Vergleichende oder subjektive Rezension ?

  • Liebe Taminoianer


    Soeben habe ich das Abhören von Beethovens Klavierkonzert Nr 5 in der Aufnahme mit Yefim Bronfman und dem Tonhalle Orchester Zürich unter David Zinman beendet.
    Ich glaube es ist die 10 Aufnahme dieses Werkes, die ich besitze.
    Bei dieser Gelegenheit stellte sich die Frage, so man ein paar Zeilen über die CD schreiben möchte - wie mache ich das ?


    Ich höre mir einige Aufnahmen bruchstückweise an und vergleiche dann die einzelnen Interpretationen


    Ich lasse das Werk auf mich wirken und teile anschließend meine subjektiven Eindrücke mit.


    Jes der genannten Verfahren hat seine Vor - und Nachteile.


    Der unmittelbare Vergleich mag objektiver erscheinen - aber das wichtigste kann er nicht: Die beiden Interpretationen gleichberechtigt gut nebeinander stehen lassen. Immer wird die eine Aufnahem feuriger, rasanter, lauter etc sein als die andere.


    Verzichtet man auf den unmittelbaren Vergleich, dann kann es sein, daß beide Aufnahem gefallen (oder auch nicht) - ein Vergleich im eigentlichen Sinne findet ja nicht statt (es sei denn man hat eine Interpretation im Hinterkopf) - er werden nur die Sinneseindrücke SUBJEKTIV wahrgenommen und beschrieben.


    Solch ein Vorgehen wiederum begünstigt die Subjektivität....


    Was zieht ihr im allgemeinen vor ?


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • :D Zuerst mal muss ich das Werk in einer Aufnahme einigermaßen lieben und kennen, um mir eine andere Interpretation zu Gemüte zu führen. Insofern ist passagenweises Vergleichen quasi in "Echtzeit" eine Errungenschaft der Technologie, die gar genug nicht zu würdigen ist (inzwischen reicht sogar ein kurzer Mausklick anstatt eines schnellen CD-Wechsels), aber das kann man erst tun, wenn man ein Werk kennt.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo Alfred!
    Jede Rezension ist subjektiv, auch die Vergleichende, da die Position, aus der man vergleicht, dem eigenen Geschmack unterworfen ist. Eine Objektivierung findet dann statt, wenn man das Urteil begründet. Tatsächlich objektiv ist eine Rezension auch dann nicht, aber der Leser weiß, von welchem Standpunkt aus argumentiert wird und kann dadurch seinen eigenen Standpunkt bestimmen und zur Rezension in Beziehung setzen.
    LG

    ...

  • Zitat

    ungelesen anschließen


    8o


    Ich hoffe für Dich, lieber Masetto, diese unkonventionelle Vorgehensweise beschränkt sich nur nur auf dieses Forum.


    Beste Grüße


    tom

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  • hallo,
    beim Vergleich und bei einer vergleichenden Interpratation muss ich unterscheiden zwischen einzelnen Interpretationen, d.h. ich vergleiche verschiedene Auffassungen des gleichen Werkes. Und sie bringen mir ihre jeweilige Sichtweise hörend bei. Und zum anderen vergleiche ich Interpretationen mit meiner subjektiven Folie, mit meiner bisherigen Hörerfahrung, denn auf dieser Folie gleiche ich nun das Gehörte ab und beurteile. Diese Selektion, die in meinem Gehirn stattfindet, baut auf einer Vorerfahrungen auf, die ich schon habe. Ich habe schon ein Engramm, es ist schon eine Codierung da, von der ich ausgehe.
    Und somit vergleiche ich dann die Interpretation und entscheide, ob diese meiner Vorstellung ( oder zumindest ist es meine erste Vorstellung, die gespreichert wurde ) entspricht oder nicht. Diese Entscheidung ist anfangs eher unsicher und tastend, nach etlichen neuen Versuchen wird eine erweiterte Hörerfahrung dann zusammengesetzt in einen Gesamtrahmen, meinem Ideal. Dies ist aber auch immer auch in einen kuturellen Zeitrahmen eingebettet.


    Grüsse


    heiwes

  • Vor einigen Stunden, als ich einen kurzen Beitrag im neuen Thread über die Kammermusik von Louise Farrenc schrieb, stellte ich mir die Frage inwieweit die momentane Verfassung des Rezensenten (ob Amateur oder Profi spielt hier keine Rolle) zum Zeitpunkt wo er das zu beurteilende Stück oder die in Frage stehende Aufnahme hört von Bedeutung für das Endergebnis ist.
    Ein Thread zu diesem Thema war schon in Planung. Im Rahmen meiner Recherche fand ich indes diesen alten, fast unbenutzten Thread und ich fand, der würde sich ganz gut zur Beantwortung der Frage eignen.
    Implizit ist da noch die weitere Frage enthalten, inwieweit der Rezensent denn eigentlich (obwohl dies ein unrealistische Anspruch wäre)einen annähernd "neutralen" Standpunkt vertreten solle, oder ob es legitim ist seine subjektive Meinung und seine "Vorurteile" mit einfließwn zu lassen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich fühle mich immer befangen , wenn ich als enger Freund und Ehrenpräsident der Gottlob Frick Gesellschaft über den Sänger oder die Gesellschaft publiziere. Weil diese Subjektivität gar nicht zu vermeiden ist -egal wie ich höre und vergleiche - vermeide ich, soweit dies möglich ist, solche Veröffentlichungen. Diese Aussage stellte ich bereits gestern, ehe ich diesen dem Thema speziell gewidmeten Thread kannte, im Bereich "Neue Stimmen" hier im Forum ein. Eine nicht von Subjektivität beinflusste Rezension scheint mir nur sehr schwer möglich zu sein - und was soll's auch: Der Kritiker ist auch nur ein Mensch mit all seinen Einstellungen, Erfahrungen, Vorlieben und Vorurteilen. Ich meine unter diesen Gesichtspunkten sollten wir eine Rezension lesen und bewerten.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Implizit ist da noch die weitere Frage enthalten, inwieweit der Rezensent denn eigentlich (obwohl dies ein unrealistischer Anspruch wäre) einen annähernd "neutralen" Standpunkt vertreten solle, oder ob es legitim ist seine subjektive Meinung und seine "Vorurteile" mit einfließen zu lassen....


    Man kann eigentlich keinen absolut neutralen Standpunkt vertreten. :!: Das muss aber auch gar nicht sein. Ja, es ist legitim !
    Für mich gilt bei Vergleichen, dass ich darauf achte, dass eine Interpretation möglichst spannungsreich ausgeführt wird und für mich damit am Kurzweiligsten ist.
    Dies sollte aber für die meisten eine Richtschnur sein, ... ;) denn wer will schon lahmnen und langweiligen Int bei der Musik einpennen ?


    Man muss immer zwischen den Zeilen lesen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Mir ist der Thred deswegen wieder in den Sinn gekommen, weil mir aufgefallen ist, daß ich jetzt eine Zeitlang in Folge nur eher positive Berichte schrib, dann folgten einige , die bei genauer Betrachtung eher vernichtend waren. Mit Farrenc und Chopin (Pires) scheint wieder eine "freundliche" Phase zu beginnen (?) Die letzten Tage waren mit Spannung (Neue Videokamera etc) verbunden, und da hab ich mich gefragt ob der Stress nicht doch Auswirkungen auf die "Rezensionen " hat ?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich hat er das.


    Und in unterschiedllchem Ausmass. Hängt sicher auch von der Persönlichkeit und vom Arbeitsstil des Rezensenten ab. Sollte schon deshalb zulässig sein, weil es mehr oder weniger Schwankungen der Schreibbedingungen gibt, die sich gar nicht eliminieren lassen, v.a. auch externe Einflüsse wie Eile, Konzentration, Gesundheitszustand, aber auch zu Ende gehende Farbpatronen des Druckers, Flimmern des Monitors u.a. Bei Chirurgen genauso wie bei Religionslehrern, und eben auch bei professionellen und Amateurkritikern.


    Zu banal ?


    Freundlichst
    D. :)

  • Sehe ich auch so, wenn ich gestresst bin, höre ich ja auch anders, von daher fällt meine Beurteilung naturgemäß anders aus. Wobei ich mir Mühe gebe und eine Interpretation nicht wirklich beurteile, wenn ich gestresst bin, einfach weil das dem Dirigenten, Musikern gegenüber irgendwie unfair wäre.


    Ich versuche, dann noch mal in entspannterer Stimmung zu höre, bevor ich hier etwas dazu poste.


    Ich sehe es wie teleton und finde es völlig legitim, dass eine Rezension nicht objektiv sein kann. Jeder hört und empfindet nun mal anders. Und sonst wäre unser Hobby auch einfach langweilig. 8-) Wenn ich genau wüsste, also wirklich definitiv, dass mir die empfohlene Aufnahme gefällt... das würde mir glaube ich nicht gefallen.