Dresden Barock u.a. Virtuosi Saxoniae

  • Hallo Forum.


    z.Zt. beschleicht mich ein Schwäche für die Dresdner Barockzeit, folgende CDs höre ich mir immer wieder
    an:


    Ludwig Güttler - Dresden Barock


    Werke von: Heinichen, Pisendel, Telemann, Fasch, Zelenka, Graun, Quantz, Vivaldi
    Virtuosi Saxoniae,
    Ludwig Güttler (Solist & Dirigent)






    Gottfried August Homilius (1714-1785)
    Weihnachten in der Dresdner Frauenkirche (Kantaten)
    Ergreifet die Psalter, ihr christlichen Chöre
    (Kantate zum 1.Advent);
    Auf, auf, ihr Herzen, seid bereit
    (Kantate zum 4.Advent);
    Ein hoher Tag kömmt
    (Kantate zum 1.Weihnachtstag);
    Wünschet Jerusalem Glück
    (Kantate zum Neujahrstag)


    Katja Fischer,Sopran; Alexander Schneider,Alto; Martin Petzold,Tenor;
    Jochen Kupfer,Bass;
    Körnerscher Sing-Verein Dresden,
    Dresdner Instrumental-Concert,
    Leitung: Peter Kopp



    Diese Stadt Dresden scheint absolut Barockgeschichte geschrieben zu haben welch hervorragende Komponisten Instrumentalisten beherbergte sie in ihren Mauern.
    Keine andere Stadt ist so glänzend vom Barock geprägt worden. Kein Wunder, wo ein prunkvolles
    Hofleben seine ausgibigsten Formen ausleben durfte.
    Viele Künstler, Komponisten, Wissenschaftler etc. gaben sich hier ein Stelldichein und prägten die Stadt durch ihr Wirken dort.


    Mir scheint, nach der Wiedervereinigung werden so langsam die Barockschätze wieder der Öffentlichkeit
    zugänglich gemacht und durch hervorragende heimische Interpreten, ob durch Chöre, Orchester, Solisten und Dirigenten diesem Zustand wieder Rechnung getragen.
    Mich erfreut es ungemein, dass nun endlich Dresden wieder den Stellwert einnehmen wird wie zu
    seiner barocken Glanzzeit, zumal die Frauenkirche nun wieder eröffnet worden ist.


    Diese obigen 2 CDs spiegeln genau das wieder, was man von der herrlichen Barockmusik her kennt,
    überragende Interpretation mit sehr guten Instrumentalisten und Chören und ihren Leitern.
    Ein glückliches Dresden, solche Könner sein Eigen nennen zu können, welche Stadt bietet heutzutage
    noch solche großartigen Spitzenkräfte, ich greife einmal heraus: der Trompeter Ludwig Güttler,
    das Virtuosi Saxoniae, Körnischer Singverein und und....


    Wie sieht das Forum diese Aussage, für mich hat z.Zt. Dresden gegenüber den Leipzigern den 1. Rang
    eingenommen.



    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat

    Original von reklov29


    Ein glückliches Dresden, solche Könner sein Eigen nennen zu können



    Hallo,


    na ja, seien wir zunächst einmal froh, daß das System der Leibeigenen abgeschafft worden ist.


    Im Übrigen ist Güttler und Kopp sicher zu danken, daß sie dafür Sorge tragen, daß schmerzhafte Repertoirelücken endlich geschlossen werden, wenngleich Ludwig Güttler in solistischer Aktion mit seiner Barocktrompete mich bislang wenig erfreut hat. Seine Aufführungen mit dem Ensemble Virtuosi Saxoniae, in denen er sich auch als Dirigent betätigt hat, sind dagegen durchaus anhörbar. Ich denke da in erster Linie an seine Johannes-Passion von Bach.


    Nichtsdestotrotz danke ich für Deinen Hinweis. Demnächst fahre ich übrigens nach Dresden und schaue mir die wiederrichtete Frauenkirche an.


    Beste Grüße :hello:

  • Hallo Reklov,


    ich bevorzuge ja eher Ensembles wie z.B. Musica Antiqa Köln / Goebel, die sich ebenfalls sehr um die Dresdner Musik verdient gemacht haben.


    Güttler mit seiner "Bachtrompete" ist nichts für mich, da sein Instrument und seine Interpretation recht wenig mit der gängigen Aufführungspraxis zu tun hat... das erinnert mich zu stark an die 70er mit Maurice André... ;)


    allerdings gibt es solch einen Thread schon :hello:


    Am Hofe August des Starken

  • Ich kann mich der Abneigung gegen Herrn Güttler nur anschließen. Diese Bachtrompete ist einfach nur lächerlich. Genauso gut könnte er auch auf einer Plastiktröte für Kinder spielen. Darauf spielt er dann viel zu viele und auch noch falsche Triller und Verzierungen. Davon bekomme ich Gehörgangkrebs... :kotz:


    Nicht viel besser kommen bei mir auch die Aufnahmen mit den Virtuosi Saxoniae oder dem nach seinem Namen benannten Blechbläserensemble aus Mitte der 80er weg. Es sind zwar tolle Stücke darunter, die es kaum in anderen Einspielungen gibt, aber schön klingt das nicht.


    Ich kann mich nur der Thread-Empfehlung des Lullisten anschließen und versprechen, weiter zum Wachstum dieses Threads beitzutragen.



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo,
    Zitat von Lullist:
    Güttler mit seiner "Bachtrompete" ist nichts für mich, da sein Instrument und seine Interpretation recht wenig mit der gängigen Aufführungspraxis zu tun hat... das erinnert mich zu stark an die 70er mit Maurice André
    -----------------------------------------------------------
    Bravo, aber so war das halt in den Karl Richter-Jahren, wo Maurice Andre auch unter Karl Richter das
    Weihnachtsoratorium eingespielt hatte.
    Heute haben wir andere Hörgewohnheiten durch "Historische Instrumente" (Trompeten) die mir vom
    Ton viel wärmer klingen als unsere modernen Instrumente.


    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • Naja auch ich bin noch mit André und Richter "aufgewachsen" finde das auch bis Heute eigentlich nicht schlecht - eben nur veraltet. Und wenn mir danach ist, dann höre ich mir das auch noch an, immerhin habe ich eine ganze Reihe von diesen Aufnahmen.


    Bei Güttler weiß ich nie so recht was er eigentlich will - er spielt zwar wirklich interessante Werke ein - aber warum nur um Gotteswillen in der Manier der 70er ?


    Gerade die "Bachtrompete" ist ein so "brutales" Instrument - mit diesem kalten schneidenden Ton. Zwar finde ich den Vergleich von Salisburgensis gewagt - widersprechen werde ich aber nicht :D
    Seitdem ich die Naturtrompeten gehört habe bin ich auch davon begeistert - das ist einfach etwas edleres, natürlicheres.

  • Hallo Thomas,
    Zitat:
    Genauso gut könnte er auch auf einer Plastiktröte für Kinder spielen.
    --------------------------------------------------


    Diese Aussage hast Du sicherlich nicht so ernst gemeint, wenn doch, muss ich Dir in diesem Punkt absolut
    widersprechen, nur einmal ebenso auf einer Trompete herumtröten entspricht absolut nicht dem
    Wahrheitsgehalt.
    Setze einmal eine Trompete an die Lippen und versuch das zu "Meistern", was ein Andre oder Güttler an
    Virtuosität bewerkstelligen können, dann wird diese Aussagen keinen Bestand mehr haben.


    Das die Zeiten der modernen Bachtrompete vorbei sind ist ein anderes Thema, dass ich hier nicht vertiefen
    möchte, darüber gibt es im Forum doch bereits einen bestehenden Thread?


    Ebenso teile ich nicht die Kritik über "Virtuosi Saxoniae", die von mir vorgestellte CD spricht mich an und
    finde sie gelungen, zumal die Hörqualität als absolut top einzustufen ist.



    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo reklov,


    du vermischst meine Aussage zum in meinen Ohren unsäglichen Klang dieser Bachtrompete mit dem Absprechen der Virtuosität der beiden Künstler. Letzteres habe ich nirgendwo geschrieben und werde mich auch hüten, das zu tun. Ich erkenne sehr wohl an, was die beiden auf ihrem Instrument können. Mir geht es einzig und allein um den Klang des Instrumentes. Und darum, dass Herr Güttler maßlos übertreibt mit den Verzierung, die er spielt. Zum Großteil sind die auf einem Orginalinstrument gar nicht spielbar. Daher sehe ich das als grundlegend falsch an, was er macht. Leider steht dieser Unsinn auch in seinen Noten-Ausgaben von Trompetenliteratur. Ähnlich verhält es sich mit dem von Herrn Güttler geleiteten Orchester.



    Grüßle,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Das sehe ich ähnlich, was Herr Güttler macht ist eine Art "Pseudo Barock" - eben wie sich die Masse Barockmusik vorstellt ( von der Interpretation )
    Die Bachtrompete wird teilweise eingesetzt wie eine Flöte oder Oboe - und gerade wenn man Vergleiche zu anderen Ensembles hat, die sich mit der Aufführungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts auseinandersetzen - wird soetwas schnell lächerlich.


    Neben einigen vereinzelten Stücken seiner Einspielungen habe ich mir mal vor gut 8 Jahren diese Aufnahme zugelegt:




    Güttler / Leipziger Bach Collegium
    Hertel / Mancini / Prentzel / Torelli / Finger / J.C. Bach / Telemann


    ich fand das Repertoire sehr interessant - doch die Interpretation war genaus das was Thomas beschrieben hatte - ich habe daraufhin einen weiten Bogen um Güttler gemacht - egal was er auch einspielen mag.


    Die Aufnahme soll von 1995 sein - als ich sie einlegt konnte ich das nicht glauben. Das ist der Interpretationsstandart von 1960.
    Absolut indiskutabel - damit tut man den Werken keinen Gefallen, sie werden niedlich durch die vielen Triller und durch die "erwartete" "barocke" Besetzung: Bachtrompete - Oboe - Flöte - Violine - 2 Celli und Cembalo
    hört sich das ganze an wie die Kopien des 2. Brandenburgisches Konzertes ....
    mal ganz abgesehen von den unangebrachtem ständigen Vibrato der anderen Beteiligten.
    Das erfüllt genau das Vorurteil von der unausgegorenen Musik - dieser "Vormusik" und das alles außer Bach Mist gewesen ist.
    Würde Barockmusik Heute so gespielt werden - dann würde ich sie garantiert nicht hören.


    ...mitlerweile erinnert mich das alles an P.D.Q. Bach :D oder Rondo Veneziano ;)

  • Hallo Matthias & Thomas,


    das Herr Güttler seine Eigenart besitzt streite ich nicht ab, im Eröffnungsgottesdienst, Weihe der
    Frauenkirche, war wiederum seine persönliche "Zurschaustellung" nicht gerade zum Geniessen.


    Aber ich betone hier nochmals, dass meine vorgestelle CD mir mit kleinen Abstrichen gefällt.
    Besitze nur die eine CD von Güttler und dem Ensemble Virtuosi Saxoniae und kann keine Aussage
    zu seinen weiteren Einspielungen vornehmen.


    Thomas seine Aussage:
    Mir geht es einzig und allein um den Klang des Instrumentes. Und darum, dass Herr Güttler maßlos übertreibt mit den Verziehrung,
    --------------------------------------------
    Damit kann ich leben und will auch nichts beschönigen, das ist leider seine angesprochene "Eigenart"
    die er wohl auch nicht mehr ablegen kann und möchte.



    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • Güttlers Interpretationen scheinen halt noch an der alten "Leipziger Tradition" geschult, die den Verfechtern einer historisch-informierten Praxis naturgemäß ein Dorn im Auge sein müssen.
    Gefährlich wird's halt dann, wenn man diesen Stil dogmatisch zum allein seligmachenden erhebt; ein ehemaliger "Richterianer" aus dem Münchener Bach-Orchester hat's mir gegenüber 'mal auf den Punkt gebracht:


    "Tradition heißt Weitergabe des Feuers, nicht Anbetung der Asche."


    Zum Nachdenken bestens geeignet...


    Gruß,


    Gerd

  • Hallo Gerd,


    Zitat

    "Tradition heißt Weitergabe des Feuers, nicht Anbetung der Asche."


    Eben! Was machen denn Güttler, Richter, Rilling und Consorten anderes als Asche anzubeten? Sie propagieren einem Musizierstil, der der Vergangenheit angehört, der dem Ideal des ausgehenden 19. Jahrhunderts nachhängt. Traditionen zu bewahren und weiterzugeben heißt nicht, sich jeglicher Entwicklung zu verweigern und in Althergebrachtem zu erstarren.



    @reklov
    Deine Freude an der Güttler-Aufnahme will dir doch keiner nehmen! Der Lullist und ich haben lediglich unsere Meinung dazu geschrieben.



    Thomas

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  • Zitat

    Original von salisburgensis


    Der Spruch ist AFAIK von Mahler...


    Zitat


    Eben! Was machen denn Güttler, Richter, Rilling und Consorten anderes als Asche anzubeten? Sie propagieren einem Musizierstil, der der Vergangenheit angehört, der dem Ideal des ausgehenden 19. Jahrhunderts nachhängt. Traditionen zu bewahren und weiterzugeben


    Das halte ich nun für ein Gerücht. Hast Du jemals eine Bach-Aufnahme aus den 20er bis 40er Jahren gehört?
    Güttler &Co zeigen eher, wie schnell sich heute ändert, was als angemessenener oder "originale" Interpretation angesehen wird.
    Richter war vor 40 jahren ganz klar "modern" und "historisch korrekt" gegenüber sagen wir Karajan oder Jochum (nicht zu reden von Mengelberg nochmal 20 Jahre vorher, bitte auch nicht an einzelnen Name festbeißen, die nenne ich nur beispielhaft). Heute mag uns das veraltet erscheinen, aber es ist ein 30 Jahre alter Stil, nicht 100 Jahre.
    Rilling hat sich übrigens in seinen neueren Einspielungen teils sehr stark historischen Manieren angenähert, von den modernen Isntrumenten mal abgesehen. ich finde die c.a 1995 aufgenommene Matthäuspassion sehr eindrucksvoll.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich möchte hier nur zu Richter Stellung nehmen:


    Johannes hat es eigentlich schon vorweggenommen, aber ich möchte es noch betonen - und in gewisser Hinsicht weiter gehen, bzw. noch mehr auf den Punkt bringen:


    Karl Richter war zu Lebzeiten oft angefeindet - wegen seiner Modernität Er brach mit überkommenen Vorstellungen und spielte Bach freier, unverkrampfter und rhytmischer als das vor ihm der Fall war.


    Er versuchte Bach näher zu bringen, ihn "lebendiger" und "zeitgemäßer"
    zu interpretieren.
    Das ist ihm auch weitgehend gelungen. Somit siehe ich ihn als einen Vertreter einer zwar heute nicht mehr üblichen, aber dennoch erinnernswerten Interpretationspraxis.


    Ich kann doch nicht hunderte Jahre Bach-Interpretationspraxis einfach vom Tisch wischen - bloß weil der heutige Denkansatz anders ist.


    Ich erinnere mich noch sehr gut (auch wenn ich noch seeeehr jung war) welche Ideologien in den sechziger Jahren in Bezug auf Interpretation vorherrschten: Man wußte über viele Details historischer Aufführungspraxis Bescheid, vertrat aber den Standpunkt es wäre nicht zeitgemäß so zu spielen. Selbstbewußt propagierte man den "modernen" Bach - und hatte Erfolg damit.


    JEDE Adaptierung an eine gewisse Zeit birgt es in sich, daß nach einigen Jahren bzw Jahrzehnten, die "adaptierte" Fassung verstaubter klingt , als das Original. Dennoch - ein Stück Interpretationsgeschichte.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Blattschuß, Alfred !


    " Jeder hat das Recht, seinen Weg in der Partitur zu gehen "
    (Karl Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd ()

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  • Zitat

    Original von Gerd


    ein ehemaliger "Richterianer" aus dem Münchener Bach-Orchester hat's mir gegenüber 'mal auf den Punkt gebracht:


    "Tradition heißt Weitergabe des Feuers, nicht Anbetung der Asche."


    Das Zitat stammt von Jean Jaurès. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß im Staatstheater Hannover dieser Spruch als großes Wandgemälde im Foyer mit dem Signum von Gustav Mahler hängt. Mahlers` Zitat lautet ähnlich (jetzt nur sinngemäß) `was ihr Tradition nennt ist Schlamperei`, es ist nach meinem Kenntnisstand allerdings nur von Alma (?) überliefert.


    Grüße
    Sophia

  • Mein lieber Gerd,


    kann das sein, dass du selbst ein ganz klein wenig dogmatisch bist? Das läßt jedenfalls deine Schadenfreude ob des vermeintlichen Blattschusses vermuten. Aber ich lebe noch, und für einen Blattschuß fühle ich mich eigentlich ziemlich gut. 8)


    Den Satz von Herrn Richter, den du zitierst, würde ich sofort unterschreiben. Ich sehe das genau so, nur bin ich eben vollkommen anderer Auffassung als die schon mehrfach genannten Herren, wenn es um die die Interpretation alter Musik geht. In diesem Sinne sehe ich in den Aufnahmen von Richter lediglich ein, wie Alfred schrieb, Stück Interpretationsgeschichte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    Auf die heutige Sicht der Alten Musik trifft genau das, was Richter schon gemacht hat, wieder zu. Ich kann hier wieder Alfred zitieren: ...brach mit überkommenen Vorstellungen und spielte Bach freier, unverkrampfter und rhytmischer als das vor ihm der Fall war. Richter hat einen Schritt getan, Gardiner oder Harnoncourt den nächsten. Und heute sind es z.T. wieder andere Namen, die den Weg weitergehen. Ich finde es viel spannender, diesen Weg weiter zu verfolgen, als bei überholten Interpretationen zu verharren.


    Wer weiß, wie der nächste Schritt aussieht, wegen welchen Dingen die nächste Generation angefeindet wird. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf. Du auch?




    Thomas



    ...womit wir endgültig off-topic geworden sind. :rolleyes:

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    In diesem Sinne sehe ich in den Aufnahmen von Richter lediglich ein, wie Alfred schrieb, Stück Interpretationsgeschichte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich finde es viel spannender, diesen Weg weiter zu verfolgen, als bei überholten Interpretationen zu verharren.


    Deine Ansicht setzt voraus, daß es in der Musik einen Fortschritt gibt, also eine lineare Entwicklung, wobei die zeitlich jüngere Interpretation, so jedenfalls verstehe ich Deinen Beitrag, nicht nur moderner, sondern auch "besser" als die jeweils vorhergehende Interpretation ist.


    Dieser technisch-naturwissenschaftliche Fortschrittsbegriff gilt aber IMHO in der Kunst nicht. Mengelbergs, Richters oder Harnoncourts Interpretation sind nicht besser oder schlechter, sondern nur anders. Was sich wandelt und dann die eine oder andere Interpratation besser erscheinen läßt als die andere, ist im Kern der musikalische Geschmack (unbestreitbar gibt es auch neue musikgeschichtliche, instrumentenbauliche oder aufführungspraktische Erkenntnisse), die Rezeption.


    Ohne jetzt Güttler verteidigen zu wollen (ich habe schon sehr lange nichts mehr von ihm gehört) ist seine Interpretation gewiß nicht überholt im obigen Sinne, sondern eher langweilig im Vergleich etwa zu Harnoncourt, Gardiner und anderen. Sie ist aber auch "verstaubter" als zB die Interpratationen von Hermann Diener in den 30ern oder Mengelberg.


    Ich finde es auch spannend, die Entwicklung der Interpretationsansätze zu vefolgen, möchte dabei aber auf keinen Fall die älteren Ansätze über den neueren vergessen.

  • Ciao Thomas !


    Zunächst bitte ich den "Blattschuß" freilich nur als terminus technicus im übertragenen Sinne zu verstehen !


    Zum anderen: Natürlich bin ich Partei, da ich Karl Richter für einen der bedeutendsten nachschaffenden Musiker des 20.Jahrhunderts halte, doch interessiere ich mich gleichwohl sehr für die historisch-informierte Aufführungspraxis; wogegen ich mich nur - ganz in Alfreds und Roberts Sinn - wende, ist der Ausschließlichkeitsanspruch der "Puritaner".
    Eine Interpretation als "besser" oder "schlechter" zu qualifizieren, ist meiner Meinung nach nur angängig, sofern sich diese Kritik auf den handwerklich-technischen Aspekt bezieht - jedoch nicht auf den stilistischen Ansatz !


    Gewiß ist etwa ein concerto grosso Händels von der Hand Furtwänglers nach heutigem Maßstab nicht mehr "modern" oder "korrekt" musiziert, doch mindert das seinen künstlerischen Wert ?
    Oder wirkt die "Matthäus-Passion" Mengelsbergs weniger beklemmend, nur weil sie tatsächlich noch der Romantik verhaftet ist ?


    Beste Grüße,


    Gerd

  • Hallo allerseits,


    auch wenn ich mir bewußt bin,eine völlig unqualifizierte und vielleicht auch ignorante Bemerkung zu machen,muß es einfach sein:


    Mich interessiert die Frage nach Authentizität einer Aufführungspraxis beim Hören oft nicht!


    Ich höre nur ab und an ein Werk zur musikalischen Fortbildung an , fast täglich jedoch zu meinem persönlichen GENUSS! Und da lasse ich ganz unbekümmert mein persönliches Klangempfinden als Maßstab für ( jetzt gerade) schön oder weniger schön gelten!


    Und dabei gebe ich unumwunden zu, daß mir ab und an eine Aufnahme mit Güttlers unhistorischer,etwas kalter strahlender Brillianz ein vergnügliches Stündchen bereitet hat!


    Meine CD Sammlung ist meine Schatzkammer höchst individueller Freude, konservatorische Ansprüche habe ich nicht!


    Es grüßt ein fröhlich hedonistischer Stefan :hello:


    P.S. Wer könnte schon OBJEKTIV sagen, daß ein knackiger, moderner Hybrid Darjeeling second flush Tea von Castleton besser sei als ein old style China Seed der gleichen Plantage?


    Es kommt ganz auf die individuelle Seele hinter der Tasse an... :] :baeh01:

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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  • Robert Stuhr schrieb:

    Zitat

    Deine Ansicht setzt voraus, daß es in der Musik einen Fortschritt gibt, also eine lineare Entwicklung, wobei die zeitlich jüngere Interpretation, so jedenfalls verstehe ich Deinen Beitrag, nicht nur moderner, sondern auch "besser" als die jeweils vorhergehende Interpretation ist.



    Wenn es diese lineare Entwicklung gäbe, dann würde sie irgendwelchen Regelmäßigkeiten gehorchen und wäre, zumindest im gewissen Rahmen, vorhersagbar. Das kann ich aber nicht erkennen. Ich bin vielmehr der Meinung, dass es in Hopsern weitergeht. Irgendeiner macht eine Entdeckung und hat die Energie, sich dafür einzusetzen und es zu verbreiten. Im Windschatten dieses Pioniers ziehen dann viele nach, machen es ähnlich, wandeln die ursprüngliche Idee vielleicht ein wenig ab. Irgendwann hat sich die Idee dann etabliert (oder führte in die Sackgasse). Der Fortschritt in Wissenschaft und Technik funktioniert auch meistens nach diesem Prinzip, aber keineswegs linear.


    Ich sehe die bisherige Entwicklung in der Rezeption Alter Musik persönlich schon als Fortschritt (was aber nicht heißt, dass automatisch die jüngste Interpretation auch die beste sei). In diesem Sinne halte ich Bach-Aufnahmen von Gardiner, Jacobs oder Herreweghe tatsächlich für besser als die von Richter oder Rilling oder Karajan. Aber das ist mein persönlicher Geschmack, meine persönliche Sicht. Ich werde mich hüten, das als Allgemeinweisheit irgendjemand aufzwingen zu wollen.



    Gerd
    Wir sind also beide Puritaner, nur mit unterschiedlichen Basislagern, von denen wir Ausflüge in die Umgebung unternehmen. Das ist doch schon die zweite Gemeinsamkeit neben der Liebe zur klassischen Musik im allgemeinen. Mal sehen, was wir noch so finden. ;)


    Ich hoffe, es ist klar geworden, dass ich zwar zu diesen Typen gehöre, die ausschließlich mit HIP-Aufnahmen richtig glücklich werden, aber weit davon entfernt bin, einen Allgemeingültigkeitsanspruch daraus zu machen.



    :hello:
    Thomas

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    - H. Heine -

  • Hallo,


    nach langer Abwesenheit im Forum (aus Zeitmangel) und einen eben gerade überstandenen Absturz meines Systems wieder dabei.:angel:


    Wie @Alfred schon treffend formulierte, war ein Karl Richter in seiner Bach-Interpretation das absolute
    "Non plus Ultra" seiner Zeit. Ausgehend der 60er bis 70er Jahre.
    Seine Massenansammlungen, ob Chor oder Orchester erscheint heutzutage fast undenkbar, es wäre ein
    Rückschritt in der barocken Musikwiedergabeform.


    Ich bin geprägt worden mit Karl Richters Aufnahmepraxis, es war halt meine Jugendzeit und war nicht
    mehr sooooo jung, wie Alfred es von sich so formulierte. Er war ein Übervater der modernen Fassung
    und Wiedergabe Bachscher Werke und bin damit aufgewachsen.


    Wie schwer tat ich mich mit den ersten Harnoncourt und Gardiner Veröffentlichungen, dieses dünn besetzte Orchester und seinem Chor widersprach absolut der gängigen Praxis eines Karl Richters.


    Erst nach mehrmaligen Hineinhören und mich befassen mit historischen Aufführungsformen erweiterte
    meinen Horizont und ergab für mich eine ganz neue Hörform, die ich absolut als eine Wiedergeburt
    in der Interpretation ansehe.


    Ich möchte abschließend nur anmerken, wie spannend die weitere Entwicklung in der Interpretation
    "Alter Musik" sein kann und hoffe dass kein Stillstand eintritt, denn "Stillstand bedeutet Rückschritt".


    Nachsatz zu Thomas,
    Zitat:
    @reklov
    Deine Freude an der Güttler-Aufnahme will dir doch keiner nehmen! Der Lullist und ich haben lediglich unsere Meinung dazu geschrieben.
    -----------------------------------------------


    Eure bzw Deine Aussage habe ich auch so verstanden und finde das auch so in Ordnung, zumal auch
    ich nicht unbedingt ein Freund "Güttlers" bin, auch wenn ich aktives Mitglied des Frauenkirchen-Förder-
    vereins bin und Güttler den Vorsitz bekleidet.



    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.