevorzugen, dann ist das natürlich bedauerlich. Aber zu klagen, es gäbe keine guten Sänger, ist schlicht unsinnig.
    Hast Du ja auch nicht gesagt! Aber der Seitenblick auf Sänger drängte sich mir gerade auf, weil ich jemand bin , der die großen Aufnahmen von Sängern früherer Jahre sehr schätzt und häufig hört und trotzdem gerne heute in die Oper geht und dabei Sänger hört, die einen Vergleich nicht scheuen müssen.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Kann man das so undifferenziert sagen?
    Ich rede mal nur von den Sängern.


    Nein das kann man nicht so undifferenziert sagen - ausßer natürlich im Thread eines Internetforums um die Diskussion anzuheizen


    Aber Sänger sind doch anders zu bewerten als Dirigenten etc., weil das Timbre einer Stimme einzigartig ist
    Deshalb habe ich auch Stimmen der Vergangenheit in meiner Sammlung, die eben unverzichtbar, weil einzigartig sind,


    Der Wiedererkennungswerrt anderer Interpreten ist indes meist nicht sooo ausgeprägt, wenngleich es auch hier
    welche mit sehr ausgeprägtem individuellen Profil gibt.


    Ein Nachwuchspianist muß aber schon seeeehhr gut sein oder mit guten Beziehungen ausgestattet, daß man ihn beispielsweise heute alle Mozart Klaviersonaten einspielen lässt,
    Und wenn das dann doch funktioniert . dann greift das PT Publikum meist doch lieber auf Badura.Skoda, Brendel, Haebler oder Kempff zurück....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !