Das Publikum war am Ende begeistert, es gab viel Jubel für alle Beteiligten. Beim Herausgehen hörte man: „Das war schön“. Im Großen und Ganzen fand ich die Aufführung auch gut, das Orchesterspeiel unter der Leitung von Alexander Joel aber eher routiniert, anders als noch im Jahr der Premiere vor 4 Jahren unter der engaierten Leitung von Simone Young. Damals begeisterte sie mit einem Verdiklang, der auch sämtlich Sängerinnen und Sänger auf der Bühne mitriss. Auch die darstellerische Seite litt heute, zum einen gehört Joseph Calleja, der den Rodolfo mit schön timbrierter Stimme, um deren Klangkern sich ein schnelles Vibrato windet (wenn er es nicht ganz in den Griff bekommt, könnte mancher es für ein feines Meckern halten), sang, nicht unbedingt zu den begnadeten Darstellern, zum anderen hatte Vitalij Kowaljow noch heute Vormittag krankheitsbedingt abgesagt, so dass der italienische Basse Carlo Colombara aus Bologna eingeflogen wurde, seine Rolle des Grafen Walter von der Seite aus sang und sich auf der Bühne durch den Spielleiter doubeln ließ. Dieser bekam den Mund zur Synchronsimualtion nicht auf, sondern markierte wie ein Oberschüler seine Rolle mit einigen Hand- und Armbewegungen (allerdings hat man bei ihm ja auch nicht erwarten können, dass er den Gesangstext auswendig kennt).
Der Blick des Publikums ging deswegen stets in Richtung Colombaras, der mit vollendeter Legatokultur, die den anderen weitgehend abging (vor allem Roberto Frontali als Miller), den Grafen mit sonorer Tiefe und glanzvoller Höhe darbot. Frontali sang nicht schlecht, aber für eine so wichtige Verdibaritonpartie fehlte ihm einfach der notwendige Samt und Glanz in der Stimme, außerdem fand ich seine Dynamikabstufungen zu abrupt. Nino Machaidze (Luise) ist die einzige Sängerin, die aus der Premierenproduktion übernommen worden ist. Sie ist eine glänzende Darstellerin, so dass man über manche stimmlichen Unreinheiten (Neigung zur Schärfe, auch ganz gelegentlich leichtes Klirren) hinwegzuhören vermag. Außerdem fehlte ihrer Stimme heute doch das unter die Haut gehende Aufblühen, wenngleich ihr manche Phrasen durchaus klangschön gelangen. Machaidze macht das, wie gesagt, mit ihrer Darstellungskraft durchaus wett, bräuchte aber einen schöner singenden Vater und einen weniger steifen Liebhaber, um letztlich auch von ihr begeistert zu sein. Nadezhda Karyazina war als Federica, die um Rodolfo werbende Rivalin, aufgeboten. Ihr Mezzosopran klingt in der Tiefe ganz großartig, wenngleich in den höheren Lagen auch nicht ganz frei von Schärfe. Ihr Mezzo und Colombaras Bass waren aber für mich die beiden besten stimmlichen Leistungen des Abends.
Nun gibt es noch des Bösewicht Wurm, der Luise wegen des angeblich bevorstehenden Todes ihres eingesperrten Vaters Miller einen Verzichtsbrief auf Rodolfo abpresst. Diese Briefszene war 2014 mit Oliver Zwarg und Nino Machaidze und ihrem körperlichen Zweikampf einer der absoluten Höhepunkte der Operndramatik auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Ramaz Chikviladze machte seine Sache gut, unter die Haut ging das Drama diesmal aber nicht. Die beiden kleineren Rollen Laura und Contadino wurden von den Mitgliedern des Internationalen Opernstudios Ruzana Grigorian und Sungho Kim gesungen. Insgesamt hat sich der Besuch aber gelohnt, zumal man diese Oper nicht häufig auf den Opernbühnen zu hören bekommt. Warum das Haus trotz des berühmten Sängernamens (Calleja) nicht voller besetzt war, blieb mir allerdings ein Rätsel.