Aus Anlass des 200. Todestages am 30. Januar 2006.
Atanasio Martín Ignacio Vicente Tadeo Francisco Pelegrin y Soler wurde am 2. Mai 1754 als Sohn des Tenors Francisco Xavier Martín und der Magdalena Soler in Valencia geboren. Zu Lebzeiten wurde er in seiner spanischen Heimat lo Spagnuolo oder im italienisch sprechenden Ausland il Valenziano genannt. Auch bürgerte sich die Abkürzung Martini sehr bald ein, was heute zu Verwechslungen mit Padre Martini oder Jean Martini führt. Oft auch wurden Namen wie Vicente Martínez oder Ignaz Martini kreiert.
Martín y Soler wurde Chorknabe an der Iglesia Mayor zu Valencia und ging später, warum ist unbekannt, nach Madrid. Hier zeigte er erstes kompositorisches Können durch die Aufführung einiger Arien und die Uraufführung [vermutlich] der Zarzuela La Madrileña. Um auf Padre Giovanni Battista Martini zurückzukommen: Bei ihm genoß er höchstwahrscheinlich ein abschließendes Musikstudium in Bologna beim Musik-Papst des 18. Jahrhunderts. Möglicher Weise ist der ihm zugeteilte Kosename Martini daher auch zugleich eine Hommage an Giovanni Battista Martini, der ihn ausbildete. Italien war dann auch Martín y Solers erstes „Opfer“: Hier führte er in Neapel 1779, 1780 und 1782 drei Opern, in Turin 1780 und 1783 zwei Opern, in Lucca 1781 eine, in Venedig 1782 und 1784 sowie in Parma 1784 und 1785 noch zwei Opern auf. Dann folgte er dem Ruf Josephs II. nach Wien, wo er sich 1785 niederließ. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Lorenzo da Ponte stellte sogar sämtliche Opern Mozarts in den Schatten.
Lorenzo da Ponte berichtet in seinen Memoiren:
Um ihm sowohl wie der Gesandtin von Spanien angenehm zu sein, gedachte ich, einen Stoff aus der spanischen Geschichte zu wählen. Diese Idee gefiel Martini [sic!] und dem Kaiser ungemein, welchen letztern ich in das Geheimnis gezogen hatte und der mich mit seiner Billigung zu ermutigen geruhte. Ich begann demnach mehrere spanische Komödien zu lesen, um mich in den dramatischen Charakter dieser Nation hinein zu denken. Endlich fand ich ein Sujet, das mir völlig gefiel. Es war von Calderon und führte den Titel: Der Mond der Siera. Ich entwarf mein Stück; die Fabel davon war einfach: Bei einer Jagd in den Gebirgen verliebt sich der Infant von Spanien in eine Schäferin, die, tugendhaft und leidenschaftlich für einen Bergbewohner eingenommen, allen Verführungen des Prinzen widersteht. Ich gab ihm den Titel: ‚Una cosa rara oder Tugend und Schönheit’ […]. Der Maestro schrieb hierauf die Musik dazu. Ich hatte es so eingerichtet, dass die tüchtigsten Kräfte der Truppe in der Oper beschäftigt waren. Aber diese italienischen Sänger, ein allezeit unruhiger und schwer zu befriedigender Haufen, richteten schon ihre Erbärmlichkeiten gegen den Komponisten, bevor noch die Rollen verteilt waren […]. Nachdem die Rollen verteilt waren, brach der Sturm los: Der eine hatte zu viele Rezitative, der andere zu wenig; für diesen war die Tonlage zu hoch, für jenen lag sie zu tief. Ein dritter setzte nicht bei den Ensemblestücken ein, ein vierter sang viel zu viel […] kurz: das Stück wäre ein Meisterwerk, die Musik aber schwach und trivial. […] Am Abend der ersten Aufführung war das Haus zum Erdrücken voll, die Mehrzahl der Zuschauer war aber zum Auspfeifen geneigt. Man fand indessen gleich in den ersten Arien so viel Anmut, Liebreiz und Melodie in dieser Musik, so viel Unerwartetes und Interessantes im Dialog […]. Hierauf erfolgten nach einem Stillschweigen, wie man nie seinesgleichen bei einer anderen italienischen Oper gehört hat, so rasende Beifallsbezeigungen […]
Mozarts Figaro war schnell von der Bühne gefegt. Da Ponte berichtet weiter:
So zwischen dem Wein und Tokaj, dem Schnupftabak von Sevilla, der Klingel auf meinem Tische […] schrieb ich die erste Nacht für Mozart die beiden ersten Szenen des ‚Don Giovanni’, zwei Akte vom ‚Baum der Diana’ [Martín y Soler: L’arbore di Diana] und mehr als die Hälfte des ersten Aktes von Tarare [Salieri] […]. Der ‚Baum der Diana’ wurde zuerst aufgeführt: und er wurde ebenso glänzend wie ‚Cosa rara’ aufgenommen.
Bereits 1788 folgte er dann dem Ruf der Zarin Katharina II. an den Hof von St. Petersburg: Hier sollte er zwei Opern komponieren. Der Erfolg verschaffte ihm einen Vierjahresvertrag als Ablöser von G. Sarti, den er auch neben Domenico Cimarosa erfüllte. Die Jahresgage betrug 3.000 Rubel und deckte damit die Komposition von Tafelmusiken, Opern, Staats- und Gelegenheitsmusiken ab. Zudem unterrichtete er die Schüler des kaiserlichen Theaters im Gesang.
Nachdem der Vertrag ausgelaufen war, schloß er sich wieder Lorenzo da Ponte an und ging mit ihm nach London. Hier arbeitete er am Haymarket Theatre für Peter Salomon. Am 27. Januar 1795 wurde das Gemeinschaftswerk La Capricciosa Corretta uraufgeführt. Da Ponte: Taylor bestand auf ‚La Capricciosa Corretta’, denn auch er wurde von den Liebhabern guter Musik gezwungen, welche ihm versicherten, dass es nichts Besseres gäbe.
Es kam offenbar zu einem Zerwürfnis mit Lorenzo da Ponte, so dass es Martín y Soler 1796 nach Smolna zurückzog, wo er bereits während der Ausübung seines kaiserlichen Amtes Lehrer an einer Erziehungsanstalt für adelige Knaben war. Dieser Aufgabe nahm er sich wieder an und starb am 30. Januar 1806 in St. Petersburg.
Wolfgang Amadeus Mozart komponierte für die Wiener Aufführung des Il bubero di buon cuore am 9. November 1789 für Louise Villeneuve zwei Arien:
„Chi sà, chi sà, qual sia“,Text von Lorenzo da Ponte, KV 582
„Vado, ma dove? – oh Dei!“, Text von Lorenzo da Ponte, KV 583
Opern:
La Madrileña o Tutor burlato, Zarzuela [1776, Madrid]
Ifigenia in Aulide, dramma per musica in 3 Akten [1779, Neapel]
Ipermestra, dramma per musica in 3 Akten [1780, Neapel]
Andromeda, dramma per musica in 3 Akten [1780, Turin]
Astartea, dramma per musica in 3 Akten [1781, Lucca]
Partenope, Componimento drammatico in 2 Akten [1782, Neapel]
L’amor geloso, azione teatrale comica in 2 Akten [1782, Neapel]
In amor ci vuol destrezza, opera buffa in 2 Akten [1782, Venedig]
Vologeso, dramma per musica in 3 Akten [1783, Venedig]
La Dora festeggiata, prologo serio [1783, Venedig]
Le burle per amore, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1784, Venedig]
La vedora spiritosa, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1785, Parma]
Il bubero di buon core, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1786, Wien]
Una cosa rara, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1786, Wien]
L’arbore di Diana, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1787, Wien]
Gore bogatyr Kosometowitsch, komische Oper in 5 Akten [1789, St. Petersburg]
Pesnoljubie, komische Oper in 3 Akten [1790, St. Petersburg]
Il castello d’Atlante, dramma giocoso per musica in 3 Akten [1791, Desenzano]
La capricciosa corretta, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1795, London]
Le nozze de’contadini spagnuoli, Intermezzo [1795, London]
La festa dell villaggio, dramma giocoso per musica in 2 Akten [1798, St. Petersburg]
Ballette:
La bella Arsene [1779/80, Neapel]
I ratti Sabini [1179/80, Neapel]
La regina di Golconda [1781, Lucca]
Cristiano II, [1782, Venedig]
Aci e Galatea [1784, Parma]
Didon abandonée [1792, St. Petersburg]
L’Oracle [1793, St. Petersburg]
Amour et Psyché [1793, St. Petersburg]
Tancréde [1799, St. Petersburg]
Le retour de Poliocréte [1799, St. Petersburg]
Einspielungsempfehlungen: