Hallo liebe TaminoanerInnen
Die Lamentazioni (Klagelieder) zur Renaissance- und Barockzeit
Die Lamentazioni (Klagelieder) sind fünf poetische Kompositionen, die mit grosser dramatischer Intensität den Ruin Jerusalems beschreiben, welches von seinen Feinden 586 v. Chr. zerstört wurde und werden nun in der christlichen Tradition auf das Leiden und Sterben Christi übertragen.
Sie sind im Buch der Klagelieder gesammelt, welches in der Bibel direkt auf das „Buch des Jeremia“ folgt und dem Propheten von der Tradition zugeschrieben wurden. Jedes der fünf Kapitel – mit Ausnahme des dritten – besteht aus 22 Versen, der Anzahl der Buchstaben des hebräischen Alphabets. Die Verse der ersten vier Kapitel bilden ausserdem ein Akrostichon, da diese, der Reihenfolge nach, mit einem Wort anfangen, das je mit einem Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt. Das fünfte Kapitel jedoch besitzt nicht die Struktur des alphabetischen Akrostichons.
In der christlichen Tradition folgt der Text der Version der Vulgata, behält aber die Deklamation der Buchstaben des hebräischen Alphabets am Anfang der Verse bei.
Im christlichen Ritus befand sich die Lesung der Lamentazioni auf einem Höhepunkt des Kirchenjahres: dem österlichen Triduum. Sie gehörten in der Tat zum ersten Notturno des Morgengebets am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag ( den drei „feriae“ ) und wurden in je drei „lectiones“ aufgeteilt. Die Lesungen fanden in Wirklichkeit am Vorabend des betreffenden Tages statt, in der Kirche, die durch sechs auf dem Altar stehende Kerzen und durch fünfzehn auf zwei Seiten eines Dreiecks angeordnete Kerzen erleuchtet wurde, mit denen die Symbologie der elf getreuen Apostel, der drei Marien und Christus verbunden war; bei dem Gesang jedes Psalms wurde eine Kerze ausgeblasen, mit Ausnahme der am höchsten stehenden, dem Symbol Christi. Während des „Benedictus“ wurden schrittweise auch die Kerzen auf dem Altar ausgeblasen, hinter denen sich die einzige noch brennende Kerze verbarg und somit die Kirche „in tenebris“ blieb, um die Finsternis heraufbeschwören, die die Erde im Moment des Todes Jesu einhüllte.
Der Text der Lamentazioni, der über Jahrhunderte als „cantus planus“ gesungen wurde, ist von zahlreichen Polyphonikern der frühen Renaissance vertont worden, dies ging so weit, dass bereits 1506 Petrucci zwei Sammlungen drucken konnte. Autoren wie Carpentras, Arcadelt, Tinctoris, Tromboncino setzten grosse Teile des Bibeltextes in Musik, und zwar nicht homogenen Kriterien gehorchend, sondern den Traditionen der einzelnen lokalen Kirchen entsprechend.
Eine allen Kompositionen gemeinsame Eigenschaft ist das Bewusstsein über die Ausserordentliche evokatorische Kraft des Bibeltextes, der durch schreckenerregende Bilder des Todes und der Zerstörung der Heiligen Stadt Jerusalem zu tiefen Gefühlen des Schmerzes, des Erbarmens und der Reue führt.
Die musikalischen Eigenarten der unterschiedlichen Sammlungen der Lamentationes bestehen somit aus der Würde und der Feierlichkeit des Stiles, die durch eine nüchterne akkordische Schreibweise ausgedrückt wird. Es werden keine ornamentalen Figuren oder komplexe Kontrapunktstrukturen verwendet, die das Textverständnis erschweren und den Ausdruckswert vermindern würden.
Obwohl einer alten Tradition zufolge gerade in der Karwoche die Instrumente vielerorts zu schweigen hatten, entwickelt sich schon früh eine Gattung konzertierender Lamentationskompositionen. Vincenzo Galilie, der im Umkreis der Florentiner Camerata am Ende des 16. Jahrhunderts zu den Wegbereitern des monodischen Stils gehörte, komponierte (heute verschollen) Lamentationen für Solostimme mit Begleitung eines Violenquartetts, Emilio de Cavalieri ist 1599 wohl der erste Komponist, der Lamenttationen mit Wechsel von Solo- und Chorteilen komponiert, und 1620 schliesslich veröffentlicht Annibale Gregori Lamentationen für Solostimme und Basso continuo.
Weitere der zahlreichen Komponisten die das Lamento vertont haben sind unter anderem Alonso Lobo, Tomas Louis de Vicotia, Palestrina, Giovanni Nasco oder Orlando di Lasso.
Das Lamento war im 17. und 18. Jahrhundert weitverbreitet in Opern und Traueroden. Teils a cappella, aber auch mit Instrumentalbegleitung. Typisch für ein Lamento ist die chromatisch absteigende Quart-Tonfolge mit begleitendem Ostinato.
Bekannte Beispiele findet man bei Henry Purcell, Joseph-Hector Fiocco, Claudio Monteverdis Oper 'Arianna'. Das Lamento vor dem Finale des letzten Aktes blieb ein Element der Operndramaturgie. Als Beispiel ist hier "Ach ich habe sie verloren" in Glucks 'Orpheus und Eurydike' zu erwähnen. Es sind auch neapolitanische Komponisten, die die Gattung durch neue Kompositionen bereichern, unter ihnen Alessandro Scarlatti, Francesco Feo, Nicolo Porpora, Leonardo Leo, David Perez und andere. Nach der Barockzeit befassten sich Gustav Mahler, Franz Liszt mit den Konzertetüden Il Lamento oder der zeitgenössische Komponisten Dieter Schnebel der 1991 das "Lamento di guerra" aus Anlaß des Golfkrieges komponierte. Klaus Amadeus Hartmann schrieb 1955 das Lamento eine Kantate für Sopran und Klavier (eigentlich eine Art Liederzyklus in drei Teilen). Im Lamento werden drei Gedichte von Andreas Gryphius vertont, in denen auf sehr bildhafte Weise die Grausamkeiten und Schrecken des Krieges geschildert werden und die mit einem sehnsüchtigen Wunsch nach Frieden enden. Ein Beispiel eines Lamentos ohne Gesang stammt vom Schweden Allan Pettersson „Lamento für Klavier“. Wir möchten hier aber nicht länger auf die Musik nach dem Barock eingehen.
Wir werden in loser Folge auf einige Kompositionen näher eingehen. Gespannt sind wir auf Eure Vorstellungen von Lamenttationen.
Herzliche Grüsse
romeo&julia