Grandiose Troika? Das Tonhalleorchester, David Zinman und Arte Nova

  • 1997 fing alles an: Der neue Chefdirigent des Tonhalle Orchesters (Zürich), David Zinman, begann für das vermeintliche "Billiglabel" Arte Nova mit Beethovens Fünfter und Sechster einen neuen Beethovenzyklus zu schnüren. Man rühmte sich, die erste Gesamtaufnahme der neuen Bärenreiterausgabe Norman Del Mars auf "modernen Instrumenten" einzuspielen (denn mit historischen Instrumenten kam Gardiner Zinman ja schon zuvor..).
    Viele Kritiker sprachen zwar gerne davon, daß sie erst skeptisch gewesen seien, sich dann aber sofort von der neuen Aufnahme haben begeistern lassen.
    Atilla Csampai rief die Aufnahme der Siebten und Achten zur CD des Monats März 1998 aus. Auch international und in Nicht-Musikblättern wie dem "Spiegel" erntete der Zyklus viel begeistertes Lob.
    Später kam dann noch die Missa solemnis hinzu, die durchwachsene Kritiken einbrachte und eine Doppel-CD mit Beethovens Ouvertüren.


    Dann kam schon das nächste Großprojekt: 2000 wurde der Strauss-Orchesterwerkezyklus mit "Aus Italien" und "Macbeth" gestartet. Jetzt sollte sich das volle Orchester präsentieren dürfen. Die Kritiken waren wieder überwiegend gut (bis auf die "vier letzten Lieder" etwa).
    (der Strauss-Zyklus beinhaltet insgesamt 6 CDs mit: Aus Italien, Macbeth, Heldenleben, Tod und Verklärung, Don Juan, Till Eulenspiegel, Zarathustra, Alpensinfonie, Festliches Präludium, Metamorphosen, Vier letzte Lieder, Oboenkonzert, Sinfonia Domestica, Parergon)


    Irgendwann gabs dann noch die Aufnahme der Violinkonzerte Mozarts, aber diese Aufnahme ist an mir vollkommen vorrübergegangen...


    Dann wurden mal schnell die vier Schumann-Sinfonien aufgenommen und mittlerweile geht es wieder zurück zu Beethoven mit den Klavierkonzerten und dem Tripelkonzert. Die CD mit den Klavierkonzerten drei und vier wurden soeben aufgenommen in die Auswahl der 10 besten CDs des Monats bei Gramophone.
    Auf der Tripelkonzert-CD treffen die international bekannten Künstler Yefim Bronfman, Gil Shaham und Truls Mörk (? Mork) zusammen.



    Nun, was haltet Ihr von den Arte Nova-Aufnahmen?


    Der Klang des Beethovenzyklus kam mir anfangs etwas ungewöhnlich vor (ich versuche das später näher zu beschreiben und hoffe auf eine angeregte Diskussion)









  • Hallo Thomas Bernhard,


    ich habe mir dieses Jahr zum Interpretationsvergleich die Beethoven-Ouvertüren mit Zinman gekauft (siehe auch den Thread: Beethoven-Overtüren).
    Die Interpretation ist sehr gewöhnungsbedürftig, da Zinmann eine neue Tonsprache einführt, die ganz neue Akzente setzt. Die Tempi sind sehr forsch, was mich nicht schocken kann. Das Ganze macht die Aufnahme zwar unverwechselbar für Zinman, kann mich aber nicht 100% begeistern.
    Die Klangqualität ist sehr gut, räumlich und durchsichtig.


    Da ziehe ich die Beethoven - Ouvertüren doch mit Karajan, Szell, Solti und Bernstein vor.


    ----------------------------------------------------
    :) Eine sehr positive Erfahrung mit Zinman habe ich mit der Barber Sinfonie Nr.1 u.a. gemacht. Das ist eine TOP-Aufnahme, aber nicht mit dem Züricher Orchester, sondern aus den USA:

    Symphonie Nr. 1 op. 9
    +Adagio for Strings; Essays Nr. 1 & 2; Music
    for a Scene from Shelley op. 7;
    The School for Scandal - Ouvertüre

    Baltimore SO, Zinman
    Aufnahme 1991 DDD ARGO


    Vielleicht passt Zinman´s Interpretationsansatz allgemein besser zu Komponisten des 20.Jahrhunderts, denn auch seine R.Strauss-Aufnahmen konnen sich sehen lassen !?!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,


    oh ja, die Richard-Strauß-Aufnahmen können sich durchaus sehen bzw. hören lassen. Die Markenzeichen relativ zügiger Tempi und großer Transparaenz im Orchesterklang kommen diesen Werken meines Erachtens sehr zu Gute, wobei Zinman sich hier durchaus die Zeit lässt, orchestrale Höhepunkte zu zelebrieren. (für mich bei seinem Beethoven die große Schwäche, die fehlende Ruhe in den langsamen Sätzen, unabhängig vom Tempo)


    Lobenswert auch, dass Zinman die eher unbekannten Stücke ebenso mit einspielt wie die großen Schlachtrösser. So bin ich erst nach dem Kauf der 7 Cd-Box auf das Oboenkonzert gestoßen, welches ich für ein fantastisches Werk halte...


    Was ist eigentlich dran an dem Gerücht von einem geplanten Mahler-Zyklus?


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Zinmans Beethoven finde ich ziemlich gut - Wenn man sich beispielsweise das vitale Pulsieren im ersten Satz der "Pastorale" anhört... Obendrein musiziert das Tonhalle-Orchester mit äußerster Tiefenschärfe - wie ein ungetrübter Blick in einen Gebirgsbach, da bleibt kein Detail unterbelichtet.
    Den Schumann finde ich aber zu dürr, zu anämisch - da passt diese komische Marotte, ein "konventionelles" Orchester auf "Origanialklangexperten" machen zu lassen, wirklich nicht hin. Da dürfte es ruhig "fleischlicher" zugehen. Die Präzision ist auch hier wieder erste Sahne - aber reicht das?
    Die Mozart-Violinkonzerte mit Pamela Frank sind in Ordnung, zum Glück nicht "Mu(e)tter(lich) aufgedonnert, aber meinenweit entfernt von den Klassikern wie Grumiaux oder Schneiderhan


    Grüße
    Daniel

  • Hallo,


    in ein paar Tagen erscheint die nächste Beethoven-Aufnahme. Dieses Mal mit dem Violinkonzert und den Romanzen (welch spannende Kopplung! :stumm: ) und Christian Tetzlaff:




    Gruß, Peter.

  • Spannend oder nicht wird sich zeigen.


    Tetzlaff macht sich selbst Konkurrenz zu der Aufnahme, die er 1988 mit Gielen aufnahm, und Zinman darf zeigen, ob er entscheidend neues zur Aufnahme mit Hilary Hahn beizusteuern hat.


    Die Zusammenarbeit beider klingt recht viel versprechend, allerdings liegt die jeweilige Meßlatte doch recht hoch.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Norbert
    Spannend oder nicht wird sich zeigen.


    Tetzlaff macht sich selbst Konkurrenz zu der Aufnahme, die er 1988 mit Gielen aufnahm, und Zinman darf zeigen, ob er entscheidend neues zur Aufnahme mit Hilary Hahn beizusteuern hat.


    Die Zusammenarbeit beider klingt recht viel versprechend, allerdings liegt die jeweilige Meßlatte doch recht hoch.


    Mal sehen, was die Rezensionen sagen. Ich brauche bestimmt nicht noch ein Violinkonzert und Tetzlaff/Gielen ist schon ziemlich gut (wenn man einen "unromantischen" Zugang schätzt), aber damals müßte Tetzlaff Mitte 20 gewesen sein (ca. *1965). Zimmermann, Zehetmair und Tetzlaff sind m.E. ganz hervorragende Geiger, die aus welchen Grüdnen auch immer nach einer kurzen Phase des Ruhms in ihrern 20ern (Ende der 80er Jahre) in den Hintergrund geraten sind (vielleicht weil die hübschen jungen Damen doch besser ankommen...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    ja, stimmt, Tetzlaff wurde 1966 geboren.


    Ich denke auch, daß die Unterschiede Tetzlaff/Gielen zu Tetzlaff/Zinman nicht so groß sein werden.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Liebe Forianer,


    Ich erinnere mich noch genau, daß ich an Zinmans Einspieluinge aller Beethoven Sinfonien mit dem Tonhalle-Orchester Zürich nicht viel gutes ließ. Indessen sind einige Jahre vergangen und Zinman ergänzt seine arte-nova Diskographie um das Violinkonzert, die Klavierkonzerte und das (oft gescholtene - von mir aber sehr gemochte ) Tripelkonzert.


    Entweder hat sich Zinmans Stil verfeinert - oder aber (ich fürchte das ist eher der Fall) mein Geschmack hat sich gewandelt, bzw das Spektrum hat sich verbreitert.



    Gestern abend habe ich, nachdem ich von der Existenz dieser Aufnahmen erfahren habe - ein wenig via Internet "akustisch geschnuppert" ;) und ich war naeugierig auf diese Aufnahmen.


    Derzeit genieße ich das Violinkonzert und das meine ich auch so .
    Ohne die mir bekannten und von mir geliebten Aufnahmen zu verdrängen - stellen sie jedoch eine willkommene Bereicherung dar.


    Wie schon einst Schneiderhan nimmt auch Tetzlaff Beethovens Kadenzen der Klavierfassung dieses Konzerts uind arbeitet sie für die Violine um - kommt aber interessanterweise dennoch zu einem anderen Ergebnis.


    Die Klavierkonzerte mit Yefim Bronfman stehen auch zum Hören auf dem Programm. Sollten die vom Dirigat/Orchesterklang einen ähnlich guten Eindruck auf mich machen - dann ist Freude angesagt.


    Wie beurteilt Ihr, liebe Forianer die Zinmann Aufnahmen insgesamt - auch den Orchesterklang ?


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, lieber Alfred,


    Vor allem von den CDs mit dem Tripelkonzert und dem Violinkonzert bin ich begeistert. Die Konkurrenz beim Violinkonzert ist natürlich unüberschaubar und Dutzende Aufnahmen wurden schon zur Referenz ausgerufen, aber was solls, haben wir eine Aufnahme mehr mit Referenzcharakter. Vom Zugriff des Dirigenten und Orchesters her finde ich die Zinman-Aufnahme vergleichbar mit der von mir ebenfalls sehr geschätzen Gardiner/Mullova-Aufnahme.


    Das Tripelkonzert halte ich wirklich für die Referenz! Ich kenne zwar bisher leider noch nicht die Fricsay-DG-Aufnahme, aber mir ist Zinmans Tripelkonzert um längen lieber als beide Karajan-Aufnahmen (EMI + DG). Karajan erschlägt für meinen Geschmack an einigen Stellen im Kopfsatz die Stimmung des Satzes durch ein viel zu massiv auftrumpfendes Orchester, was mir die Aufnahme etwas verleidet. Bei Zinman klingt das Orchester (das sich übrigens sehr nach historischer Aufführungspraxis anhört) sehr viel filigraner und als angemessenerer Partner für die Solistenkammermusik.

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  • Fonoforum hat der Aufnahme des Violinkonzertes im Mai-Heft schonmal Referenzcharakter und die Höchstwertung zugebilligt! Angesichts des Preises werde ich sie mir als Alternative zu meinen Aufnahmen sicherlich irgendwann zulegen.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Wie beurteilt Ihr, liebe Forianer die Zinmann Aufnahmen insgesamt - auch den Orchesterklang ?


    Hallo Alfred,


    auch wenn es gar nicht so einfach ist, mit einer Sehnenentzündung in der rechten Hand zu tippen, will ich antworten ;) :


    Ich kenne Zinman hauptsächlich durch die Beethoven-Sinfonien und durch eine Strauss-CD (Alpensinfonie und Festliches Präludium). Strauss gerät recht konventionell, ist also igs. zu vernachlässigen in der Betrachtung.


    Zinman beeindruckt durch rasante Tempi und durch die Konsequenz, mit der er diese spielen läßt. Sein Orchester gefällt dabei durch ein technisch sauberes und präzises Spiel. Daß er auf die Bärenreiter-Edition zurück greift, ist zwar lobenswert, liefert aber igs. keine neue Sichtweise auf Beethoven.


    Ich habe Zinmans Sichtweise des öfteren als "Diktat des Metronoms" bezeichnet, denn imo steht das Metronom und nicht die persönliche Sichtweise des Dirigenten im Vordergrund.


    Besonders deutlich wird der Unterschied ibs. in der 7. Sinfonie. Wenn ich Zinman, Kleiber und erst recht Leibowitz vergleiche, dann erkenne ich, daß Zinman zwar schneller ist, dafür aber Kleiber und (erst recht ;) ) Leibowitz mehr Temperament verspüren lassen, denn beiden gelingt es, Spielfreude und -witz zu vermitteln.


    Leibowitz treibt sein Orchester (ROyal Philharmonic) dermaßen an, daß stellenweise die Präzision des Orchesterspiel darunter leidet. Bei Kleiber mit der 4. Sinfonie (mit dem Bayerischen Staatsorchester) ist es ähnlich. Zinman hingegen ist "nur schnell". Bei ihm gehen einige Details verloren, auf die Kleiber und Leibowitz besonderen Wert legen (z.B. der Rhythmus der Kontrabässe zum Ende des 1. und 4. Satzes). Spürbare Spielfreude entdecke ich bei Zinman selten.


    Deswegen, als Fazit, höre ich Zinman bisweilen recht gerne, aber an die Spitze bisheriger Beethoven-Interpretationen stelle ich ihn nicht.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert


    Zitat

    Zinman beeindruckt durch rasante Tempi und durch die Konsequenz, mit der er diese spielen läßt. Sein Orchester gefällt dabei durch ein technisch sauberes und präzises Spiel. Daß er auf die Bärenreiter-Edition zurück greift, ist zwar lobenswert, liefert aber igs. keine neue Sichtweise auf Beethoven.


    Was heißt schon neue Sichtweise. Immerhin gibt es hörbare Unterschiede zu älteren Versionen, und wenn man - wie Abbado - die ersten beiden Symphonien mit der (originalen?) kleineren Besetzung spielt, wird merklich anderes daraus. Ich finde, man sollte die neue Edition kennenlernen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe nur ein Werk mit Zinman als Dirigenten, aber die Scheibe ist eine meiner allerliebsten :



    Henryk Górecki, Symphonie Nr 3, London Sinfonietta


    Natürlich habe ich schon mitbekommen, dass dieses Werk nicht unbedingt den besten Ruf hier genießt, aber ich finde diese Symphonie einfach wunderbar, und diese Interpretation ist mit Abstand die beste der 3 Aufnahmen, die ich von dem Werk besitze. Tja, so ist das mit den Geschmäckern :rolleyes:

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Was heißt schon neue Sichtweise. Immerhin gibt es hörbare Unterschiede zu älteren Versionen, und wenn man - wie Abbado - die ersten beiden Symphonien mit der (originalen?) kleineren Besetzung spielt, wird merklich anderes daraus. Ich finde, man sollte die neue Edition kennenlernen.


    :hello:


    Hallo Theophilus,


    wären die Änderungen unhörbar,so hätte man sich nicht die Mühe der Neuausgabe machen müssen... ;)


    Man hört bisweilen ein paar neue eingefügte Noten, eine veränderte Phrasierung, eine geänderte Dynamik etc, aber der Grundcharakter der Satzaussage bleibt. Es wurden, anders als bei Bruckner z.B., keine großen Passagen umgeschrieben oder es mußten keine gestrichenen Passagen eingefügt werden.


    Das ist mit "neue Sichtweise" gemeint.


    Daß die Bärenreiter-Edition "kennenlernenswert" ist, ist imo unbestritten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ein paar Sachen sind aber AFAIK Zinmans Spezialitäten (ich finde es teils ziemlich manieriert), z.B. die komischen Triller in der Einleitung zur 2., die solistische Besetzung in einer der Variationen im Finale der Eroica.
    Besetzungen, d.h. wieviele Streicher oder ob doppeltes Holz usw. stehen natürlich in keiner Ausgabe drin. Wie schon gesagt, finde ich 1., 2. und 4. durchaus hörenswert, 3. u. 9. sind mir zu leichtgewichtig, daher habe ich die restlichen 4 nicht mehr gekauft. Die raschen Tempi findet man bei anderen Dirigenten ähnlich, dafür aber mehr "Gewicht" und Drama.


    Ich stimme ThomasBernhard zu, dass das Tripelkonzert herausragend ist (und das Werk braucht m.E. solche Unterstützung). Ich habe auch die CD mti dem 3./4. Klav.konzert gekauft, aber anscheinend verlegt, bevor ich sie hören konnte... :wacky:
    Die Ouverturen werde ich mir wohl auch noch zulegen...
    (Strauss interessiert mich nicht, Missae solemnes habe ich schon mehr als ich hören kann)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Hallo, miteinander!


    @ rolo betman:


    Da ich im Thread zum Minimalismus gerade auf die Gorecki-Sinfonie zu sprechen gekommen bin, würde mich sehr interessieren, warum Du von den drei Dir bekannten Aufnahmen gerade Zinman so sehr schätzt. Ich kenne nur die Einspielung mit Antoni Wit (Naxos) und bin auch erstaunt, dass Zinman dieses (sicher nicht unproblematische) Werk gemacht hat.


    Nur falls mir da jemand auf die Schnelle helfen kann: Wurde hier im Forum die Gorecki-Sinfonie schon (wo?) diskutiert?


    Ansonsten: Die Beethoven-Sinfonien mit Zinman kenne ich schon länger, finde sie radikal, aber interessant und durchaus ansprechend.


    Das Tripelkonzert mit Zinman habe ich jetzt auf die bequeme Tour über die Sony-Box kennen gelernt und möchte die obigen Meinungen unterstützen. Es ist eine ausgezeichnete Interpretation, gerade weil sie die - hier verglichen mit den Sinfonien mildere - Schärfe eines angestrebten Originalklangs mit großer Wärme und einem dunklen Timbre verknüpft. Sehr runde Klanglichkeit, Schwung gerade in der Polonaise, die so oft als langweilig deklariert wird. Was will man mehr gerade bei diesem unterschätzten Werk?


    Das Violinkonzert will ich mir dann gleich mal anhören ... :)


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Man rühmte sich, die erste Gesamtaufnahme der neuen Bärenreiterausgabe Norman Del Mars auf "modernen Instrumenten" einzuspielen (denn mit historischen Instrumenten kam Gardiner Zinman ja schon zuvor..).


    Mir ist völlig neu, dass Gardiner bereits die Bärenreiter-Edition verwendet hat. Stimmt das wirklich? Wenn ja, finde ich Zinmans Mariniertheiten, was diverse Verzierungen angeht, umso ätz..., äh, umso unerfreulicher.

  • Hallo!


    Je länger ich die Zinman-Box mit den neun Beethoven-Symphonien habe (es war meine erste Gesamtaufnahme) und je mehr andere Interpretationen ich kennenlerne, desto unscheinbarer (um nicht zu sagen unbedeutender) scheinen mir diese Aufnahmen. Eigentlich kann ich inzwischen auf alle Symphonien mit Zinman verzichten, nur auf die Neunte nicht, die ist hier erfrischend nüchtern, was dem Werk IMO gut bekommt.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Da derzeit wieder einmal Neuaufnahmen der Beethoven Sinfonien rezensiert werden, finde ich, es wäre an der Zeit, andere Zyklen der Beethoven Sinfonien erneut zu besprechen, besonders jene die in den letzten 10 oder 15 Jahren bei ihrem Erscheinen immer als "Neue Referenz" bejubelt wurden.
    Es grenzte schon an ein kleines Wunder, daß Zinmans Einspielung überhaupt wahrgenommen wurde, ein eher unbekanntes Orchester ein guter Dirigent, dessen Bekanntheitsgrad aber nicht jener eines absoluten Spitzendirigenten war (?) und im Vorfeld zwei oder drei Hochgelobte HIP Einspielungen, z.B Gardiner und Norrington....
    Aber die Aufnahmen wurden nicht nur wahrgenommen sondern von der Presse teilweise euphorisch bejubelt.
    Lediglich die Tamino-Mitglieder standen der Einspielung ein wenig reserviert gegenüber - wie sich ja weiter oben im Thread unschwer nachllesen lässt.
    Es sind erneut einige Jahre vergangen, die Mitglieder haben gewechselt, es gibt erneut Neueinspielungen die man zum Vergleich heranziehen kann, ARTE NOVA hat seine CDs teilweise umverpackt...(nicht zum Besseren, wie ich meine) und der Zeitgeschmach hat sich vermutlich erneut ein wenig gewandelt.


    -->


    . . .


    Wie seht ihr diese Aufnahmen heute ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • David Zinman wurde am 10. Juli 1936 geboren. Zu seinem Geburtstag ahbe ich aus meiner Sammlung seine Strauss-Box ausgesucht:



    David Zinman feiert heute seinen 79. Geburtstag.


    Happy Birthday!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel: :jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wie man bei Beitrag Nr 20 aus dem Jahre 2009 gut sehen kann war zu jenem Zeitpunkt eigentlich niemand wirklich interessiert über Zinman und seinen Beethoven Zyklus weiter zu diskutieren, seit damals sind weitere 8 Jahre ins Land gegangen, und vielleicht möcht nun der eine oder andere etwas dazu sagen. Auf die Idee diesen alten Thread wieder auszugraben, kam ich , weil diese Aufnahme im Thread Die großen Schallplattenaufnahmen des 21. Jahrhunderts erwähnt wurde.

    Und zwar schrieb Hüb:

    Zitat

    Schau z. B. nur einmal auf die Beethoven-GA von David Zinman. Die wurde seinerzeit hoch gelobt, scheint mir aber deutlich an Wahrnehmung und Bedeutung verloren zu haben.


    Ist das in der Tat so ? Ich glaube die Aufnahme konnte schon seinerzeit keinen wirklichen Spitzenplatz einnehmen - aber das ist vermutlich eine Frage der individuellen Wahrnehmung.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • M. E. ist der Beethoven-Zyklus von David Zinman — wie jener von Sir Simon Rattle mit den Wiener Philharmonikern und eigentlich auch derjenige von Michael Gielen mit dem SWR SO — ein gutes Beispiel für eine kurzzeitig gehypte Aufnahme, die bald wieder in der ziemlichen Versenkung verschwindet. Qualitativ sicherlich alles sehr gut, aber das gewisse Etwas fehlt dann eben doch, um länger im Gespräch zu bleiben. Man mag zu Thielemann stehen, wie man will, aber sein Zyklus ist doch nach wie vor Gesprächsstoff — zumindest hier im Forum.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • M. E. ist der Beethoven-Zyklus von David Zinman — wie jener von Sir Simon Rattle mit den Wiener Philharmonikern und eigentlich auch derjenige von Michael Gielen mit dem SWR SO — ein gutes Beispiel für eine kurzzeitig gehypte Aufnahme, die bald wieder in der ziemlichen Versenkung verschwindet. Qualitativ sicherlich alles sehr gut, aber das gewisse Etwas fehlt dann eben doch, um länger im Gespräch zu bleiben.


    Ich denke, dass trifft es sehr, sehr gut.
    Die GA wurde seinerzeit zumindest im FF sehr gut rezensiert und erhielt auch den Preis der Deutschen Schallplattenkritik (wird dieser überhaupt noch vergeben? jenes Logo scheint abhanden gekommen zu sein...).

  • Der hier angesprochene Beethoven-Zyklus. den ich mir seinerzeit angeschafft habe, hat mich nicht vom Hocker gerissen. Ich schließe mich diesbezüglich eindeutig der Meinung von Joseph II. und Hüb an. Ich bilde mir ein, die Sinfonien Beethovens gut zu kennen, habe aber die Unterschiede gegenüber der herkömmlichen Aufführungspraxis kaum wahrgenommen. Und ich denke mir, dass es den meisten Musikliebhabern so gehen wird. Wer Noten lesen kann, wer die Möglichkeit hat, das gedruckte Herkömmliche mit dem gedruckten Neuen zu vergleichen, der wird den Unterschied sehen; wer die Neuausgabe beim Hören der althergebrachten Aufführungspraxis vergleicht, wird es lesend feststellen. Ansonsten sehe ich hier einen guten Marketinggag der Plattenindustrie - bei mir hat es ja verfangen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Man mag zu Thielemann stehen wie man will, seine Beethoven-Aufnahme ist noch gar nicht lange genug auf dem Markt, um den Vergleich der Wirkung mit Zinmans ziehen zu können.


    Aber bzgl. Zinman ist die Sachlage relativ einfach. Als seine Beethoven-Aufnahmen herauskamen, waren sie ohne Zweifel ziemlich ungewöhnlich. Zum einen aufgrund der extrem rasanten Tempi, die man vorher nur vereinzelt und typischerweise entweder auf einigen HIP-Aufnahmen oder auf eher abseitigen, nicht so weit verbreiteten wie Scherchen, Leibowitz, Gielen gehört hatte. Dazu kam die Verwendung der neuen Notenausgabe (die wird angeblich in der kurz vorher erschienen Gardiner-Einspielung ebenfalls verwendet), sowie eine Anzahl spezieller Manierismen, die eigentlich jedem auffallen sollten, etwa zusätzlich eingefügte Triller und Schnörkel der Holzbläser an etlichen Stellen in der 2. Sinfonie, die Solo-Besetzung in den ersten Variationen im Eroica-Finale und vermutlich noch einige mehr (da ich nur 3 von 5 CDs habe, weiß ich es auch nicht so genau. All diese Unterschiede sind m.E. weit deutlicher hörbar als etwa solche zwischen Karajan, Böhm, Muti und einer Handvoll weiterer traditioneller Aufnahmen und wären im Blindtest klar wahrzunehmen.


    Kurz, es war von der damals auch erst 6-7 Jahre alten und ihrerseits recht eigenen Harnoncourt-Aufnahme abgesehen, die erste, die bestimmte HIP-Aspekte auf modernen Instrumenten mit einem "normalen" Sinfonieorchester umgesetzt hat. Sie war definitiv nicht 08/15, sondern anders als das meiste, bislang gehört und insofern sind einige sehr positive Rezensionen durchaus nachvollziehbar.
    Wie überzeugend man das finden mag ist eine ganz andere Sache und das Alleinstellungsmerkmal ist knapp 20 Jahre später natürlich lange nicht mehr so deutlich, da wir etwa mit Järvi u.a. ähnlich schnellere/schlankere Einspielungen auf modernen Instrumenten besitzen.

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