Mit Gewitter und Sturm --- Richard Wagner: Der fliegende Holländer

  • Lieber Wagnerianer, liebe Opernfreunde,

    Selbst jene Opernfreunde, die sonst mit Richard Wagner nichts oder nur wenig anfangen können müssen eingestehen, daß ihm mit dieser Oper ein "großer Wurf" gelungen ist.

    Dabei war die Uraufführung am 2, Januar 1843 alles andere als ein Erfolg. Heute ist das kaum mehr vorstellbar, aber die Leute waren durch Wagners ers kurz vorher (mit Erfolg) uraufgeführte Oper "Rienzi" geprägt und erwarteten etwas ähnliches. Dementsprechen groß war die Entäuschung über das "düstre" Werk.



    Dabei hat die Oper doch so ziemlich alles zu bieten, was gute Oper ausmacht: Eine packende Story, ein interessantes Ambiente, eine Herausforderung an jeden Bühnenbildner, charakteristische gur durchgezeichnete Figuren, herrliche Chöre und Arien,von fast hypnotischer Ausstrahlung.

    Auf der Tonkonserve müssen wir mit weniger vorliebnehmen, immerhin es gibt einige ausgezeichnete Aufnahmen, teils im Studio produziert, teils in Bayreuth mitgeschnitten.

    Ich persönlich besitze 2 Aufnahmen des Werkes:

    Zum einen, die wunderbare Aufnahme unter Klemperer die ich lange Zeit für nicht überbietbar gehalten habe

    Dann wieder jenen Mitschnitt aus Bayreuth unter Karl Böhm der IMO noch mehr Biss hat --- und mehr Temperament...

    Aber eigentlich bin ich ja kein Wagnerianer, so räume ich das Feld hier für jene.

    Gruß aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    mein Wagner-Einstieg war Tannhäuser, aber dann kam der Holländer gleich hinterher :D.
    Und hier muß ich einmal einen (von mir) ungeliebten Kapellmeister aufs Treppchen heben: der beste Holländer, den ich kenne ist der von Sawallisch mit Franz Crass und Anja Silja (der für mich besten Senta auf Platte).



    Die Aufnahmen von Böhm, Keilberth und Fricsay reihe ich dahinter ein. Die damals gelobte Steinberg/Naxos ist guter Durchschnitt, aber nicht sehr dramatisch.
    Klemperer (offensichtlich auch mit Anja Silja) besitze + kenne ich leider noch nicht.


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • Die "Action" hat Alfred schon trefflich beschrieben.
    Zu den Aufnahmen.
    Meine Idealaufnahme(n):
    Sawallisch/Silja/Crass/Greindl vom Bayreuther Komödienstadel
    (ein wohlklingender Holländer ohne tatsächliche bzw. gekünstelte Dämonie, ein schwärmerisches, neurotisches Mädchen, ein geldgieriger Daland)
    Böhm-Aufnahme (von Alfred erwähnt)
    Clemens Krauss/Hans Hotter als Holländer - das subjektive Manko der Aufnahme - die Ursuleac als Senta (seine Gattin wollte und konnte Krauss nicht umgehen)
    Dorati-Aufnahme mit George London als Holländer als Gegenpol zu Crass'schen Interpretation unter Sawallisch

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Ich muß zugeben, daß der Holländer nicht ganz zu meinen
    Lieblingsopern gehört. Das Werk hat noch nicht die Tiefe
    und Komplexität wie im Ring oder Parsifal.


    Neben den oben erwähnten Aufnahmen bin ich durch Zufall
    auch auf folgende Naxos Aufnahme gestoßen , die durchaus auch
    empfehlenswert ist:



    Technisch nicht ganz optimal, aber für den Preis akzeptabel.


    Gruß
    Rüdiger

    Gruß
    Rüdiger


    ________________________
    Lärm ist ... nur eines der Übel unserer Zeit, wenn auch vielleicht das auffälligste. Die anderen sind Grammophon, Radio und neuerdings die verheerende Television.


    C.G. Jung

  • Zitat

    Original von Uwe


    Und hier muß ich einmal einen (von mir) ungeliebten Kapellmeister aufs Treppchen heben: der beste Holländer, den ich kenne ist der von Sawallisch mit Franz Crass und Anja Silja (der für mich besten Senta auf Platte).



    Leider leidet die Aufnahme unter dem zu dem Zeitpunkt kolossal indisponierten Josef Greindl.


    Musikalisch am liebsten mag ich die Bayreuther Aufnahme unter Woldemar Nelsson (die momentan nicht erhältlich zu sein scheint). Er verwendet die "Urfassung", also ohne den "Erlösungsschluß", und bei ihm "stürmt und drängt" es wie in keiner zweiten Einspielung.


    Auch empfinde ich die Besetzung (Simon Estes, Matti Salminen, Lisbeth Balslev, Robert Schunk, Graham Clark und Anny Schlemm) als sehr gut, lediglich Lisbeth Balslev fällt stimmlich-darstellerisch weit hinter Leonie Rysanek und Anja Silja zurück.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Hallo vor eingigen Tagen (Wochen ?)
    fiel mir jene Aufnahme mit Fritz Wunderlich in die Hände.
    Aber bevor ich mich für oder gegen sie entscheide frag ich hier ..





    Restliche Besetzung: Schock/Fischer-Dieskau/Frick etc
    Dirigent: Franz Konwitschny.
    Soweit mit bekannt, entsatant die Aufnahme um 1960.
    Ist die schon Stereo ? Stereo war zwar schö üblich, aber es gab vereinzelt auch noch mono-Aufnahmen.


    Kennt die überhaupt jemand ?
    Wenn ja, was gibts dazu zu sagen ?


    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich habe die Aufnahme als Querschnitt (gab es mal vor Jahren bei der EMI im low-price-Bereich).


    Die Aufnahme ist in Stereo aufgenommen.


    Mein Fazit: Sie lohnt sich in erster Linie wegen Fritz Wunderlich als Steuermann und wegen Rudolf Schock als Erik. Mit Gottlob Frick als Daland macht man eh nichts verkehrt.


    Marianne Schech als Senta ist "so lala" und kommt nicht ansatzweise an die Rysanek oder an Anja Silja heran. Fischer-Dieskau als Holländer ist imo eine glatte Fehlbesetzung, da seine Stimme niemals das "heldische Format" und die Kraft für einen glaubwürdigen Holländer hatte, auch nicht in jungen Jahren.


    Zum Dirigat Konwitschnys kann ich wenig sagen, da 55 Min. Querschnitt (und ohne Ouvertüre) nicht viel aussagekräftiges liefern.


    Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Gerade bei Zweitausendeins für 9,99 € erhältlich und deswegen soeben gekauft:



    Mein Fazit während des ersten Hörens:


    Sehr positiv sind das fantastische Orchester, der Chor und Peter Seiffert zu vermerken. Peter Seiffert ist für mich der Erik sämtlicher Aufnahmen.


    Nie werde ich begreifen, welchen Narren Barenboim an Jane Eaglen und Robert Holl gefressen hat, so daß er bereits mehrere Aufnahmen mit beiden verfaßte.
    Jane Eaglen kann weder in Höhe noch in der Tiefe ihrer Partie begeistern, sie singt weder "frei" noch nimmt man ihr das "unschuldige Mädchen" ab. Robert Holl verfügt weder über ein attraktives Baßtimbre, noch gibt er dem Daland ein besonderes Profil. Er klingt lediglich "hausbacken".


    Sehr gut sind allerdings imo die Nebenrollen der Mary und des Steuermanns besetzt, so daß man igs. für den sehr günstigen Preis nicht viel verkehrt machen kann.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo,


    ich kenne vom Holländer nur die Aufnahme von 1955 mit Hermann Uhde (der Lohengrin von 1953 hat mich zum Uhde-Fan gemacht; unbeschreiblich wie der Mann singen kann; eine so präzise Artikulation habe ich noch nicht wieder gehört).


    Allein, der Funke ist nicht übergesprungen...Ich höre lieber Tristan, Parsifal und den Ring. Komisch, mit Tannhäuser, Lohengrin und Holländer kann ich 'irgendwie' (klingt blöd, ist blöd...) nichts anfangen.


    Gruß,
    Oliver

  • Oliver schrieb:

    Zitat

    Komisch, mit Tannhäuser, Lohengrin und Holländer kann ich 'irgendwie' (klingt blöd, ist blöd...) nichts anfangen

    .




    Hallo Oliver,


    klingt nicht blöd und ist nicht blöd :D


    Ich, (Schwerpunkt Mozart) konnte relativ früh Zugang zum Holländer finden, ditto zu Tannhäuser und Meistersingern.


    Den Ring aber habe ich bis vor kurzem gemieden wie die Pest.
    Es dürften hier also gewisse Merkmale existieren, die Wagner erst ausmachen. :stumm: :D


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo zusammen,


    ich lernte den Holländer erst kürzlich mit der Aufnahme von Klemperer kennen, die ja schon lobend erwähnt wurde.



    Sicher ist das "Frühwagner, um mal den Vergleich zu Begriffen wie "Spätbeethoven" zu strapazieren, aber nichtsdestotrotz wundervolle Musik.
    Klemperers Aufnahme ist durchweg gut besetzt, Adam und Silja würde ich besonders hervorheben. Talvela als Daland entfaltet sich stimmlich hervorragend, die psychologische Interpretation der Rolle allerdings finde ich nicht besonders markant, dennoch eine sehr gute Leistung. Anstelle von Kozub wäre der ursprünglich geplante James King sicher auch hörenswert gewesen, aber wer weiß schon, ob der seine Sache wirklich besser gemacht hätte.
    Hauptakteur ist aber eindeutig Klemperer, der mich vom ersten Moment an in meinen Bann zieht.


    Wermutstropfen ist der Klang: Die Stimmen sind mir zu leise und zu wenig plastisch. Das hat EMI zu der Zeit schon oftmals besser gelöst.



    zu den anderen genannten Aufnahmen: In Böhm werde ich auf jeden fall mal reinhören. Franz Crass als Holländer kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen (trotzdem halte ich diesen für einen hervoragenden Sänger, nur passen Timbre und Gesangskunst, die ich grad im Ohr hab, irgendwie nicht zur Rolle). Werde deshalb auch in die Sawallisch- Aufnahme reinhören, gibt ja nix schöneres als sich zu irren. :D


    Gruß
    Anti

  • Zitat

    Technisch nicht ganz optimal, aber für den Preis akzeptabel.

    .
    Das muß damals die Untertreibung des Tages gewesen sein! :)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Antracis,


    Franz Crass war sicherlich nach dem zweiten Weltkrieg der rein stimmlich klangschönste Holländer und in diesem Sinne ein würdiger Nachfolger von solchen Interpreten wie Friedrich Schorr, Hans Hermann Nissen und Hans Hotter. Interpretatorisch interessanter und klanglich dem Bild des fahlen Ahasver am ehesten entsprechend ist sicherlich Hermann Uhde in diversen Bayreuther Mitschnitten. Theo Adams Stimme mag ich persönlich nicht, sie ist mir zu grau, körnig und raspelig, irgendwo im Niemandsland zwischen Bariton und hohem Baß. Er ist gewiß ein intelligenter Sänger, aber mit Wagners Heldenbaritonpartien einfach überfordert.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • N´Abend!


    Nee, tut mir leid.... Der Holländer war mein Wagner-Einstieg, ich hab ihn über fünf mal auf der Bühne gesehen, per Video und ich habe ihn mehrmals auf CD (Böhm, Klemperer, Reiner und Dorati), ich hatte ihn sehr gemocht (und mich mit dem schwarzen einamen Herrn identifiziert) ABER HEUTE KANN ICH IHN NICHT MEHR ERTRAGEN.
    Tut mir Leid, daß ich so laut geschrieben habe. Die Ouvertüre mag ich ja immer noch und auch die Auftrittsarie des Holländers (Die Frist ist um...) Und das Duett am Anfang zwischen dem Holländer und Daland find ich auch hübsch (entfernte Mozartassoziationen tauchen da sogar auf aber dann ist schluß - und wenn der schlappe Erik noch so schön sein Leid Klagt, nein, ich muß Euch sagen, diese ganze Näherinnen/Senta-Sache geht mir auf den Nerv. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn man mir eine Freikarte schenken würde. Mich jedenfalls in meinem heimischen Opernhaus oder in den mir wohlbekannten Häusern meiner Region mit dem Holländer zu langweilen möchte ich nicht mehr.


    Ich nenne mich hier ThomasBernhard. Also ein Zitat aus Thomas Bernhards Buch "Beton" (Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main, Seite 65):


    "Naturgemäß geht sie in die Oper und läßt keine Wagneroper aus, mit einer Ausnahme, in den Fliegenden Holländer geht sie nicht, weil, nach ihren eigenen Wörtern, der Fliegende Holländer keine wagneroper ist. Und sie meint tatsächlich, wie so viele, damit recht zu haben"


    Tut mir leid, falls ich agressiv oder so wirken sollte, ich möchte niemanden seinen Holländer verleiden.


    Gruß aus Frankfurt (und immer schön bernhard lesen: "Alte Meister", "Holzfällen", "Wittgensteins Neffe", "Der Untergeher" etc., etc.

  • Hallo ThomasBernhard,


    macht doch nix. Wir alle haben unsere Vorlieben und Abneigungen (mich kann man mit ca. 95 % aller Bellini- und Donizetti-Opern aus jedem Zuschauerraum fernhalten).


    Den Lesehinweis auf Thomas Bernhard kann ich nur unterstützen. Einer der größten komischen Schriftsteller deutscher Zunge. Bei "Wittgensteins Neffe" habe ich Tränen gelacht (vor allem bei der Beschreibung seiner Versuche, eine "NZZ" zu erwerben).


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Ich meine natürlich, dass dies eine erstaunlich gute Aufnahme ist, und den Preis mehr als wert!


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Was haltet ihr von der Aufnahme unter Fricsay?Metternich als Holländer ist einfach gewaltig,auch das restliche Ensemble kann sich hören lassen.
    (Windgassen als Erik,Kupper als Senta)

  • Hallo


    Ich hatte gerade im Radio Ausschnitte aus Bruno Weils Holländer gehört.
    Er spielt die Pariser Urfassung auf historischem und verkleinertem Instrumentarium. Hörte sich recht interessant an, wenn die Aufnahme in den 15 euro-Bereich kommt, würde ich sie vielleicht kaufen. Kennt diese Aufnahme noch jemand? Was haltet Ihr davon?


  • Ist doch absoluter Mist!Und von wegen historisch...Die ursprüngliche Fassung hatte viieeel mehr Blech zu bieten,Wagner hatte dann aber nach allerlei negativen Kritiken (nicht der Zuhörer,sondern wie es zumeist ist von den professionellen Zeilenschreibern) die Instrumentierung überarbeitet.Weils Aufnahme ist also keineswegs ursprünglich.Ich denke mal,er möchte einfach ein bißchen Aufmerksamkeit ernten (2 große Seiten im Fono Forum) und seinen Geldbeutel füllen.
    Und die SängerInnen sind ja auch unter aller Sau.
    Für 15 Euro bekommt man besseres ähm will sagen:WIRKLICH gutes!

  • Hallo,


    Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Ich hatte gerade im Radio Ausschnitte aus Bruno Weils Holländer gehört.
    Er spielt die Pariser Urfassung auf historischem und verkleinertem Instrumentarium.


    Die Aufnahme sollte auf dem Weg zu mir sein (der Paketbote hat mich gestern verpasst....). Ich habe bisher nur zwei kleine Ausschnitte auf einem Sampler gehört (Ouvertüre und etwas aus dem letzten Akt), und muss sagen, dass das gar nicht so übel klang. Vor allem der (von Wagner wohl so vorgesehene) Wechsel zwischen Natur- und Ventilhörnern ist sofort auffällig. Ich werde bei Gelegenheit berichten.....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Zitat

    Original von Waldwuffel
    Ist doch absoluter Mist!Und von wegen historisch...Die ursprüngliche Fassung hatte viieeel mehr Blech zu bieten,Wagner hatte dann aber nach allerlei negativen Kritiken (nicht der Zuhörer,sondern wie es zumeist ist von den professionellen Zeilenschreibern) die Instrumentierung überarbeitet.


    Um das klarzustellen: Die Fassung, die Wagner 1841/42 in Paris schrieb, ist so nie aufgeführt worden. Sie hat nicht mengenmäßig mehr Blechbläser als die heute übliche Fassung (die von Felix Weingartner editiert ist). Wagner änderte später viel am Satz der Blechbläser und nahm sie an einigen Stellen ganz heraus. Am deutlichsten ist das an der Stelle, wo Daland mit dem Holländer das Zimmer betritt, in dem Senta ist. Auf Sentas erstaunten Ausruf ist in der ursprünglichen Fassung und soweit ich weiss auch noch in der Fassung, die in Dresden uraufgeführt wurde, ein dicker Schlag des ganzen Blechs, der später nicht mehr da steht.


    Zitat

    Weils Aufnahme ist also keineswegs ursprünglich.


    Was heisst ursprünglich? Weil spielt in seiner Aufnahme das ein, wovon man weiss, dass Wagner es 1841/42 in Paris so komponiert hat. Diese Fassung (die in Schottland spielt, in der Daland noch Donald heisst und Erik Georg und in welcher die Ballade der Senta einen Ganzton höher steht als heute üblich - das sind nur die äusserlich direkt bemerkbaren Abweichungen) ist bisher noch nie eingespielt oder aufgeführt worden, dennoch ist sie wohl das, was Wagner "ursprünglich" komponierte.


    Zitat


    Und die SängerInnen sind ja auch unter aller Sau.


    Hast Du die Aufnahme einmal angehört? Ich bezweifle das.


    Nichts gegen markige Aussagen, aber "unter aller Sau" ist keiner der Sänger, die da mitwirken. Die Namen waren mir weitgehend nicht bekannt vor der Aufnahme, aber doch: Astrid Weber ist ebenso erstaunlich als Senta wie Jörg Dürrmüller als Georg. Franz-Josef Selig ist ein prägnanter Donald, einzig Terje Svensold als Holländer hadert bisweilen mit der deutschen Sprache etwas (aber es hält sich in Grenzen). Simone Schuster (Mary) und Kobie van Rensburg (Steuermann) sind luxeriöse Besetzungen für ihre kleinen Rollen. Freilich verfügen alle Sänger, anders als man es gewohnt ist, keine so hochdramatischen Stimmen, wie sie in Wagners Werken später notwendig werden, aber eben erst später in Wagners Werk. In der Sängerbesetzung wird sich, denke ich, wenn man sich darauf einlässt, keiner finden lassen, der "unter aller Sau" ist. Man muss freilich darauf verzichten, die Aufnahme mit irgendeiner bekannten zu vergleichen, denn da singen eben eher diese "hochdramatischen" Stimmen (was einiges für sich hat, aber nicht die einzig seeligmachende Facon ist, wie die Aufnahme Weils zeigt).


    Da auch das Orchester (wie von Wagner gefordert mit Ophikleide statt Tuba, zwei Natur- und zwei Ventilhörnern und sowohl Natur- als auch Ventiltrompeten) unter Weils Leitung sehr gute Arbeit leistet, wie mir nach einmaligem Durchhören erscheint, kann man die Aufnahme gerade auch dem ans Herz legen, der mit dem heute "üblichen" Wagner (Riesenorchester und hochdramatische Stimmen) eher seine Probleme hat. Für jene, die mit Wagners Holländer vertraut sind, bietet die Neuaufnahme gewiss bemerkenswerte Einsichten (wenn man sich denn darauf einlassen will).


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo,


    Ich kenne von der Aufnahme lediglich das, was auf der Sampler CD des Fono-Forum drauf ist, als die Ouvertüre und ein Stück Georg und Senta.


    Aber auch hier kann man sich schon ein Bild machen.


    Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Aufnahme zu hören:


    Zunächst (naheliegend) im Vergleich mit bisher gewohntem (Klemperer, Böhm etc) Da wird es sicher einige Einwände geben, die Wucht fehlt.


    Oder aber nachdem man das Interview mit Bruno Weil (der bei mir seit seinen vorzüglichen Haydn-Einspielungen einen hohen Stellenwert hat)
    gelesen hat) gelesen hat, die historischen Zusammenhänge besser kennt, bzw weiß was der Dirigent wollte.
    Dann schneidet die Aufnahme (ich beziehe mich jetzt vor allem auf das Dirigat gleich um Längen besser ab. Schon Karajan hat seinerzeit den "schlanken" Wagner angestrebt....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich kenne von der Aufnahme lediglich das, was auf der Sampler CD des Fono-Forum drauf ist, als die Ouvertüre und ein Stück Georg und Senta.


    Aber auch hier kann man sich schon ein Bild machen.


    Ein Bild sicher, ein abschliessendes Urteil wohl nicht (dafür wird bei diesen Ausschnitten definitiv zu wenig gesungen ;-) ). Aber das wolltest Du ja auch nicht, denke ich.


    Zitat


    Zunähst (naheliegend) im Vergleich mit bisher gewohntem (Klemperer, Böhm etc) Da wird es sicher einige Einwände geben, die Wucht fehlt.


    Das wird das Problem sein - hat man sich an das "neue" Klangbild einmal gewöhnt und sich darauf eingelassen, kann man der Interpretation Weils eine gewisse Wucht auch wieder nicht absprechen. Ich denke, was Weil durchaus beabsichtigt, ist die Rezeption Wagners heute zu hinterfragen: Ist er der "Wucht-Komponist", als den man ihn heute so oft hört, ist er das im "Holländer". Man wird bei dieser Aufnahme manchmal erstaunt sein, wieviel da fast wie Belcanto-Oper klingt (überspitzt gesagt). Man muss sich daran gewöhnen, und hört dann die "alten" Aufnahmen auch durchaus mit anderen Ohren. Das wäre, denke ich, etwa eine Absicht, die Weil gehabt haben könnte.


    Zitat


    Oder aber nachdem man das Interview mit Bruno Weil (der bei mir seit seinen vorzüglichen Haydn-Einspielungen einen hohen Stellenwert hat)
    gelesen hat) gelesen hat, die historischen Zusammenhänge besser kennt, bzw weiß was der Dirigent wollte.
    Dann schneidet die Aufnahme (ich beziehe mich jetzt vor allem auf das Dirigat gleich um Längen besser ab.


    Das "Ungewohnte" an der Aufnahme ruft bei einigen sicher zunächst einen Verstörungseffekt hervor: "Das soll Wagner sein?" Aber da kann man dann, denke ich, ansetzen und ein wenig über die Frage nachdenken. Im Beiheft ist übrigens ein ganz ähnliches Interview mit Weil (mir sind beide eigentlich zu kurz, ich hätte über manche Details schon gerne genauer Auskunft gehabt....).


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Weils Aufnahme wird ja heiß diskutiert,
    ich gehöre allerdings der Seite an die diese Einspielung befürwortet.
    Ich habe allerdings auch nur bisher Bruchstücke gehört, aber das hat gereicht!


    Im übrigen hat Wagner auch noch über Violinen mit Darmsaiten verfügt, dass also irgendein Orchester in Anspruch nehmen kann so klingt Wagner und nicht anders ist lächerlich - ich denke die meisten Orchester sind überbesetzt, was die Sänger zum schreien zwingt.


    Jedenfalls hatte ich mir für diese Jahr vorgenommen mit Wagner zu beginnen, diese Aufnahme wird mit Sicherheit die erste Vollständige sein, die ich mir zulege.
    Ich hoffe man macht weitere solcher Aufnahmen, denn man sollte wirklich zu den "klangvollen" Instrumenten zurückkehren und den modernen "Schrott" überdenken. :stumm:


    Lautstärke ist eben nicht alles.

  • Wenn die Lautstärke zu groß ist und die Orchester überbesetzt sind, dann liegt das nicht an den modernen Instrumenten, sondern an Dirigenten, die wenig Ahnung von Akustik und menschlichen Stimmvolumen haben.


    Wenn Wagner "moderne" Instrumente zur Verfügung gehabt hätte, so hätte er vermutlich "anders" komponiert. Diese Diskussion ist imo aber müßig zu führen.


    Ich habe Aufführungen, gerade des Fliegenden Holländers erlebt, in denen man in der Ouvertüre nur das Blech gehört hat und der Holländer keine Chance hatte, "über das Orchestertutti zu kommen". Dieser Holländer war kein "Schmalbrustsänger", sondern immerhin José van Dam.


    Im gleichen Haus erlebte ich Aufführungen, in denen das Blech in der Ouvertüre "zurückgenommen" und dem Holländer die Gelegenheit gegeben wurde, seine Stimme zu präsentieren.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Hallo,


    Zitat

    Original von der Lullist
    Im übrigen hat Wagner auch noch über Violinen mit Darmsaiten verfügt, dass also irgendein Orchester in Anspruch nehmen kann so klingt Wagner und nicht anders ist lächerlich


    Die Capella Coloniensis verwendet in der Aufnahme Darmsaiten IIRC. Und ich stimme Dir zu, *kein* Orchester, auch die Mannen Weils nicht, können einen solchen Anspruch erheben.


    Zitat


    Ich hoffe man macht weitere solcher Aufnahmen, denn man sollte wirklich zu den "klangvollen" Instrumenten zurückkehren und den modernen "Schrott" überdenken. :stumm:


    Ich glaube nicht an die Überlegenheit des einen oder anderen Instrumentariums. Wie Norbert zu Recht feststellt, hängt auch viel vom Dirigenten ab (und einen mit Weil vergleichbaren "schlankeren" Wagner hat etwa schon Boulez in den 70ern und 80ern dirigiert - freilich mit modernen Instrumenten).


    Was nicht heißen soll, dass die die Aufnahme nicht all jenen ans Herz lege, denen es bei Wagner manchmal auf den Senkel geht, dass Lautstärke für einige alles zu sein scheint....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Norbert
    Wenn die Lautstärke zu groß ist und die Orchester überbesetzt sind, dann liegt das nicht an den modernen Instrumenten, sondern an Dirigenten, die wenig Ahnung von Akustik und menschlichen Stimmvolumen haben.


    das mit der Überbesetzung bezweifle ich - wo sind Blechbläser mehr als einfach besetzt?
    das mit den DIrigenten, die keine Ahnung haben ;):stumm: hat schon was..


    war noch nicht in Bayreuth und weiß daher nicht, wie der Orchestergraben und die teilweise Überbauung aussieht und sich auf den Klang des Orchesters auswirkt..
    aber bei offenem Graben müßte alles extrem zurückgenommen werden - ergäbe dann nicht die gewünschte Wucht, aber man verstünde jedes Wort. (Konjunktiv, weil in der Realität nicht zu erwarten...)
    und wer hat ein Orchester schon so gut im Griff...? (habe vor kurzem Runnicles mit dem Rosenkavalier gehört - ja, der!)


    Ciao,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    Norbert


    das mit der Überbesetzung bezweifle ich - wo sind Blechbläser mehr als einfach besetzt?
    das mit den DIrigenten, die keine Ahnung haben ;):stumm: hat schon was..


    Ob Orchester in einzelnen Aufführungen überbesetzt sind, kann ich nicht beurteilen. Ich bezog mich lediglich auf die Aussage des Lullisten.


    Das Blech im Holländer sieht so aus: 2 Ventilhrn, 2 Naturhrn, 2 Trp, 3 Pos, Ophikleide (heute durch Baßtuba ersetzt), beim Ring sind es 3 Trompeten, Baßtrompete, 3 Posaunen, Kontrabaßposaune, 2 Tenortuben, 2 Baßtuben, Kontrabaßtuba und 8 Hörner.


    Das ist mithin schon eine ganze Menge, erst recht, wenn/da moderne Instrumente zum Teil eine größere Lautstärke von sich geben als zur Zeit Wagners.


    Zitat


    aber bei offenem Graben müßte alles extrem zurückgenommen werden - ergäbe dann nicht die gewünschte Wucht, aber man verstünde jedes Wort. (Konjunktiv, weil in der Realität nicht zu erwarten...)
    und wer hat ein Orchester schon so gut im Griff...? (habe vor kurzem Runnicles mit dem Rosenkavalier gehört - ja, der!)


    Ciao,
    Wolfgang


    Das ist der auch mir relevant erscheinende Punkt.


    Als in HH der Ring vor einigen Jahren neu inszeniert wurde (mit Gerd Albrecht als Dirigenten), mußte das Blech in kleinerer Besetzung als oben beschrieben erscheinen, weil das große Ring-Orchester nicht in den Orchestergraben paßte (auch die Streicher waren davon betroffen).
    Das Ergebnis war ein sehr schön durchhörbarer Wagner, der es den Sängern ermöglichte, nicht permanent gegen das Orchester ankämpfen zu müssen, sondern singen zu können.
    Weniger ist halt manchmal mehr...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert,


    nur um Missverständnisse zu vermeiden:


    Zitat

    Original von Norbert
    Das Blech im Holländer sieht so aus: 2 Ventilhrn, 2 Naturhrn, 2 Trp, 3 Pos, Ophikleide (heute durch Baßtuba ersetzt)


    Die beiden Naturhörner stehen in der Regel auch nur in der Partitur (freilich auch in der IIRC von Weingartner editierten letztgültigen), ausgeführt werden die Hörnerparts heute eigentlich immer auf vier Ventilhörnern. Was dem ganzen wieder den speziellen Reiz nimmt (wer Brittens Serenade für Tenor, Horn und Streicher kennt, kann direkt nachvollziehen, was ich meine, da sind auch Naturhorn *und* Ventilhorn besetzt). In der "Pariser" Fassung, die Weill einspielt, müssen wohl die Trompeter noch zwischenzeitlich zur Naturtrompete (heisst die so?) greifen....


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Norbert


    Als in HH der Ring vor einigen Jahren neu inszeniert wurde (mit Gerd Albrecht als Dirigenten), mußte das Blech in kleinerer Besetzung als oben beschrieben erscheinen,


    kenne mich dann leider nicht aus - wenn man beim Blech reduziert, verliert man doch Stimmen aus der Partitur


    wobei 8 Hörner kann schon doppelt besetztes Quartett heißen


    kann ein Partiturkundiger sich äußern...?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

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