Ein erfahrener Sänger erklärt die Misere im heutigen Opernbetrieb

  • Aber Herr Dohmen war sich nicht zu schade, im Wiener Freischütz den Eremiten zu singen. Diese Inszenierung war bestimmt nicht nach seinen Vorstellungen.

  • Aber Herr Dohmen war sich nicht zu schade, im Wiener Freischütz den Eremiten zu singen. Diese Inszenierung war bestimmt nicht nach seinen Vorstellungen.




    Ich verstehe diesen Einwand nicht. Albert Dohmen ist Profi-Sänger das heißt, er lebt davon, seinen Beruf auszuüben. Als er vor einigen Jahren mit der Wiener Staatsoper den Gastvertrag für den Eremiten abgeschlossen hat, gab es vermutlich noch gar kein Konzept - zumindest ist es illusorisch zu denken, dieses Regiekonzept würde dem Sänger vor Vertragsunterschrift "zur Ansicht" vorgelegt, auf dessen Grundlage er sich dann entscheiden könnte.



    Also: Der Sänger unterschreibt Monate bis Jahre vor den geplanten Auftritten den Vertrag, kommt dann einige Wochen vor den geplanten Auftritten ans Haus, um zu proben. Bei dieser ersten Probe erfährt er das Konzept. Natürlich könnte er jetzt so "edel" sein zu sagen: "Nein, dann singe ich nicht!" - aber da sind wir wieder beim Ausgangspunkt: Es ist sein Beruf, von dem er leben muss. Sagt er ab, bekommt er keine Gage. Sagt er diese eine Rolle auch noch mit der Begründung des ihm nicht zusagenden Konzeptes ab, unterbreitet ihm das Haus auch keine neuen Rollenangebote mehr, es kennt ja die entsprechenden Konzepte selbst noch nicht, also ist dem Haus das Risiko einer erneuten Absage durch den Sänger zu groß. Und wer zahlt dann dem Sänger die Gage, wenn er absagt und wovon er leben muss? Das Opernhaus dann natürlich nicht. Also wer? Du?
    Du siehst also: Dein Einwand war bei weitem nicht so klug, wie du denkst....

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich verstehe diesen Einwand nicht. Albert Dohmen ist Profi-Sänger das heißt, er lebt davon, seinen Beruf auszuüben. Als er vor einigen Jahren mit der Wiener Staatsoper den Gastvertrag für den Eremiten abgeschlossen hat, gab es vermutlich noch gar kein Konzept - zumindest ist es illusorisch zu denken, dieses Regiekonzept würde dem Sänger vor Vertragsunterschrift "zur Ansicht" vorgelegt, auf dessen Grundlage er sich dann entscheiden könnte.



    Also: Der Sänger unterschreibt Monate bis Jahre vor den geplanten Auftritten den Vertrag, kommt dann einige Wochen vor den geplanten Auftritten ans Haus, um zu proben. Bei dieser ersten Probe erfährt er das Konzept. Natürlich könnte er jetzt so "edel" sein zu sagen: "Nein, dann singe ich nicht!" - aber da sind wir wieder beim Ausgangspunkt: Es ist sein Beruf, von dem er leben muss. Sagt er ab, bekommt er keine Gage. Sagt er diese eine Rolle auch noch mit der Begründung des ihm nicht zusagenden Konzeptes ab, unterbreitet ihm das Haus auch keine neuen Rollenangebote mehr, es kennt ja die entsprechenden Konzepte selbst noch nicht, also ist dem Haus das Risiko einer erneuten Absage durch den Sänger zu groß. Und wer zahlt dann dem Sänger die Gage, wenn er absagt und wovon er leben muss? Das Opernhaus dann natürlich nicht. Also wer? Du?
    Du siehst also: Dein Einwand war bei weitem nicht so klug, wie du denkst....


    Lieber Stiimmenliebhaber,
    aufbegehren, protestieren, absagen ist edel, heroisch, bewunderns- und nachahmenswert. Es kann für den Sänger sehr teuer werden. Du beschreibst also die Problematik sehr genau. Ich verhandle heute schon gezwungener Maßen über Konzerte 2020/21. In meinem Alter recht mutig, denn dann bin ich 86 Jahre alt.
    Herzlichst


    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Problematik wurde hier von "Stimmenliebhaber" sehr gut beschrieben.
    "Der Sänger hat den Mund zu halten" - hat auch Herr Dohmen die Situation gut formuliert.
    Hier findet man auch die Erklärung, warum der Protest gegen das Regietheater durchwegs von Sängern kommt, die auf Grund ihres Alters oder ihrer absolut gesicherten Existenz die RT- Lobby nicht mehr zu fürchten brauchen.
    Das Tamino Klassikforum und sein Betreiber sind ja in der Tat kein Gehaltsempfänger des Opernbetriebs und deshalb frei in der Meinungsäusserung.
    Aber selbst hier wird Druck ausgeübt. Es wird gern behauptet, daß die Regietheaterthreads dem Ansehen des Forums schadeten.
    Die Frage ist nur: In welchen Kreisen.
    Aber abgesehen davon nehme ich diesen "Imageverlust" strategisch wohlkalkuliert in Kauf. :P
    Und ich freue mich, wenn ich lesen kann, daß andere das ebenso sehen - und sich getrauen ihre Einschätzung in einem Interview zu äußern
    Steter Tropfen höhlt den Stein.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vor allem schadet es nicht dem, was als RT identifiziert wird, wenn es weiterhin im Fokus der Aufmerksamkeit bleibt.


    Bedauerlich die geringe Resonanz von Usern, die sich dem unermüdlichen Kampf fürs Wahre, Gute und Schöne verschrieben haben; sehr mager im Vergleich zu anderen RT-Threads. Wo bleiben sie denn?
    Wäre wünschenswert, wenn diese sich hier stärker einbringen würden.

  • Bedauerlich die geringe Resonanz von Usern, die sich dem unermüdlichen Kampf fürs Wahre, Gute und Schöne verschrieben haben; sehr mager im Vergleich zu anderen RT-Threads. Wo bleiben sie denn?
    Wäre wünschenswert, wenn diese sich hier stärker einbringen würden.


    Vielleicht liegt es daran, dass die Diskussion am falschen Ort platziert ist?
    In das Kapitel DIE BERÜHMTE STIMME - SÄNGERPORTRAIT gehört sie eher nicht!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Vielleicht liegt es daran, dass die Diskussion am falschen Ort platziert ist?
    In das Kapitel DIE BERÜHMTE STIMME - SÄNGERPORTRAIT gehört sie eher nicht!

    Da könnte durchaus was dran sein.
    Dohmens Philippika über Dirigenten, die keinen Schimmer von Stimmen haben, über Regisseure, die despotisch gegenüber Sängern agieren ist so neu nicht…damals Lamenti über Karajan, Wieland Wagner oder kürzlich vor ca. 34 Jahren über Giancarlo del Monaco...
    Ja, ja, okay, okay, vielleicht war früher sowieso immer alles besser .......

  • Ein wohl nicht bestreitbares Faktum bleibt aber die Tatsache, dass es heutzutage viel weniger Sängerpersönlichkeiten (zumindest für das schwere Fach) gibt, als noch vor 30/40 Jahren. Dohmen begründet es mit dem Regietheater, es können aber zugegebenermassen auch andere Gründe sein. Vielleicht hat sich für bestimmte Fächer die Ausbildung verbessert, aber ich vermisse heute Sängerdarsteller wie Varnay, Hotter, Windgassen, Greindl, Gobbi, Christoff usw., usw..

  • Ein wohl nicht bestreitbares Faktum bleibt aber die Tatsache, dass es heutzutage viel weniger Sängerpersönlichkeiten (zumindest für das schwere Fach) gibt, als noch vor 30/40 Jahren. ... ich vermisse heute Sängerdarsteller wie Varnay, Hotter, Windgassen, Greindl, Gobbi, Christoff usw., usw..

    Ja, ja die Verklärung der guten alten Zeiten :) … z.B. Dohmen, Ermonela Jaho (Butterfly is ja auch bloß Soubrette :D ), Pape, Stemme, Prankratowa, Zeppenfeld, Christine Goerke, Beczała sind alles überhaupt keine Sängerpersönlichkeiten im schweren Fach :D ……

    Dohmen begründet es mit dem Regietheater, es können aber zugegebenermassen auch andere Gründe sein.

    und das böse RT führt zur totalen Gleichschaltung/Adjustment von Solisten; fiel merkwürdigerweise z.B. im Osnabrück-Lohengrin bei der Verunstaltung durch Yona Kim nicht auf; weder bei Lina Liu (Elsa) oder Eric Laporte (Titelpartie) noch bei Andrea Baker, welche auch in der Magdeburger Verunstaltung der Ortrud mit ihrer besonderen Stimmfärbung/gestaltung eindrucksvolles Gepräge gab ......

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  • Hallo Amfortas, Du bist offensichtlich zu jung, um noch einen der vor mir genannten Sängerdarsteller live erlebt zu haben und dafür kannst Du nichts.
    Aber Du wirfst hier alles durcheinander.
    Ein Beispiel: Piotr Beczala ist der momentan beste lyrische Tenor, der mit (2!) Partien (Lohengrin, Don José) eben daran ist, sich das Zwischenfach zu erobern. Aber vom schweren Fach ist er klugerweise weit entfernt. Und wie all die von Dir erwähnten sehr guten Sänger ist er (vielleicht mit Ausnahme von Jaho) von einem packenden Darsteller weit entfernt.

  • Du bist offensichtlich zu jung, um noch einen der vor mir genannten Sängerdarsteller live erlebt zu haben und dafür kannst Du nichts.
    Aber Du wirfst hier alles durcheinander.
    Ein Beispiel: Piotr Beczala ist der momentan beste lyrische Tenor, der mit (2!) Partien (Lohengrin, Don José) eben daran ist, sich das Zwischenfach zu erobern. Aber vom schweren Fach ist er klugerweise weit entfernt. Und wie all die von Dir erwähnten sehr guten Sänger ist er (vielleicht mit Ausnahme von Jaho) von einem packenden Darsteller weit entfernt.

    Kommt darauf an, was überhaupt unter packender Darstellung zu verstehen ist.. packend kann einen rüberkommen, wenn ein Sänger es schafft viele Nuancen in einer Partie auszuloten, wie z.B. Klaus Florian Vogt in den Monlogen vom 3. Parsifal-Akt in Bayreuth.


    Lohengrin würde ich durchaus schon dem mittelschweren Fach zu rechnen.
    Torsten Kerls Tristan kommt mir tragfähiger rüber als Windgassen (auch wenn Windgassen diese Partie durchaus „lebt“).


    Schweres Fach ist m.E. auch die Partie der Marie in Bazis Soldaten. Der Komponist wäre – vor ca. 50 Jahren - über Emily Hindrichs in Köln 2018 höchst erfreut gewesen. Wesentlich schwieriger sogar zu meistern m.E. die mörderische Partie von Bergs Lulu. Margarita De Arellano übersteigt darin höchstlich frühere – an sich verdienstvolle - Sängerinnen wie z.B. Ilona Steingruber oder Teresa Stratas.


    Hotter mag Bühnenpräsenz gehabt haben. Kann ich nicht beurteilen. Seine Stimme hat m.E. weniger Farben; z.B. sein onkelhafter, gleichförmiger Holländer im Verhältnis zu Dohmen oder z.B. den viel intensiveren und facettenreichen Gurnemanz von Zeppenfeld, der zudem auch darstellerisch beeindruckend (soweit es die missglückte Inszenierung zulässt) in Bayreuth rüberkommt. Vom Letzteren konnte ich mich sogar live überzeugen.
    Auch Stimmen von Stemme, Pankratowa oder Goerke kommen in ihrem Ausdruck/Gestaltung allg. differenzierter rüber als z.B. Birgit Nilsson.

  • Nachdem ich Frau Pankratova im Februar diesen Jahren als wirklich furchtbare Senta in Dresden erlitten habe, empfinde ich diesen Vergleich zur Nilsson als geschmacklos, wenn nicht gar als beleidigend für die Nilsson - da sind stimmlich Welten dazwischen!!! (Sprachlich übrigens auch, und das wohlbemerkt zugunsten von Frau Nilsson!)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe 10 Minuten gehört. Er begründet seine Kritik primär mit unserer visuell orientierten Mediengesellschaft, wo es primär auf die Präsentation im Bild ankommt - sekundär kommt dann auch RT vor. Da ist ja auch wirklich was dran. Dann kommt die Problematik Sängerausbildung. Fand ich auch eigentlich interessant zu hören. Und er ist gegen das Schubladen- und Kästchen-Denken. RT und Non-RT ist aber auch so eine Schublade mit dem dazugehörigen Kastendenken ....


    Schöne Grüße
    Holger