"Gemäss dem Wunsch seiner wohlhabenden Familie schlug Ernest Chausson (1855-1899) die juristische Laufbahn ein. Während seiner rechtswissenschaftlichen Studien schrieb er jedoch auch kurze Erzählungen, entwarf einen Roman, zeichnete (mit viel Talent) und kam endlich-als Schüler von Massenet und Franck und als Anbeter von Wagner zu dem Schluss, dass das Komponieren sein wahres Metier sei.
Chaussons finanzielle Mittel waren zwar nicht unbegrenzt, doch hatte er es nie nötig, im Orchestergraben zu spielen oder die Stimmen anderer Komponisten abzuschreiben. Frei von dem Zwang, mit eigenen Werken seinen Lebensunterhalt zu verdienen, galt er in der Musikwelt jedoch nur als Amateur, ein Urteil, auf das er wiederum mit einem Minderwertigkeitsgefühl reagierte. Der Mangel an Selbstvertrauen und die Muße, die es ihm erlaubte zu schreiben, was er wollte und wann er wollte, verhinderten jedoch gemeinsam die mühelose Behändigkeit, die er wohl entwickelt hätte, wenn er als Berufsmusiker unter Druck hätte arbeiten müssen. Stattdessen machte er sich hei jeder Note, die er schrieb, Gedanken und wurde so zu einem Perfektionisten, der sich nach Aussagen seines engen Freundes Debussy vor allem mit Mittelstimmen beschäftigte.
Während Wagner die Bedeutung nationaler Schulen predigte, betrieb die von Chausson geführte Societe nationale die Wiederbelebung der französischen Musik durch das Komponieren von Sinfonien und Kammermusik. Von D'Indv stammt die folgende Behauptung, über die sich freilich streiten lässt: "Unser französischer Sinn für Proportion...konnte die Extravaganz des Wagnerschen Geistes mässigen." Immerhin musste Chausson, einer der begabtesten französischen Komponisten, hart gegen den schweren Wagnerschen Stil ankämpfen.
1888 versuchte Chausson seinen von nordischen Nebeln und Romantizismen geprägten Stil zu „entwagnerisieren" und "das rote Gespenst Wagner, das mich nicht loslässt" auszutreiben; dennoch erscheint dieses Gespenst immer noch in Chaussons Oper Le Roi Arthus, op. 23.
Inzwischen eröffnete Debussy seinem Freund neue Ausblicke und bereicherte seine harmonische Palette mit Farben, die dem französischen Geschmack angenehmer waren. Chausson wandte sich auch der klassischen französischen Tradition von Couperin und Rameau zu, so z. B. in der Sarabande, der Pavane und der Forlane seines Opus 26. (Das hier aufgenommene Werk trug die Bezeichnung Concert-- nicht, wie im 18. Jahrhundert üblich. Concerto.)
Chausson ging aus dem Kampf mit dem teutonischen Dämon mit einem höchst persönlichen, festen, eleganten und klaren Stil hervor. Die wichtigsten neuen Werke waren: die Sinfonie in B-dur, op. 20, das Poeme, op. 25, und das Concert für Klavier, Violine und Streichquartett, op. 21 (1889 - 91). Chausson arbeitete an der Weiterentwicklung seines neoklassischen Stils, als er sich bei einem Fahrradunfall einen Schädelbruch zuzog, der seinem Leben ein Ende bereitete."
Peter Eliot Stone
Chausson gehört für mich in eine Reihe mit seinem Freund Debussy gestellt. Deswegen möchte ich die Werke, die ich besitze, in loser Folge vorstellen.