Hallo allerseits,
ich meine, dass man György (oder: Georges) Cziffra gesehen haben muss, um sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von dessen Virtuosität machen zu können. Bestaunen kann man ihn auf dieser DVD aus der „classic archive“-Reihe von EMI (die ich übrigens klasse finde):
Wie er hier, auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung stehend, die „Ungarische Rhapsodie Nr. 6“ und den „Gnomenreigen“ von Liszt spielt, lässt einen glatt sprachlos werden vor Verblüffung! Die Aufnahmetechnik war damals (1961-1965) noch nicht so fortschrittlich, weshalb man teilweise nur die Hände schemenhaft über die Tasten flitzen sieht, so gigantisch schnell (aber treffsicher, das ist das eigentliche Wunder) spielt Cziffra. Göttlich diese DVD!
Toll auch die „Variations symphoniques“ (Franck) mit seinem Sohn am Pult, der ja leider unter tragischen Umständen früh verstarb.
(Am Rande: Auf der DVD befindet sich noch eine Aufnahme aus 1954 eines anderen Virtuosen: Benno Moiseiwitsch mit der Tannhäuser Overture (Wagner/Liszt). Auch so ein Wahnsinn! Man glaubt nicht, dass ein Mensch so etwas überhaupt spielen könne oder meint, dass er am Ende zumindest vollkommen erschlagen und schweißgebadet von dannen wanken müsse. Aber dieser Moiseiwitsch wischt sich nach den letzten Noten nur dezent eine kleine Schweißperle ab und wünscht locker und entspannt einen guten Abend.)
Ein paar Details aus Cziffras Leben:
Geboren am 5. November 1921 in Budapest, erste Konzerte als Fünfjähriger.
1941 in Kriegsgefangenschaft geraten, Fortsetzung seiner Ausbildung erst 1947 möglich.
1950 wegen seiner politischen Gesinnung verhaftet, Entlassung aus dem Gefängnis 1953.
Zwei Jahre später Gewinner des Franz-Liszt-Preises, seitdem als Reinkarnation Liszts gefeiert, der ja auch - wie bekannt - ein Tastengenie war.
Dann Ausweitung seines Kernrepertoires unter seinem Lehrer Ferencsik auf Werke von Chopin, seinen zweiten Lieblingskomponisten.
Gestorben am 17. Januar 1994.
Das soll vorerst genügen.
Geradezu Pflicht ist Cziffras Einspielung der Ungarische Rhapsodien von Liszt (EMI 1973-75). Die ganze Scheibe ist ein wahnwitziger Hammer, ich höre sie immer wieder sehr gern!
Was haltet Ihr von diesem Pianisten? Nur Virtuose Eurer Meinung nach, ohne Ausdruck und Klangsinn? Zu eigenwillig, zu extrem? Welche Aufnahmen besitzt Ihr? Von welchen ratet Ihr ab, welche liebt Ihr?
Später kamen ja auch u.a. Schumann, Beethoven und Brahms dazu. Was haltet Ihr von seinem Repertoire abseits von Chopin und Liszt? Kennt jemand z.B. sein 2. Rachmaninov-Konzert (auch mit seinem Sohn am Pult)?
Gruß, Cosima