Das Klavier und der Klang - Eine Geschichte der Grenzfindung

  • Guten Morgen liebe Forianer!


    Das wohl populärste Instrument der letzten Jahrhunderte hat eine interessante Entwicklung durchlebt.
    Vom ersten Clavichord bis zum modernen Steinway war es ein weiter und langer Weg!
    Doch nicht nur technisch wurden Klang und Technik verändert, verbessert und verfeinert, nein, es gab auch immer Komponisten denen man nachsagt sie hätten großen Anteil gehabt an der Entwicklung eines neuen Klavierklanges!
    In diesem Zusammenhang fallen oft die Namen Bach, Chopin, Rachmaninow, Debussy.
    Wie seht ihr dieses Thema?
    Welche Komponisten haben eurer Meinung nach den Klavierklang entscheidend weiterentwickelt, scheinbare Grenzen gesprengt, wichtiges Neues eingebracht?


    Gruß
    Matthias

  • Meines Wissens hat Dussek nicht nur für Broadwood-Flügel komponiert sondern auch auf die Entwicklung des Broadwood-Klangs Einfluß gehabt. Da die englische Mechanik im 20. Jahrhundert die wiener Mechanik völlig verdrängt hat, ist das als gar nicht so unwesentlich zu sehen, denke ich mal.


    Wenn vom Klavierklang unabhängig von Beeinflussung des Instrumentenbaus die Rede ist, ist wohl John Cage die wichtigste Figur, dessen präpariertes Klavier die individuellste Klanglandschaft verbreitet, die je von einem Klavier zu hören war.

  • Hmm... Ich dachte das Thema wäre interessant aber die sehr maue Beteiligung belehrt mich eines besseren...


    Vielleicht sollte ich die Frage anders Stellen:


    Welche Komponisten haben eurer Meinung nach die Klaviermusik entscheidend weiterentwickelt?

  • Zitat

    Original von MatthiasR
    Hmm... Ich dachte das Thema wäre interessant aber die sehr maue Beteiligung belehrt mich eines besseren...


    Vielleicht sollte ich die Frage anders Stellen:


    Welche Komponisten haben eurer Meinung nach die Klaviermusik entscheidend weiterentwickelt?


    Das ist nicht dieselbe Frage anders gestellt, sondern eine andere Frage... ;) Oben behauptest Du z.B. JS Bach habe Einfluß auf den Klavierbau oder einen neuen Klavierklang gehabt. Das ist meines Wissen so nicht richtig oder zumindest umstritten. Denn von den Silbermannsche Fortepianos beim alten Fritz soll er einigen Quellen zufolge gar nicht begeistert gewesen sein. Für viele Bachsche Werke ist zweitrangig, ob sie auf einem Cembalo, Clavichord oderwas immer gespielt werden. Ich glaube auch, dass Bachs Einfluß später dadurch, dass das WTK als Lehrwerk eingesetz wurde, sehr allgemein ist und nciht auf Klavierkomposition beschränkt
    Die Klaviermusik entscheidend beeinflußt, gerade auch was Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten betrifft haben m.E. Beethoven, Chopin, Liszt, Debussy. Etwa gleichzeitig mit Debussy vielleicht noch Skrjabin und etwas später Prokofieff. Ich weiß nicht, ob im weiteren Verlauf des 20. Jhds. Klaviermusik solo noch eine früherern Zeiten vergleichbare Rolle spielt; ich kenne mich einfach nicht ausreichend aus, um zu beurteilen, ob z.B. Bartoks Klaviermusik auf jünger Komponisten Einfluß ausgeübt hat.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ich hatte mal ein ähnliches Thema angerissen, eigentlich mit offenem Ausgang... die Resonanz war ähnlich beeindruckend...


    Komponisten und ihre Tasteninstrumente


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Meines Wissens hat Dussek nicht nur für Broadwood-Flügel komponiert sondern auch auf die Entwicklung des Broadwood-Klangs Einfluß gehabt. Da die englische Mechanik im 20. Jahrhundert die wiener Mechanik völlig verdrängt hat, ist das als gar nicht so unwesentlich zu sehen, denke ich mal.


    Ja, Dussek sagte man nach, er sei der erste gewesen, der daß Klavier zum "singen" bringen konnte - was auch immer damit gemeint war.
    Fest steht, daß er die Erweiterung der Klaviatur auf 5 Oktaven und später sogar auf 6 Oktaven bewirkte.


    Insofern kein unwesentlicher Einfluß auf die Entwicklung dieses Instruments.
    Daß er auch hervorragende Werke für Klavier schrieb, kam auch schon mal im thread über Klaviermusik neben Beethoven zum Ausdruck.


    Besonders empfehlenswert dort die bei hmi erschienene Einspielung von Klavierwerken mit Andreas Staier.



    Neben Debussy, der ganz klar einen wesentlichen Fortschritt in Sachen Klavierklang brachte - manch einer ist der Meinung, Debussy sei der Gipfelpunkt - das Klavier hätte auf einen Komponisten wie Debussy nur gewartet - möchte ich noch Ravel anführen. Er übertrifft Debussy vielleicht sogar noch in Brillianz und Klangeffizienz, erreicht aber IMO nicht ganz den Tiefgang Debussyscher Werke.

  • Betreffend Dussek würde ich eher an den sehr verschwimmenden Broadwood-Sound denken, der in krassem Gegensatz zur wiener Klarheit steht und vielleicht "in Richtung" Romantik von Interesse ist. Die Erweiterung des Tonumfangs ist in der Zeit eine generelle Masche, da gibt es einfach noch viel zu holen, man vergleiche Beethoven mit Mozart.

  • Manche Threads verdanken ihre laue Resonanz nicht der Tatsache, daß sie kein Interesse finden würden - aber es wartet jeder auf die Beiträge der anderen - weil sich keiner bei dem Thema sehr sicher fühlt.


    Threads, die zeitgleich mit einer Fußballweltmeisterschaft oder Olympiade eröffnet werden bedürfen schon einer guten Portion Durchhaltevermögens :baeh01:


    Aber zum Thema:


    Wenn es auch so scheinen mag, war der Weg zum "heutigen" Konzertflügel (glücklicherweise) kein geradliniger , es gab etliche Sonderkonstruktionen, die aber leider verworfen wurden und zum Großteil heute vergessen sind.


    1872 wurde von der Firma Blüthner das Aliquot Saitensystem erfunden.
    Die Erklärung ist der Website der Firma Blüthner entnommen und hier
    als Zitat verwendet.


    Zitat

    Um die Klangeigenschaften seiner Instrumente zu verbessern, beschäftigte sich Julius Blüthner mit den verschiedensten Saitensystemen. Bereits bei Hölling und Spangenberg wurde mit einem Klavier experimentiert, das auf beiden Seiten einen Saitenbezug aufwies. Das Saitensystem einer Viola d'amore brachte ihn schließlich auf diese Idee, sein Aliquot-Patentsystem zu entwickeln und 1872 zum Patent anzumelden. Dies war eine 4. Saite, die jedem Chor im Diskant zugeordnet wird. Diese Saite wird nicht durch den Hammer zum Schwingen gebracht, sondern indirekt zum Klingen angeregt

    .


    Soweit mir bekannt vierlieh diese Eigenart den Blüthner-Flügeln ihren speziellen Klang. Ob heutige Modelle noch diese Konstruktionseigenart aufweise weiß ich leider nicht.


    Beethoven stand- so habe ich nachgelesen - mit einigen berühmten Klavierbauern in schriftlichem Verkehr - immer hatte er etwas auszusetzen - er verlangte nach lauteren Instrumenten und nach mehr Oktaven Tonumfang. Aus diesem Wissen heraus ist die Wiedergabe von Klaviermusik Beethovens auf historischen Instrumenten eigentlich musikalisch nicht mehr - allenfalls aus musikhistorischen Gründen vertretbar.


    Auch einige Virtuosen des 19. Jahrhunderts spornten die Klavierbauer immer wieder zu Höchstleistungen an. So war Liszt - der Legende nach - ein "Klaviermörder".


    mfg


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Soweit mir bekannt vierlieh diese Eigenart den Blüthner-Flügeln ihren speziellen Klang. Ob heutige Modelle noch diese Konstruktionseigenart aufweise weiß ich leider nicht.


    Salut,


    das ist richtig, die 4. Saite schwingt einfach mit. Man kann einen ähnlichen Effekt am "normalen" dreisaitigen Instrument [egal, ob Flügel oder Klaver] hervorrufen, indem man z.B. einen Ton xy herunterdrückt und hält, ohne einen Klang zu erzeugen [sehr langsam also oder alternativ den Ton anschlagen, halten und verhallen lassen], dann das Pedal durchtritt und den gleichen Ton eine Oktave höher oder tiefer normal bis stark anschlägt. Auch hier schwingt dann der "nicht angeschlagene", aber gehaltene Ton mit. Dennoch klingt die Blüthner-Version natürlich anders, weil hier derseble Ton mitschwingt und das Ergebnis etwas "verschwommen" ist.


    Physikalisch erklären kann und will ich das nicht, aber meine Erklärung ist immer: Die mitschwingenden Saiten fühlen sich eben angesprochen... :rolleyes: [und schwingen mit].


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Physikalisch erklären kann und will ich das nicht, aber meine Erklärung ist immer: Die mitschwingenden Saiten fühlen sich eben angesprochen... [und schwingen mit].


    Der Physiker würde einfach etwas geschwollen meinen, die 4. Saite resonniert. Und meint dasselbe wie du....



    Interessant ist die Idee dahinter, die ich nicht recht überlauere. Was bringt mir eine 4. leise mitschwingende Saite? Zuerst eigentlich fast nichts, aber wenn sie auch nicht angeschlagen wird, muss sie wohl dennoch einen Dämpfer haben, sonst hört sie ja ewig nicht auf zu schwingen.
    Wenn sie aber auf der anderen Seite auch angeschlagen würde, könnte dadurch die Dynamik des Instruments erhöht werden.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Zitat

    Original von Theophilus
    Interessant ist die Idee dahinter, die ich nicht recht überlauere. Was bringt mir eine 4. leise mitschwingende Saite? Zuerst eigentlich fast nichts, aber wenn sie auch nicht angeschlagen wird, muss sie wohl dennoch einen Dämpfer haben, sonst hört sie ja ewig nicht auf zu schwingen.


    Theophilus, X(


    Du weißt doch Bescheid, glaube ich. Jede Schwingung ist de facto eine gedämpfte Schwingung. Woher bekommt sie die Energie?


    LG, Paul

  • Hallo Paul,


    es ist mir schon klar, dass es sich um eine letztlich gedämpfte Schwingung handelt. Aber eine unbedämpfte Basssaite in einem Flügel wird sehr lange nachschwingen (10 - 20 s). Also gibt es diese 4. Saiten nicht für den unteren Bereich, oder sie müssen irgendwie bedämpft werden....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • die englische ausgabe von wikipedia hält die lösung bereit



    es sind also nur die hohen töne - nicht die tiefen saiten.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Interessant ist die Idee dahinter, die ich nicht recht überlauere. Was bringt mir eine 4. leise mitschwingende Saite? Zuerst eigentlich fast nichts, aber wenn sie auch nicht angeschlagen wird, muss sie wohl dennoch einen Dämpfer haben, sonst hört sie ja ewig nicht auf zu schwingen.
    Wenn sie aber auf der anderen Seite auch angeschlagen würde, könnte dadurch die Dynamik des Instruments erhöht werden.


    Salut,


    [fast] alle Saiten des Klavieres/Flügels sind grundsätzlich gedämpft [bis auf die ganz hohen, die sowieso niemand benötigt]. Erst im Moment des Anschlages der Taste wird für einen kurzen Moment der Dämpfer mechanisch gehoben. Sonst würde hier garnix klingen oder schwingen. Das Pedal ist nur dazu da, alle Dämpfer für die Dauer des Pedaltrittes zu heben.


    Beim Una-Corda-Spiel auf einem herkömmlichen Tasteninstrument passiert auch fast nichts anderes: Durch das Treten des linken Pedals wird die gesamte Reihe der Hämmerchen so weit nach rechts verschoben, dass beim Tastenanschlag nur noch die dritte [rechte] Saite angeschlagen wird. Auch bei diesem Anschlag hebt sich kurz der Dämpfer, der auf allen drei Saiten liegt. Zwangsläufig jodeln die beiden vernachlässigten Saiten mit.


    Cordialement
    Ulli


    P.S. Schade, dass ich kein Englisch kann...

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo faun,


    danke für die Lösung. Ich habe also richtig vermutet, nur ist es noch enger als gedacht. Zwei Oktaven sind ja eigentlich nicht viel, man versucht dabei offensichtlich das Obertonspektrum anzureichern.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Beethoven stand- so habe ich nachgelesen - mit einigen berühmten Klavierbauern in schriftlichem Verkehr - immer hatte er etwas auszusetzen - er verlangte nach lauteren Instrumenten und nach mehr Oktaven Tonumfang. Aus diesem Wissen heraus ist die Wiedergabe von Klaviermusik Beethovens auf historischen Instrumenten eigentlich musikalisch nicht mehr - allenfalls aus musikhistorischen Gründen vertretbar.


    Die Frage ist nur, ob Beethoven mit einem heutigen Klavier einverstanden wäre und nicht doch eins seiner Zeitgenossen vorziehen würde. Man bedenke z.B., dass Beethoven wesentlich mehr verschiedene Pedale zur Verfügung hatte, die verschiedenen Effekten dienten, die dem heutigen Klavier fehlen. Und ob die Klangfarbe des modernen Klaviers Beethoven gefallen würde, kann man wirklich nicht als sicher voraussetzen, schließlich ist sie das Kind einer späteren Ästhetik.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Und ob die Klangfarbe des modernen Klaviers Beethoven gefallen würde, kann man wirklich nicht als sicher voraussetzen, schließlich ist sie das Kind einer späteren Ästhetik.


    Dem kann ich mich nur anschliessen - am modernen Klavier vermisse ich die Virilität, die Beethoven's Klaviermusik braucht. Pianisten, die mir auf dem Steinway gefallen, sind interessanterweise an diesem Klang ziemlich gut dran, z.B. Jean-Francois Heisser, Georges Pludermacher, oder Charles Rosen - dessen Aufnahme der Diabelli-Variationen ist der von Paul Komen auf Beethoven's Graf-Flügel im Bonner Beethoven-Haus erstaunlich nahe!

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    ...JS Bach habe Einfluß auf den Klavierbau oder einen neuen Klavierklang gehabt. Das ist meines Wissen so nicht richtig oder zumindest umstritten. Denn von den Silbermannsche Fortepianos beim alten Fritz soll er einigen Quellen zufolge gar nicht begeistert gewesen sein. Für viele Bachsche Werke ist zweitrangig, ob sie auf einem Cembalo, Clavichord oderwas immer gespielt werden. Ich glaube auch, dass Bachs Einfluß später dadurch, dass das WTK als Lehrwerk eingesetz wurde, sehr allgemein ist und nciht auf Klavierkomposition beschränkt


    Bach hat jedenfalls auf dem Cembalosektor sehr viel Sachverstand gehabt. Zunächst hat er sich wohl in Berlin umgesehen (Mietke für das 5. Brandenburgische), später mit Zacharias Hildebrandt, der lange in seinem Haus wohnte, allerlei ausprobiert und entwickelt: Vom Lautenclavicymbel über einen zweiten Resonanzboden für den Bass im Cembalo bis zum 16'-Register. Mit der Zweitrangigkeit der verwendeten Instrumente wäre ich vorsichtiger, ihm selbst war es wohl sehr wichtig.


    Die Silbermannschen Fortepianos hat er vielleicht nicht allzu sehr gemocht (oder ist das auch nur eine Spitta-Legende?), aber er hat sie mindestens seit 1747 (laut erhaltener Zeitungsanzeigen) als quasi Leipziger Silbermann-Generalvertreter verkauft.


    Aber das gehört alles nicht hierher. :D


    Hat Beethoven sich nicht einmal brieflich darüber beschwert, dass ihm alle Welt irgendwelche Klaviere schenke, er aber die eigentlich gar nicht mögen würde? Und sich dann für teures Geld eines bauen lassen?


    Zu Mozart und seinem Klavier gibt es:
    Mozarts Hammerflügel. Redaktion R. Angermüller u. A. Huber. Mozarteum Salzburg, 2000. ohne ISBN


    Liegt zwar hier, aber bis ich mich zu der Lektüre der 230 Seiten aufraffe, dauerts garantiert noch. :D

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Für viele Bachsche Werke ist zweitrangig, ob sie auf einem Cembalo, Clavichord oder was immer gespielt werden.


    Das höre und lese ich immer wieder, aber überzeugt hat es mich noch nie. Wenn das stimmt, kann man Bach wirklich mit Fug und Recht auf dem Synthesizer spielen.
    Gerade die häufige Überarbeitung zu Anpassung an Aufführungsbedingungen und Einrichtung für andere Instrumente zeugt doch von einem hohen Bewußtsein für instrumentenspezifische Charakteristiken und Anforderungen.
    Die Gruppe der Werke für Laute im alten BWV sind ein gutes Beispiel - zeigt ihre Struktur und der Tonumfang doch, dass sie bis auf eine Ausnahme für ein Lautenwerck und nicht für eine Theorbe konzipiert sind.
    Bach wird nicht jedes Stück auf jedem beliebigen Cembalo oder jeder Orgel gespielt haben - letzteres hat Gerhard Weinberger bei seiner Aufnahme der Orgelwerke Bachs für CPO sehr ausführlich begründet.


    Diese These von der Beliebigkeit der Instrumente reduziert die Musik auf die abstrakte melodische/kontrapunktische Struktur. Sie vergisst auch, das Bach nicht unser heutiges Stimmungssystem der gleichschwebenden Temperatur verwendete, das die Tonartencharakteristiken glattbügelt.


    Bezgl. des WTC kann ich nur empfehlen, Robert Levins Kommentar zu seiner Einspielung zu lesen - daran anknüpfend würde ich im Gegenteil behaupten, das jedes Stück anders wirkt, je nachdem in welcher Klanggestalt es dargeboten wird, und dazu gehören Instrument und Stimmung.
    Die klangsinnliche Dimension wird meiner Ansicht nach bei Bach immer unterschätzt. Das Herunterspielen oder Ignorieren dieser Dimension ist ein Kind des 20. Jahrhunderts.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Zu Mozart und seinem Klavier gibt es:
    Mozarts Hammerflügel. Redaktion R. Angermüller u. A. Huber. Mozarteum Salzburg, 2000. ohne ISBN


    Liegt zwar hier, aber bis ich mich zu der Lektüre der 230 Seiten aufraffe, dauerts garantiert noch. :D


    Wo kann man das denn bitte bekommen - muß ich dazu nach Salzburg fahren?

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  • Zitat

    Original von miguel54


    Wo kann man das denn bitte bekommen - muß ich dazu nach Salzburg fahren?


    Ich fürchte, selbst das hat keinen Sinn mehr. Ich habs auch nur ausgeliehen von einem Bekannten, der dort das angeblich letzte Exemplar aus irgendwelchen Gewölbetiefen bekommen hat.


    PS: Lass doch mal Deine PN-Funktionen aktivieren.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Ich fürchte, selbst das hat keinen Sinn mehr. Ich habs auch nur ausgeliehen von einem Bekannten, der dort das angeblich letzte Exemplar aus irgendwelchen Gewölbetiefen bekommen hat.



    Zumindest in den Universitätsbibliotheken Würzburg und Mainz gibt's innerhalb Deutschlands Exemplare, die anscheinend auch über Fernleihe zu bekommen ist. Wobei Mainz ja auch nicht weit weg von Flörsheim ist...


    Vollständig scheint folgende Zitierweise zu sein:


    Der Hammerflügel von Anton Walter aus dem Besitz von Wolfgang Amadeus Mozart: Mozarts Hammerflügel ; Befund, Dokumentation, Analyse;
    hrsg. von Angermüller, Rudolph ; Huber, Alfons ; Walter, Anton (Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg),
    o.O. 2000; 232 S., Abb.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    Vollständig scheint folgende Zitierweise zu sein:


    Der Hammerflügel von Anton Walter aus dem Besitz von Wolfgang Amadeus Mozart: Mozarts Hammerflügel ; Befund, Dokumentation, Analyse;
    hrsg. von Angermüller, Rudolph ; Huber, Alfons ; Walter, Anton (Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg),
    o.O. 2000; 232 S., Abb.


    Danke für die kompletten bibliogr. Daten.
    Fernleihe ist natürlich eine Möglichkeit, aber dann hat man es noch nicht zu Hause stehen. :D


    Wer mehr wissen will, kann mir ja eine PN schicken...

  • Eine halbe Stunde Suche im Web hat mir die genauen Daten gebracht, und ein einziges gebrauchtes Exemplar für um die 50 € - da werde ich erst mal in die Bibliothek gehen ....
    Vielen Dank für die Hinweise!

  • Für jemanden, der sich in der komplizierten Mechanik dieser instrumente gar nicht auskennt, ist ein Beitrag sehr schwierig zu schreiben.


    Allerdings: Bach
    Der Höreindruck von Glenn Goulds Goldberg-Variationen auf einem modernen Klavier und Ralph Kirkpatricks Version auf Cembalo - jetzt mal unabhängig von Ausdruck - das sind doch 2 Paar Schuhe, in meinem Ohr extrem unterschiedliche Klangwelten. Kirkpatrick konnte ich, nachdem ich einmal dabei eingeschlafen bin, nach Gould ganz gut hören, da gabs den Wiedererkennungseffekt.


    Wollen wir wirklich zurück zum originalen Klang? Ich denke, es muß die Alternative geben, und die sammle ich mir durch Hammerklavieraufnahmen zusammen. Mit dem Gezirpe der angezupften Saiten mag ich nicht zu oft Kontakt haben.


    Was Beethoven betrifft, der verrückte Kerl hat Sonaten geschrieben, die auf dem ihm zur Verfügung stehenden Instrument noch gar nicht zu spielen waren. Ich vermute schon, daß er mit einem Flügel mit Stahlrahmen, der nicht ständig verstimmt ist, ganz zufrieden gewesen wäre.
    Es gibt eine schöne Monographie aus dem Beethoven-Haus über die Verbindung von Beethoven mit der Familie Stein-Streicher, die über dieses Thema viel zu sagen hat.
    Warum allerdings unterwegs bei der Entwicklung die Pedale abhanden gekommen sind, würde ich auch gerne wissen.


    Apropos Blüthner. Pletnev besteht auf diesem Instrument, und so stand auch eines in der Beethovenhalle im vergangenen Jahr.
    Als Leipzigerin weiß ich, daß DER BLÜTHNER so etwas in der Wohnung bedeutete wie das Meissner Porzellan im Schrank.
    Wieso ist dieses Instrument, dessen Firma sogar die DDR überstanden hat, so wenig präsent?


    Mit Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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  • Zitat

    Original von Stabia
    Für jemanden, der sich in der komplizierten Mechanik dieser instrumente gar nicht auskennt, ist ein Beitrag sehr schwierig zu schreiben.


    Für jemanden, der sich auskennt, genauso. Man bräuchte so etwas wie einen Gebrauchsanleitungsredakteur dazu. :D


    Zitat

    Allerdings: Bach
    Der Höreindruck von Glenn Goulds Goldberg-Variationen auf einem modernen Klavier und Ralph Kirkpatricks Version auf Cembalo - jetzt mal unabhängig von Ausdruck - das sind doch 2 Paar Schuhe, in meinem Ohr extrem unterschiedliche Klangwelten. Kirkpatrick konnte ich, nachdem ich einmal dabei eingeschlafen bin, nach Gould ganz gut hören, da gabs den Wiedererkennungseffekt.


    Wobei Gould auf einem Flügel spielt, den kein anderer Pianist anfassen würde. :D
    Und Kirkpatricks Cembalo ist kein Cembalo, sondern eine dieser ekelhaften Kreuzungen aus Kampfpanzer und Eierschneider – groß und schwer wie ersterer, aber ein Klang wie letzterer.


    Zitat

    Wollen wir wirklich zurück zum originalen Klang? Ich denke, es muß die Alternative geben, und die sammle ich mir durch Hammerklavieraufnahmen zusammen.


    Wobei eine Alternative ja immer ein "entweder oder" beinhaltet. Deinen Weg scheinst Du als Kompromiss zu meinen.
    Für mich hat das Hammerklavier auch seinen Platz, aber nicht als Cembalo-Ersatz. Dazu ist es mir zu verschieden davon.


    Zitat

    Mit dem Gezirpe der angezupften Saiten mag ich nicht zu oft Kontakt haben.


    Wenn man Kirkpatricks Gerät zugrunde legt, kann ich das gut verstehen. :D
    Aber ein richtiges (!) Cembalo klingt ganz anders. Probier es doch nochmal mit einer anderen Aufnahme aus.


    Zitat

    Was Beethoven betrifft, der verrückte Kerl hat Sonaten geschrieben, die auf dem ihm zur Verfügung stehenden Instrument noch gar nicht zu spielen waren. Ich vermute schon, daß er mit einem Flügel mit Stahlrahmen, der nicht ständig verstimmt ist, ganz zufrieden gewesen wäre.


    Sooo schnell verstimmen sich Hammerklaviere nun auch wieder nicht, dass man alle Viertelstunde daran rumschrauben müsste. Das passiert erst, wenn man solche Instrumente den klimatischen und Heizungsbedingungen – vor allem den Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit – heutiger Räume aussetzt.


    Zitat

    Es gibt eine schöne Monographie aus dem Beethoven-Haus...


    Wird auf die immer länger werdende Liste gesetzt.


    Zitat

    Apropos Blüthner. ...
    Wieso ist dieses Instrument, dessen Firma sogar die DDR überstanden hat, so wenig präsent?


    Weil Steinway einen Verdrängungswettbewerb fährt? Keine Ahnung. Aber ein bisschen Vielfalt täte auch dem Konzertflügelwesen gut.


    Gruß auch aus Bonn :hello:
    Hildebrandt

  • Zitat

    Original von Stabia
    Apropos Blüthner. Pletnev besteht auf diesem Instrument, und so stand auch eines in der Beethovenhalle im vergangenen Jahr.
    Als Leipzigerin weiß ich, daß DER BLÜTHNER so etwas in der Wohnung bedeutete wie das Meissner Porzellan im Schrank.
    Wieso ist dieses Instrument, dessen Firma sogar die DDR überstanden hat, so wenig präsent?


    Mit Gruß aus Bonn :hello:


    Das mag viel mit Firmenlobbyismus zu tun haben - Steinway ist sicher eher in der Lage, seine Geräte für die Stars heranzuschaffen, weil die Firma flächendeckend vertreten ist.
    Mangelnde Kenntnisse der Veranstalter und Betreiber von Konzerthäusern mag in die gleiche Richtung wirken. Man frage mal den durchschnittlichen Menschen wieviele Klavierhersteller er kennt .....

    Einmal editiert, zuletzt von miguel54 ()

  • Zitat

    Original von Stabia
    Was Beethoven betrifft, der verrückte Kerl hat Sonaten geschrieben, die auf dem ihm zur Verfügung stehenden Instrument noch gar nicht zu spielen waren. Ich vermute schon, daß er mit einem Flügel mit Stahlrahmen, der nicht ständig verstimmt ist, ganz zufrieden gewesen wäre.


    Es stimmt sicher, dass Beethoven an den Grenzen der ihm zur Verfügung stehenden Instrumente geschrieben hat - was aber auch mit seiner zunehmenden Ertaubung zu tun hat, zumindest was die Lautstärke angeht und die durch sein heftiges Spiel bedingten Verstimmungen. Dass er die Verluste an Klangdifferenzierungen gerne in Kauf genommen hätte, die der moderne Flügel mit sich bringt, wage ich zu bezweifeln. Die individuellen Farben, die von Hersteller zu Hersteller, und sogar in deren Produktion, wechselten, die vermisse ich ma meisten am modernen Flügel. Gerade habe ich im neuen heft von Toccata ein Interview mit Linda Nicholson gelesen, die bei Walter-Fortepianos teilweise sehr deutliche Unterschiede festegestellt hat, vor allem bei seinen späten, die aber selten gespielt oder nachgebaut werden - da ist noch einiges an differenzierter Forschung vonnöten, denke ich.
    Auf jeden Fall ist der Zauber eines Chopin-Stücks z.B. auf einem gut erhaltenen Pleyel der 1830er Jahre für mich ungleich größer als auf einer modernen, in allen Registern gleich klingenden Klaviermaschine.


    Zu den Fähigkeiten der jüngeren Pianisten, die alte und moderne Flügel spielen, hat Frau Nicholson in o.a. Interview auch sehr interessante Dinge zu sagen.

  • Lieber Miguel,


    eine Frage vorab: Wo bekommt man denn die von Dir zitierte Zeitschrift "Toccata"?


    Du schreibst zum Schluss Deines Postings:


    Zitat

    Auf jeden Fall ist der Zauber eines Chopin-Stücks z.B. auf einem gut erhaltenen Pleyel der 1830er Jahre für mich ungleich größer als auf einer modernen, in allen Registern gleich klingenden Klaviermaschine.


    Ein wenig stoße ich mich an der Formulierung "einer [...] in allen Registern gleich klingenden Klaviermaschine". Das kommt ein wenig pauschal daher. Zumal es durchaus Alternativen zum ordinären Steinway gibt, die keineswegs in allen Registern identisch klingen.


    Um ein Beispiel zu nennen: Die Flügel des italienischen Herstellers Fazioli: Diese Flügel zeichnen sich durch einen sehr farbenreichen Diskant ebenso, wie durch eine differenzierte Baßlage aus. Und dann gibt es noch die neuen Steingraeber-Flügel etc. pp. Fazioli wird von Pianisten wie Brendel, Demidenko oder auch Angela Hewitt gespielt.


    Um die Klangunterschiede zum Steinway wahrzunehmen braucht es keine Luchsohren. Wenn ich die Artikel in den Piano News der letzten Jahre Revue passieren lasse, scheint es ja auch eine Tendenz hin zu anderen Fabrikaten als Steinway zu geben.


    Und auch Steinway klingt nicht nach Steinway: Ich habe diverse Aufnahmen mit historischen Steinway-Flügeln. Auch hier sind die Unterschiede zum modernen Pendant deutlich wahrnehmbar.


    Wir wissen freilich auch nicht, ob Beethoven am modernen Flügel nicht seinen Gefallen gefunden hätte. Aber das ist eben wie die Gegenbehauptung ein reines Gedankenexperiment.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Liebe Tastenfreunde!


    Der Vollständigkeit halber möchte ich zwischendurch erinnern an den eigentlichen Erfinder des Hammerklaviers, der Klaviermechanik, wie wir sie heute, vollendet entwickelt, kennen und lieben: Den aus Padua stammenden Bartolomeo Christofori di Francesco, geboren 1655, gestorben auf den Tag genau 25 Jahre vor Mozarts Geburt. Er stand ab 1688 in Diensten des Prinzen Ferdinando de Medici in Florenz, wo er neuartige Tasteninstrumente entwickelte.


    Unter Bartolomeos Erfindungen war das „spinettone“, ein Spinett mit großem Klangvolumen durch mehrfache Besaitung pro Ton, ermöglicht durch Schräglagerung der Saiten zur Platzersparnis, welches noch zwischen die Mitglieder eines größeren Orchesters „passte“ und sich doch akustisch behaupten konnte. So eine Art Brühwürfel-Flügel seiner Zeit.
    Ein anderes Kuriosum stellte das „spinetto ovale“ dar, ein fancy Virginal mit den tiefsten Saiten in der Mitte dieser seltsamen Schachtel.


    Zwischen 1700 und 1711 (erst nach ihm Marius und Schröter) ersann Bartolomeo in seiner Werkstatt in den Florentiner Uffizien ein Tasteninstrument, bei dem die Tonstärke über die Intensität des Anschlags verändert werden konnte und nannte es “arpicembalo” oder auch “gravicembalo col piano e forte”. Dieser Bezeichnung entsprang unser Begriff des Pianos.
    Erstmals ersetzten lederbezogene, die Saiten anschlagende und wieder zurückfallende Hämmerchen die zupfenden Springer in Kombination mit Dämpfern beim Loslassen der Tasten.
    Der Corpus eines solchen Klaviers ähnelte allerdings noch dem eines Cembalos.


    Nur drei Instrumente dieser Bauart haben die Zeiten überdauert, sie befinden sich heute in Leipzig, Rom und New York. Meines Wissens ist keines mehr spielbar.
    Ein Klavierbauer, den ich in Regensburg kennen lernte, zeigte mir einmal sein Meisterstück: einen funktionstüchtigen Christofori- Nachbau, auf den er zurecht sehr stolz war.


    Tasten wir uns weiter.


    Euer


    audiamus

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