Robert Schumann - Lieder,Romanzen und Balladen

  • Mit Erschrecken stellte ich fest, dass es keinen Thread zu Schumanns Liederwerk gibt! Also rasch nach etwas Überlegung einen eröffnet!
    Meiner Meinung nach, ist Schumann nach Schubert der Wichtigste Vertreter des deutschen Liedes. Zudem ist in diesem Jahr Schumann Jahr und auch noch Heine Jahr, dessen Texte immer eine große Anregung für Schumann darstellten, auch wenn zu diskutieren ist ob Schumann Heines Texte immer richtig deutete und dessen Ironie erkannte.
    Neben den bekannten Liedzyklen(Dichterlieber,Liederkreise und Myrten) sind gerade viele kleine Zyklen und Sammlungen zu Unrecht unbekannt um nur einige zu nennen:
    Sechs Gedichte aus dem Liederbuch eines Malers op.36 (Reinick)
    Zwölf Gedichte op.35 (Kerner) oder der kleine Liederkreis op.24(Heine).


    Was Schumann aber vorallem für mich ausmacht sind seine Romanzen und Balladen!
    Die Feindlichen Brüder, Die beiden Grenadiere,der arme Peter I,II & III
    oder "Belsazar", eine Ballade die es ohne Probleme mit einem Erlkönig aufnehmen kann.


    Es ist nicht zu verschweigen, dass es wie auch bei Schubert bei vielen von Schumanns Liedern heute ein Problem mit der Indentifikation gibt und sie teilweise nicht mehr in die heutige Zeit passen, dies liegt aber weder an Schumann oder Schubert sondern an den werten Herren Dichtern!


    Zudem ist bei Schumann ein deutlicher musikalischer und seelischer Wechsel zwischen den frühen und späteren Werken zu erkennen. Die später komponierten Werke wirken wesentlich gesetzter und konsistenter, hingegen die frühen Werke oft mit seltsamen Stimmungen und ganz abusrden Klavierbegleitungen (z.b.Dichters Genesung)aufwarten können!
    Ich finde beides äußerst interessant und spannend.


    Nun habe ich genug geschrieben, ihr seid an der Reihe!
    Was haltet ihr von Schumann? Wo liegt der Unterschied bzw.Gemeinsamkeiten zwischen Schubert, Brahms und anderen Liederkomponisten.Was macht ihn aus? Was gefällt euch besonders, was überhaupt nicht?
    Fragen über Fragen, und nun solls Antworten über Antworten geben!


    Mfg Richard

  • Lieber Richard,


    Du hast insofern Recht, als es noch keinen Thread zu Schumanns Liedschaffen im Ganzen gibt, sehr wohl aber zu einzelnen Liederzyklen, z. B. opp. 39 und 48.


    Mir gefallen besonders Schumann´s Heinevertonungen gut. Schumann hatte offenbar einen besonderen Sinn für die feinsinnige Doppelbödigkeit von Heines Lyrik. Die von Dir erwähnten Balladen "Belsazar" und "Zwei Grenadiere" sind ja ebenfalls Vertonungen von Heine-Gedichten.


    Heines Begeisterung für Frankreich ist für seine Zeit nicht außergewöhnlich. Bemerkenswert ist Heines gespaltenes Verhältnis zu Deutschland und seine Frankophilie. Manche Texte Heines mögen wegen ihres, uns heute vielleicht unpassend erscheinenden, Nationalismus ein wenig überholt erscheinen, doch gab es Dichter die sich in der Hinsicht weitaus stärker "hervortaten", wenn ich da beispielsweise an Heinrich von Kleist denke.


    Herzliche Grüße,


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Liebe Lied- und Schumann-Freunde,Johannes hat ja vorgeschlagen, die Diskussion aus dem Schwanengesang-Thread in einen Schumann Thread zu verlegen. Da es hier um Schumanns Lieder im Allgemeinen geht, würde dieser Thread hier ja eigentlich ganz gut passen:



    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat von Lotosblume (die sich hoffentlich nicht ängstigt...)

    Zitat

    Heine soll es auf ein Paar ihn quälende Schuhe geschrieben haben.Leider weiß ich nicht mehr ganz sicher wo ich es gelesen habe,aber es könnte im Buch über Schumann von Dietrich Fischer-Dieskau gewesen sein.


    Genau so ist es: Heine soll irre Schmerzen gehabt haben, weil ein paar neue Schuhe zu eng gewesen sein sollen und dann dieses Gedicht geschrieben haben.


    Das ist durchaus möglich - Schumann hat das Gedicht aber dann in seinen "Liederkreis op. 24" in genau der Weise eingearbeitet, die Johannes Roehl beschrieben hat.


    Möglicherweise ein Missverständnis, das aber zu doch sehr schönen musiklischen Ergebnissen führt :D

  • Interessantes Thema!


    Schumann schrieb seine ersten Lieder bereits 1827/28,
    Danach folgte die Schaffensperiode fürs Klavier.
    1840 wurde dann zum Hochzeits- und Liederjahr.
    Es entstanden fast die Hälfte seiner 300 Klavierlieder, u. a. die beiden Zyklen nach Heine Liederkreis (op. 24), Dichterliebe (op. 48 ), die Myrthen (op. 25), der Eichendorff-Liederkreis (op. 39) und Frauenliebe und - leben (op. 42) nach Texten von Chamisso. Noch von Eichendorff vertont wurden Der Schatzgräber (op. 45/1), Frühlingsfahrt (op. 45/2) und Der frohe Wandersmann (op. 77/1) sowie 1850 Der Einsiedler (op. 83/3). Im Jahr 1847 schließlich der Chor op.62/1, 1849 die Chöre (op.69/1, 2, 5; op.75/2-3).
    Dein Angesicht aus op.127 und Mein Wagen rollet langsam aus op.142, die beide ursprünglich zur Dichterliebe gehörten, wurden entgegen ihrer hohen opus-Zahl ebenfalls 1840 komponiert.


    Soviel für den Augenblick. Ich freue mich auf eine rege Diskussion.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Das "schubweise" Komponieren in einzelnen Genres, die danach wieder jahrelang gar nicht bedacht wurden, scheint für Schumann charakteristisch zu sein. Zunächst (1830-38 ) stand verständlicherweise Musik für Klavier solo, im Mittelpunkt, Siegfried erwähnte das berühmte "Liederjahr" 1840, 1842 folgten dann sehr schnell hintereinander fünf gewichtige Kammermusikwerke op.41,1-2, op.44, op.47 usw.


    Fast alle wichtigen Sammlungen wurden schon erwähnt; es fehlen nur noch die zwölf "Kerner-Lieder" op.35 und die fünf nach H.Chr. Andersen (übertragen von. v. Chamisso) op.40.


    Es wurden übrigens vier Lieder aus der Urfassung der "Dichterliebe" eliminiert, außer den genannten "Dein Angesicht" und "Mein Wagen rollet langsam" noch "Es leuchtet meine Liebe" (op.127,3) und "Lehn deine Wang' an meine Wang'" (op.142,2).
    Ich hatte mal eine Einspielung der Dichterliebe, die diese Lieder wieder einfügte. Da mir Hampson aber davon abgesehen, nicht besonders gefiel, habe ich sie wieder verscherbelt. Prinzipiell finde ich es aber sehr interessant (aber die Dichterliebe hat ja einen eigenen thread)


    Den Liederkreis op.24 kann man als eine Miniaturfassung der Dichterliebe auffassen. Nur 9 statt 16 (bzw. früher 20) Lieder, aber ebenfalls eine recht enge Vernetzung und stärker als in op.48 eine angedeutete Handlung, insofern näher an Schubert. Was die zyklische Anlage betrifft, war aber wohl Beethoven "An die ferne Geliebte" für Schumann eher noch wichtiger. Nimmt man das letzte Lied "Mit Myrten und Rosen" inhaltlich ernst, so handelt es sich hier ebenfalls um an eine ferne Geliebte gerichtete Lieder. Nur dass die Liebe hier nicht (mehr?) auf Gegenseitigkeit beruht.


    In den ersten beiden Liedern scheint sich das lyrische Ich noch Hoffnung auf Erfolg bei der Angebeteten zu machen, in Nr.3 hat sich das offenbar zerschlagen, in Nr.4 Todessehnsucht (ein genial-einfacher Zug, wenn in der letzten Zeile der "Herzschlag aussetzt", das Klavier zuerst die Zeile zuEnde fürht, dann die Stimme "nachklappert) in Nr. 5 folgt der Aufbruch (eher trotzig, ähnlich wie manchmal bei Schubert) in 6 und 7 die Weiterreise, anscheinend den Rhein hinunter, natürlich immer mit bitteren Reminiszenzen an die fatale Liaison. Nr. 8 dann zwischen Verzweiflung und Resignation, Nr.9 ein distanziert-ironischer Abschluß. Ganz analog zur Dichterliebe wird Liebe und Liebesleid symbolisch "zu Grabe getragen", hier ganz konkret, in dem die Gedichte niedergeschrieben werden. Die in der Hitze der Leidenschaft entstandenen Lieder werden sozusagen "eingefroren", können aber durch "der Liebe Geist" wieder aufgetaut werden, etwa wenn sie die Geliebte lesen sollte. Ganz hat er die Hoffnung wohl doch nicht aufgegeben...


    Ich habe zwei Aufnahmen dieses Liederkreises, einmal der noch recht junge Fi-Di in den 50er Jahren (EMI) und dann eine recht neue mit Christoph Pregardien. Eine überaus empfehlenswerte CD:



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Prof. Harmut Fladt hat 2002 über
    DAS LIEDSCHAFFEN VON CLARA UND ROBERT SCHUMANN
    einen interessanten Vortrag gehalten, welcher übers Internet abgerufen werden kann.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo,


    mir gefällt diese Liedauswahl sehr gut:



    Robert Schumann [1810-1856]
    Frauenliebe und -leben


    Frauenliebe und -leben op. 42 [Adalbert von Chamisso]

      Seit ich ihn gesehen
      Er, der Herrlichste von allen
      Ich kann's nicht fassen
      Du Ring an meinem Finger
      Helft mir, ihr Schwestern
      Süßer Freund
      An meinem Herzen
      Nun hast du mir den ersten Schmerz getan


    Mignon op. 79/29 [Joh. W. von Goethe]
    Der Nußbaum op. 25/3 [Julius Mosen]
    Aufträge op. 77/5 [Christian L'Egru]
    Die Lotosblume op. 25/7 [Heinrich Heine]
    Ständchen op. 36/2 [Robert Reinick]
    Nachtlied op. 96/1 [Joh. W. v. Goethe]
    Der Sandmann op. 79/13 [Hermann Kletke]
    Das verlaßne Mägdlein op. 64/2 [Eduard Mörike]
    Die Kartenlegerin op. 31/2 [Adalbert von Chamisso nach Béranger]


    7 Lieder op. 90 [Nikolaus Lenau]

      Lied eines Schmiedes op. 90/1
      Meine Rose op. 90/2
      Kommen und Scheiden op. 90/3
      Die Sennin op. 90/4
      Einsamkeit op. 90/5
      Der schwere Abend op. 90/6
      Requiem op. 90/7


    Bernarda Fink, Mezzosopran
    Roger Vignoles, Piano


    Gereizt hat mich diese CD wegen Bernarda Fink, deren Stimme ich überaus schätze, besonders in den tieferen Registern. Aber auch ihre Höhe hat Angenehmes und wenig Schrilles. Das Klavierspiel ist präsent, aber unaufdringlich.


    Zu einzelnen Liedern werde ich ggfs. noch Stellung beziehen.


    Jedenfalls wurde diese Einspielung ganz zu Recht in die hmGold-Serie aufgenommen! Eine Serie, der man offenbar blind vertrauen schenken darf: Da wurde wirklich alles vergoldet, was glänzt.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zunächst bin ich erstaunt, dass das von richard logiewa angestoßene Thema so wenig Interesse findet.
    Die von Johannes Roehl gezeigte CD habe ich mir gekauft, nachdem ich das von Christoph Prégardien (live im Konzert) hingehauchte "und aus dem Traum, dem bangen, weckt mich ein Engel nur." gehört hatte.
    Dieses letzte Lied aus op.35 (nach Gedichten von Justinus Kerner) ist seitdem mein persönlicher Gradmesser für kultivierten Gesang.
    Aber vor diesem wunderzarten Schluss-Stück sind noch andere Perlen zu hören - beispielsweise "Sehnsucht nach der Waldgegend" oder das voluminöse Lied "Stille Tränen" mit einem sehr "unordentlichen" Klavierspiel, wenn ich das mal so laienhaft ausdrücken darf.


    Diese Kerner-Lieder scheinen mir neben Liederkreis und Dichterliebe etwas vernachlässigt zu werden, schade, der Zyklus enthält Kostbarkeiten!
    Das letzte Lied "Alte Laute" habe ich in Interpretationen von Dieskau, Erb, Goerne, Hampson und Prégardien - empfehlenswert!