Namensgeber der Osmanen bzw. des Osmanischen Reiches war Sultan Osman I [1326-1389]. Seit dem 14. Jahrhundert besaßen die Osmanen besonders in Ost- und Südosteuropa eine allseits gefürchtete Streitmacht. Sultan Kara Mustafa [c1635-1683] sog 1683 mit einem Heer, dass er im Verlauf der Marschrichtung auf rund 200.000 Mann ausweitete gegen Ungarn. Für 1684 plante er, gegen Wien zu kämpfen und dieses einzunehmen. Dank dem Größenwahn des Groswesirs wurde der Plan jedoch kurzfristig umgeschmissen, und man stieß bereits am 14./15. Juli 1683 nach Wien vor, wobei man unterwegs einige westungarische Orte plattwalzte. Die europäische Trägheit war schuld daran, dass sich Kaiser Leopolds I. Bemühungen um Unterstützungen in die Länge zogen, so dass die Stadt erstmal gemütlich von den Osmanen belagert werden konnte. Wien war umzingelt, genüsslich huben die Osmanen Gräben aus, die Artillerie wehrte alldieweil von beiden Seiten Ankommende erfolgreich ab. Die Belagerung Wiens dauert so ungefähr zwei Monate an, währenddessen war man in Wien nicht einfallslos – man grub unterirdische Gräben und griff gelegentlich an, um die Osmanen zu nerven. Inzwischen verloren die Türken rund 48.000 Mann durch Krankheit und Ernährungsmangel. Das Osmanische Heer, durch die mehr oder weniger langweilige Belagerung unterfordert, verlor an Geduld und die Beutegier wurde unzureichend befriedigt. Das schwächte. Endlich, Anfang September trafen die polnischen und ersatzkaiserlichen Truppen ein, um Wien zu befreien. Am 12. September 1683 flogen die Fetzten – die Schlacht war langwierig, zäh und dennoch erfolgreich! Die Osmanischen Truppen – geschätzte 80.000 Mann – wurden vernichtend geschlagen.
Zunächst schicke Großwisir Kara Mustafa jede Menge abgeschlagener Köpfe von Feiglingen und Versagern an Sultan Mehmed IV, um seinen eigenen zu retten. Genau den aber wollte der Sultan haben: Er forderte den unterlegenen Befehlshaber auf, wegen der unerträglichen Niederlage Selbstmord zu begehen, woran dieser aber gar nicht dachte. Nun, schlussendlich wurde der Großwesir Ende Dezember 1683 enthauptet und das Haupt dem Sultan auf einem Silbertablett präsentiert. Nach meinen Informationen kann der abgetrennte Schädel noch heute in Wien [im Museum] beschaut werden.
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Aus dem wertvollen Nachlass der Besiegten, darunter Kleidung, Schmuck, Instrumente, Kriegswaffen entwickelte sich alsbald aus Schadenfreude und Stolz eine neue, recht nette Mode. Zwar gab es bereits, bedingt durch die Unruhen im Vorfeld, einige Opern mit „türkischem Sujet“ – doch kann Johann Wolfgang Francks [*1644-1696/1719] Oper „Der Glückliche Groß-Vezir Cara Mustapha, Erster Theil, Nebst Der grausahmen Belagerung und Bestürmung der Kaiserlichen Residentz-Stadt Wien" [UA: 1686 Hamburg] und „Der unglückliche Cara Mustapha, anderer Theil, nebenst dem erfreulichen Entsatze der Käyserlichen Residentz-Stadt Wien“ [UA 1686, Hamburg] als eine der ersten „Türkenopern“ gelten, veranlasst durch das vorhergehende Geschehen. Im Vorfeld kann Marcantonio Cestis Oper „La Dori“ [1661] genannt werden, deren Handlung ebenfalls in einem Serail spielt. Leider habe ich keine Wiener Komponisten ausfindig gemacht, die diese Vorfälle thematisierten oder zum Anlass für Opernkompositionen nahmen. Die Alte-Musik-Spezialisten sind gefragt…
Nicht einmal hundert Jahre später waren sie wieder da: Auch Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Osmanen ein „beliebtes“ Thema – die Kriegserklärung Kaiser Josephs II. erfolgte am 9. Februar 1788.
Einigermassen bekannt sind heute folgende Opern und Singspiele, darunter einige, welche die Befreiung [mindestens] zweier Liebenden aus den Klauen eines osmanischen Herrschers vertonen:
1767
Christoph Willibald Gluck:
Die Pilgrime von Mekka [La Rencontre imprévue]
1775
Joseph Haydn:
L’incontro improvviso
1779
Wolfgang Amadeus Mozart:
Zaide
[Die unvermutete Zusammenkunft
in der Sklaverei zwischen Vater,
Tochter und Sohn]
1782
Wolfgang Amadeus Mozart:
Die Entführung aus dem Serail
1789
Joseph Martin Kraus:
Soliman II.
[nicht eingespielt]
Franz Xaver Süßmayr:
Soliman der Zweite
1811
Carl Maria von Weber:
Abu Hassan
1817
Peter von Winter:
Maometto
[…]
Ich liebe dieses Genre überaus! Wem geht es genauso und was vor allem schätzt Ihr an solchen Werken? Welche „Türkenopern“ des 17./18. und 19. Jahrhunderts gibt es noch, die man kennen sollte oder muss?
Liebe Grüße
Ulli