Grosse Evangelisten

  • Sagitt meint:


    ich habe es nicht überprüft,nehme an, es gibt keinen derartigen thread,kam mir jedenfalls nicht unter-und wenn, wirds verschoben.
    Ich wollte damit lange schon angefangen haben, wir haben ja ausgesprochene Kenner unter uns.
    Der Evangelist ist der Erzähler in den Bach-Passionen. Bis dahin hatte schon eine Entwicklung stattgefunden, solche Erzähler gibt es auch in den Schütz-Passionen und sicher schon früher.
    Aber mit dem Evangelisten verbinden wir erst einmal die Erzähler-Rolle in den Bach-Passionen. Der berühmteste ist wohl Karl Erb,über den schin Rilke schrieb, als der Matthäus-Passion 1922 in Basel hörte. Erb war auch der Evangelist in der Ramin-Aufnahme von 1941,damals 65 Jahre alt.


    Mein Favorit ist er nicht.


    Welcher ist der Eure ?

  • Hallo lieber Sagittarius,


    vielen Dank für dieses schöne Thema. Ich selbst habe bereits darüber nachgedacht, ob man nicht einmal über die Erzähler des Passionsgeschehens diskutieren sollte.


    Vorab ein Ausschnitt aus einem Interview, das Walter Flemmer am 25.06.2004 mit Peter Schreier, dem Evangelisten des 4. Quartals des 20. Jdts., ab 20.15 Uhr auf BRalpha geführt hat.


  • Mein absoluter Favorit ist Peter Schreier, auch in den Schützpassionen und bei Bach sowieso. Seine Stimme ist für diese Art von Musik einfach wunderbar angelegt, schlicht und erzählend und doch mit goßem Klang das ist meiner Meinung nach das was ihm wirklich gelegen hat als Sänger.(Muss noch hinzufügen das ich wegen meiner Kreuzchorzeit natürlich sehr auf Schreier geeicht bin und auch das Glück hatte mit ihm zusammen, also er als Evangelist, oftmals die Bach'schen Werke aufzuführen)


    Weiterhin gefällt mir Peter Pears sehr gut!


    MfG Richard

  • Also wenn ich mir HEUTE eine Bachpassion backen dürfte, wäre der Evangelist sicherlich Christoph Pregardien.


    Zu den anderen äussere ich mich dann nochmal nach einer augiebigen Hör-Session.

  • Hallo,
    Peter Schreier war zweifellos einer der größten Gestalter von Evangelistenrollen.
    Außer den schon erwähnten Herren Erb,Pears und Prégardien möchte ich noch für mich herausragende Sänger erwähnen,die mir gerade einfallen:
    Ernst Häfliger,Fritz Wunderlich und Markus Schäfer.Interessant finde ich,daß durch die verschiedenartigen Timbres auch ganz unterschiedliche Werksinterpretationen entstanden sind und diese zu vergleichen ist für mich immer wie eine Reise mit neuen Eindrücken.
    Ich freue mich schon auf die Fastenzeit,da liegt der Schwerpunkt meines Musikhörens bei den Passionen.Und der Gänsehauteffekt ist wieder da.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo sagitt,


    auch wenn es wenig originell ist, MEIN Evangelist ist auch Peter Schreier.
    Ich mag da gar keine objetivierbaren Fakten anführen, er war es halt schon immer! Ich hab es im Schreier- Thread geschrieben: nicht zuletzt durch seine Evangelisten bin ich überhaupt für die klassische Musik gerettet worden. Da ist viiiiel Nostalgie bei mir im Spiel, ich spür auch jetzt gerade, wie mein Herz warm wird...!


    Doch eine Außenseiter- Empfehlung möchte ich noch geben: Wie schon im Thread zur Johannespassion geschrieben, hat mich der Evangelist in der tollen Naxos- Aufnahme mit " The Scholars Baroque Ensemble" begeistert. Es ist Robin Doveton!
    Sein Rezitativ, in dem das Schild über dem Kreuz verlesen wird ("...Jesus von Nazareth,der Juden König") übertrifft alles, was ich sonst kenne! Die plötzlich fahle, mechanisch deklamierende Stimme läßt eine Riesen- Gänsehaut aufsteigen! :jubel:


    Zumindestens in dieser Aufnahme ist von einer emotionalen Distanz des englischen Ensembles zur geistigen Welt des J.S. Bach gar nichts zu spüren!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Ich kann nicht behaupten, das jemals systematisch verglichen zu haben, aber ein herausragender Evangelist (überhaupt Bach-Tenor), der noch nicht genannt wurde, ist Kurt Equiluz. Schreier schätze ich auch sehr, Pears mag ich überhaupt nicht.
    Mein Favorit unter den aktiven Sängern ist ebenfalls Pregardien, aber es gibt noch ein paar sehr ordentliche (z.B. Michael Schade und auch Rolfe-Johnson). Überhaupt kann man bei Barockmusik nur als Ewiggestriger in die Litanei des "Früher-war-alles-besser" einstimmen (während das bei Wagnerstimmen wohl für jeden nachvollziehbar sein dürfte, der einmal Melchior gehört hat...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zwei Worte: Peter Schreier. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Für zwei Worte ist das Evangelistenthema zu komplex.
    Schreier in Ehren,doch die Zeit bleibt nicht stehen.
    Hört euch mal die Evangelistenausschnitte auf der hp von Bernhard Gärtner an.Der Künstler ist der Evangelist von heute und morgen.
    Da Links verboten sind,schreibt den Namen mit Bindestrich und Umlaut.de
    Ich bin gespannt auf eure Kommentare.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Sagitt meint:


    Im wirklich kleinen Segment der wahrhaft lyrische Tenöre eine schöne Stimme, die mir bisher gar nicht bekannt war. Gerade der Evangelist in der Matthäus-Passion war überzeugend.
    Gleichzeitig darf ich- Spieglein an der Wand- auf die Leistung von Hans Peter Blochwitz 1987 bei Solti hinweisen. ein überragend guter Evangelist in der Matthäus-Passion.


    Schöne Grüsse

  • Danke,Sagitt für deine Rückäußerung.Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig,als mir die 87er MP mit Solti und Blochwitz anzuhören.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Siegfried
    Danke,Sagitt für deine Rückäußerung.Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig,als mir die 87er MP mit Solti und Blochwitz anzuhören.



    Hinsichtlich des Evangelisten und der Chöre eine sehr gute Wahl!! Aber Kiri???????



    Liebe Grüße



    tom

  • Hallo Tom,


    ich meine, als Fan, nur Blochwitz als Evangelist. Solti war sicher kein Bach-Dirigent,obwohl sich eine Auseinandersetzung mit ihm durchaus lohnt. Er kommt halt von Theater und weiss um Effekte.Sein Chor ist nicht sehr gross, vierzig Sänger und er weiss die dramatische Effekte der Passion herauszuarbeiten. Kiri, der Stimme ich sehr schätze, ist hier wirklich suboptimal.
    Sonst aber Tom Krause oder v. Otter sind großartige Sänger.
    Aber: ich habe zum Evangelisten gepostet.

  • Hallo Sagitt,


    Du hast Recht. Irgendwie hat's mich aber in den Fingern gejuckt. Ich bitte um Nachsicht! "Suboptimal" ist aber, bezogen auf Kiris Darstellung in dieser Aufnahme noch sehr freundlich formuliert.


    Liebe Grüße


    tom

  • Hallo Tom,



    warum sollte ich gegenüber einer Dame Kiri ungalant sein ? Und:ich kenne schlechtere Darstellungen der Sopran-Partie, die Damen aber verschweige ich jetzt gänzlich.
    Um auf den Evangelisten zurückzukommen. Blochwitz hatte auf diesem Terrain viele Erfahrungen, auch als noch Elektronik-Ingenieur war und erinnerte sich nicht wenig Freude an diese Aufnahme,wohl Auseinandersetzungen mit dem Dirigenten. Seiner schlanken Stimme kommt die Partie des Evangelisten sehr entgegen. Er gestaltet diese sicher weniger als Peter Schreier,ganz besonders in der Aufnahme mit Richter, 1979. Aber mal wieder das Timbre. Ich höre diese Stimme einfach gerne und deswegen " wirkt" diese Musik durch diese Stimme bei mir besonders intensiv.


    Schöne Grüsse


    Sagitt

  • Hallo Sagitt,


    wie schon erwähnt,habe ich mir die Evangelistenpassagen aus der Solti-Aufnahme angehört.Und ich gestehe ein,daß Blochwitz hier in seinem ureigensten Element war.Dagegen sackt meine Decca-Aufnahme mit Münchinger und Peter Pears sehr ab.Auch Schreiers Deklamation klingt weniger deutlich und klar.
    Fazit:Auch in meinem Alter kann man noch hinzulernen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,


    Danke für die Rückmeldung. Ich möchte kein Missionar sein, aber es gibt doch eine Freude, wenn der Genuss, den man selbst hatte, von anderen geteilt wird. Ich bin und werde niemandem böse sein, wenn auf ihn oder sie die Stimme von Blochwitz nicht so wirkt, wie auf mich, weil dies ein höchst subjektiver Vorgang ist. Aber daneben gibt es etwas Intersubjektives und das kann sich durch Hören herstellen.
    Warum setze ich mich für diesen Sänger so ein ? Ich kenne ihn persönlich und hätte nicht den mindesten Grund, irgendetwas zu tun. Aber es ist meine Überzeugung, dass er bleibende Interpretationen hinterlassen hat.
    Dazu gehört seine Schöne Müllerin- eine Interpretation, die mich immer wieder zu Tränen rührt, dazu gehört sein Evangelist in der Matthäus-Passion und dazu gehören seine Mozartaufnahmen, finta, Entführung,Cosi und Zauberflöte, vor mir auch Don Ottavio, aber von seiner Darstellung in Wien unter Abbado war ich nicht so überzeugt.


    Schöne Grüsse nach Stuttgart


    Sagitt

  • Hallo Sagitt,


    ich habe Blochwitz in Stuttgart auch mal als Don Ottavio gehört/gesehen und die Erinnerung an diese Aufführung ist besser als z.B.die mit Schreier in derselben Rolle an derselben Stätte.Allerdings räume ich ein,daß in der schnellebigen Zeit durch die vielen Ortswechsel usw. den Sängern schon sehr viel abverlangt wird.Und niemand kann verlangen,daß diese Leute jeden Abend auf höchstem Niveau singen können.Somit sind unsere Erlebnisse immer Momentaufnahmen,mal unter glücklichem Stern entstanden und mal unter weniger glücklichem.
    Das sollten wir bei unseren Urteilen auch öfters bedenken.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Sagit meint:


    Lyrische Tenöre sind ja selten- dazu gab es einmal einen thread. Wenn dann mal ein guter kommt, wird er überalle gebucht. Wenn ich bedenke, in welcher kurzer Zeit Blochwitz pötzlich überall dabei war. Seine Karriere fing ja 1984 erst richtig an ( seine Entscheidung, nur noch Sänger und nicht mehr Ingenieur zu sein). Schnellstens war er bei allen möglichen Projekten dabei, Abbado, Levine, Solti,Harnoncourt arbeiteten mit ihm, er sang an größen Bühnen ( Wiener Staatsoper) und machte eine ganze Anzahl von Aufnahmen.
    Aber der Stern verlosch recht schnell. Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es keine überragenden Aufnahmen mehr von diesem Sänger.

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  • Hallo,


    eine Lanze breche ich für den englischen Tenor Mark Padmore. Im vergangenen Jahr habe ich ihn als
    Evangelisten in der Matthäus-Passion in Königslutter unter Gardiner erleben können.
    Hier überzeugte er mich als ein großartiger Nachwuchssänger mit einem unerhörten Timbre und Stimm-
    volumen der allerfeinsten Güte. Seine gesangliche Wortartikulation in deutsch waren ohne Makel und er gab eine überzeugende Evangelistendarstellung.


    Als Konzertsänger gastierte er an international renommierten Festivals und arbeitete mit Dirigenten zusammen wie Christie, Norrington, McCreesh, Hickox, Harding, Gardiner, Colin Davies, Rattle und Herreweghe. Künftige Engagements umfassen u.a. seine Mitwirkung in den Bach Passionen mit den Wiener und den Berliner Philharmonikern.



    Mark Padmore, Tenor


    Ein weiterer Favorit ist Christoph Pregardien, der eine glanzvolle Evangelisten-Rolle in der CD der Matthäus-Passion von Gustav Leonhardt abgibt.


    Grüsse
    Volker.

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • In 1954 (ich war noch gerade 11) hörte/sah ich zum erstenmal Haefliger als Evangelist (MP) im Concertgebäude. Nachher habe ich ihm noch dreimal dort erlebt.
    Der Equiluz habe ich später dort sechs- oder siebenmal gesehen/gehört.


    Freilich, ich war jünger bei Haefliger, aber trotzdem...
    Mit einem Pistole auf der Brust würde ich Equiluz als erste nennen, aber eigentlich ist es m.E ex aequo.
    Gleich danach folgt der unglaubliche Prégardien.


    Blochwitz? Nein, ich finde seine Stimme etwas zu dünn.
    Vergleiche seine Stimme in Mozarts Freimaurermusik (Philips) mit Prégardien (Novalis) oder Equiluz (Turnabout).

  • Sagitt meint:


    Gerade die Evangelisten sollten eine ganz schlanke Stimme. Es ist ja eine Erzählung, die kein Verweilen auf dem Ton erlaubt.allenfalls gewisse Dehnungen, um eine Aussage zu gestalten. Je biegsamer die Stimme, desto besser. Schon der berühmte Karl Erb ist mir da zu verhärtet, ich räume ein, er war 1941 bei Ramin bereits 65.
    Ob einem das Timbre gefällt,ist , wir schrieben schon soviel darüber, einfach Geschmacksache. Mir sagt Pregardien wenig, Blochwitz viel, Güra finde ich auch sehr hörenswert,Padmore übrigens auch, Cornwell hatte ich anderorts mal erwähnt, Schreier finde ich manchmal sehr überzeugend. Darüber braucht man nicht streiten, das tauscht man aus.

  • Zitat

    Original von musicophil
    In 1954 (ich war noch gerade 11) hörte/sah ich zum erstenmal Haefliger als Evangelist (MP) im Concertgebäude. Nachher habe ich ihm noch dreimal dort erlebt.



    Und, hat sich trotz Deines seinerzeitigen jugendlichen Alters noch ein Eindruck erhalten?


    Für mich gehört Haefliger zu den ganz großen Evangelisten. Genauigkeit und Präzision im Ausdruck, überhaupt nicht gekünstelt, bisweilen auch, wenn sich dies als notwendig darstellt, asketisch (was Tenören ab und zu schwer fällt), weniger den Sänger, als vielmehr den Chronisten, den Erzähler, herauskehrend, dann aber auch plötzlich sehr ausdrucksvoll, wie z.B. in "Oh Schmerz! Hier zittert das gequälte Herz!"

  • Zitat

    Sagitt meint:



    Es ist ja eine Erzählung, die kein Verweilen auf dem Ton erlaubt.allenfalls gewisse Dehnungen, um eine Aussage zu gestalten.





    Da stimme ich vorbehaltlos zu! Gab und gibt es doch genügend mittelmäßige Evangelisten, die mit musikalischer Intelligenz nichts am Hut haben und hatten. Da wird plötzlich und unerwartet an bestimmten Stellen mit großer Emphase gesungen, die an sich nur als eine andächtige Mitteilung konzipiert sind. Insgesamt und das zeigt sich bei Haefliger, so meine ich, sehr gut, muß der Evangelist zunächst darstellender Erzähler und erst dann Tenor sein und nicht umgekehrt.

  • Zitat

    Original von tom


    Und, hat sich trotz Deines seinerzeitigen jugendlichen Alters noch ein Eindruck erhalten?


    Für mich gehört Haefliger zu den ganz großen Evangelisten.


    Zitat von mir:
    Freilich, ich war jünger bei Haefliger, aber trotzdem...
    Mit einem Pistole auf der Brust würde ich Equiluz als erste nennen, aber eigentlich ist es m.E ex aequo.


    Er, Haefliger, kam noch einen Anzahl Jahre im Concertgebäude. Ich hörte ihn zigmal übers Rundfunk. Ich hatte LPs (DGG-Querschnitte; die waren bereits so teuer !!). Das letzte Mal daß ich ihm sah, muß ich ungefähr 20 gewesen sein.


    ABER: er machte mit seinem Singen eine zerschmetternde Eindruck auf mich. So etwas vergißt man nie. Dauerprägung.