Das geächtete 19. Jahrhundert (?)

  • Liebe Forianer,


    Zugegeben, der Titel ist ein wenige reisserisch, aber irgendwie ist da ein wahrer Kern.
    Natürlich ist das 19. Jahrhundert ab ca 1830 gemeint, und natürlich in unserem Zusammenhang, Kompositionen, die in dieser Zeit entstanden.
    Natürlich gab es Ausnahmeerscheinungen, wie Brahms, Bruckner, Verdi und Wagner, und natürlich einge mehr, aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack des 19, Jahrhunderts in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.
    Beispiele gefällig ?
    Bitte sehr:
    Beginnen wir mit dem Opernschaffen, Verdi und Wagner ausgenommen.


    Da wird die Nase gerümpft bei Kienzl und Humperdinck, Lortzing und Flotow werden mehr oder weniger nicht wahrgenommen, von Weber lässt man allenfalls noch den Freischütz gelten. Die gesamte deutsch komische Oper dieser Zeit wird negiert.
    Auch nicht besser schaut im Bereich französische Oper aus:
    Adams Postillion von Lonjumeau, wer kennt ihn noch ?
    Auber? Der war doch schon zu Lebzeiten verschrien. Zu volkstümlich.
    Also Meyerbeer . Meyer--was ? Was hat der denn geschrieben ?
    Gounod- lieber nicht.
    Auch mit Smetanas verkaufter Braut schauts traurig aus. Die meisten Wiener Geschäfte hatten lediglich eine Einspielung davon auf Lager, ein Shop, der die Vorsilbe Mega- in seinem Namen trägt, nicht mal das.
    -------------------------
    Glücklicherweise ist das bei sinfonischer Musik anders.


    Sowohl die frühen bis mittleren Sinfonien Dvoraks sind ein Renner, ebenso die ersten Sinfonien von Tschaikowsky. Max Bruch ist ein Hitparadenstürmer, stark bedrängt von Raff und Rubinstein, die Namen von weiteren unbekannten Russen kann man ja nicht einmal aussprechen, geschweige denn schreiben. - Fibich ist auch ganz vorne dabei, Gernsheim und Joachim sind soweit vorn. daß man sie kaum noch sehen kann :D
    Die Frage ist: Wo steht Liszt in dieser Rangordnung (Der Liszt Thread hart mich zuz diesem hier inspiriert)


    Und wenn man ganz kritisch ist, muß man sich fragen : Welche Sinfonien Schuberts kennt man in der Klassikwelt, abgesehen von der Unvollendeten und der "Großen" ? Hat jemand schon Schumanns Oper "Genoveva" gehört ?


    Fragen über Fragen :stumm: :yes:



    Freundliche


    Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich denke, dass es an der "Übermacht" der italienischen Oper und ihres Belcanto liegt, welche die "deutsche" Oper, ausgenommen die von Dir genannten, so in Vergessenheit geraten ließ.


    Dabei sind wirklich hervorragende Kompositionen dabei; Ob es nun der "Orpheus" oder "die drei Pintos" von Weber sind. Gut, bei Meyerbeer sieht es auch nicht wirklich gut aus, Gounods "Faust" steht schon öfters mal auf dem Spielplan, Berlioz ebenso. Dafür haben die Franzosen natürlich mit Bizets "Carmen" einen Dauerbrenner. Verdi, Donizetti, Puccini, Rossini und wie sie alle heißen werden allerdings rauf und runter "Gegurkt", von Verdis allerdings auch nur ein Bruchteil seines Operschaffens.


    Aber seien wir mal ehrlich: Sieht es mit der Barock-Musik besser aus? Man fängt erst seit kurzem an, Schätze aus der Feder Händels zu entdecken und wieder aufzuführen. Ähnlich sieht es mit den Haydn-Opern aus (gut, der ist jetzt Früh-Klassiker).


    Alles wird IMHO dem Publikumsgeschmack angepaßt. Als GMD oder Operintendant kannst Du Dir es nicht leisten, mehr als zweimal in einer Saison beispielsweise einen "Fierrabras" auf den Spielplan zu setzen, ohne um Deinen Posten bangen zu müssen. Ebenso verhalten sich viele der renomierten Plattenlabels. Man wagt es einfach nicht, unbekanntes einzuspielen, obwohl das Beispiel NAXOS oder ARTE NOVA eigentlich Vorbild sein sollte.


    Warscheinlich hat die Jahrzehnte lange Erfahrung gezeigt, dass sich gewisse Werke einfach nicht "verkaufen", was die Komponisten zu Ihrer Zeit teilweise selbst schon erfahren mußten, weshalb sie vieles verschwinden ließen oder umschrieben (Man denke an Beethovens Schmerzenskind "Fidelio", für die es allein 4 Ouvertüren gibt).


    Tja, wie Du schon so richtig sagst - Fragen über Fragen ?(

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Max Bruch hat auch Opern geschrieben! Ganze 3 Stück (immerhin)! Aber er ist erst durch die von ihm komponierte sinfonische Musik zum "Star" geworden. Welch Glück auch für uns,dass er der Romantik verfallen war und Leute wie Schumann verehrte. :)


    Rocco:
    Deiner Meinung stimme ich voll und ganz zu.
    Neueinspielungen gibt es nicht allzu viele. Doch es werden immer mehr,da die Leute wohl satt sind von dem,was sie schon kennen.
    Immer wieder dieselbe Musik nur mit einem anderen Interpreten.


    Nun wird Musik ausgegraben aus verschiedensten Epochen:
    VORbarockzeit,musik von sogenannten vergessenen Komponisten (z.B.Salieri,viel zu wenig Beachtung bekommen) usw.


    Und das kann ich nur gutheissen! :)


    Leider zittern die Firmen wegen dem Verkauf (es geht nun mal immer ums Geld). Ansonsten würde es sicher mehr Weltneueinspielungen geben.

  • Liebe Forianer,


    Aus mehr oder weniger aktuellem Anlass habe ich diesen Thread wieder ausgegraben.


    Ich schrieb im Einführungsbeitrag:


    Zitat

    Natürlich gab es Ausnahmeerscheinungen, wie Brahms, Bruckner, Verdi und Wagner, und natürlich einge mehr, aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack des 19, Jahrhunderts in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen

    .


    Dann driftete der Thread irgendwie in Richtung Oper ab, was ja auch nichts Schlechtes ist.
    Aufmerksam wurde ich auf diesen Thread wieder durch einige Aussagen von Forianern. Es tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache, wer was gesagt hat, denn die Aussagen sollen ja nicht angegriffen werden, ich nehm sie lediglich zum Untermauern meiner These.


    So folgt beispielsweise auf meine Bemerkung, Raff wäre (in gewisser Weise) ein "Ersatz-Mendelssohn"


    Zitat

    aber ich bin nun mal ein Verfechter der Aussage, daß das Beste immer der Feind des Guten (oder gutgemeinten) ist und weshalb sollte ich dann Raff hören, wenn ich Mendelssohn haben kann?


    Das wäre an sich völlig richtig, hätte Mendelssohn "genügend" Sinfonien hinterlassen. Aber die Praxis ist eben anders: Es werden lediglich die "Italienische", die "Schottische" und die "Reformationssinfonie" gespielt. Die 2. betrachtete Mendelssohn selbst als mißglückt, und besonders populär scheint sie hier ja nicht zu sein, die erste ist AFAIK einzeln derzeit gar nicht zu haben, zumindest nicht in einer brauchbaren Einspielung. Aber selbst wenn, gegen ähnlich klingende Werke habe ich nichts einzuwenden.
    Ries (ein ausführlicher Thread folgt 2005) wird ebenso als Epigone Beethovens abgetan, seine Werke verrotteten jahrzehntelang in den Archiven.
    Tschaikowsky, noch vor 30 Jahren Inbegriff russischer Sinfonik, ist irgendwie ins Abseits geraten. Auch Schumann, zwar weltberühmt, wird eher wenig gespielt. Ja da bleibt dann tatsächlich noch Brahms, den man immer wieder als Nachfolger Beethovens sah, ("10. Beethoven") nicht immer zu dessen Freude.
    Bruckner (ich bin nicht sein Fan) wurde vereinzelt im Forum ebenso für überschätzt erklärt wie Liszt. Mahler hat es gerade noch geschafft, zu Lebzeiten und bis in die sechziger Jahre, war er eher angefeindet.
    Berlioz ist ja auch kein Spitzenreiter, was die Beliebtheitsskala angeht.
    Ebenso wird Spohr von vielen als Langweiler abgetan , Bruch mit Ausnahme eines Werkes eher ignoriert, Rubinstein nicht aufgeführt.
    Burgmüller und Reubke werden gerne als Riesentalente bezeichnet, leider starben sie, bevor sie das in ausreichender Menge beweisen konnten, Hans Rott, gerne als Mahler-Epigone gesehen (der er nicht war, er war früher) wurde ebenfalls vor der Zeit wahnsinnig. Lachner ist den meisten heute unbekannt.


    Die Liste ließe sich fortsetzen. Die Frage die sich mir stellt ist, ob das 19. Jahrhundert tatsächlich ein Jahrundert von musikalischen Kleingeistern und Kitschfabrikanten,Epigonen und akademischen Langweilern war, wie und oft suggeriert wird, oder ob lediglich die Maßstäbe die heute angesetzt werden, inkompatibel sind.


    Da fragt man sich schon, wer nun im 19. Jahrhundert die führernden Komponisten waren.



    Zitat

    Aber denk doch mal darüber nach, woran es eventuell liegen könnte, daß z.b. Brahms das "große" Rennen gemacht hat und nicht Gernsheim ?


    Brahms saß im Direktorium der "Gesellschaft der Musikfreunde in Wien", ein guter Platz.



    Zitat

    Mendelssohn z.b. geniesst im Vereinigten Königreich von GB und den Staaten des Commonwealth eine Verehrung, (zu Recht sage ich) von der man sich in Deutschland un d Österreich keine Vorstellung macht...


    O doch. Als Mendelssohn starb, schrieb jemand in Deutschland: "In London tut man ja so, als wäre die Sonne vom Himmel gefallen"


    Aber in London wird ja auch Elgar verehrt, von dem hier nur sehr gelegentlich was zu hören ist......, übrigens ein weiterer Sinfoniker des 19 Jahrhunderts in "Zwielicht"........



    Beste Grüße


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich glaube nicht, dass das 19. Jahrhundert in irgendeiner Art geächtet ist. Vielmehr macht die romantische Epoche, auch wenn wir Beethoven ausklammern (der auf jeden Fall in die romantische Epoche gehört - ich seh's wie E.T.A. Hoffmann), den Kern des Konzert- und CD-Repertoires aus.


    Nur sind einfach zwei Mechanismen zu berücksichtigen:
    1. Es kommt zu einer Auslese, d. h. nach ein paar Jahrzehnten werden nur noch die vermeintlich wichtigsten Komponisten gehört und gespielt. Die Barockphase ist doch letztlich auf Bach, Händel, Vivaldi und vielleicht noch Telemann reduziert, die Wiener Klassik auf ihre Hauptvertreter Haydn, Mozart, früher Beethoven. Das gleiche passiert bei der Romantik/Spätromantik auch, nur das hier die Epoche wesentlich länger dauerte. Es sind mehr Komponisten präsent, aber auch mehr vergessen worden. Es gab also eine ganze Menge Kleinmeister, die überspitzt ausgedrückt, nichts Bleibendes geschaffen haben, was aber nicht per se etwas über die Qualität der Musik aussagt.
    2. Es kommt zu Modeerscheinungen in der Gegenwart. Manche Epochen/Komponisten erfreuen sich ja geradezu einer periodischen Beliebtheit (auch durch Jubiläen unterstützt), um dann wieder ganz plötztlich zu verschwinden. Davon profitieren auch die so genannten Kleinmeister, die ja mit Hyperion, Chandos, cpo, Naxos etc. mittlerweile eine ganze Reihe von guten Anwälten besitzen.


    Natülich bleiben einige Komponisten stärker präsent und würde man sie von heute auf morgen aus dem Konzertprogramm streichen, würde die durchschnittliche Dauer eines Konzerts auf weniger als 15 Minuten zusammenschrumpfen - viele Konzerte sind komplett auf Musik von 1830-1900 fixiert, andere haben wenigstens eine Mozart-Ouvertüre oder Symphonie dabei.


    Mit Berlioz sind wir im letzten Jahr überschüttet worden, Dvorak ist dieses Jahr dran, 2006 gibt's wieder viel Mozart :D Reine Schumann-Veröffentlichungen hat es in den letzten drei Jahren locker 50 Stück gegeben (Symphonien, Konzerte, Kammer, Solo, Lieder). Kompositionen von Chopin werden ja mittlerweile fast monatlich auf neuen CD veröffentlicht. Ähnlich Liszt, dessen Gesamtprojekt bei Hyperion (auch wenn es nur die Solo-Klavierliteratur betrifft) wenigstens vollendet wurde.


    Nein, das 19. Jahrhundert ist nicht nur Brahms, es ist nicht geächtet, es erfreut sich blühenden Lebens - Gedanken müsste man sich zur Zeit (eine Modeerscheinung) eher um die Wiener Klassik machen. Während der Barock eine Renaissance (schönes Wortspiel, gell?) erlebt und die zeitgenössische Musik zumindest in Deutschland immer stärker wird, werden Mozart-Aufführungen außerhalb der Oper immer seltener. Und Haydn hat es ja schon traditionell schwer gehabt.


    Zu den Kleinmeistern und akademischen Langweilern: Die hat es immer gegeben und wird es immer geben und sie werden vergessen werden - vielleicht nur für ein paar Jahrzehnte, vielleicht für ein paar Jahrhunderte, vielleicht für immer.


    Zu Deinem Kommentar über Raff/Mendelssohn: Verstehe ich irgendwie nicht. Wenn Mendelssohn das Beste ist und Raff nur gut, dann könnte es Hunderte von Raff-Kompositionen geben, sie würden hinter den beiden bekannten Mendelssohn-Symphonien immer zurückstehen. Dein Argument hat mit dem von Dir zitierten eigentlich nichts zu tun.

    Gruß,
    Gerrit

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  • Hallo,


    ich sehe ich das 19te Jahrhundert als ein Übergangsjahrhundert. Beethoven und Schubert wirken in die Anfangsjahrzehnte. Dann kam der 'Knall': Richard Wagner (und Nietzsche). Der Biedermeier zwischendurch ist langweilig. Literarisch könnte man sagen: Balzac, Flaubert, Hugo und dann Proust. Was für ein Sprung!


    Vielleicht ist die 'geächtete' Musik des 19. Jahrhunderts einfach nur langweilig?


    Gruß,
    Oliver


  • Chopin? Schumann? Brahms? Mendelssohn? Liszt? Berlioz? Dvorak? Tchaikovsky? Ach wie gerne höre ich Langeweile :beatnik: :yes:

    Gruß,
    Gerrit

  • Klar, die Musik von Chopin und Brahms höre ich auch gerne, ich verbinde sie aber nicht mit der Aufbruchsstimmung des 19. Jahrhunderts.


    Gruß,
    Oliver

  • Hallo,


    also daß dieser Thread (und auch einige andere) sich so plötzlich so rasant entwickelt hätte ich kaum je geglaubt.


    Zu einigen Aussagen. Es geht mir genau um einiges was bisher verborgen angedeutet wurde, nun aber im Laufe des Threads explizit ausgesprochen wurde:


    Zitat

    Klar, die Musik von Chopin und Brahms höre ich auch gerne, ich verbinde sie aber nicht mit der Aufbruchsstimmung des 19. Jahrhunderts.


    Zitat

    Vielleicht ist die 'geächtete' Musik des 19. Jahrhunderts einfach nur langweilig

    ?


    "Über Geschmack läst sich nicht streiten" sagten die alten Römer, und sie hatten unrecht damit, darüber lässt sich sogar vortrefflich streiten, aber das ist gar nicht meine Absicht.


    Wohl aber ist meine Absicht, das "Diktat der Modernisierer" ein wenig in seine Schranken zu weisen ;)


    Hier wird des öfteren so geschrieben, als wäre die "Aufbruchstimmung des späten 19. Jahrhunderts/frühen 20. Jahrhunderts" ein Wert, der von allen angestrebt wurde und nun endlich erreicht wurde.
    Das Gegenteil war der Fall: Mahler stolperte von einem Misserfolg zum andern, Stravinsky erzielte mit seinem "Sacre" einen Skandal sondersgleichen.
    Man mag dazu stehen wie man will, aber überall befinden sich an den Schalthebeln der "Macht" die "Progressiven", die das Alte gerne vergessen würden, die unsere Städte mit hässlichen schiefen Türmen vollpflastern und denen allein das Wort "erhaben " oder "schön" ein Graus ist. Musik (um beim Thema zu bleiben) darf keineswegs ausgewogen und harmonisch sein, nein sie soll diese eklige Welt möglichst realistisch widerspiegeln, den Verkehrslärm, das Fast Food und was weiß ich sonst noch.
    Hier bietet sich die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts geradezu als Ausgleich an. Natürlich ist sie nicht "revolutionär", aber ehrlich gesagt, Revolutionen sind nicht unbedingt etwas, womit ich angenehme Assoziationen verbinde.....
    Es gibt sicher viele Leute, die andauernd Stress und Abwechslung brauchen, die unbedingt immer was Neues suchen, ohne Rücksicht, ob das auch besser ist als das Vergangene war, die Abwechslung ist die Hauptsache. Dagegen ist wenig zu sagen, ausser vielleicht, daß diese Leute mehr oder weniger verdeckt den Anspruch stellen, alle Welt möge Ihrer Meinung sein. Es gibt aber zumindest ebensoviele Leute, die eher Harmonie statt Unruhe suchen, Kontinuität, statt radikale Erneuerung. Also ich habe mich bei Musik aus dem 19 Jahrhundert selten gelangweilt. Und das ist es ja was ich ausdrücken möchte: Immer wieder wird gesagt, die "bürgerliche Musikmafia" würde am liebsten immer wieder die selben 30 Werke hören. Das stimmt aber IMO nicht.
    Natürlich wird nach Programmvielfalt gestrebt, allerdings nicht nach Stilvielfalt ;) Ich höre lieber die Musik eines "Kleinmeisters" wie Rosetti oder Cannabich, Vanhal oder Vranicky, Raff, Ries, Rubinstein, Bruch oder Gernsheim, bevor ich beispielsweise Berg, Webern oder späteres höre.
    Deshalb werde ich auch immer als "Anwalt" dieser Komponisten und ihrerer Klientel auftreten. :P
    Daß hier Bedarf herrscht sieht man ja auch an der Veröffentlichungspolitik vieler Kleinlabel, die den meisten von ihnen das Überleben sicherte.....


    Beste Grüße aus Wien


    sendet


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Das Gegenteil war der Fall: Mahler stolperte von einem Misserfolg zum andern, Stravinsky erzielte mit seinem "Sacre" einen Skandal sondersgleichen.
    Man mag dazu stehen wie man will, aber überall befinden sich an den Schalthebeln der "Macht" die "Progressiven"


    Schröder, Bush, Berlusconi etc? Progressiv? Autsch :stumm: Da ist nichts Progressives zu finden. Wäre auch unlogisch, da die Machthabenden erst mal ihre Macht erhalten wollen und da ist Progressivität nicht gerade ein probates Mittel. Das ist aber auch schon seit Jahrhunderten so, auch in der Kultur. Und Du gibt's ja gleich die besten Beispiele dafür. Die herrschende Clique ließ Mahler zunächst scheitern und verachtete Stravinsky. Mit der Zeit haben sie sich aber durchgesetzt, das passiert mit Qualität.


    Zitat

    Hier bietet sich die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts geradezu als Ausgleich an. Natürlich ist sie nicht "revolutionär", aber ehrlich gesagt, Revolutionen sind nicht unbedingt etwas, womit ich angenehme Assoziationen verbinde.....


    ?( Meinungsfreiheit, allgemeines Wahlrecht, Abschaffung der Leibeigenschaft, den Zehnts etc.


    Zitat

    Es gibt sicher viele Leute, die andauernd Stress und Abwechslung brauchen, die unbedingt immer was Neues suchen, ohne Rücksicht, ob das auch besser ist als das Vergangene war, die Abwechslung ist die Hauptsache. Dagegen ist wenig zu sagen, ausser vielleicht, daß diese Leute mehr oder weniger verdeckt den Anspruch stellen, alle Welt möge Ihrer Meinung sein.


    :D :stumm: Es gibt sicher viele Leute, die andauernd Stress* und Abwechselung meiden, die unbedingt beim Alten verharren, ohne Rücksicht**, ob das auch besser ist als das Neue, das Verharren ist die Hauptsache. Dagenen ist wenig zu sagen, ausser vielleicht, dass diese Leute mehr oder weniger den Ansprcuh stellen, alle Welt möge ihrer Meinung sein :stumm: :D


    * Nicht alle verbinden mit Abwechselung oder Neuem Stress. Das unterstellst Du aus Deiner Hörerfahrung.
    ** ohne Rücksicht = ohne Erfahrung, da sie sich nicht einmal die Mühe machen, Neues auszuprobieren (trifft ja nicht auf Dich zu, aber ich glaube da bist Du in einer Minderheit)


    Zitat

    Immer wieder wird gesagt, die "bürgerliche Musikmafia" würde am liebsten immer wieder die selben 30 Werke hören. Das stimmt aber IMO nicht.


    Dieser Vorwurf wäre natürlich Quatsch, aber ich habe ihn bisher noch nicht gehört. Und er kann Dir eigentlich auch egal sein, wenn er denn fällt. Ich glaube - und die Praxis gibt mir Recht - Du bist selbstbewusst genug, um nicht nach der Meinung anderer zu gehen.


    Zitat

    Deshalb werde ich auch immer als "Anwalt" dieser Komponisten und ihrerer Klientel auftreten. :P


    Und ich danke Dir dafür ;) Deine Tätigkeit gibt mir die Möglichkeit, noch mehr Abwechselung zu erleben. Ürigens: Zeitgenössische Komponisten werden doch auch radikal angegriffen, von Leuten die sich im Gegensatz zu Dir nicht einmal die Mühe gemacht haben, irgendetwas von Nono oder Stockhausen (bei dem es mir zum Beispiel graust) gehört zu haben. Auch von den Modernisten werden viele in ein paar Jahrzehnten vergessen sein, anderer werden so wie mittlerweile Mahler und Stravinsky zum festen Bestandteil gehören.

    Gruß,
    Gerrit

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  • Lieber Alfred,


    es gibt bei uns in Norddeutschland ein schönes Sprichwort:


    Din innen sin Uhl is din annern sin Nachtigall.


    Auf deutsch: Was für den einen eine Eule, ist für den anderen eine Nachtigall.


    Wie bei den Diskussionen an anderer Stelle: Bei der Qualität der Aufnahmen, die wir in diesem Forum diskutieren, geht es wohl nicht um richtig oder falsch, sondern darum, ob so oder anders. Immer wieder zulassen, dass diese wunderbaren Stücke aus einer anderen Sicht (die einem vielleicht zunächst überhaupt nicht behagt) wieder neu gesehen werden.
    Und vielleicht ist es ähnlich mit der alten und neueren Musik. Etwas neu entdecken, sich einlassen können, ist doch wunderbar. Eine unglaubliche Bereichung. Ich habe bald 15 Jahre darum gekämpft, die Schwelle des Jahres 1920 in der Musik zu überschreiten. Das war für mich wie verriegelt. Aber es gibt Türöffner (für mich z.B. das Kronos Quartett). Und wenn die Schwelle überschritten ist, ist das eine gewaltige Bereicherung. Dabei gestehe ich, das mich persönlich ganz besonders Übergangsmusik anzieht; also das, was heute schon wieder als Klassik eingeordnet werden muss. Z.B. von den Großen: Bartok, Schostakowitch, Britten, Hindemith und natürlich auch Schulhoff und viele andere. Ein Beispiel möchte ich hier nennen: Die Bartok-Streichquartette. Eigentlich eine unentbehrliche Ergänzung des späten Beethoven. Alles hier Genannte ist schon 60 bis 80 Jahre von uns entfernt. Also die Einwände, die hier an anderer Stelle vorgetragen wurden, sind vollauf gegründet. Es geht auch um so etwas wie Zeitgenossenschaft. Teilhabe an dem, was in der kulturellen und zivilisatorischen Welt geschieht, möglichst umfassend durch die Geschichte und natürlich bis zur Gegenwart. Ausschöpfen, was man in diesem kurzen Leben ausschöpfen kann. Nicht ausschließén sondern möglichst ausweiten.


    Die Zugänge zur neueren Musik muss man sich wie in der Kunst im übrigen erarbeiten. Aber auch viele ältere Stücke muss man sich auch durch Erhören erst erarbeiten. Schön, wenn wir uns gegenseitig die Zugänge aufzeigen und Hilfen geben. Und wenn wir unseren Genuss ein Stück weit teilen können. Bei welcher Musik, aus welcher Zeit auch immer. Hauptsache wir sind Zeitgenossen in möglichst weitreichendem Sinne.


    Mit freundlichen Grüssen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo,


    zuallererst: Ich habe 'Keine Aufbruchsstimmung' mit mangelnder Qualität gleichgesetzt. Das war eine Dummheit für die ich mich schäme...(habe heute den ganzen Tag darüber nachgedacht.... :() Wie kann man nur so einen Nonsens schreiben....


    Zum 19. Jahrhundert: Ich persönlich bin unwissend. Meine Meilensteine sind Beethovens letztes Streichquartett von 1827 und Wagners Tristan von 1865. Webers Freischütz wurde 1821 uraufgeführt. Und wie langweilig ('veraltet' könnte ich nicht begründen) erscheint er mir als Laien obwohl er möglicherweise 'revolutionär' war.


    Unabhängig vom Wissen kommt vielleicht auch hinzu, daß Komponisten wie Schuhmann, Chopin, Liszt, Brahms ihre Vorbilder nicht übertroffen haben im Sinne des 'gerne hören möchte' beim 'Konsumenten' ;)


    Gruß,
    Oliver

  • Hallo meine Lieben,



    Dadurch, daß ich einen neuen Computer zum Christkindl bekommen habe (er darf sich schon einarbeiten, und vor allem muß ich mich einarbeiten, (Tausch von Win 98 auf XP, neuer Virenscanner, etc etc)
    Alle Passwörter neu etc, schaue ich manchmal etwas zu oberflächlich ins Forum (wird sich aber wieder geben). Auf diese Weise habe ich die letzten Beiträge, die IMO sehr interessant sind erst jetzt gelesen.


    Ich kann leider nicht auf ALLEs eingehen einiges möchte ich aber doch beantworten.


    Beginnen wir beim Ende:


    @ Oliver


    Zitat

    zuallererst: Ich habe 'Keine Aufbruchsstimmung' mit mangelnder Qualität gleichgesetzt. Das war eine Dummheit für die ich mich schäme...(habe heute den ganzen Tag darüber nachgedacht.... ) Wie kann man nur so einen Nonsens schreiben....


    Du hast keinen Nonsens geschriebenl, sondern lediglich eine Situation beschriebven wie Du sie empfindest. Das war nicht in beleidigendem Ton geschrieben und ist daher voll akzeptiert. Akzeptiert, daß Du das so empfindest, jedoch inkompatibel zu meiner Sicht der Dinge. Von dieser und anderen Inkompatibilitäten lebt jedoch dieses Forum - also brauchst Du Dich dafür nicht entschuldigen.


    Ob Chopin, Listz, Brahms ihre Vorbilder übertroffen haben ? Aus meiner Sicht sicher nicht, sie haben sicher Neuerungen in die Musik gebracht, Neuerungen müssen jedoch kein "Fortschritt" sein.
    Ich glaube persönlich nicht an die Evolution (oder Revolution) der Musik, so wie ich nicht an den Fortschritt in der Baukunst glaube. Welchen Fortschritt wollen so potthässliche Beton-Glaspaläste wie man sie Heute baut gegenüber dem Concertgebouw Amsterdam darstellen ? (Ich vermeide bewusst, den Wiener Musikverein als Vergleich zu nehmen :stumm: :D ) Im günstigsten Fall kann ich ihnen "eine andere Philosophie" zugestehen.


    Wenn Du in Bezug auf das 19. Jahrhundert "unwissend bist, dann beruht das genau auf diesem Prinzip: Das 19. Jahrhundert wird gern als osolet und verstaubt dargestellt, so lange bis eigentlich niemand mehr daran zweifelt.


    Hier im Forum wird das jeder ein wenig anders sehen, das wird ausdiskutiert, oder besser gesagt, andiskutiert, das ist alles. :jubel:


    Der Freischütz war IMO nicht revolutionär, aber er traf den Zeitgeist der Romantik. Wobei er inhaltlich sicher moderner ist als seine Brüder, "der Fliegende Holländer" und "Hoffmanns Erzählungen" (eigener Thread, soeben im Geiste geboren, folgt heute oder morgen)
    nämlich durch die Überwindung von Traditionen.



    MStauch


    Zitat

    Din innen sin Uhl is din annern sin Nachtigall.


    Wie wahr (Ich hätts im Original verstanden - ehrlich :D)


    Zitat

    Ich habe bald 15 Jahre darum gekämpft, die Schwelle des Jahres 1920 in der Musik zu überschreiten. Das war für mich wie verriegelt


    Ich hab mich eigentlich nie darum bemüht, ich habe diese Musik negiert. Schlüsselwerke habe ich jedoch immer schon besessen, die Frage ist lediglich aus welchen Motiven. So war beispielsweise mein Zugang zu Stawinsky gewährleistet, weil er (was ihm viele vorwerfen) etliches zitiert, was mir vertraut ist. Ähnliches könnte man über Mahler sagen, zumindest über jene Sinfonien, die ich gerne höre.
    Der Umgang mit Foren etc , machte es aber dann erforderlich mich auch mit der Klassischen Moderne auseinanderzusetzen. Allerdings
    ist der "Genuss" eher nicht ein rein "Musikalischer", wie beispielsweise Belcanto-Arien (wo die Handlung eigentlich sowieso niemanden interesiert, man will in Wohlklang baden, einst geschätzt-heute verpönt)
    sondern mich interesieren die historischen bezüge, respektive die Stimmung dieser Musik. Eine "identifizierung" findet jedoch bei mir nicht statt. Und strebe ich auch (wie so viele ) gar nicht an. Der Wiener Klassiksender (eigentlich ein Sender der katholischen Kirche) "Radio Stephansdom" nannte seinen Programmschwerpunkt "Klassische Musik bis etwa 1920" ;)


    Allerdings kenne ich inzwischen schon mehr als ich eigentlich zugebe.
    Musik der letzten 50 Jahre höre ich allerdings definitiv nicht.
    Frei nach Brendel: "Ich habe mich entschlossen Museumsbesucher zu sein"
    Desungeachtet kann hier natürlich über Musik jeglichen Zeitalters diskutiert werden.


    @ Thorsten Mueller


    Zitat

    Schröder, Bush, Berlusconi etc? Progressiv? Autsch Da ist nichts Progressives zu finden

    .


    Da muß ich ein Mißverständnis aufklären:
    Die waren nicht gemeint, ich sprach ja über Kultur und da sind die absolut inkompatibel....


    Nein ich meinte mit "mächtig" eine "Kulturmafia" die "moderne Inszenierungen" "moderne Musik" "Moderne Architektur" durchsetzen möchte, oft gegen den Willen des Publikums, unter gleichzeitiger Verächtlichmachung der Großen der Vergangenheit, deren Wirken man am liebsten auslöschen möchte, aus den Annalen tilgen.


    Veränderungen gab es in der Interpretation immer - und das ist auch gut so - oder glaubt jemand ernstlich ich würde 10 Aufnahmen ein und desselben Werkes kaufen- gäbe es da keine Unterschiede. Aber - die Veränderung darf nie gegen das Publikum gerichtet sein.


    Zeitgenössische Komponisten werden, so scheint mir, heutzutage nicht mehr angegriffen, das Estalishment hat nämlich durchschaut, daß der Kreis derer, die diesen Komponisten Interesse entgebenbringt doch eher klein ist, und keine wirkliche Bedrohung darstellt, weil die Mehrheit (der Klassikszene) sie sowieso negiert. Im moment ist es zwar chic sich als progressiv darzustellen, ob man dann Cds von diesen modernen Werken kauft steht auf einem anderen Blatt.
    Die "Progressiven" haben übrigens dieselbe Beobachtung gemacht: Sie würden die "gemässigten" bildungsbürgerlichen Kreise als Mitstreiter benötigen, um ihre musikalischen Ideale manifestieren zu können, die verweigern sich aber subtil. ;) Subventionen , die unbeliebtes Repertoire abstützen werden immer weniger, so ist die "experimentelle Moderne" auf Sicht gesehen zum verhungern verurteilt.
    Strategisch wird daher von den "progressiven "Kulturkritikern etc das "alte" als "verstaubt" bezeichnet, und das so lange und konsequent,
    bis niemand mehr widerspricht.


    Und hier sehe ich mich als Antipode, nicht (wie viele glauben) als "Missionar" eher als Korrektiv, wer so will als advocatus diabolo, um auch die momentan unterdrückte Kultur (Viele Meister des 19 Jahrhunderts, heute als "JKleinmeister" abgetan) nicht der Vergessenheit anfallen zu lassen, was in vielen Fällen jammerschade wäre.



    Ich freue mich auf jeden Fall auch in Zukunft auf feurige Diskussionen mit Euch


    und grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Dadurch, daß ich einen neuen Computer zum Christkindl bekommen habe (er darf sich schon einarbeiten, und vor allem muß ich mich einarbeiten, (Tausch von Win 98 auf XP, neuer Virenscanner, etc etc)


    Warum hast Du schon was zu Weihnachten bekommen ?!?!?!?! :stumm:

  • Nur mal eine kurze Verständnisfrage, der ich bis jetzt noch nicht auf den Grund gehen konnte:


    Was heißt IMO? ?(


    Ich tippe ja mal auf "in meinen Ohren".
    Könnte aber auch "Ich mag Offenbach" heißen.


    Ich bitte um Aufklärung. :jubel:


    Gruß, Peter.

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  • Zitat

    Original von petemonova
    Was heißt IMO? ?(


    Ich tippe ja mal auf "in meinen Ohren".
    Könnte aber auch "Ich mag Offenbach" heißen.


    oder im Moment ........ :D

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...Du hast keinen Nonsens geschriebenl, sondern lediglich eine Situation beschriebven wie Du sie empfindest. Das war nicht in beleidigendem Ton geschrieben und ist daher voll akzeptiert...


    @Alfred: Kennst Du Dostojevskies 'Idiot'? Ich habe eine Situation falsch beschrieben...Und das sollte _nicht_ akzeptiert werden...


    Hoffmanns Erzählungen habe ich ganz vergessen! Das war die erste Oper meines Lebens. Und die liebe ich heute noch.


    Gruß,
    Oliver

  • Hallo Peter,


    IMO (in my opinion - meiner Meinung nach) sollte man solche schrecklichen - AFAIK (As far as I know- soviel ich weiß) aus den Newsgroups stammenden - Abkürzungen meiden. Abgesehen davon, daß nicht jeder damit vertraut ist, ist es für mich (aber das ist meine ganz persönliche Meinung, die einige für derb überzogen halten) ein Unhöflichkeit, dem Adressat meiner Nachricht nicht so viel meiner Zeit zu gönnen, alle Worte auch auszuschreiben.


    Mit freundlichen Grüßen
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Lieber Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Nein ich meinte mit "mächtig" eine "Kulturmafia" die "moderne Inszenierungen" "moderne Musik" "Moderne Architektur" durchsetzen möchte, oft gegen den Willen des Publikums, unter gleichzeitiger Verächtlichmachung der Großen der Vergangenheit, deren Wirken man am liebsten auslöschen möchte, aus den Annalen tilgen.


    Wie schon so oft: Ich habe das noch nicht gehört, zumindest nicht von mehr als ein oder zwei Personen in der publizierten Öffentlichkeit. Vielleicht in der taz oder im Neuen Deutschland? Definitiv nicht in der FAZ, SZ, Zeit, Welt, Spiegel, Focus, Bild - und die machen in Deutschland immer noch die Mehrheitsmeinung. Auch im Fernsehen sind das Themen, die von RTL, SAT, PRO und den ganzen Müllsendern doch gar nicht debattiert werden. ARD steht mit seinen Radiosendern sicherlich an der Front der Modernisten, das ZDF mit der Altersstruktur seiner Hörer? Neee. Es gibt Personen wie Konwitschny, die Klassiker modern inszenieren, aber die fordern nicht die Großen aus den Annale zu tilgen. Also ich sehe das mehr als Reflex von Dir und kann darin keine allgemeine Tendenz ausmachen. Damit schwächst Du übrigens Deine Verteidigung der angeblichen Kleinmeister. Das Thema Architektur lasse ich hier übrigens mal raus, da habe ich keine Ahnung davon und es hat in einem Forum für klassische Musik eigentlich auch nicht so viel verloren, oder?


    Zitat

    sie sowieso negiert. Im moment ist es zwar chic sich als progressiv darzustellen, ob man dann Cds von diesen modernen Werken kauft steht auf einem anderen Blatt.


    Der Anteil hat sich anscheinend vergrößert, die DG hat eine neue eigene Reihe aufgemacht, Naxos auch. Und das übrigens nicht in den letzten Monaten, sondern schon vor einigen Jahren - und es gibt immer wieder Neuveröffentlichungen, die es (im Sinn die große Krise der Industrie) sicher nicht gegeben hätte, wenn die Verluste einfahren.


    Zitat

    Und hier sehe ich mich als Antipode, nicht (wie viele glauben) als "Missionar" eher als Korrektiv, wer so will als advocatus diabolo, um auch die momentan unterdrückte Kultur (Viele Meister des 19 Jahrhunderts, heute als "JKleinmeister" abgetan) nicht der Vergessenheit anfallen zu lassen, was in vielen Fällen jammerschade wäre.


    Kannst Du mir erklären (ohne auf Deinen Geschmack zurückgreifen zu müssen), warum die auch von vielen konservativen Kritikern abgelehnten Kleinmeister es im Gegensatz zur "experimentellen Moderne" verdient haben, "nicht" zum Verhungern verurteilt zu sein, dann könnte ich Deine Position besser verstehen und müsste sie nicht als geschmäklerisch einschätzen. Der Prozess ist doch unter anderen Vorzeichen im 19. Jahrhundert genau der gleiche gewesen - Publikum und Kritik hat das Recht gehabt zu urteilen: und viele Kleinmeister wurden vergessen - weil sie nicht "modern", nicht "orignell sonder verstaubt" waren. Dass da Fehlurteile passiert sind, steht außer Frage, aber Deine pauschale Kritik an der Musik der letzten 50 Jahre ist sicherlich nicht davor gefeit, ein Fehlurteil zu sein. Genausowenig wie eine pauschale Erhebung zeitgenössischer Komponisten zum non-plus-ultra der Kultur.


    Viele Grüße und nicht so viel Streß mit dem neuen Computer: XP ist Scheisse (mal sehen ob die Forensoftware das ändert :D)

    Gruß,
    Gerrit

  • @Alfred: Hoffentlich habe ich Dich mit dem 'Dostojevsky-Idioten' nicht beleidigt, das war nicht meine Absicht! Der Held dieses Romans, der 'Idiot' (der keiner ist), begeht Fehler und alle wissen es und keiner sagt ihm das. Warum? Hinterlist, Etikette und wahrscheinlich noch viele andere Gründe.


    Besser ists, unter Wahrung der Etikette den 'Finger in die Wunde zu legen'....


    Gruß,
    Oliver

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  • Hallo Oliver,


    Du schriebst:



    Zitat

    @Alfred: Hoffentlich habe ich Dich mit dem 'Dostojevsky-Idioten' nicht beleidigt, das war nicht meine Absicht! Der Held dieses Romans, der 'Idiot' (der keiner ist), begeht Fehler und alle wissen es und keiner sagt ihm das. Warum? Hinterlist, Etikette und wahrscheinlich noch viele andere Gründe.


    Natürlich hast Du mich nicht beleidigt, Dostojevskys "idiot" ist mir ein Begriff, ich weiß was gemeint war. :D


    Mein Bildung ist eher humanistisch als technisch ;)


    Ich komme lediglich nicht mehr dazu, auf alles zu anworten was mich interessiert, da die Anzahl der Postings im Forum in den letzten Wochen drastisch zugenommen hat. Der momentan angegebene Schnitt stimmt ja überhaupt nicht, weil da auch die extrem schlechten Tage zu beginn des Forums mitgerechnet werden, wir hatte bereits etliche Tage mit über 40, teilweise auch über 50 Postings..........



    Beste Grüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Rocco: Verdi, Donizetti, Puccini, Rossini und wie sie alle heißen werden allerdings rauf und runter "Gegurkt", von Verdis allerdings auch nur ein Bruchteil seines Operschaffens.


    Verdi hat 26 Opern komponiert, zusammen mit dem Requiem also 27 Großwerke. Davon sind 12 permanent weltweit auf dem Spielplan, einige weitere erleben eine Art Renaissance, oder werden zumindest immer wieder gezeigt. Außer Wagner kenne ich keinen Komponisten, der mit einem derart hohen Prozentsatz seines Werkes allgemein bekannt ist...


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack des 19, Jahrhunderts in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.


    Das Problem dieser Aussage ist, dass man "Lebensgefühl und Geschmack des 19. Jh." durch jede andere Zeit ersetzen kann - abgesehen von der Gegenwart natürlich - und die Aussage bliebe ebenso gültig oder ungültig:


    aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack des 17. Jahrhunderts in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.


    aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack der 60er Jahre in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.


    Stets gilt: Einiges wird sehr geschätzt, vieles könnte man mal wiederbeleben, vieles wirkt aufgrund des historischen Abstands gewaltig angestaubt, auch durchaus Sachen aus den damaligen Modeströmungen (das gilt auch für "furchtbar modernes" aus den 60ern z.B.)

  • Hallo Theophilus,
    ich bin zwar ein schlechter Mathematiker, aber über den Daumen gepeilt glaube ich, daß der Prozentsatz bei einem Komponisten höher ist, bei dem 10 von 13 Werken präsent sind als bei einem Komponisten, bei dem 12 von 27 Werken präsent sind. Oder tu' ich mich da total verkalkulieren...? :D
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    der Meister hat ja nicht nur Opern geschrieben, da komme ich dann doch auf mehr als 13 Werke ;)
    Dabei will ich gar nicht von der Sinfonie in C reden, auch nicht von der Faus-Ouveretüre (oder der schrecklichen Amerikanischen). Das Klavierwerk allerdings birgt doch einige schöne Petitessen. Die grundsätzliche Präferenz allerdings ist absolut auch die meine!!!


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Das Problem dieser Aussage ist, dass man "Lebensgefühl und Geschmack des 19. Jh." durch jede andere Zeit ersetzen kann - abgesehen von der Gegenwart natürlich - und die Aussage bliebe ebenso gültig oder ungültig:


    Es werden vom Konzertbetrieb allerdings wesentlich mehr Werke des 16. oder 17. als des 19. Jhds. ignoriert, daher finde ich den thread schon etwas verwunderlich.


    Zitat


    aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack des 17. Jahrhunderts in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.


    aber generell werden Werke, die das Lebensgefühl bzw. den Geschmack der 60er Jahre in irgend einer Form widerspiegeln, heute links liegen gelassen.


    Stets gilt: Einiges wird sehr geschätzt, vieles könnte man mal wiederbeleben, vieles wirkt aufgrund des historischen Abstands gewaltig angestaubt, auch durchaus Sachen aus den damaligen Modeströmungen (das gilt auch für "furchtbar modernes" aus den 60ern z.B.)


    Man könnte auch sagen, dass Werke, die nur ein bestimmtes Lebensgefühl einer vergangenen Epoche spiegeln, recht schnell wieder links liegen gelassen werden. Alle bei denen, das nicht der Fall ist, müssen irgendwas mehr an sich haben, was sie weiterhin attraktiv macht.
    Abgesehen davon, dass es besonders im 19. Jhd. kaum ein einheitliches Lebensgefühl gegeben haben dürfte: Restauration und Biedermeier oder eher revolutionärer Vormärz? Nationalismus und Gründerzeit, Belle Epoque oder morbides Fin de siecle usw. Allein in Deutschland und Österreich dürfte es 3-4 Lebensgefühle, je nach Generation, sozialer Schicht, politischer Richtung gegeben haben...


    Selbst bei gleichzeitig aktiven Komponisten: Spiegeln Mendelssohn, Berlioz, Chopin, Schumann und Donizetti alle dasselbe Lebensgefühl? :rolleyes:


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Thomas,
    ich sprach ja auch von "präsent" im Sinne von permanent im Repertoire vorhanden. Was für des Meisters teilweise keineswegs üble Klaviermusik und auch die Lieder leider nicht zutrifft.
    Ja, der "Amerikanische Festmarsch"... - wär aber lustig gewesen, der Meister hätte als Trio das Thema verwendet, das er notiert hatte mit dem Vermerk "amerikanisch sein wollend" und das dann Eingang in den "Parsifal" fand. Eswurde daraus "Komm, holder Knabe". Bitte mit einem Hauch Swing ins Klavier klopfen, dann ist alles klar!
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Theophilus,
    ich bin zwar ein schlechter Mathematiker, aber über den Daumen gepeilt glaube ich, daß der Prozentsatz bei einem Komponisten höher ist, bei dem 10 von 13 Werken präsent sind als bei einem Komponisten, bei dem 12 von 27 Werken präsent sind. Oder tu' ich mich da total verkalkulieren...? :D
    :hello:


    Hallo Edwin


    Für einfache Rechnungen scheint es durchaus zu reichen ;) , aber mit dem Lesen könnte es hapern, da ich damals Wagner explizit ausgenommen habe. Er führt natürlich in der Liste, aber Verdi könnte wirklich schon an zweiter Position liegen. Es ist jedoch nicht ganz einfach zu bewerten, denn man benötigt eine klare Definition, was unter "regelmäßig gespielt" fällt. Wenn man ein wenig großzügig ist, wird auch Beethoven einen sehr hohen Prozentsatz besitzen und Komponisten mit relativ wenigen Werken kommen naturgemäß leichter auf hohe Prozentzahlen (Bruckner und Mahler sind dann auch ganz weit vorne).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Für einfache Rechnungen scheint es durchaus zu reichen ;) , aber mit dem Lesen könnte es hapern, da ich damals Wagner explizit ausgenommen habe. Er führt natürlich in der Liste, aber Verdi könnte wirklich schon an zweiter Position liegen. Es ist jedoch nicht ganz einfach zu bewerten, denn man benötigt eine klare Definition, was unter "regelmäßig gespielt" fällt. Wenn man ein wenig großzügig ist, wird auch Beethoven einen sehr hohen Prozentsatz besitzen und Komponisten mit relativ wenigen Werken kommen naturgemäß leichter auf hohe Prozentzahlen (Bruckner und Mahler sind dann auch ganz weit vorne).


    Natürlich besitzt Beethoven einen sehr hohen Prozentsatz; von Liedern und kleineren Klavierstücken abgesehen werden fast alle Werke regelmäßig aufgeführt (er ist vermutlich mit deutlichem Abstand mit dem höchsten Prozentsatz von allen Komponisten, die in mehr als zwei Genres tätig waren und von denen überhaupt mehr als gutes dutzend Werke regelmäßig gespielt werden, präsent)
    "Geächtet" in irgendeinem Sinne ist heutzutage jedenfalls kein einziger der genannten Komponisten des 19. Jhds... ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Auch in der Architektur: Das 19. Jahrhundert ist nicht besonders gelitten bei den Kritikern. Pikanterweise ziehen es aber gerade viele moderne Architekten vor in historistisch, repräsentativen Stuckvillen zu residieren, als in modernen Glaspalästen, die zwar manchmal auch sehr beeindruckend sind, aber in der Masse doch ein wenig langweilig.


    :hello:

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