Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 3 d-moll mit Altsolo, Knabenchor und Frauenchor in Köln, 2. 10. 2018
Gürzenich-Orchester Köln, Francois Xavier Roth
Sara Mingardo, Alt,
Mädchen und Knaben des Kölner Domchores,
Damen der Heidelberger Schola,
Gürzenich-Orchester,
Dirigent: Francois Xavier Roth
Bericht, 1. Teil:
Das war doch nun mal eine Saisoneröffnung meines FXR-Abos in Köln, so recht nach meinem Geschmack, mit meiner Lieblingssymphonie Gustav Mahlers. Zuletzt hatte ich die Dritte, ebenfalls in Köln, am 19. 6. 2016, erlebt mit Bernard Haitink, dem BRSO und Gerhild Romberger. Davor hatte ich sie in den letzten 10 Jahren ebenfalls in Köln 2010 erlebt, ebenfalls mit dem Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz, im gleichen Jahr in Berlin mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle und kurz zuvor, wenn ich mich recht entsinne, in Essen mit den Bochumer Sinfonikern unter Steven Sloane. Ich weiß aber nicht genau, ob das alle Konzerte waren.
Ich weiß wohl, dass ich sie am 2. Juni 2019, wenn nichts dazwischen kommt, schon wieder in Köln erleben werde, und zwar mit dem Rotterdams Philharmonisch Orkest unter Rav Shani und mit Anna Larsson.
Ich wusste bisher wohl, dass das Gürzenich-Orchester zusammen mit Musikern der Krefelder Stadtkapelle, die Dritte im Juni 1902 unter der Leitung des Komponisten in Krefeld uraufgeführt hatte. Was ich aber bis gestern Abend nicht wusste, war die Tatsache, dass Mahler nach dem riesigen Kopfsatz eine Pause eingelegt hatte. Und Francois Xavier Roth hatte wohl für diese Aufführungsserie das Gleiche beschlossen. Ich war zwar erst skeptisch, aber es klappte wunderbar.
Was ich darüber hinaus nicht wusste und auch erst gestern Abend erfuhr, beim Lesen des Programms, das ich immer in aller Ruhe vor dem Konzert ganz durchlese (man muss nur früh genug anreisen), war die Bedeutung, die Gustav Mahler der Soloposaune beimaß. Ich hatte sie bisher gar nicht so stark beachtet. Gustav Mahler war vom Blasen des Soloposaunisten Franz Dreyer so begeistert, dass er ihn später nach Wien in die Hofburg abwarb (die Verhandlungen dauerten zwei Jahre!)
Wenn man die Dritte Mahler so begeisternd gespielt hört wie ich gestern Abend ( und beileibe nicht nur ich alleine, sondern noch knapp 2000 andere Mahlerfreunde), dann meint man möglicherweise, die Sinfonie bestünde aus sechs mehr oder weniger langen Höhepunkten.
Was aber den gewaltigen Kopfsatz betrifft, so ist er gewiss ein Höhepunkt der Kopfsätze der gesamten Sinfonienliteratur, vielleicht zusammen mit dem Kopfsatz der Neunten, dem Kopfsatz der Neunten Beethoven und dem Kopfsatz der Neunten Bruckner.
Damit dieser Kopfsatz aber auch zu einem Höhepunkt werden kann, ist gleich zu Beginn eine exzellente Hörnertruppe notwendig, wie sie unter der Führung von
Markus Wittgens:
gestern Abend prachtvoll agierte, nicht nur im Kopfsatz, aber da kam es ja schon einmal darauf an, um vor allem die bei Mahler schon von der ersten Sinfonie an wichtigen Naturlaute vorzustellen, und da waren die acht Hornisten mit Feuereifer und Fortissimo vom ersten Takt an dabei, wurde ringsum alles aufgeweckt und fuhr am Ende jedes Thementeils das versammelte Schlagwerk furios in die Parade. Da grummelte es gewaltig im Magen. Auch die Trompeten mit ihrem Vorreiter
Simon de Klein:
der nicht nur durch sein gleißendes Fortissimo, sondern immer wieder durch seine betörenden Pianissimi begeisterte, sowie natürlich die Posaunenabteilung mit ihren Solisten
Aaron Außenhofer Stilz:
und Carsten Luz:
waren für das Fundamentum des "Monumentalmarsches" mit verantwortlich und taten dies mit Verve und Begeisterung.
Doch so geht es nicht in einem fort, sondern auch das Gegenteil hatte Mahler aufgeboten, die wunderbaren Streicher mit ihrem Solo des nun wiederholt in Köln gastierenden ersten Konzertmeisters der NDR Elbphilharmonie Orchesters,
Stefan Wagner:
der es wunderbar verstand, ein luftiges, duftiges Gegengewicht für die martialischen Bläserausbrüche, aber auch für die ruppigen Marschrhythmen in der eigenen Fraktion, nämlich den acht äußerst durchschlagskräftigen Kontrabässen zu sorgen.
Damit einem solch gewaltigen Satz kein Chaosprinzip zugrunde liegt, oder, wie Adorno es nannte, ein "Zufallsprinzip", sondern ein dennoch fester, kunstvoller Bauplan, braucht es sicher so ein musikalisches Genie, wie Gustav Mahler es war, der ja über den Satz die Bezeichnung geschrieben hatte: "Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein".
Wenn man diese Symphonie oft genug gehört hat, meint man sogar, zumindest äußerlich so etwas wie einen Sonatenhauptsatz zu erkennen.
Ich weiß nicht, welche Besetzung Gustav Mahler in Krefeld zur Verfügung hatte, aber Francois Xavier Roth hatte gestern Abend 107 MusikerInnen zur Verfügung, 60 Streicher, 17 Holzbläser, 18 Blechbläser, 2 Harfenistinnen und 10 Schlagwerker.
Hinzu kamen 20 Damen der Schola Heidelberg und 37 Mädchen und Jungen des Kölner Domchores.
Ich glaube, aus der Erinnerung sagen zu können, dass dies eine der größten Bestzungen war, die ich je bei Konzerten mit Mahlers Dritter erlebt habe.
Da dieser Bericht doch länger dauert und länger wird, als ich gedacht habe, gehe ich gleich ins Bett und schreib am Nachmittag weiter.
Liebe Grüße
Willi