"himmlische Längen" - was ist zumutbar?

  • Der Ausspruch Schumanns über Schubert wird meist ernst genommen - vor kurzem habe ich mal gelesen, ob es nicht eine Ironie gewesen sein könnte?


    Rappy hat die Effizienz angesprochen und auf sinnvolle Nutzung der Zeit gefordert...


    DIe Beobachtung, daß die Länge von Einzelwerken seit der Barockzeit enorm zu genommen hat, führt zu Fragen, ob die Komponisten damals nicht so lang komponieren konnten, oder warum sich die Zuhörer im 19.Jh den stundenlangen Darbietungen aussetzten...


    IMO hat die menschliche Konzentrationsfähigkeit ganz klare Grenzen bei 90 Minuten. Mehr Musik kann man nicht auf einmal zu sich nehmen ohne Schwankungen der Aufmerksamkeit.


    Ich gebe zu, daß ich musikalisch nicht "geübt" im hören bin - in dem Sinne, daß ich mir nicht stundenlang Aufnahmen anhöre (hab nicht die Zeit...) jedoch ist das Hören Teil meines Berufs - bei Orchesterproben trage ich manchmal große Verantwortung, da ich quasi als drittes Ohr dem Dirigenten zur Verfügung stehen und falsche Töne bzw. dynamische Fehler korrigieren muß.


    in einem Thread mit "eigenen Konzertprogrammen" ist von 3 stündigen Programmen die Rede - das ist den Musikern nicht wirklich zumutbar...das Argument, beim Tristan spielen sie ja auch so lang, wird die Wr. Philharmoniker kaum überzeugen. (überlange Opern zählen übrigens als 2 Dienste -Grenze sind 3 Stunden)


    mir sind 4 stündige Opern ein Greuel, gewisse "Wartezeiten" sind wahrscheinlich hineinkomponiert, um den Mangel an Handlung auszugleichen... :stumm:
    Vor allem Zwischenspiele sind mir verhaßt (Parsifal...)

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • was heisst eigentlich IMO? das habe ich schon des öfteren gelesen, aber jetzt muss ich mal fragen....
    zum Thema: ich mag ich auch keine überlangen, aber noch weniger die kurzen opern, salome war mir entschieden zu kurz! Bajacco und cavalleria waren kombiniert, jakobsleiter und gianni scicchi auch, da war ich dann etwas befriedigt :)
    alles von wagner war zu lang, ausser tannhäuser und rienzi.
    alles von mozart ist sowieso zu kurz, da könnte ich tagelang..... :jubel:



    IMO= in my Opinion = eine Internetabkürzung
    MOD 001 Alfred

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • Seltsam, ich finde "Parsifal" ausgesprochen kurzweilig - hingegen stürzt mich dr erste Akt "Götterdämmerung" in Abgründe der Langeweile.
    Es ist für mich immer die Frage, ob ein Komponist die Spannung über die von ihm angepeilte Zeitstrecke halten kann. Mitunter sind schon relativ kurze Stücke für mich enervierend.
    Das Stück, das für mich aber eine einzige durchhängende Länge ist,ist "Einstein on the Beach" von Phil Glass. Ich kenne nichts, wobei ich annähernd so oft auf die Uhr geschaut habe.

    ...

  • Hallo Wolfgang,


    na wenn das mal kein Zufall ist.
    Ich habe heute wieder in der Dvorák Biografie von Honolka gelesen und bin dabei auf folgendes gestoßen:


    Beethovens erhabenes Vorbild prägt auch die erste Symphonie, die Dvorák Die Zlonitzer Glocken nannte. Schon die Tonarten der vier Sätze - c-Moll, As-Dur, c-Moll, C-Dur - gemahnen an Beethovens Fünfte; die Weitschweifigkeit, die schier kein Ende finden will, eher an Schuberts <<himmlische Längen>>.


    [Dvorák Biografie von Kurt Honolka, S.30 Sturm und Drang]


    Nun, ich kenne Dvoráks 1.Symphonie zwar noch nicht, aber als Schubert erwähnt wurde, musste ich unweigerlich an sein Streichquintett in C denken, welches ich zufällig beim Lesen gehört habe.
    Es sind zwar richtig tolle Stellen dabei, besonders der Dritte Satz (hat Stefan ja auch in seinem Rätsel verwendet, wenn ich mich richtig erinnere), aber insgesamt finde ich das Stück recht langatmig.


    Dagegen gefallen mir die langen Bruckner Symphonien immer mehr! Ich kenne zwar erst seine 5. und 8. (ich ziehe die 5. ganz klar vor), aber ich höre die beiden derzeit öfter und habe beschlossen, mir langsam die anderen Symphonien Bruckners auch zuzulegen. Trotz dieser Länge steckt da viel drin, was mir gefällt. Irgendwo wurde es erwähnt (ich glaube bei nicht so geschätzten Komponisten), dass bei Bruckner zu viel Pomp drin ist und alles einfach zu bombastig ist - genau das gefällt mir immer mehr. Diese steten Wechsel der Stimmungen.


    Genaue Längen kann ich da also gar nicht für mich ausmachen. Es ist eben vom Werk abhängig.


    Aber da fällt mir noch, war nicht gestern oder so erst irgendwo von einem Stück die Rede, welches 6 (sechs) Stunden geht!?


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Gerade wurde in einem anderen Thread geschrieben:


    Zitat

    Das Violinkonzert [Elgars, Anm. d. Red.] enthält sehr schöne Themen, aber ich finde es zu lang.


    Das ist für mich ein Werk, das ich nicht zu lang finde, obwohl es wirklich lang ist. Aber ich liebe es so, wie es ist.
    Mit den Bruckner-Sinfonien hatte ich anfangs auch meine Probleme, habe mich da mittlerweile aber auch ganz gut eingehört, mir macht auch die halbe Stunde langsamer Satz in der Achten nichts mehr aus.


    Es kommt wirklich auf das Stück an, Mahlers Fünfte empfinde ich beispielsweise (noch) als zu lang.



    Gruß, Peter.

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  • Hallo!


    Es kommt für mich immer darauf an, wie die Zeit "gefüllt" ist.
    Auch ein fünfminütiges Stück kann schon "zu lang" sein, wenn ich da nichts interessantes Höre.
    Schuberts Streichquintett hätte auch zwei Stunden lang sein können, ich würde es genau so gebannt hören.
    Dagegen ist mir die ein oder andere Mahler-Symphonie "zu lang" (es gibt noch andere Komponisten, ich nehme mal exemplarisch Mahler heraus).


    "Himmlische Längen" klingt doch noch sehr nett. Ich sage in einigen solchen Fällen "Variationen über kein Thema". :stumm:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    DIe Beobachtung, daß die Länge von Einzelwerken seit der Barockzeit enorm zu genommen hat, führt zu Fragen, ob die Komponisten damals nicht so lang komponieren konnten, oder warum sich die Zuhörer im 19.Jh den stundenlangen Darbietungen aussetzten...


    Ein Werk wie Händels "Alexanderfest" (ca. 90 min.) reichte nicht als entertainment für einen Abend aus, etwa eine weitere Stunde mußte mit einem anderen Stück gefüllt werden. Die Programme von Beethovens legendären Akademien, mit z.B. 5. & 6. Sinfonie, einem Klavierkonzert, ein paar Arien, ein paar Stücken aus der C-Dur-Messe und der Chorfanasie (und alles wen ich recht erinnere im Dezember im ungeheizten Saal!) sind ja bekannt. Wenn man ins Konzert ging, mußte es sich eben auch lohnen!


    Zitat


    Ich gebe zu, daß ich musikalisch nicht "geübt" im hören bin - in dem Sinne, daß ich mir nicht stundenlang Aufnahmen anhöre (hab nicht die Zeit...) jedoch ist das Hören Teil meines Berufs - bei Orchesterproben trage ich manchmal große Verantwortung, da ich quasi als drittes Ohr dem Dirigenten zur Verfügung stehen und falsche Töne bzw. dynamische Fehler korrigieren muß.


    Ich bin nicht sicher, ob man dieses doch recht hoher Konzentration bedürfende professionelle Hören mit dem normalen Hören als Zuschauer vergleichen kann. Die wenigsten Opernbesucher werden durchgehend auch nur ansatzweise so fokussiert sein...


    Zitat


    in einem Thread mit "eigenen Konzertprogrammen" ist von 3 stündigen Programmen die Rede - das ist den Musikern nicht wirklich zumutbar...das Argument, beim Tristan spielen sie ja auch so lang, wird die Wr. Philharmoniker kaum überzeugen. (überlange Opern zählen übrigens als 2 Dienste -Grenze sind 3 Stunden)


    Es ist ja ca. jede Stunde einmal Pause; ich finde drei einstündige Opernakte mit Pausen dazwischen als Zuhörer/schauer kein Problem, jedenfalls nicht im Theater. Zuhause muß man sich mitunter ein wneig zusammenreißen. Da höre ich normalerweise auch nur einen Akt und den nächsten einen Tag später.
    Ohne Pausen ist mehr als 90 min tatsächlich anstrengend; ich habe Salome allerdings noch nie in der Oper gesehen, einmal Bruckners 8. Ist an der Grenze, länger sollte es wirklich nicht sein.
    Früher war ich von der schieren Momumentalität, die eben auch lange Spieldauer einschließt von Bruckners und Mahlers Sinfonien fasziniert. Inzwischen finde ich einige (auch einige Einzelsätze schon zu lang, etwa Mahlers 3. oder von Bruckner etliche Scherzi und Finali, wo einfach gemessen an der Länge nichts passiert. Ebenso Schubert: Sonaten und C-Dur-Sinfonie, zu lang, zu repetitiv
    Als Faustregel finde ich (als eher sporadischer Opern- und Konzertbesucher) es wesentlich leichter, mich live länger Zeit zu konzentrieren als bei Konserven.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von nala


    IMO= in my Opinion = eine Internetabkürzung
    MOD 001 Alfred


    ?(


    Ich dachte immer, es bedeutet soviel wie "Meiner Meinung nach"


    ?(

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Pius


    "Himmlische Längen" klingt doch noch sehr nett. Ich sage in einigen solchen Fällen "Variationen über kein Thema". :stumm:


    Salut,


    kann es vielleicht sein, dass Du Dich an dem Wort "himmlisch" störst?


    Ich jedenfalls finde keine der Mahler-Sinfonien zu lang - manche Sätze eher zu kurz. Ich denke, es geht hier mal wieder um subjektives Empfinden bezüglich der Länge, beeinflusst von Mögen oder Nichtmögen bzw. Verständnis oder Unverständnis gegenüber des Werkes und/oder Komponisten.


    Selbst Schuberts "himmlische Längen" sind einfach noch zu kurz. Der Autor dieser Aussage ist sicherlich ein absolut unumstösslicher Schubert-Fan gewesen, der froh war, dass die Werke/Sätze so weit ausgebaut sind. Im Vergleich dazu sind die Sinfonien eines Haydn sehr kurz - aber auch himmlisch. Für mich gibt es - wie Du es auch schriebst - jede Menge Musik, die gar nicht mehr aufzuhören braucht.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo, Ulli!



    Meiner Meinung nach bedeutet "in my opinion" "meiner Meinung nach".


    IMO kann man sich auch länger als 90 Minuten auf Musik konzentrieren - Bachs h-moll-Messe oder die Matthäuspassion vergeht manchmal wie im Flug...


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Hallo,


    keine Bewertung dieses tollen Werkes, aber unter Orchestermusikern gibt es den folgenden Ausspruch, den ich aus eigener Erfahrung unterschreiben kann


    "Ich träumte, ich spielte Parsifal, und ich wachte auf und spielte tatsächlich Parsifal" :)



    Gute Nacht,


    Michael


  • Ich bin geneigt, Pius in dieser Sache Recht zu geben. ;)


    Apropos Pius: Irgendwie kommt mir der Kerl so fremd vor. Ich kann aber nicht sagen woran das liegt...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Ohne Pausen ist mehr als 90 min tatsächlich anstrengend; ich habe Salome allerdings noch nie in der Oper gesehen, einmal Bruckners 8. Ist an der Grenze, länger sollte es wirklich nicht sein.


    Man merkt schon, hier gibt es viele Ungeeichte. ;)


    Ich möchte einmal dezent darauf hinweisen, dass heutzutage der "Fliegende Holländer" gerne in der ursprünglich gedachten, pausenlosen Version aufgeführt wird (140 +/- 10 min, je nach Dirigent). Wenn das gut gebracht wird, hat kein Opernliebhaber ein ernsthaftes Problem mit dieser Länge.



    Zitat

    Inzwischen finde ich einige (auch einige Einzelsätze schon zu lang, etwa Mahlers 3. oder von Bruckner etliche Scherzi und Finali, wo einfach gemessen an der Länge nichts passiert. Ebenso Schubert: Sonaten und C-Dur-Sinfonie, zu lang, zu repetitiv


    Du bist dir aber schon im Klaren, dass du mit derartigen Aussagen Gefahr läufst, einige Punkte auf deiner Beliebtheitsskala abgezwickt zu bekommen?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Ich bin geneigt, Pius in dieser Sache Recht zu geben. ;)


    Kommt darauf an, ob das IMO am Satzanfang, mitten im Satzgefüge steht oder obsi getippt wurde...


    :angel:


    Schönen Sonntag.
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Tastenwolf!


    Einspruch! Parsifal ist keinesfalls zu lang oder gar langweilig. Bei meiner Erstbegegnung mit dieser Oper (ich war damals 18 Jahre alt) haben mir sogenannte "Kenner" Angst gemacht: diese Oper ist zu schwer, dauert zu lang, ist fad, dir wird langweilig werden. Nichts von dem geschah, ich habe während der Aufführung nicht einmal auf die Uhr geschaut, nicht einmal das Gefühl von Langeweile empfunden, ich war nur fasziniert von dem, was sich auf der Bühne und im Orchestergraben tat, und das hat sich auch in all den Jahren nicht geändert, ich staune über diese Oper noch immer wie vor 34 Jahren beim ersten Hören. Die Zwischenspiele sind für mich dramaturgisch richtig eingesetzt, auch da empfinde ich keinen Stillstand oder Langeweile.


    "Himmlische Längen" hingegen gibt es für mich in Schumanns "Das Paradies und die Peri", dieses Oratorium habe ich zweimal gehört, und mich beide Male damit überhaupt nicht anfreunden können, es hat in musiklischer Hinsicht keinerlei positive Eindrücke bei mir hinterlassen. Den Text empfand ich, ebenso wie bei "Genoveva", nur kitschig.

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  • Hallo Erna,


    zumutbar ist ja ein subjektiver Eindruck, ich sollte auch zugeben, daß vor allem der erste Akt mir zu lang war - im 2. ist ja endlich was los..


    Aber du kennst auch das Gefühl, wenn sich musikalisch nichts tut und verschiedenste Gedanken auftauchen bzw. wenn man das Stück kennt und weiß, was alles auf einen zukommt. Manchmal wird ein Werk dadurch für mich umso länger, je genauer ich es kenne.


    Komischerweise merke ein riesiger Unterschied zwischen dem eigenen üben, Proben an der Oper mit einem Dirigenten, und dem Hören einer Aufführung.
    beim Üben halte ich sehr lange durch - allerdings bestimme ich selbst, was ich gerade spiele, da gibt es Phasen, wo ich an einem Stück 90 Minuten üben kann ohne Pause - 2 Stunden ist die nervliche Grenze, dann muß ich zu etwas anderem wechseln. Je nach Kondition oder Dringlichkeit kann ich 6 Stunden (mit Unterbrechungen) am Klavier verbringen. (Extremwert sind 10 Stunden - wenn der Hut brennt.. :] )


    bei Proben mit DIrigent stehe ich unter Druck - höhere Konzentration...mein Maximum war bisher die Oper "Sophie's Choice" mit ca 3 Stunden Spielzeit. Nach der Klavierhauptprobe (ein Durchlauf des ganzen Stücks mit Klavier) war ich fix und fertig... schlimm war es nach dem 3.Akt, wo ich genau gewußt habe, was alles im 4. noch auf mich zukommt.


    Naja, und beim Zuhören -
    wie sollte ich mich denn "eichen"? - durch Wagner Opern, die ich nicht gerade liebe...
    bzw. nur für jene?


    ich merke eben, wann meine Konzentration schwindet, daran ist aber auch die Komposition und die Interpretation beteiligt...


    Irgendwo gibt es einen Punkt, ab dem ich mich nur mehr berieseln lasse...denn sicher kann man stundenlang nebenbei Musik hören, ohne sie wahrzunehmen...


    ICh meinte, daß 90 Minuten aktives Hören eine Grenze sind.
    die Rekordleistungen nehm ich euch nicht ab...wer kann sich denn nach 4 Stunden an Einzelheiten erinnern?
    Bei jedem Werk dieser Länge gibt es Schwachstellen - da schaltet man kurzfristig ab...


    Bei Barockopern sind das meistens die Da capo Teile...am schlimmsten bei langsamen Arien...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • „Himmlische Längen“ ausgehend von Schuberts großer C-Dur Sinfonie bedeutet für mich, dass es einem Komponisten gelingt, ausgehend von einem einzigen Motiv, hier dem Horn-Motiv in den ersten 7 Takten, nicht nur einen Satz, sondern ein ganzes Werk zu entwickeln.


    Das stellte natürlich sowohl die klassische Sonaten-Form wie auch die Sinfonie, die mit Beethoven an eine Grenze gekommen war, infrage. Daher wurde diesen Werken ausgehend vom klassischen Verständnis immer Überwucherung und Formlosigkeit vorgeworfen, für Brahms waren Bruckners Sinfonien „Riesenschlangen“.


    Mich hat Schuberts Sinfonie schon immer in besonderer Weise fasziniert. Schumann hat die gleiche Idee in seiner 4. Sinfonie zu verwirklichen gesucht. Einen Vorläufer sehe ich in Mozarts 40. Sinfonie.


    Bei solchen Werken kommt es natürlich sehr stark auf den Interpreten an, ob es gelingt, diese innere Spannung durchzuhalten.


    Bei Bruckner sehe ich Höhepunkte solcher Längen in dem langsamen Satz der 3. Sinfonie (der richtig gespielt sogar mit dem ersten Satz eine Einheit bildet und dadurch eine Länge von fast einer Stunde erhält, und das ist wirklich zumutbar, bei dem Konzert im letzten Jahr mit Marthé in Mondsee gab es spontanen Beifall nach dem zweiten Satz, so stark waren die Zuhörer erregt und hielten es buchstäblich nicht mehr auf ihren Sitzen aus) und dem ersten Satz der 7. Sinfonie. Ich weiß, dass du gerade betreffend dieser Sinfonie anderer Meinung bist, aber höre dir etwa die Aufnahme von Knappertsbusch aus Salzburg 1949 oder die sogar nochmals besonders langsam gespielte Aufnahme mit Celibidache an ...


    Aber auch den langen ersten Satz von Mahlers 3. Sinfonie finde ich sehr gelungen. Überlang im negativen Wortsinn wird für mich erst der letzte Satz dieser Sinfonie.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Hallo Tastenwolf!


    Ich gebe zu, dass meine Aufmerksamkeit schon vom Interesse am Werk, von der Interpretation und auch von anderen Einflüssen, beruflicher oder privater Stress, abhängt. Aber meistens, wenn ich im Konzert sitze oder mir eine CD anhöre, bin ich voll darauf konzentriert und kann wirklich abschalten, dann stören mich himmlische Längen auch nicht.

  • ich hörte mal im Musikverein Bruckners Neunte - danach das Te Deum - OHNE PAUSE!
    Grausam!


    Was die von Theophilus angesprochene Eichung betrifft - es könnte ja auch umgekehrt eine auf Details und Präzision ausgerichtete Eichung geben.


    mir ist es lieber, mit voller Aufmerksamkeit 40 Minuten zu hören statt mich durch 2 Stunden zu quälen (ich?freiwillig in den flieg. Holländer ?( :P )


    Wenn man ein Konzert benutzt, um abzuschalten, und den Alltag zu vergessen ( ist nicht ironisch oder abwertend gemeint ) stellt man wahrscheinlich andere Ansprüche, man will genießen


    Vielleicht muß ich mich damit abfinden, daß ich eher die Stille brauche, die Natur, um abzuschalten. In der Musik finde ich das selten.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    Der Ausspruch Schumanns über Schubert wird meist ernst genommen - vor kurzem habe ich mal gelesen, ob es nicht eine Ironie gewesen sein könnte?
    ...


    lieber tastenwoifi (da ich ja die ehre hatte dir zu begegnen, erlaube ich mir die üblichen frechheiten)


    dieses diktum wird in booklets und programmheften immer verkürzt wiedergegeben, -logischerweise, denn im original ist es zu lang.
    der artikel erschien am 10.3.1840 in der neuen zeitschrift für musik (bd.12, nr.21, s.81ff.).
    im wesentlichen heißt der satz:
    " und diese himmlische länge der symphonie, wie ein dicker roman in vier bänden etwa von jean paul, der auch niemals endigen kann und aus den besten gründen zwar, um auch den leser hinterher nachschaffen zu lassen"


    allerdings hat schumann schon am 11.12.1839 in einem brief an clara (noch) wieck geschrieben. "[...] das sind menschenstimmen, alle instrumente, und geistreich über die maßen, und diese instrumentation trotz beethoven -und diese länge wie ein roman in vier bänden, länger als die neunte sinfonie.[...]"
    das war am vorabend der aufführung. die metapher vom 4-bändigen roman scheint ihm gefallen zu haben.


    jean paul id est johann paul friedrich richter (1763-1825).
    kein mensch liest den heute mehr, vielleicht steht er in guten gymnasien auf dem lehrplan.
    ich möchte einige seiner (meist mehrbändigen) titel anführen, nicht um doch noch den thread in richtung ironie zu biegen ;), sondern nur so, weil heute dieser dingsda ist, dieser komische tag: :baeh01:


    blumen- frucht- und dornenstücke oder ehestand, tod und hochzeit des armenadvokaten f.st. siebenkäs im reichsmarktflecken kuhschnappel


    dr. katzenbergers badereise; nebst einer auswahl verbesserter werkchen


    des feldpredigers schmelzle reise nach flätz mit fortgehenden noten; nebst der beichte des teufels bey einem staatsmanne


    leben des quintus fixlein, aus fünfzehn zettelkästen gezogen; nebst einem mustheil und einigen jus de tablette


    rede des todten christus vom weltgebäude herab dass kein gott sei


    :beatnik:


    bytheway:
    Ausserordentliches Konzert
    Datum: 2006-02-28, 19:30
    Ort: Konzerthaus, Großer Saal (Wien, Österreich)
    Dirigent: Riccardo Muti
    Rainer Honeck, Violine
    Tobias Lea, Viola
    Programm:
    Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester, Es-Dur, KV 364
    Franz Schubert: Symphonie Nr. 8, C-Dur, D 944


    das wird höllisch schön :evil:

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Das Stück, das für mich aber eine einzige durchhängende Länge ist,ist "Einstein on the Beach" von Phil Glass. Ich kenne nichts, wobei ich annähernd so oft auf die Uhr geschaut habe.


    Hallo Edwin,


    gutes Beispiel! Wie wäre es denn noch mit Steve Reich: Music For Eighteen Musicians"!? Na gut, vielleicht wandert der Blick ja gar nicht mehr zu Uhr. Ich nicke bei diesem Stück regelrecht weg. :rolleyes:
    LG
    Wulf

  • Zitat

    Original von tastenwolf


    Bei jedem Werk dieser Länge gibt es Schwachstellen - da schaltet man kurzfristig ab...


    Bei Barockopern sind das meistens die Da capo Teile...am schlimmsten bei langsamen Arien...


    Salut,


    vehementer Widerspruch:



    In dieser wirklich ausgesprochen gut geratenen Einspielung von Händels "Rodelinda" werden alle da-capo-Arien und -Duette, an welchen Marijana Mijanovic singender Weise beteiligt ist, nach dem Mittelteil auf ganz besonders schöne Weise ausgeziert. Grund dafür war das 2004er Glyndebourne Festival, an dem Mijanovic offentsichtlich als Bertarido [wie in dieser Einspielung] teilnahm und diese meisterhafte Darbietungsart vorführte. Die gelungenen Auszierungen stammen von Emmanuelle Haïm, die sich allem Anschein nach als "Stardirigentin" gerade einen Namen macht. Diese liebevoll und handwerlich perfekt ausgezierten da-capo-Teile sind wirklich beneidenswert schön gelungen, eigentlich besser noch, als das trockene Original, das man ja im ersten Teil zu hören bekommt. So war es ja eigentlich auch gedacht.


    Das Highlight der Auszierungen in dieser Einspielung ist im letzten Duett D'ogni crudel martir [mit Simone Kermes als Rodelinda] zu hören. Hier wird zudem noch eine sagenhafte, kurze Kadenz eingebaut, die sogleich attacca in den Schlußchor abfällt.


    Das ist wirklich sehr, sehr gut gelungen! Da wünsche ich mir wirklich viel mehr davon! Ich kann mich gar nicht satthören...


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Wulf
    Wie wäre es denn noch mit Steve Reich: Music For Eighteen Musicians"!? Na gut, vielleicht wandert der Blick ja gar nicht mehr zu Uhr. Ich nicke bei diesem Stück regelrecht weg. :rolleyes:
    LG
    Wulf



    Tja, Steve Reich ist eben so ein Fall - entweder er trifft den Nerv oder nicht. Ich könnte die Musik Stunden hören (und habe es auch schon gemacht) und finde sie einfach stets und immer und fortdauernd wahnsinnig mitreißend! Steve Reich trifft genau meinen Nerv! Perfekte Musik! Es ist also alles Ansichtssache!

  • "Saint François d`Assise" von Olivier Messiaen dauert vier Stunden, zu denen noch die Pausen dazukommen. Das Stück besteht aus acht Bildern, die zwischen etwa 17 und 45 Minuten dauern. Jedes der Bilder hat eine eigene Partitur, und die acht Bände umfassen zusammen mehr als 2000 Seiten. Wie hierzulande viele wissen - das Stück wurde in Salzburg mehrfach gegeben - passiert in dieser Oper wenig an Handlung. Insgesamt noch etwas weniger als in Parsifal. 8o Musikalisch ist dafür einiges los, vor allem natürlich in den riesigen, kontrapunktischen Überlagerungen von (transkribierten) Vogelstimmen in dem sechsten Tableau, "Le Prêche aux Oiseaux".


    In Europa gibt es alle zwei bis drei Jahre irgendwo eine Aufführungsserie des Stückes, und in diesem Abstand könnte man es zur Not aushalten. Live habe ich es jedoch erst zweimal gesehen, zuletzt 1998, und zur Zeit habe ich noch keine Entzugserscheinungen. Ich denke, zehn Jahre Pause zwischen zwei Besuchen dieser Oper sind in Ordnung. Die CD-Aufnahme habe ich allerdings noch nie in einem Zug durchgehört und bin wahrscheinlich auch nicht dazu fähig. :wacky:


    Weniger Probleme habe ich bei:


    Die drei letzten Schubert-Sonaten an einem Klavierabend.


    Bach, Matthäus-Passion. Notfalls auch im Stehen.
    Ein Abend mit indischen Ragas einschließlich Zugaben, mit Konzertbeginn um 20 Uhr und Ende gegen zwei Uhr nachts. :hello: :hello: :hello:

  • Hallo van Rossum,


    ich habe einen falschen Eindruck erweckt. Ich bin ebenso ein großer Reich-Fan und schätze seine Werke außerordentlich. Bloß dieses eine Werk "Music for 18 Musicians" , ich habe es halt noch nie geschafft es in einem Rutsch durchzuhören. Letztens habe ich es auf zwei Abende verteilt...das war toll!!!


    LG
    Wulf.

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  • Morton Feldman´s 2. Streichquartett von 1983 dauert insgesamt 5 Stunden; ich habe es selbst noch nicht genossen, habe aber gehört, daß es absolut leise und sehr karg ("alle 30 Sekunden ein Klangtupfer") sein soll, also ein echter Test wie lange man es ohne zu husten, ohne mit dem Stuhl zu knarren, ohne gähnen und ohne aufs Wc zu gehen aushalten kann.Am besten , man schläft ein (also damit keine falscher Eindruck entsteht- ich liebe zeitgenössische Musik ;)- ich erinnere mich, mal irgendwo gelesen zu haben, daß Feldman´s Lehrer John Cage einmal einer Aufführung beiwohnte, und es absolut abscheulich und viel zu unnötig lange fand :D )


    Andererseits: Die sensationelle Wiederaufführung von Joseph Marx´s "Herbstsymphonie" durch das Recreation Orchester im Grazer Stefaniensaal guckte ich mir am Stehplatz an, weil mir die Karten zu teuer waren; da spürte ich allerdings überhaupt nicht wie die Zeit verging (obwohl es ein sehr ausführliches Werk ist) ich glaube, da hätte ich mit Begeisterung noch gerne 2 weitere Stunden gestanden!


    lg
    walter

  • Nur wenige Jahre nach Beendigung des obigen Streichquartetts von Morton Feldman habe ich der Aufführung beigewohnt, allerdings in einer auf 3 bis 4 Stunden gekürzten Version.


    Die ersten zwei Stunden fielen mir etwas schwer; ich glaube, ich war etwas zappelig. Dann aber war ich in dem Stück und seiner Atmosphäre richtig "drin" und habe das Zeitgefühl vollständig verloren. Ich hätte gerne noch weiter gehört.


    Aber: die Musik habe ich, so glaube ich es sagen zu können, hauptsächlich wegen der Atmosphäre genossen, also quasi als eine Art von Meditation empfunden - was auch nach der Eingewöhnungszeit bzw. nach dem Abstreifen der anfänglichen Erwartungen toll war.


    Als ein strukturiertes, organisches und in sich geschlossenes Werk konnte und kann ich es (u.a. wegen seiner Länge, die meine Konzentrationsfähigkeit überfordert) bisher nicht wahrnehmen.


    Da ich es dennoch genießen konnte,habe ich mir alsbald das Streichquartett von 1979 zugelegt, das mir ab und zu zur angenehmen Berieselung dient:

    Damals allerdings die selbe Einspielung noch mit anderem Cover von der Firma KOCH Classics und mit dem mehrfachen Preis.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • "Berieselung" ist gut :D....
    Obwohl ich zwar denke, daß der gute Morton dabei in seinem Grab rotiert, finde ich daß es eig. eine ganz gute Art ist, Zugang zu seinen Werken zu finden.
    Und wer weiß? Gerade Satie mit seinen "Vexations" und deren 840 Wiederholungen wies ja in eine Richtung, in der man Musik nicht mehr als lineares Gebilde mit Anfang und Ende wahrnehmen muß...

    Ich lass mich gerne von "For Samuel Beckett" berieseln, fühle mich danach allerdings oft etwas seltsam. :yes:


    lg
    walter

  • Hallo,


    ich denke auch, dass es Feldmans Absicht war, die Grenzen und die Form verschwimmend und unkenntlich zu machen. Der Hörer soll quasi komplett eintauchen in einen Pool, wo er weder Oberfläche noch Grund einsehen kann.


    Der Maler Mark Rothko hat ähnlich gearbeitet und Bilder kreiert, die man aus nächster Distanz (10 cm oder so) betrachten sollte. Und die Bilder waren groß und so konnte man die Ränder ebenso nicht mehr erkennen.



    Gruß, Peter.

  • Es hängt doch einfach von der subjektiven Wahrnehmung ab.


    Der Tristan dauert ca. viereinhalb Stunden und ist damit eine der längeren Opern. Ich bin jedesmal überrascht, dass sie schon aus ist.
    Die Götterdämmerung hingegen ist mir zu lang. Den ersten Akt habe ich früher immer verschlafen und bin erst bei Siegfrieds Tod wieder aufgewacht.
    Der Rosenkavalier ist eigentlich auch lang, aber er langweilt nicht.
    Wenn mir etwas aber nicht gefällt, ist mir auch eine Viertelstunde zu lang.


    Tja, meine 2 cent.


    liebe Grüße, Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

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