Der "ungeliebte" Bruder - Leben und Werk des Michael Haydn

  • Irgendwie hat jeder schon einmal etwas von ihm gehört, dem jüngeren Bruder des berühmten Joseph Haydn, aber ins Bewusstsein eines aufnahmefähigen und willigen Publikums ist er niemals so richtig vorgedrungen.
    1737 in Rohrau (Niederösterreich) geboren,wurde er nach einer Ausbildung, die im großen ganzen der seines Bruders Joseph glich,Hofkapellmeister des Bischofs von Großwardein.Ab 1763 "Hofmusicus und Concertmeister" des Fürsterzbischofs von Salzburg (Sigismund von Schrattenbach, später Hieronymus Colloredo). 1804 Mitglied der Königlichen Schwedischen Akademie für Musik. In Salzburg harrte er, trotz immenser Schwierigkeiten, bis an sein Lebensende aus.
    Mozart senior und junior waren seine Kollegen, C.M. von Weber sein Schüler.
    Seine Sinfonien liegen bei CPO in brauchbaren Enspielungen vor; seine eigentliche Bedeutung als Kirchenkomponist jedoch
    wird nur selten angemessen gewürdigt. Auszüge aus seinem großartigen Requiem in c-moll waren jetzt eben bei den Beisetzungsfeierlichkeiten des verstorbenen österreichischen Staatspräsidenten Klestil zu hören !
    Sein Kirchenstil ist eine gelungene Synthese der strengen Kompositionsprinzipien des Wiener Hofkapellmeisters Johann Joseph Fux (1660-1741), dessen Werke Haydn ausführlich studierte mit den Errungenschaften der Frühklassik, wie sie in Östereich vor allem Wagenseil und Monn (weniger der eigne Bruder)vertraten. Die immer "optimistische" Grundeinstellung seines Bruders Joseph teilt Michael nicht.
    In seinen Werken kommt es zu Brechungen und Verwerfungen, und genau diese sind es, die mich an ihm faszinieren. Fragen werden aufgeworfen, auf die es keine klischeehaften, vorgefertigen Antworten gibt. W.A. Mozart orientiert sich in seinen besten Kirchenwerken (c-moll-Messe, Fragment), Requiem, unverkennbar an Michael Haydn.
    Die Ortientierung am strengen kontrapunktischem Satz und eine grundsätzliche "Sperrigkeit" sind wohl die wesentlichen Ursachen, weshalb er nicht eben zum "Publikumsliebling" avancierte.
    Wer von euch kennt weitere Werke des Salzburger Meisters und welche Einspielungen empfehlt ihr ?

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo Big Berlin Bear,


    Zunächst einmal bin ich begeistert, daß Du das Thema Michael Haydn aufgreifst, wo ich mich (noch) nicht einmal getraue seinen berühmterer Bruder Joseph hier zu thematisieren...... =)


    Wie Du schon richtig sagtes, nein eigentlich nicht einmal andeutest, war Michael Haydn auch mit Mozart befreundet, der ihn vor allem wegen der meisterlichen Beherrschung des Kontrapunkts bewunderte. Mehr als einmal half Mozart seinem Freund und Kollegen aus der Patsche und komponierte für ihn etwas fertig, damit dieser seinen Auftrag erfüllen konnte.
    Mozarts Sinfonie Nr 37 ist solch ein Beispiel
    (Sie ist eigentlich von Michael Haydn, Mozart hat nur Teile davon geschrieben)
    Dies ist ein Indiz dafür, wie hoch Mozart M. Haydn geschätz hat, weil Mozart hätte nie einem Kollegen "ausgeholfen", den er nicht absolut ernst genommen hätte, dazu war er zu intolerant.


    Michael Haydn war zu Lebzeiten vor allem als Kirchenmusiker hochberühmt. Er beneidete seinen Bruder zwar und schrieb einst, auch er könne Größeres schaffen, wenn er nur die Rahmenbedingungen dafür hätte (Eine Anspielung auf seinen Bruder, ohne jedoch dessen Namen zu nennen)


    Als ihm Joseph Haydn jedoch einen guten Posten verschafft hätte, lehnte er ab und blieb in Salzburg....


    Tja an Empfehlungen habe auch ich nicht viel zu bieten. Die Sinfonien unter Warchal auf cpo sind IMO Standard, mehr nicht, die unter Goricki sind sicher besser.


    Meine Lieblings-CD kann ich Dir auch nicht empfehlen, weil die wird Dir zu "lieblich" klingen, das "Sperrige" ist weg



    Aber vielleicht kennst Du ohnedies eine Aufnahme aus dieser Serie. Bei jpc gibts übrigens eine Abhörmöglichkeit (unbedingt MEDIA PLAYER verwenden !!)



    Und dann hab ich noch folgende CD in meiner Sammlung:



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier noch schnell etwas Erfreuliches zur ansonsten eher traurigen "Michael-Haydn-Diskographie".
    Alls bislang EINZIGES seiner großen Vokalwerke in wirklich ÜBERZEUGENDER und hochwertiger Besetzung ist E N D L I C H erschienen:



    noch heute abend trete ich meine alte Aufnahme mit dem Orchester des Mozarteums, die sowohl klanglich wie auch interpretatorisch ein Desaster war, in die Tonne

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat


    Mozarts Sinfonie Nr 37 ist solch ein Beispiel
    (Sie ist eigentlich von Michael Haydn, Mozart hat nur Teile davon geschrieben)


    Salut,


    Ja, Michael Haydn war ein sehr guter Freund Mozarts... betreffend der von Alfred erwähnten Sinfonie handelt es sich nicht um Teile davon, sondern ganz konkret um die langsame Einleitung dazu (ich meine sie stünde in G-Dur?), die Mozart komponiert hatte. Ob es sich dabei um einen Freundschaftsdienst handelte, lässt sich wohl nicht mehr klären. Die Handschrift ist noch existent und Mozart schreibt auch einen Teil des (auf seine Einleitung folgenden) ersten Satzes ab, bricht diese Arbeit jedoch ab. Vielleicht wollte er das Werk auch für sich abschreiben?


    Jedenfalls halft er Michael Haydn aus der Klemme, als dieser völlig betrunken an seinen Freund herantrat und ihn darum bat, zwei Duos für Violine und Viola zu schreiben, die er in Kürze abzuliefern hatte. Mozart erledigte dies im Handumdrehen. Lange Jahre galten diese beiden Kleinode als Werke M. Haydn's, heute sind sie wieder im Köchelverzeichnis enthalten und vielfach eingespielt.


    Das Requiem von Michael Haydn entstand - soweit ich mich dunkel erinnere - zum Tode seines Bruders Joseph Haydn 1809. Ich habe da mal im Sopran mitgesungen, als ich noch jung und knackig war... heute bin ich nur noch "und".


    Michael Haydn's Werke sind in jedem Falle eine Entdeckungsreise wert!


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ulli schrieb:


    Zitat

    Das Requiem von Michael Haydn entstand - soweit ich mich dunkel erinnere - zum Tode seines Bruders Joseph Haydn 1809.


    das hier vorgestellte Requiem schrieb Haydn im Jahr 1772 auf den Tod des Salzburger Fürst-Erzibischofes Sigismund von Schrattenbach, seinen Dienstherren und Teile aus demselben wurden auch für die Exequien seines Bruders Joseph
    im Jahr 1809 aufgeführt. Unmittelbar vor seinem Tode arbeitete Michael Haydn an einem weiteren Requiem, das er jedoch nicht mehr vollenden konnte.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    Ergänzend sei hier noch angemerkt, daß Michael Haydn das Jahr 1809 ja gar nicht erlebte, es starb VOR seimem älteren Bruder nämlich am 10. August 1806 in Salzburg


    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    da bin ich natürlich voll in den Sumpf der Unkenntnis getappt... Pardon! Danke für die Aufklärung.


    Ich bin mir allerdings aufgrund meines fotografischen Gedächtnisses absolut sicher, dass das >Requiem<, welches wir damals probten, den Untertitel "für meinen Bruder Franz" gehabt hat. Natürlich könnte es sich auch um eine Komposition von Ferdinand Schubert gehandelt haben.


    Viele Grüße
    Ulli

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  • Ulli schrieb:


    Zitat

    Natürlich könnte es sich auch um eine Komposition von Ferdinand Schubert gehandelt haben.


    Das "Requiem" in g-moll op. 9 von Ferdinand Schubert (1794-1859)
    enthält als Widmung "für meinen Bruder Franz", womit hier Franz Schubert und nicht Franz Joseph Haydn gemeint ist :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • DANKE!!


    Das muss es gewesen sein, ich werde es, wenn es möglich ist, bald kaufen - denn es war ein sehr schönes Werk. Zu Ferdinand Schubert (gehört zwar nicht hierher) findet man immer nur Bemerkungen wie "kompositorisch unbegabt".


    Grüße,
    Ulli

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  • Salut,


    weiß jemand, ob es Duos für Violine und Viola von Michael HAYDN gibt? Ich spiele auf die kompositionen Mozarts [KV 423 und 424] an, meine aber nicht diese selbst.


    Falls sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann der Thread gelöscht werden. Bitte aber solange bestehen lassen, bis ich das Lesen bestätigt habe.


    Danke für Hinweise
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
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  • Angerer, Paul. "Johann Michael Haydn. 4 Duette für Violine und Viola." Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum 43 (1995/3-4), 35-36.


    Hallo,


    gib doch mal bei google.de folgende Begriffe folgendermaßen ein: - "Michael Haydn" Violine Viola -


    Da kommst Du u.a. zu einer Seite mit dem o. zitierten Lektüre-Hinweis. Vielleicht hilft es bei der weiteren Recherche...


    Freundliche Grüße


    Heinz

  • Klasse,


    vielen Dank, Heinz!


    Trés amicalement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Zwei Seltenheiten auf einen Streich - und das in Topqualität:


    MICHAEL HAYDN [1737-1806]
    Violinkonzert B-Dur, P 53


    JOSEPH HAYDN [1732-1809]
    Violinkonzert A-Dur, Hob. VIIa/3


    Burkhard Godhoff, Violine
    BBC Scottish Symphony Orchestra
    Geoffrey Trabichoff


    Michael Haydn komponierte sein Werk A.D.1760 offenbar für sich selbst: Tripelgriffe [ :kotz: ], hohe Lage, sehr virtuos: Respekt!


    Das Werk des Bruders Joseph galt lange Zeit als verschollen und wurde 1949 wiederentdeckt. Es könnte meiner Meinung nach allmählich das allzubekannte G-Dur-Violinkonzert, allgemein auch als "Schülerkonzert" bezeichnet, ablösen.


    Eine empfehlenswerte Sache...


    Trés enchanté
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    die Haydn-Duette für Violine und Viola, viere an der Zahl [C, D, F, E] habe ich mittlerweile als Stimmen. Allesamt wirklich witzige Stücke [findet meine Frau allerdings weniger... :D ].


    Dazu nun hier die passende Anekdote:


    Der Fürsterzbischof Hieronymus [von] Colloredo war ein etwas widersprüchlicher Musikliebhaber. Zum einen verkürzte er in seiner Funktion als Erzbischof von Salzburg die Dauer der liturgischen Kompositionen, also Musiken, die in der Kirche gespielt wurden, auf eine Maximaldauer von 45 Minuten, andererseits war er selbst ein ambitionierter Geiger. So bestellte der Graf bei Michael Haydn, der ja in seinen Diensten stand, sechs Duette für Violine und Viola. Michael Haydn komponierte und komponierte: Vier Duette hatte er fertig gestellt, als er so schwer erkrankte, dass er seine Bestellung vorerst nicht zu vollenden im Stande war. Vermutlich durch Intrigen gelangte die Nachricht von des Compositeurs Erkrankung nicht oder nicht vollständig zu seinem Auftraggeber, so dass dieser wutentbrannt seinem Komponisten mit dem Entzug der Besoldung drohte. Glücklicher Weise befand sich just in diesem Spätsommer 1783 Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg ein. Natürlich besuchte er seinen schwer erkrankten Freund Michael Haydn täglich, wie es heißt und erfuhr auch von den widrigen Umständen. Kurzentschlossen komponierte Mozart die beiden noch ausstehenden Duette für Violine und Viola innerhalb weniger Tage und das Kompendium aus sechs Duetten wurde dem Auftraggeber überreicht – natürlich ohne die Nennung von Mozarts Namen. So half Mozart angeblich dem Freund Michael Haydn aus der Not. Ob diese von dem Mozartbiografen Georg Nikolaus Nissen überlieferte Anekdote vollumfänglich der Wahrheit entspricht, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, jedenfalls spricht einiges dafür: Auf den Originalmanuskripten Mozarts findet sich beispielsweise sein Name, den er üblicher Weise aufträgt, nicht. Auch wurden von fremder Hand die Nummerierungen der Duette vollzogen. Dafür spricht meines Erachtens auch, dass Mozarts Duetten-Paar um einiges schwieriger zu spielen ist, als die von Michael Haydn auf den Auftraggeber zugeschnittenen vier Duos. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Mozart hier absichtlich dem verhassten Colloredo eins auswischen wollte…


    :baeh01:


    ©2005 by Trazom Arkadia GmbH

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    an was genau ist der Michael Haydn denn erkrankt? Ich habe mal im Radio gehört, dass das große Problem war, dass M. Haydn so betrunken war, dass er die beiden Duette nicht schreiben konnte, und Mozart ihm aus dieser Notlage half...


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Salut,


    M. Haydn hat ganz gerne gebechert und man hat in der Tat diese Geschichte darauf bezogen, was sicherlich nicht richtig ist. Auch ich habe das zeitweise, aber eher aus Spaß, so zitiert [je nach Situation]; solch böse Legenden halten sich ja bekanntlich recht gut über Wasser. Es ist aber zum Glück so, dass M. Haydn eine schwerwiegende Krankheit hatte, die sich über Monate hinzog. Der Mozart-Biograph v. Nissen sagt lediglich etwas über eine "heftige" Krankheit:


    Michael Haydn sollte auf höheren Befehl Duetten für Violine und Viola schreiben. Er konnte selbige aber zur bestimmten Zeit nicht liefern, weil ihn eine heftige Krankheit befallen hatte, die ihn nachher länger, als man es vermuthete, zu aller Arbeit unfähig machte. Man drohte ihm über den Aufschub mit Einziehung seiner Besoldung, weil der Gebieter von Haydn's Umständen vermuthlich zu wenig unterrichtet, oder durch falsche Berichte hintergangen war. Mozart, der Haydn täglich besuchte, erfuhr dieses, setzte sich nieder und schrieb für den betrübten Freund mit so unausgesetzter Rastlosigkeit, daß die Duetten in wenigen Tagen vollendet waren und unter Michael Haydn's Namen eingereicht werden konnten.


    Eine etwas zähe bakterielle oder virale Infektion dürfte im 18. JH bereits ausreichend gewesen sein, um mehrere Wochen flach zu liegen... Was es definitiv war, lässt sich vermutlich nicht mehr herausfinden.


    Liebe Grüße
    Ulli


    P.S. vielleicht sollte der Thread in den allgemeinen Michael-Haydn-Thread integriert werden?

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Danke für diese schnelle und ausführliche Information,
    dann ist mein Weltbild ja wieder geradegerückt. :D
    Wäre ja auch unvorstellbar, dass ein Musiker sich dermaßen dem Suff ergibt.


    Man kennt ja den Witz:


    Gehen zwei Musiker an der Kneipe vorbei...


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Hallo,


    wir wollten diesen Thread noch mal kurz rauf holen - wir sind sicher, bzw. die Musikwissenschaft ist sich sicher, dass es einige Werke Mozarts ohne das Vorbild Michael Haydn nie gegeben hätte. Mozart hielt große Stücke von Haydn und schrieb etliche seiner Werke für Studienzwecke ab.
    Selbst Leopold Mozart, der von M. Haydn menschlich nicht das geringste hielt: ["Haydn wird sich in wenigen Jahren die wassersucht an Hals sauffen, oder wenigst, da er itzt zu allem zu faul ist, immer fäuler werden, so wie er älter wird"]
    berichtet am 1ten November 1777 Wolfgang schwer beeindruckt von M. Haydns Hieronymus-Messe: Diesen Augenblick komme ich aus dem Amt vom Domb, es wurde die Hautb: Meß von Haydn gemacht... Mir gefiehl alles ausserordentlich wohl, weil 6 Oboisten, 3 Contrabaß, 2 Fagötte, und der Castrat [Ceccarelli] ... dabey waren... die ganze Historie dauerte 5 viertl Stunde, und mir war es zu kurz, dann es war wirk: trefflich geschrieben... Sollte ich diese Messe, über Kurz oder Lange bekommen können, so schicke ich dir solche gewiß.


    Selbst Leopold Mozart hielt diese "meisterlich durchgearbeitete" Messe für ein wertvolles Lehrwerk für seinen Sohn.


    Auch verstehen wir nicht, warum oder in wie fern M. Haydn in Salzburg Schwierigkeiten gehabt haben soll? Kann uns das jemand erklären? Soweit wir wissen, hatte sich Haydn sein Leben lang in Salzburg pudelwohl gefühlt.


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried

  • Ulli:


    Zitat

    Der Mozart-Biograph v. Nissen sagt lediglich etwas über eine "heftige" Krankheit:


    Lieber Ulli, Nissen war, trotz Heirat mit Constanze verw. Mozart, geb. Weber nicht nur über Mozart, sondern auch über M. Haydn nur unzulänglich informiert. Haydn muss seinen Alkoholkonsum zumindest soweit unter Kontrolle gehabt haben, daß jener sein Schaffen wohl nicht wesentlich beeinträchtigte. Also unmittelbar vor seinem Tode arbeitete
    Haydn mit Hochdruck an einem weiteren "Requiem" Anfang August erlitt er einen Schlaganfall und verstarb an dessen Folgen am 10.August 1806 im "StPetrischen Hause" in der Festungsgasse zu Salzburg. Damit hat er, ob mit oder ohne Alkohol, immerhin reichlich 68 Jahre gelebt, was für dei damalige Zeit garnicht so übel war. Ich persönlich freue mich ganz besonders darüber, daß seine Kirchenmusik wieder mehr in die Mitte eines allgemeinen Interesses rückt, denn die schönsten Produkte derselben
    sind Kunstwerke allerersten Ranges und keinesfalls "die Arbeiten des minderbegabten Bruders des breühmteren Joseph" ! :D

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  • Bettina und Wilfried:


    Zitat

    Selbst Leopold Mozart, der von M. Haydn menschlich nicht das geringste hielt


    Hallo Bettina und Wilfried,


    deratige Fehleinschätzungen Leopold Mozarts sind nicht selten zu registrieren. Haydn wurde im Alter weder fauler noch versoffener, sondern gerade aus seiner letzten Lebenszeit stammen einige seiner bedeutendsten Werke. Leopold Mozart scheint in seinem Leben nur wenige Menschen getroffen zu haben, die seinen, in dem Falle eindeutig überzogenen Ansprüchen genüge taten. Das wohl tragischste Beispiel dafür ist, wie er die Frau seines Sohnes behandelte. Alles was über Constanze Weber an Negativem auf die Nachwelt kam, stammt von Leopold Mozart und das sollte schon ein wenig zu denken geben.
    J.A. Hasse, DER Opernkomponist schlechthin zur Zeit, als Mozart Kind war, hatte wiederrum keine gute Meinung von Leopold und war der Auffassung, dieser würde das Talent seines genialen Sohnes gnadenlos komerziell ausbeuten. Alleine der Ablauf der frühen Jahre Mozarts könnte Hasse rechtgeben; auch ein Junge mit robusterer Gesundheit, als das Kind Mozart sie hatte, hätte mit dieser Belastung, gelinde ausgedrückt, seine Probleme gehabt.

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  • Salut,


    Mozart jun. hat - wie wir wissen - sehr viel auf Michael Haydn gehalten. Mit ihm hat er oft "zusammengearbeitet", d.h. bereits 1767, Mozart war gerate elf Jahre alt, entstand das Gemeinschaftswerk "Die Schuldigkeit des ersten Gebots", ein Oratorium, zu dem Mozart jun. den ersten, Michael Haydn den zweiten, und Anton Kajetan Adlgasser den dritten Teil komponierte. Zwei der Sopranistinnen wurden jeweils zu den Ehefrauen Michael Haydns resp. Adlgassers.


    Mozart hat oft Abschriften von Michael Haydnschen Messen vom Vater aus Salzburg geordert, einmal nur seine "eigene" Messe KV 317 [Krönungsmesse].


    Leopolds Sichtweisen der Dinge war stets "leicht" übertrieben, um auf den Sohn damit "erzieherisch" einzuwirken, insbesondere, was den Alkoholkonsum betrifft. Dazu suche ich noch etwas heraus.


    Daß Michael Haydn als "minderbegabt" gilt resp. ein Schattendasein führte, mag doch wohl überwiegend an Salzburg gelegen haben - nicht umsonst hat Mozart jun. Salzburg den Rücken gekehrt und sein Glück in der Musikhauptstadt Wien gemacht. Mozart hat sogar mehrfach seinen Freund Michael "eingeladen", nach Wien zu kommen, denn er wollte, dass sein Freund an dem Erfolg teilnimmt.


    Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Nannerl [aus dem Jahre 1783] geht hervor, dass Michael Haydn oft zu Gast im Hause Mozart war. Der Kontakt war demnach häufig - das wird schon trotz aller negativer Äußerungen Leopolds einen triftigen Grund gehabt haben.


    Liebe Grüße
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    Michael Haydn ist für mich ein großartiger Mensch: Er war offenbar bescheiden und ziemlich zufrieden mit dem, was er tat und hat nichts "an die große Glocke" gehängt, das finde ich bewundernswert.


    Ich freue mich schon tierisch auf diese drei lustigen Adventstürchen, die schon lange da sein sollten:





    Liebe Grüße
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    die drei Sinfonie-CDs [oben] sind mittlerweile schon bei meinen "Unverzichtbaren", das sagt eigentlich bereits alles.


    Hier im Thread noch nicht erwähnt ist die Oper Andromeda e Perseo, die Michael Haydn zum 15. Jahrestag der Amtsübernahme Graf Hieronymus von Colloredo komponierte und am 14. März 1787 [gestern vor 219 Jahren] aufführte:



    Auch über dies unverzichtbare Werk habe ich hier meinen Kommentar geschrieben. Auch eine Inhaltsangabe gibt es bereits.


    Cordialement
    Ulli

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  • Hallo Ulli,


    Zufällig habe ich heute wieder meine Doppel-CD von M. Haydn im Spieler getan.


    Darauf stehen Symphonie C-dur (P 12); Es-dur (P 1); D-dur (P 11); A-dur (P 6); Violinkonzert in B-dur; Hornconcertino in D-dur und Violin/Viola Duo in C-dur No. 1



    LG, Paul

  • Requiem c-moll MH 559


    Dieses Werk, das Olaf Krone auf das Jahr 1792 datiert, ist nur in einer handschriftlichen Partitur von Haydns eigener Hand auf uns gekommen,
    die nicht die geringsten Gebrauchsspuren aufweist.
    Die Vermutung, daß das Wek dem Andenken W.A. Mozarts gewidmet ist, liegt nahe und die Art und Weise, WIE Haydn den Text angeht, lässt verstehen, daß er damit wenig Gegenliebe bei seinen Zeitgenossen gefunden hätte. Um es gleich vorweg zu nehmen: Diese Komposition ist aus dem Stoff, der zum Beispiel die 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch auszeichnet: Äusserste Reduktion der kompositorischen Mittel, das Fehlen jedweder Gefälligkeit und ein geradezu ungebremster Schmerz, gesteuert von der Unerbittlichkeit und Unumkehrbarkeit des Todes. Für Trostsuchende ist dieses Werk sicher wenig geeignet, aber für jeden, der sich dieser bitteren Wirklichkeit wachen Auges stellen will,
    wird es zum düster tönenenden Quell der Erkenntnis.


    Insgesamt ein beeindruckendes Plädoyer für einen Komponisten, der immer noch im Schatten seines Bruders (und anderer) steht und der erste Projekt im Michael-Haydn-Jahr 2006, das HÖCHSTE BEWERTUNGEN für Interpretation und Repertoirewert verdient:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)


  • Liebes Forum
    Gestern ist das "neue" Haydn Requiem bei mir eingetrudelt - sehnlichst erwartet. Gleich vorweg gesagt: gefällt mir gut.
    Laut Begleittext schlummerten die Noten in der Ungarischen Nationalbibliothek in Budapest und sind im Gegensatz zu vielen anderen Noten Michael Haydns (der sehr viel kopiert wurde) ein Unikat.
    Da es keine Widmung gibt wird im Beiheft gleich mal wild spekuliert ob es Haydn nicht für den von ihm sehr verehrten Mozart komponiert hat. Aber nichts kann diese These beweisen.
    Es ist sehr streng und einfach gehalten und die über allem thronenden Violinen sind wohl doch eine Referenz an den verehrten Meister Mozart.
    Bin schon gespannt auf Eure Meinung.
    :hello:
    lg
    d.

    Es gibt kaum etwas Schöneres, als dem Schweigen eines Dummkopfes zuzuhören

  • Hallo,


    ich gehöre nun auch zu den Glücklichen, die dieses Requiem kennenlernen durften.


    Wie BBB und D.minor schon schrieben; es ist ein ziemlich ungewöhnliches und beeindruckendes Werk. Es gibt keine Solisten darin, alles wird vom Chor gesungen. Und das ist auch bei den anderen Stücken so, die auf dieser CD enthalten sind. Sehr erstaunlich! Allerdings finde ich den Chor nicht vollends überzeugend. Es gibt da immer wieder Inhomogenitäten im Chorklang, wovon besonders der Tenor betroffen ist.


    Es scheint aber Ungereimtheiten bezüglich der Zuordnung des Stückes zu M. Haydn zu geben. Wie Michael Wersin in Rondo darlegt, heißt der Komponist nicht Michael Haydn sondern Georg Pasterwiz (1730 - 1803); Haydn hat das Werk nur abgeschrieben. Wersin verweist in seinem Artikel auf einen Aufsatz, der bereits 1999 veröffentlich wurde und in dem der Autor und Haydn-Spezialist Petrus Eder die Autorenschaft des Requiems eindeutig Pasterwitz zuordnen kann.


    Nachzulesen ist der Artikel von Wersin unter: "http://www.rondomagazin.de/klassik/h/haydn_michael/mh03.htm
    Ein Disput zwischen Herrn Wersin und Olaf Krone, der Musikforscher, der die genannte Aufnahme begleitet hat, liegt vor unter: "http://www.rondomagazin.de/klassik/h/haydn_michael/mh03a.htm



    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Salut,


    Danke Salis für den Hinweis - nun kann ich meine Wunschliste etwas lüften...


    :hello:


    Ulli


    P.S. Ich halte die Covergestaltung eindeutig für Betrug! :motz:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Im Feulliton der FAZ von diesem Samstag war eine Rezension der Aufnahme zu lesen, ferner wurde die Frage der Urheberschaft erörtert. Diesem Artikel zu Folge ist der Autor definitiv nicht Michael Haydn sondern Georg Pasterwiz. Hadyn habe das Werk lediglich für den eigenen Gebrauch abgeschrieben.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Liebe M-H-Freude,


    So richtig "entdeckt" habe ich Michael Haydn durch folgende Aufnahme von Robert King und dem King´s Consort. King musiziert Haydn transparent und ist mit hörbarer Freude bei der Sache. Die Einspielung des Requiems, kann IMO durchaus neben der weiter oben im Thread genannten Einspielung unter der Leitung von Christian Zacharias bestehen. Noch mehr angetan hat es mir freilich das zweite Stück auf der CD: Die Missa in Honorem Sanctae Ursulae die Michael Haydn für das Kloster der Benediktinerinnen auf der Fraueninsel im Chiemsee komponierte. Unter den Solisten ragt besonders Carolyn Sampson hervor, aber auch die übrigen Solisten überzeugen:



    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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