Melodija existiert wieder!

  • Was sich seit etwas mehr als einem halben Jahr zuerst zaghaft angedeutet hat, ist jetzt Wirklichkeit geworden: Das russische Label Melodija (etwas unlogisch auch Melodiya transkribiert) existiert wieder!


    Wer alt genug ist, dass er Schallplatten gesammelt hat, erinnert sich an die so wunderbar nach Schweißfüßen duftenden russischen Schallplatten (der Geruch kam vom Leim, mit dem die Cover zusammengekleistert wurden), die sagenhafte Aufnahmen unter Dirigenten wie Mrawinskij und Kondraschin boten, oder man konnte auf Entdeckungsreise gehen und Komponisten wie Mjaskowskij, Schtschedrin oder sogar Schnittke und Gubaidulina kennen lernen - und das in oft exemplarischen Interpretationen - lange bevor sie bei uns bekannt wurden.


    Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die Rechte an den Melodija-Aufnahmen an diverse Lizenznehmer verscherbelt. So konnten sich Olympia und BMG aus den Beständen bedienen, dann liefen die Lizenzen aus, die Aufnahmen verschwanden wieder. In letzter Zeit sind wieder welche aufgetaucht, u.a. bei Billiglabels, die aber mit einem Trick zu Werke gehen, indem sie die Radiorechte kauften, aber CDs daraus machten. Da das Label als Rechtsinhaber nicht existent war, ging das gut. Was jetzt mit diesen Rechten geschieht, ist gerade Gegenstand von Verhandlungen.


    Jetzt jedenfalls, und das ist das Wichtigste, existiert Melodiya wieder. Der Geruch ist neutral - aber einer Tradition ist man treu geblieben: Dass die russischen Einführungstexte im Booklet wesentlich umfangreicher und detaillierter sind als die oft stark verknappten englischen Übersetzungen.


    Bis jetzt erschienen sind Boxen mit Mrawinskij-Aufnahmen, darunter die Schostakowitsch-Einspielungen, Gilels und David Oistrach sind mit mehreren CDs vertreten (darunter zahreiche Einspielungen, die im Westen kaum je im Handel waren), endlich auch Kondrschins sensationelle Mahler-Aufnahmen mit der hysterisch gesteigerten "Sechsten" (2. und 8. sind nicht darunter - in der UdSSR nahm man an Dingen wie "Auferstehung" und "Veni creator spiritus" zu Kondrschins Zeiten noch allzu sehr Anstoß), es gibt wieder den "Fürst Igor" aus dem Bolschoi unter Ermler und diverse andere lange herbeigesehnte Aufnahmen.


    Die technische Überarbeitung ist perfekt, die Booklets sind auch für den nicht russisch Sprechenden informativ, dem ganze Unternehmen, das von zwei jungen Russen geleitet wird, kann man also nur alles Gute wünschen - denn was in den Melodija-Archiven so alles herumliegen muss, kann man sich denken. (Mein spezieller Wunsch: Schostakowitschs "Katerina Ismailowa" unter Prowatorow - eine Wahnsinnsaufnahme, die ich nur auf Platten habe und die nie auf CD herausgekommen ist.)


    Wer sich informieren will: Die Homepage hat die Adresse "www.melody.su", rechts oben "in English" anklicken, dann werden die Schriftzeichen wieder allgemein lesbar.

    ...

  • Hallo Edwin


    Persönlich besaß ich kaum Melodia Schallplaatten - Die Pressquaklität - das muss man schon sagen - war schauderhaft.


    Erst Jahre später bin ich draufgekommen, daß die Qualität der Bänder wesentlich besser war. Zudem bin ich heute nicht mehr so unbeugsam kritisch wie vor ääh Jahren......


    Somit sehe ich dem Projekt der Widergeburt dieses Labels mit Freude entgegen...


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred!


    Nachdem ich nun stolzer Besitzer rund eines Drittels des neuaufgelegten Melodija-Repertoires bin: Wer jemals den unverwechselbaren Klang russischer Schallplatten gehört hat (das Rauschen war nur an den Stellen nicht zu hören, an denen es knackst - womit ich sagen will, dass diese Platten eigentlich gar nicht so stark rauschten...), kann beruhigt sein: Die CDs sind tontechnisch verfeinert und geben den Klang der Originalbänder mit unglaublicher Plastizität wieder.
    Natürlich sind die Originalbänder mitunter schwach aufgenommen. Der extrem unterschiedliche Standard wird mir ein ewiges Rätsel sein. Wie kommt es, dass Melodija 1955 Rimskij-Korsakows "Goldenen Hahn" im technisch perfektesten Mono aufnimmt, das ich aus dieser Zeit kenne, 1963 Rachmaninows "Symphonische Tänze" unter Kondraschin auf eine Weise einspielt, dass jede Digital-Aufnahme dagegen blass wird, aber in der gleichen Zeit, also knapp nach 1960, Mrawinskijs Aufführung der 7. Bruckner in jämmerlichem Mono präsentiert und das Verdi-Requiem unter Melik-Paschaew mit Galina Wischnewskaja und Wladimir Iwanowskij (1960) trotz Nachbearbeitung klingt, als wäre der Radio-Sender ungenau eingestellt?


    Soll heißen: Wo das Originalband schwach ist, kann auch die digitale Nachbearbeitung keine Wunder wirken. Aber ein großer Teil der Aufnahmen ist technisch absolut auf zeitgleichem West-Niveau, oft wenig schwächer, mitunter sogar besser (vor allem, wenn man zeitgleiche EMI-Aufnahmen zum Vergleich heranzieht).
    Heute z.B. gehört: Borodins "Fürst Igor" (unter Mark Ermler mit Iwan Petrow, Wladimir Atlantow, Artur Eisen, Alexander Wedernikow und Elena Obraztsowa, dazu Chor und Orchester des Bolschoi - Menschenskind, wo gibt es heute ein solches Ensemble und solch ein Opernorchester!) - und technisch ist das 1a!


    LG

    ...

  • Hallo Ewin- Hallo Melodia-Besitzer (der Neuauflage)


    Es wäre verdienstvoll, wenn von Zeit zu Zeit die interessantesten Veröffentlichungen dieser Serie hier in kurzer Form rezensiert würden
    inklusive Tonqualität...


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine Ergänzung zum Thema Melodiya: der WDR hatte im vergangenen Jahr einen Beitrag über die ehemals größte Plattenfirma der Welt gebracht. 1964 wurde Melodjya gegründet und bündelte sämtliche bis dato in der Sowjetunion existierend Label und auch die Studios. Die Kurzfassung der Sendung ist hier zu finden. Das Sendemanuskript ist zum download auf der WDR-Seite hinterlegt. Nützlich: es gibt Hinweise auf Quellen, über dei man an noch nicht zum Export bestimmtes Melodiya-Material herankommt. Ich schöpfe Hoffnung!!!


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Mir fällt die Schreibweise schwer - ich bin "Melodya" gewöhnt, aber wenns denn in der Transkription so besser ist, kein Problem.


    Mir fehlen auch seit Jahrzehnten Aufnahmen aus der ehemaligen UDSSR, so dass ich jetzt hoffe, diese schliessen zu können.


    Vor einiger Zeit habe ich von diesem Projekt, "Melodija" wieder zu beleben, gelesen und dass sich eben zwei echte Enthusiasten, die wohl früher schon dabei waren, um die Veröffentlichungen bemühen wollen. Auch über Probleme mit den Rechten wurde in dem Artikel berichtet.


    Mir fehlt z. B. auch die von Edwin erwähnte "Katerina Ismailowa". Mein Interesse hat im Laufe der Jahre etwas nachgelassen, weil es sich dabei nunmal um die "entschärfte" Form der "Ladi Macbet" handelt, aber als Bereicherung meiner Sammlung...?


    Andere Aufnahmen waren für mich eigentlich kein Problem - den "Igor" habe ich in einer auch tontrechnisch guten Überspielung auf CD problemlos kaufen können, Shchedrins "Tote Seelen" auch.


    Mir fehlen z. B. ein "Onegin" (Vishnevskaya, Masurok, Atlantov), "Pique Dame" (Andshaparidse) oder Muradelis (jaja, ich weiss...) "grosse Freundschaft".

  • Eines von vielen CD-Labels, die ab sofort über NAXOS Deutschland erhältlich sind: Melodiya aus Russland:



    Zitat

    Das Label Melodiya wurde 1964 gegründet, um Klassikliebhabern in Russland und dem Rest der Welt die Musik großer Komponisten und Musiker nahe zu bringen. In der Zwischenzeit hat sich Melodiya mit seinen Qualitätsaufnahmen in der internationalen Klassikindustrie einen großen Namen gemacht. Mehr als 230.000 Aufnahmen aus dem Bereichen Klassik, Jazz, Folk und anderen Stilrichtungen bildet die Grundlage für das junge und ambitionierte Melodiya-Team, um das Label fit für das 21. Jahrhundert zu halten.


    http://naxosdirekt.de/labels/melodiya-4000
    http://www.melody.su/en/


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die Wiederbelebung des legendären russischen Labels Melodija ist wirklich eine der erfreulichsten Entwicklungen dieses Jahrtausends in der Klassikbranche.


    Mittlerweile sind 13 Jahre vergangen. Ungezähltes wurde wieder- oder gar erstmals veröffentlicht. Melodija ist da sehr umtriebig, so dass ich immer wieder staune, was sie aus den Archiven holen. Edwins Wunsch einer CD-Erstveröffentlichung der legendären Prowatorow-Einspielung von Schostakowitschs Katerina Ismailowa wurde bereits vor einiger Zeit erfüllt. Ich teile die Begeisterung vollauf und meine gar: Referenz, Fassungsfrage hin oder her. Und was sonst noch so alles herauskam. Viel von Swetlanow erstmals auf CD, dazu weniger im Fokus stehende Dirigenten wie Fuat Mansurow, Alexander Melik-Paschajew oder Konstantin Iwanow, um nur einige wenige aus dem Stegreif zu nennen. Manches erscheint offenbar nur als digitaler Download, dafür hochauflösend und in bester Qualität - da sage ich auch: lieber so als gar nicht. Das Manko der Pressqualität der alten LPs fällt nicht mehr ins Gewicht.



    Fazit: Melodija hat einen erfolgreichen Neuanfang bestritten und kann an den Glanz der alten Tage vollauf anknüpfen. Ich freue mich auf weitere Schätze, denn es gibt noch einiges zu heben (darunter die Tschaikowski-Einspielungen von Wjatscheslaw Owtschinnikow), aber auch spannende Neueinspielungen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hier nun einige Veröffentlichungen aus dem Melodia Programm

    Ich bin hier ziemlich willkürlich vorgegangen, habe Bekanntes mit weniger Bekanntem vermischt

    Ein Appetizer gewissermaßen ....





    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Dmitri Schostakowitsch Gesamtaufnahmen der 15 Sinfonien


    Der Preis für beide Boxen ist identisch. Man studiere die Produktinformationen des Werbepartners.


    Es gibt eine Wiederveröffentlichung mit verschiedenen Dirigenten und Orchestern aus den Jahren 1961 bis 1984.




    Die Neueinspielung von 2016, 2018 beim Label Melodija erschienen, mit dem Tatarstan National Symphony Orchestra und ihrem Dirigenten Alexander Sladkovsky wurde im Forum bereits an anderer Stelle erwähnt.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Viel von Swetlanow erstmals auf CD, dazu weniger im Fokus stehende Dirigenten wie Fuat Mansurow, Alexander Melik-Paschajew oder Konstantin Iwanow, um nur einige wenige aus dem Stegreif zu nennen.

    Lieber Josef,


    :hello: halt uns auf dem Laufenden was alles in dieser Richtung interassant ist. Ich bin auch hocherfreut über diese positive Entwicklung bei Melodiya.


    In letzter Zeit habe ich mir viel auf YT angesehen/angehört, was mit Alexander Sladkovsky/Tatarastan SO vorliegt ... alles verdammt gut und interessant, aber auch teils eigenwillig:

    Zum Beispiel war die Rachmaninoff - Sinfonie Nr.1 schon sehr gut, aber anstatt den packenden Schluss zackig und spannend überrumpeln zu präsentieren, liefert er die letzten Takte auseinanderfallend in Zeitlupe. Man höre den Swetlanow-Wahnsinn im Vergleich ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang