Literatur zu J. S. Bachs Wirken und Werken

  • Das muß doch auch mal sein, gell, ein Thread zur Bach-Literatur!


    Ich fang mal mit der "Bärenreiter Werkeinführung" von Emil Platen zu Bachs Matthäuspassion (1990, verbesserte zweite Auflage 1997) an, da es mir gestern recht hilfreich war. Dieses Taschenbüchlein umfasst 257 Seiten und kann und will somit keinesfalls eine erschöpfende Deutung der Matthäuspassion liefern. Platz für detailierte harmonische, strukturelle oder motivische Analysen hat das Büchlein freilich nicht, aber als "Werkeinführung" wird es doch allen diesen Aspekten gerecht. Wenn ich an so manche schludrigen "werkeinführungen" in Buchform denke, so meine ich, daß man Platens Einführung in die Matthäuspassion doch durchaus loben und empfehlen kann.
    Leider ist eine Beschreibung der Tradition und Geschichte von Passionsmusiken eigentlich nicht in diesem Buch vorhanden, ein paar Seiten mehr zu dem Verhältnis der Bach´schen Passionen im Vergleich zu Schützens Passionen und den hamburgischen Passions-Oratorien nach Texten von Hunold und Brockes (vertont durch Mattheson, Telemann, Händel, Fasch, Keiser,...) hätte sehr erfreut, aber man kann das in so einem kleinen Bändchen nicht erwarten.
    Sehr erfreulich ist, daß sich Platen umfangreicher der Person des Textdichters Henrici aka Picander widmet!!! In diesem "kleinen literaturwissenschaftlichen Ausflug" hat er mit Picanders Dichtung in all ihren Bezügen und rhetorischen Winkelzügen schmackhafter gemacht, obwohl Platen durchaus deutlich macht, daß Picander nun gerade nicht unbedingt der beste Dichter deutscher Zunge des Zeitalters war. Im Zusammenhang mit dem Libretto der Passion verweist er auch auf interessante Forschungen der Theologie, etwa auf zwei Aufsätze von Elke Axmacher.
    Die "Gattungen" Rezitativ (Rezitativo secco, Rezitativo accompagnato, "motivgeprägtes Accompagnato"), Chor (Choral und großformatige Chöre, Turbae-Doppelchöre) und Arie (Da capo Arie, "verkürzte Da capo Arie, etc.) werden dann exemplarisch anhand ausgewählter Beispiele vorgeführt/analysiert (bewußt auf einem Nieveau für musikalisch interessierte Laien). Von Seit 120 bis 213 werden dann alle 68 Sätze der Reihe nach besprochen. Im Schlußteil des Buches gibt es dann noch verschiedene kurze Abhandlungen über die Rezeptionsgeschichte, Gedanken zur Matthäuspassion und Wagners Parsifal, die Matthäuspassion im bürgerlichen Konzertbetrieb und von Bemühungen, die Matthäuspassion wieder in einen gottesdienstlichen Rahmen aufzunehmen, bzw. einen derartigen erstmal zu erfinden. Und noch ein paar Gedanken zur Matthäuspassion als Tanzdarbietung oder als sakrales Musiktheater.


  • Ich setzte mal mit der Matthäuspassion, nämlich mit Günter Jena "Das gehet meiner Seele nah, Bachs Matthäuspassion, Erfahrungen und Gedanken eines Dirigenten", erschienen bei Piper, 350 Seiten, mit Glossar und umfangreichen Anmerkungsapparat ausgestattet, fort.


    Günter Jena, Kirchenmusiker, Philosoph, Psychologe, Assistent bei Karl Richter, Chorleiter und Organist, Dirigent, Zusammenarbeit mit John Neumeier bei dessen Ballett "Matthäuspassion" uvm bietet einen profunden Einblich in das Werk.


    Hierzu Jena:


    Zitat

    Ich will den Hörer nicht belehren, sie wissen und hören letztlich ebensoviel wie ich. Aber die Hörer mögen ihr Empfinden vertiefen, wenn sie lesend an meinem teilhaben. Ich möchte sie auf einem Gang durch die passion begleiten - wie bei einem Streifzug durch ein Museum.


    Nach einem Kapitel über den Eingangschor geht Jena in je einem Kapitel auf die 27 Szenen ein, in die Bach selbst die Passion gegliedert hat.


    Fazit: sehr empfehlenswert!

  • Das Buch von Günther Jena scheint vergriffen zu sein. Ich habe es aber gerade für 4,95 Euro (plus 3 Euro Versandkosten) über Amazon Market Place bestellt. Laut Angaben des Verkäufers "wie neu" und aus einem aufgekauften Restposten des Verlages.


    Danke für den Hinweis, Tom.


    Carola :hello:

  • Das sympathischste Buch zum Thema Bach, das man im Übrigen sowohl als Anfänger als auch als Fortgeschrittener mit großem Gewinn lesen kann, ist freilich folgendes:





    Wer einen Zugang zu JSB sucht, sei das vorgenannte Werk dringend anempfohlen.



    Liebe Grüße



    tom

  • Günter Jena: Das gehet meiner Seele nah. Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach


    In der Ausgabe vom Herder Verlag 1999



    Das scheint mir ein wirklich lohnendes Buch zu sein - Tom hatte es weiter oben empfohlen. Schon in der Einleitung steht ein sehr schöner Satz: Vor allem Begreifen steht das Ergriffensein.


    In diesem Sinne!


    grüßt Euch Carola :hello:

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  • Guten Morgen


    noch was über Bach:



    Ein Handbuch über alle Orgeln, mit denen J. S. Bach nachweislich zu tun hatte.



    Und:



    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Bei mir soeben eingetrudelt:




    Unentbehrlich, die Booklets benötige ich jetzt nicht mehr zum Mitlesen. Das Einscannen kann ich auch ad acta legen. Für Euro 12,50 bei amazon oder jpc.

  • Hallo zusammen,


    die Empfehlungen sind alle gut.
    Aber das bisher umfassendste Buch zu Leben, Werk und Umfeld fehlt meiner Meinung nach noch:


    Viele Fragen bleiben da nicht offen, obwohl auch ein paar Fehlerchen enthalten sind – aber wohl weniger als in anderen Bach-Titeln. Gründlicher als hier kann man sich wohl kaum über JSB informieren.
    Obendrein jetzt als Taschenbuch; ich musste für die gebundene Ausgabe sehr viel mehr bezahlen.


    Viele Grüße
    Hildebrandt

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  • ... und noch eines:


    Rueb, Franz
    Achtundvierzig Variationen über Bach

    Erschienen: 02.2000
    Einband: Kartoniert / Broschiert
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3-379-01695-0
    ISBN-13: 9783379016957
    Bestell-Nr.: 1828324
    Umfang: 275 Seiten



    Ganz kurze Kapitel, gaaaanz kurze Sätze (manchmal wünschte man mehr Informationen), aber tiefgründig und vielschichtig genug, um uns den grossen JSB ganz nahe zu bringen.

    Beste Grüße!

  • Die bereits gezeigte Bach-Biographie von Albert Schweitzer ist auch mein bevorzugtes Buch, wenn es über den Meister der Barockmusik geht. Schweitzer bringt nicht nur eine ausführliche Zusammenfassung des Lebens Bachs, sondern auch Werkanalysen und Interpretationshinweise. Das Buch vermittelt somit einen hervorragenden Überblick über frühe Bach-Forschung (mir entfiel das Ersterscheinungsdatum???).
    Interessante Beilage zum Buch wäre natürlich die CD mit Bachs Orgelmusik - gespielt von Albert Schweitzer:




    Ein historisches Tondokument!

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerald ()

  • Zitat

    Original von Gerald
    Die bereits gezeigte Bach-Biographie von Albert Schweitzer ist auch mein bevorzugtes Buch, wenn es über den Meister der Barockmusik geht. Schweitzer bringt nicht nur eine ausführliche Zusammenfassung des Lebens Bachs, sondern auch Werkanalysen und Interpretationshinweise. Das Buch vermittelt somit einen hervorragenden Überblick über frühe Bach-Forschung (mir entfiel das Ersterscheinungsdatum???).


    Hallo Gerald,


    das Buch von Schweitzer ist auch mein Lieblingsbuch. In der Wikipedia findet man bei "Albert Schweitzer" auch einen Absatz dazu, und weil ich daran maßgeblich beteiligt war, erlaube ich mir, ihn hierher zu kopieren:


    Schweitzers Orgellehrer Charles-Marie Widor regte auch ein Buch über Johann Sebastian Bach an, durch das die französische Orgelwelt stärker mit der für Bach grundlegenden protestantischen Kirchenmusik und ihrem Wortbezug vertraut gemacht werden sollte (J. S. Bach, le musicien-poète, Paris u. Leipzig 1905). Widor selbst, Schweitzer freundschaftlich zugetan, verfasste dazu das Vorwort. Er riet auch zu einer deutschen Fassung, woraus durch völlige Neubearbeitung Schweitzers große Bach-Monographie (Johann Sebastian Bach, Leipzig 1908 ) entstand, ebenfalls mit einem Vorwort Widors versehen. Während die biographischen Details und die Datierung insbesondere der Kantaten inzwischen durch die Bachforschung weitgehend überholt beziehungsweise erweitert worden sind, ist die Bach-Monographie in musikästhetischer Hinsicht nach wie vor ein Standardwerk und insgesamt von großer geistes- und wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung. Schweitzer hebt besonders den im Werk J. S. Bachs konventionalisierten Gebrauch von Themen und Motiven, Tonarten und Instrumenten hervor. Er hat damit vergleichsweise früh, ohne die Termini zu verwenden, die rhetorische Qualität („Klangrede“) der Alten Musik und die Bedeutung der Affektenlehre thematisiert. Den Schlüssel sah er dabei in den Kantaten. Er fand immer wiederkehrende, sehr bildliche Motive, am auffallendsten bei der Beschreibung von Bewegungen wie etwa Gehen, Laufen, Fallen, Darniedersinken oder bewegungsintensiven Dingen wie Schlangen, Wogen, Schiffe, Flügel, ebenso auch abstrakte, bestimmte Affekte wie Freude, Trauer, Schmerz oder Lachen, Seufzer, Ächzen, Weinen beschreibende Motive. Schweitzer stellt diese musikalische Sprache systematisch dar und gibt dem Bach-Interpreten Hinweise, wie einzelne Motive zu artikulieren und gestalten seien, um die zugrunde liegenden Bilder herauszuarbeiten. Er zeigt auch, dass zum Beispiel die Orgel-Choralbearbeitungen diese Sprache enthalten und zum Verständnis und zur Darbietung dieser Musik die Kenntnis des Choraltextes gehört.


    Ein wichtiger Denkanstoß dürfte Schweitzer von der an sich völlig anders gearteten Leitmotivik Richard Wagners gekommen sein, dessen Musik er sehr schätzte. Allerdings arbeitet er in dem Kapitel „Dichterische und malerische Musik“ seiner Bach-Monographie die grundlegend unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Komponisten beim Umgang mit Themen und Motiven heraus. Bei Wagner und anderen „dichtenden“ Musikern werde versucht, ein dramatisches Geschehen als „ästhetische Ideenassoziationen“ mit der Musik auf die Zuhörer zu übertragen; sie richteten sich mitsamt ihren (Leit-)Motiven an das Gefühl. Bach und andere „malende“ Musiker stellten das Geschehen in Bildern oder aufeinander folgenden Bildern dar. Ihre Motive und Themen wendeten sich an die Vorstellungskraft und die Phantasie der Zuhörer.


    Beste Grüße


    García

  • Guten Abend


    z.Zt. für 14,95 € bei *jpc* zu haben:





    Siegbert Rampe; Dominik Sackmann:


    "Bachs Orchestermusik - Entstehung, Klangwelt, Interpretation. Ein Handbuch"


    Schmöckere z.Zt. in diesem interessanten Buch :]


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Guten Tag


    ein Buch mit vielen Daten und auch Infos zu Bachs Leben:



    "Kalendarium zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs"



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    empfehlenswert ist auch dieses



    Buch: "Peter Schleuning: Johann Sebastian Bach, Die Brandenburgischen Konzerte"


    "Beschreibung:
    Die sechs "Brandenburgischen Konzerte" Johann Sebastian Bachs zählen zu den unangefochtenen Favoriten aller Bach-Freunde und Programm-Macher, Musiker und Dirigenten und nicht zuletzt der Phonoindustrie. Sie sind zu einem Grundbestandteil musikalischer Bildung geworden, zu einem Stück internationalen musikalischen Kulturerbes.


    Diese "Six Concerts Avec plusieurs Instruments" hatte Bach im Jahr 1721 dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg gewidmet, weshalb Philipp Spitta sie im ersten Band seiner großen Bach-Monografie (1873) "brandenburgische Konzerte" taufte. Über diese Konzerte haben die Bach-Forscher in den letzten Jahrzehnten viel geschrieben, vor allem zu Entstehungszeit, -ort und -reihenfolge, und dabei fast alles, was früher galt, zunichte gemacht, um sich dann wieder teilweise dem alten Stand anzunähern. Die Ergebnisse dieser spannenden Berg- und Talfahrt stellt Peter Schleuning in geraffter und allgemein verständlicher Form dar.


    Im Zentrum des Buches aber stehen die ausführlichen Einzelwerkbesprechungen der sechs Stücke, die sich an folgenden Gesichtspunkten orientieren: Entstehung, Kompositionsweise und Form, Besetzung und Aufführungspraxis, Stilkritik, Semantik, Charakter und Bedeutung, Rezeption, Zyklusfragen"



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Tach,


    es ist ja bald Weihnachtszeit und vielleicht braucht der eine oder andere noch ein Geschenk für einen Bachliebhaber. Da kann ich James R. Gaines "Das Musikalische Opfer - Johann Sebastian Bach trifft Friedrich den Großen am Abend der Aufklärung" empfehlen.


    Es handelt sich eine Doppelbiographie über Friedrich den Großen und Johann Sebastian Bach. Ausgangs- und Endpunkt ist die historisch verbürgte einmalige Begegnung in Potsdam, bei der Friedrich Bach´s Improvisationstalent auf die Probe stellen wollte, indem er ihm ein Thema vorgab und bat, daraus eine dreistimmige Fuge zu improvisieren. Die weitere Aufgabe, auch eine sechstimmige Fuge zu komponieren führte zu einem von Bach´s größten Werken, dem titelgebenden "Musikalischen Opfer".



    Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen, auch wenn es Bachkennern wahrscheinlich keine neuen Erkenntnisse vermitteln kann. Es dürfte sich vor allem an solche Leser/Hörer wenden, die seine Musik schätzen, aber keine ausgesprochenen Experten sind.


    Hinzuweisen ist noch auf die ausgezeichnete Ausstattung (Leineneinband, Lesebändchen).



    VG, Bernd


    P.S.: Übrigens kann man es auch selber behalten !


    P.P.S.: Link mit Bestellmöglichkeit hier:


    [ama]3821862084[/ama]

  • Hallo,


    ThomasBernhard schrieb ganz am Anfang:


    ...Platz für detailierte harmonische, strukturelle oder motivische Analysen hat das Büchlein freilich nicht,...


    Genau so etwas suche ich! Klar begibt man sich dabei schnell aufs Glatteis - sogar jemand
    wie Christoph Wolff, der sich schon seit Jahrzehnten mit diesem Komponisten beschäftigt,
    traut sich da noch nicht ran (in der Bachbiografie kündigt er zumindest ein solches Buch
    an).


    Gibt es keinen Wissenschaftler, der intensiv dem harmonischen Zauber der Musik nachgegangen ist, und zum Beispiel die Wechselwirkungen zwischen den Stimmen
    analysiert hat. Stimmt schon: Wenn es so einfach wäre, hätte es ja schon mehr
    Bachs geben müssen..., aber vielleicht kann mir jemand ja weiterhelfen.


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Hallo SMOB,


    Zum Wohltemperierten Klavier existiert ein 580 Seiten dicker Band von Siglind Bruhn, in dem jede einzelnes Präludium und jede einzelne Fuge sehr genau analysiert wird. Siglind Bruhn war mir, bis ich dieses Buch in den Händen hielt, zwar nicht als Bach-Kennerin, wohl aber als Messiaen-Spezialistin ein Begriff. Durchlesen kann man ein solches Buch natürlich nicht. Einzelne Passage daraus habe ich mir angeschaut. Ich muss allerdings sagen, dass die Analyse von Siglind Bruhn ein erhebliches Vorwissen voraussetzt. Zudem hat mir die Lektüre einzelner Passagen nicht diesem großartigen Werk Bachs näher gebracht.


    Siglind Bruhn
    J. S. Bachs Wohltemperiertes Klavier
    Analyse und Gestaltung
    ISBN 3-938095-05-9
    Edition Gorz 2006
    580 Seiten


    Viele Grüße


    Sinfonie


    :hello:

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