Der Name ist in einem anderen Thread aufgetaucht - und das ist für mich ein Anlass, auf diesen Dirigenten hinzuweisen.
Maurice Abravanel (am Anfang seiner Karriere auch Maurice de Abravanel) stammt aus einer alten sephardischen Familie, die 1492 aus Spanien vertrieben wurde. Abravanel wurde am 6. Jänner 1903 in Thessaloniki (Griechenland) geboren und starb am 22. September 1993 in Salt Lake City, Utah. (Unter den Ahnen Abravanels ist Don Isaak Abrabanel, auch Abravanel oder Abarbanel, 1437-1508, ein jüdischer Politiker und Finanzmann im Dienste der Könige von Portugal, Spanien, Neapel und der Dogen von Venedig, dessen Bedeutung auch in seiner Tätigkeit als Philosoph und Kommentator der Bibel liegt.)
Maurice Abravanel verbrachte seine Jugendzeit in der Schweiz. Bereits im Alter von 16 Jahren dirigierte er zum ersten Mal ein Orchester. Er studierte bei Kurt Weill. In der Folge dirigierte er mehrere Orchester in Europa, darunter die Pariser Oper und das Berliner Staatsorchester.
Über Australien gelangte Abravanel nach New York, wo er 1936 an der Metropolitan Opera dirigierte. 1947 begann er seine legendäre Tätigkeit beim Utah Symphony Orchestra. 1979 ging er in den Ruhestand.
Abravanels Interpretationen zeichnen sich von tiefem Verständnis für den Stil eines Komponisten aus. Die Frage der Klangschönheit tritt etwa in Abravanels Brahms-Interpretationen wesentlich stärker in den Vordergrund als in den Mahler-Interpretationen, in denen Abravanel einen zum Teil wild expressionistischen Stil vorzieht. Mahlers Symphonien 7, 9 und das Adagio der 10. klingen in Abravanels Interpretation harsch, mitunter erschreckend dissonant und werden so zu Vorboten des musikalischen Expressionismus.
In seinen Sibelius-Interpretationen wiederum gelingt es Abravanel, eine Art natur-magisches Bild der Musik zu entwerfen, indem er die Repetitionen durch zunehmende Eindringlichkeit steigert - als würde er sie von schamanistischen Gesängen ableiten.
Große Verdienste hat sich Abravanel um die zeitgenössische Musik erworben. Nicht nur US-Komponisten erfuhren ideale Aufführungen, auch Komponisten wie Honegger, Satie, Varèse und Weill führte Abravanel auf und spielte ihre Werke ein.
Internationale Anerkennung wurde vor allem Abravanels Mahler-Zyklus zuteil, der unter Kennern auch heute noch als exemplarisch gilt. Zwar ist stellenweise zu erkennen, dass das Orchester an die Grenzen seiner Möglichkeiten stößt, und die vokalen Leistungen sind mitunter nicht ganz überzeugend. Dennoch ist Abravanels Zyklus in seiner Eigenart, seiner oft zwischen extremen Emotionen schwankenden Deutung eine der spannendsten Auseinandersetzungen mit Mahlers Symphonien, die auf Platte bzw. CD vorliegen.
Dass Abravanel dennoch vielfach als eine seltsame Blüte in der amerikanischen Provinz betrachtet wird statt als eine der großen Interpretenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, ist eine der Ungerechtigkeiten der an Ungerechtigkeiten überreichen Musikgeschichte dieser Zeit.