Daphne - Nymphe oder Lorbeerbaum?

  • Hallo,


    von dieser Richard-Strauss-Oper gibt es einen Mitschnitt von den Wiener Festwochen 1964.Wer kennt die Aufnahme?
    Wo liegen ihre Stärken / Schwächen?


    [jpc]5191981 [/jpc]

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,


    Auf den ersten blick würde ich sagen, der Mitschnitt hat keine Schwächen.


    Es handelt sich um die "klassische Einspielung" der Daphne, was nicht heißen muss, dass man sich die Fleming oder die Popp als
    zeitnähere Einspielungen noch dazu packen kann.


    Wenn man trotzdem etwas bekriteln will, würde ich sagen, dass
    die Aufnahme für Hilde Güden ein wenig zu spät gekommen ist.
    Den Zenit ihrer Karriere hatte sie in den 50er Jahren. Auch wären mir die Wiener Philharmoniker lieber gewesen, als die Symphoniker.


    Für die Freunde von James King und Fritz Wunderlich ist die Einspielung unerlässlich. Karl Böhm ist sowie so die Garantie für eine überragende Strauss-Einspielung.


    Engelbert

  • Zitat

    Original von Engelbert
    Auf den ersten blick würde ich sagen, der Mitschnitt hat keine Schwächen.


    Schwächen hat diese Aufnahme m.E. nur in den kleineren Partien wie Gaea (Vera Little) un Peneios (Paul Schöffler), wobei ich zugestehen muß, daß die Kontraalt-Partie der Gaea sehr schwierig adäquat zu besetzen ist und für Schöffler die Aufnahme hörbar zu spät kam.


    Über Güden kann man, muß man nicht streiten. Ich persönlich würde Popp vorziehen. Apollo hat in Botha einen King gleichwertigen Intrepreten gefunden; aber Wunderlichs Leukippos ist für mich unerreicht - eine Jahrhundertaufnahme!


    Sune

  • Unerwiderte Liebe – Apollo und Daphne
    Der Tochter des Peneios, Daphne, galt Apollos erste Liebe.


    Doch nicht blinder Zufall erregte sie, sondern der rasende Zorn Amors.


    Diesen hatte Apoll, stolz auf den jüngst erlegten Drachen, mit angezogener Sehne den Bogen spannen sehen und zu ihm gesprochen: "Was hast du, mutwilliger Knabe, mit Waffen für Helden zu schaffen? Dieser Schmuck gebührt nur meinen Schultern, der ich treffsicher das Wild, den Feind treffsicher verwunde, der ich eben erst den giftgeschwollenen Python mit zahllosen Pfeilen erlegte, ihn, der mit pestschwangerem Bauch so viele Hufen Landes deckte. Begnüge du dich damit, nach Gott weiß welchen Liebschaften mit deiner Fackel zu forschen, und maße dir nicht meine Ehrenzeichen an!"


    Ihm antwortete der Sohn der Venus: "Mag auch dein Bogen alles treffen: der meine trifft dich, und so, wie alle anderen lebenden Geschöpfe weit hinter einem Gott zurückstehen, so viel geringer ist dein Ruhm im Vergleich zu dem meinen. "


    Also sprach er, schlug mit den Flügeln, zerteilte rastlos die Luft und stand bald auf dem schattigen Gipfel des Parnaß. Hier zog er aus seinem vollen Köcher zwei Pfeile verschiedener Wirkung: der eine verscheucht, der andere entflammt die Liebe.


    Der, der sie entflammt, ist golden mit scharfer, funkelnder Spitze; der sie verscheucht, ist stumpf und hat Blei am Ende des Rohres. Damit traf der Gott die Nymphe, die Tochter des Peneios. Aber mit jenem verletzt er Apollo bis ins Mark der Gebeine.


    Gleich erfüllt Liebe den Gott, allein, die Nymphe entflieht, wenn ein Liebender auch nur erwähnt wird. Nur am Schatten der Wälder erfreut sie sich und an den Fellen erbeuteter Tiere, denn der unvermählten Göttin Diana will sie es nachtun. Nur mit einem Band umschlang sie das kunstlos zusammengeraffte Haar.


    Viele warben um sie, doch sie wies die Freier ab, wollte von Männern nichts wissen und wußte auch noch nichts von ihnen.


    So durchschweifte sie einsame Wälder und kümmerte sich nicht darum, was Hochzeit sei, Liebe und Ehe.


    Häufig sprach der Vater: "Du bist mir, Tochter, einen Schwiegersohn schuldig!" Häufig sprach der Vater: "Mein Kind, du schuldest mir Enkel!"


    Jene jedoch, der die Hochzeitsfackel verhaßt war wie ein Verbrechen, hängt sich, das hübsche Gesicht von Röte der Scham übergössen, an den Hals des Vaters mit schmeichelnden Armen und bittet: "Teuerster Vater, erlaube mir, für immer Jungfrau zu bleiben! Dies gestattete doch ihr Vater auch einst der Diana!"


    Zwar gibt jener nach, allein dir, Daphne, versagt deine Schönheit, zu sein, was du möchtest. Deinem Wunsch steht deine Anmut entgegen. Phöbus ist verliebt und verlangt nach der Ehe mit Daphne, kaum daß er sie erblickte. Was er wünscht, erhofft er, es täuscht ihn das eigene Orakel!


    So wie dürre Stoppeln nach dem Schnitt der Ähren verbrennen, wie einen Zaun die Fackel in Brand setzt, mit der ihm versehentlich ein Wanderer zu nahe kam - vielleicht ließ er sie bei Tagesanbruch liegen -, so geht der Gott in Flammen auf alles in ihm brennt, und er läßt durch sein Hoffen die aussichtslose Liebe noch wachsen.


    Schmucklos sieht er das Haar von Daphnes Nacken hängen und ruft: "Was wäre erst, wenn man sie schmückte?"


    Er sieht, Sternen gleich, ihre feurig blitzenden Augen, sieht ihren kleinen Mund, und es genügt ihm nicht, ihn nur betrachtet zu haben. Finger lobt er und Hände und Arme samt den Schultern, die mehr als zur Hälfte entblößt sind. Was verborgen ist, glaubt er noch schöner. Doch jene entflieht rascher als ein flüchtiger Lufthauch und bleibt auch nicht stehen, als er sie mit folgenden Worten zurückruft:


    "Nymphe, ich bitte dich, bleibe, du Tochter des Peneios! Ich folge dir ja nicht als Feind. Nymphe, so bleib doch! So wie du, so flieht ein Lamm vor dem Wolf, ein Reh vor dem Löwen, so entfliehen mit flatternden Flügeln die Tauben dem Adler, so ein jedes Tier seinem Todfeind. Für mich ist Liebe der Grund, dir zu folgen. Ich Unglücklicher! Daß du mir nur nicht fällst, daß nicht die Dornen die zarten Füße dir ritzen - nie darf sie etwas verletzen -, daß nicht ich dir Schmerzen bereite!


    Rauh ist die Gegend, wohin du eilst; laufe langsamer, bitte, und hemme deine Flucht! Ich selbst will dir langsamer folgen.


    Frage doch, wem du gefällst! Ich bin kein Bewohner des Berges, kein roher Schaf- oder Kuhhirt. Du weißt nicht, Verblendete, weißt nicht, wem du entfliehst, und deshalb nur fliehst du!


    Mir gehorcht das delphische Land und Klaros in Lykien, dazu die Insel Tenedos und die lykische Königsstadt Patara.


    Jupiter ist mein Vater. Durch mich wird Zukünftiges, Vergangenes und Gegenwärtiges offenbar, durch mich tönt harmonisch das Lied zu den Klängen der Saiten. Sicher trifft mein Pfeil, noch sicherer traf nur der eine, der in der schutzlosen Brust mir die Wunde schlug.


    Meine Erfindung ist die Heilkunst, überall auf der Welt heiße ich Helfer, und auch die Kraft der Krauter ist mir Untertan. Wehe mir, daß Liebe sich durch kein Kraut heilen läßt und daß meine Künste, die allen nützen, für ihren Erfinder nutzlos sind!"


    Mehr noch wollte er reden, allein schüchtern floh Daphne davon und ließ ihn selber zurück mit der unvollendeten Rede.


    Nun auch erscheint ihm Daphne reizend: es entblößte der Wind ihre Glieder; im Gegenwind flatterte ihr Gewand, ein sanfter Hauch erfaßte ihre Locken und wehte sie rückwärts. Ja, verschönt wird sie noch durch die Flucht!


    Doch der junge Gott erträgt es nicht mehr, seine süßen Worte zu vergeuden. Von Amor selbst getrieben, folgt er ihrer Spur mit beflügelten Schritten.


    Wie wenn ein gallischer Windhund auf offenem Feld einen Hasen sieht und nun der eine mit schnellen Läufen nach der Beute trachtet, der andre nach Rettung. Jener - fast sieht es so aus, als hinge er schon an dem Hasen - hofft, ihn gleich im nächsten Augenblick zu packen, und berührt schon mit der Schnauzenspitze die Läufe, dieser ist noch im Zweifel, ob er vielleicht schon geschnappt sei, kann mit knapper Not sich vor den Bissen noch retten und entkommt dem Maul, das ihn eben berührte.


    Ebenso der Gott und das Mädchen: Hoffnung macht jenen, diese die Furcht schnell. Aber, von Amor beflügelt, ist der Verfolger geschwinder, gönnt der Flüchtenden keine Rast und ist ihr hart auf den Fersen. Sein keuchender Atem erreicht ihr wirres Haar, ihren Nacken. Schon schwinden ihre Kräfte, sie erblaßt, erschöpft vom eiligen Lauf - da erblickt sie die Wasser des Peneios.


    "Vater", ruft sie, "rette mich, wenn ihr Flüsse göttliche Macht habt, oder nimm durch eine Verwandlung die Schönheit von mir, durch die ich zu sehr gefiel!"


    Kaum ist die Bitte ausgesprochen, als ihr die Glieder schwer werden und erstarren. Ihren zarten Busen umschließt weiche Rinde, in Blätter verwandelt sich ihr Haar, in Äste die Arme. Ihr Fuß, eben noch so flüchtig, stockt, von zähen Wurzeln gehalten. Ein Wipfel verbirgt ihr Gesicht. Nichts bleibt zurück als die glänzende Schönheit.


    So auch liebt sie Apollo, und als er die rechte Hand an den Stamm legt, fühlt er noch unter der frischen Rinde das Herz schlagen.


    Er umschlingt mit seinen Armen die Zweige, als ob er Daphne selbst an seine Brust drückte, und bedeckt das Holz mit Küssen - doch selbst das Holz weicht vor den Küssen zurück. Da ruft der Gott: "Kannst du auch nicht meine Gattin werden, so sollst du zumindest mein heiliger Baum sein! Ewig wirst du, mein Lorbeer, mein Haar, meine Leier, meinen Köcher bekränzen! Römische Feldherren wirst du begleiten, wenn ‹Triumph!› das fröhliche Volk ihnen zujauchzt und wenn das Kapitol den langen Festzug betrachtet. Du sollst, Lorbeerbaum, dich als treuester Hüter vor Augustus' Pforten erheben und über dem Eichenkranz in der Mitte schützend die Zweige breiten! Und wie mein eigenes Haupt ewig jung ist mit nie geschnittenen Locken, also trage auch du für immer die Pracht deines Laubes!"


    Apollo hatte geendet; mit eben entstandenen Zweigen nickt ihm der Lorbeer Beifall zu, und gleich einem Haupt scheint sich der Wipfel zu neigen.



    Quelle:
    Fink, Gerhard: Ovid Metamorphosen, Düsseldorf, Albatros Verlag, 2005

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo,


    sorry, wenn ich mich wiederhole, aber die Schwächen der alten Böhm-Aufnahme liegen für mich mal wieder ganz klar bei den Wiener Philharmonikern.
    Man höre einmal vergleichsweise direkt den Anfang dieser von mir sehr geliebten Oper in der genannten Einspielung und in der mit dem Bayerischen RSO unter Haitink. Mir rollen sich da bei den Wienern regelrecht die Fußnägel hoch!


    Viele Grüße


    Bernd

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hi,


    vielleicht liegt die Schwäche auch nur in deiner Allergie begründet. Ich kann das nicht nachvollziehen, es ist für mich großartig gespielt....


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe die Aufnahme inzwischen gekauft und schließe mich Sunes und Theophilus' Ausführungen an.
    Bis auf Kleinigkeiten eine sehr runde Gesamtleistung aller Mitwirkenden.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ich mag die Aufnahme sehr gerne. Ein Klassiker halt...


    Liebe Grüße, leporellina

    leporellina


    Musik machen ist ein erotischer Akt, weil es mit Wollen, mit Leidenschaft zu tun hat. Daniel Barenboim

    Einmal editiert, zuletzt von leporellina ()


  • Diese trotz Deiner eingerollten Zehennägel (es heißt ja auch Fingernägel und nicht Handnägel) finde ich diese aus den Kriegsjahren 1944 produzierte Daphne (mit Reining, Friedrich, Alsen, Dermota, ebenfalls unter Böhm) eigentlich recht gut, wenngleich die Aufnahme aus dem Theater an der Wien in toto besser ist. Letztere Produktion wurde dann von der Wiener Staatsoper (mit identer Besetzung) übernommen, wo im Unterschied zur Aufnahme aus dem Theater an der Wien mit den Wiener Symphonikern, das Staatsopernorchester doch noch einen philharmonischen Touch einbrachte.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose