Prokofieff: Sinfonien Nr. 1-7

  • Hallo Prokofieff-Freunde,


    was die sinfonischen Werke von Prokofieff anbelangt, so hinken wir hier im Tamino-Forum der Furum-Konkurenz ( ;)) hinterher.


    Hört denn hier keiner die Prokofieff-Sinfonien ???


    Im vorhandenen Thread zur Sinfonie Nr.1 "Classique", den Alfred im August 2004 mit seiner famosen Bernstein-CBS-Aufnahme eröffnete, haben verschiedene Taminos weitere Sinfonien mit ins Spiel gebracht (ich auch), aber es wäre sinnvoll und wert gewesen diese in einem neuen Thread unterzubringen.


    Meine erste Gesamtaufnahme (wie sollte es anders sein), war die Eurodisc-LP-Box mit Roshdestwensky / Moskauer PH, die für mich bis heute die Referenzwürdigste ist. Leider habe ich den Zeitpunkt verpasst mir diese beim Erscheinen auch auf CD zu kaufen.
    :] Der Grund war mein Kauf der Melodia-CD´s der Sinfonien Nr.1-5 mit Dimitri Kitaenko / Moskauer PH, die ebenfalls in diese Richtung geht und es sind zudem saubere Digitalaufnahmen. Diese CD´s sind aber derzeit kaum greifbar.


    :) Weil mir Nr.6 und 7 fehlten griff ich als Ergänzung zu den Einzel-CD´s zu der NAXOS - CD der Sinfonie Nr.6 mit T.Kuchar, die ich gar nicht schlecht finde:

    Symphonie Nr. 6 und Walzer-Suite op. 110
    Ukraine SO, Kuchar
    NAXOS Aufnahme 1994 DDD
    Die NAXOS-Prokofieff-Aufnahmen werden insgesamt sehr unterschiedlich beurteilt - aber im Falle der Sinf.Nr.6 voll OK.


    Die Järvi-Gesamtaufnahme soll auch eine interessante Alternative sein. Järvi bietet darin die beiden verschiedenen Fassungen der Sinfonie Nr.4 als op.43 und op.112 !


    :)Eine weitere Gesamtaufnahme bot sich auf Decca mit Walter Weller / London SO an,um alle zu haben.
    Eine beachtenswerte, präzise Gesamtaufnahme. Nur die Suitenbeigaben sind zu harmlos und von der Skytische Suite muß man schon die Bernstein-SONY/CBS-Aufnahme haben.


    :rolleyes: Ganz abraten möchte ich von Previn´s Sinfonie Nr.7 (Kopplung mit der Sinfonia Concertante für Cello und Orchester) auf Philips. Diese CD war derart langweilig und ohne russisches flair, dass ich diese lange weitergeben habe.

    :] Eine weitere Prokofieff-CD, von der ich seit Jahren sehr überzeugt und wunschlos glücklich bin ist diese DG-CD mit den Sinfonien Nr.1 und 5 mit Karajan / Berliner PH:

    DG Aufnahme 1968/1981 ADD/DDD
    Man könnte sagen - wieder der goldene Mittelweg, der alles abdeckt, was diese CD zu einer guten Aufnahme macht.


    :] Mein jüngster Prokofieff-Kauf war mit der Sinfonie Nr.5 eine positive Überraschung mit meinem hochgeschätzten George Szell / Cleveland Orchestra:

    SONY-CD / CBS Aufnahmen 1959 (Prok.) und 1965 (Bartok)
    Die Prokofieff: Sinfonie Nr.5 kann es ohne mit der Wimper zu zucken mit besten russischen Aufnahmen (Roshdestwensky und Kitaenko / Moskauer PH ) aufnehmen und ist vom Tempo noch straffer (kein Wunder bei Szell) und bietet höchste Präzision im Orchesterklang, bei bestem SONY-Heritage-Remastering-20Bit. Präziser und von den Klangstrukturen superdurchhörbar kann es kaum sein, als hier mit Szell .
    Das CD-Cover enthält eine Story wo Szell auf das Spiel des Paukisten bestand, der während der Aufnahme von der Pauke an die Snaredrum (Im 2.Satz) wechseln sollte, weil Szell nur ihn als den wirklichen Schlagzeuger ansah, der perfekt spielen kann.



    Die Sinfonie Nr.5 ist neben der Sinfonie classique die meistgespielteste und beliebteste Sinfonie von Prokofieff.
    :hello:Ich bin gespannt welche Aufnahmen und Aufnahmevorschläge ihr hierfür vorschlagen, besprechen und zu meinen Aufnahmen ergänzend posten werdet.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Teleton!


    Ich bin so frei, mal nicht von den Aufnahmen zu sprechen.
    Ich hatte schon mal die Idee, eine Art Prokofieff-Symphonien-Ranking zu machen, so wie es das hier mit Beethoven gibt. Im Gegensatz zu Beethoven wüßte ich bei Prokofieff nämlich, welche Reihenfolge ich vorschlagen würde:


    beste --- schlechteste
    2 - 3 - 1 - 5 - 6 - 4 - 7


    2 und 3 würde ich als Hauptwerke des russischen Expressionismus ansehen, etwas "hinter" Strawinskys Sacre und Schostakowitschs Lady Macbeth.


    1 ist eine verblüffende Stilerfindung, bei der auch die Entstehungszeit 1917 mir Respekt abverlangt.


    5 ist eine der repräsentativen gemäßigten symphonischen Werke der Zeit, als alle Komponisten wieder begannen, Symphonien zu schreiben.


    6 übertrifft 5 noch im ersten Satz, der Rest ist aber eine formelle Katastrophe (ganz am Schluß wird es offensichtlich, dass es Prokofieff nicht mehr gelingt zu kitten).


    4 ist eine Symphonie aus der Zeit, in der kaum jemand Symphonien schreiben wollte, offenbar auch Prokofieff nicht, er kompilierte Stücke aus anderen Werken.


    7 ist regimetreuer Kitsch.

  • Oh ja, notwendiger Thread... bringt mir hoffentlich Anregungen, auch mal neben #1 und #5 die anderen Sinfonien kennenzulernen.
    Eine Gesamtaufnahme habe ich ja schliesslich schon, wenn auch Ozawas Zyklus hier wohl eher als zu zahm gilt (?)
    Die Fünfte mit Karajan finde ich auch sehr gelungen - wobei mir der Vergleich zu echten wilden russischen Aufnahmen fehlt.


  • Hallo Kurzstückmeister,


    ja, der Kontrast zuden einzelnen Sinfonien macht die Werke so interessant. Jede Sinfonie hat ihren eigenen Charakter.


    Meine Reihenfolge sieht etwas anders aus - warscheinlich etwas konventioneller:
    5-1-2-6-3-4-7



    Hallo Thomas-Bernhard,


    die Ozawa-Aufnahme kann mit den russischen Aufnahmen unter Roshdestwensky und Kitaeko nun wirklich nicht mithalten - Du solltest diese unbedingt kennenlernen. Auch die Einzelaufnahmen der Nr.5 mit Karajan und Szell sind einen Kauf wert.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Sehr gerne habe ich die 3. in der Aufnahme unter Chailly mit dem Concertgebouw (kombiniert mit Varesens Arcana und Mossolows Eisengießerei)
    Da geht die Deutlichkeit nicht auf Kosten des Ausrucks. Deutlich und wild:

  • Meiner Meinung nach braucht man, wenn man Roschdestwenskij hat, keine andere Aufnahme. Schon gar nicht den sehr glatten, sehr geschönten und konturlosen Ozawa. Eher noch Kitaenko, der anders gewichtet als Roschdestwenskij und an die Stelle des Pathos eine gewisse Schärfe setzt, es aber an Eleganz und Geschmeidigkeit, die eben auch zu Prokofjew gehören, fehlen läßt. Das ist auch der Nachteil der Gergiev-Einspielungen, die obendrein unter dem Orchester leiden, das diese Musik einfach zu brav spielt.
    Bei Einzelaufnahmen: Die oben erwähnte Chailly-Aufnahme ist sehr empfehlenswert, zumal es bei diesem ziemlich "westlich" orientierten Werk nicht gar so wichtig ist, es mit russischen Orchestern und ihrem spezifischen Klang zu hören.


    Zu den Werken - meine Reihung:


    3-2-1-7-6-5-4
    Warum?
    Nun, 2 und 3 sind für mich eigentlich gleichwertig, der Kurzstueckmeister sagte es schon: Bester russischer Expressionismus, wenngleich nicht ganz so scharf wie bei Schostakowitsch, weil Prokofjews Satire, sofern sie überhaupt vorhanden ist, eher zur Lustigkeit tendiert als zur Abgründigkeit. 3 bekommt nur deshalb den Vorzug, weil mir diese Symphonie aus dem thematischen Umfeld des "Feurigen Engel" einfach emotional unbegründbar näher steht.


    1 ist auf ihre Weise ein Geniestreich, weil sie eine Pioniertat in Bezug auf das Kopieren klassischer Muster darstellt (obwohl solche "Stilfälschungen" in der russischen Musik eine gewisse Tradition haben; aber Prokofjew macht das einfach mit mehr Eleganz).


    7 weil es die Symphonie ist, bei der ich das Gefühl habe, daß Prokofjew sie in der 6. und 5. schreiben wollte, aber nicht ganz zuwege brachte.
    Dazu muß man wissen, daß Prokofjew, ähnlich wie Schostakowitsch, unter Stalins Beobachtung stand. Während sich Schostakowitsch aber immer wieder auf seine Weise "rächte" (siehe dazu meine diversen Schostakowitsch-Beiträge), reagierte Prokofjew mit einer Musik, die keine persönliche Bedrängnis abbildete, sondern eine Objektivierung und damit eine Art Klassizität anstrebte.


    In der 5. ist IMO das Material einfach zu schwach, es wird lediglich durch harmonische und instrumentierungstechnische Raffinessen aufgebessert; auf mich macht die 5. dennoch den Eindruck, schwerfällig zwischen Patriotismus-Pathos und verkrampftem Optimismus hin und her zu schwanken.


    Die 6. halte ich, trotz ihrer Schwächen, für überlegen, weil ich das Gefühl habe, ihr Pathos ist echt. Ob Prokofjew überhaupt eine vollendete Form angestrebt hat oder eine rhapsodische mit Elementen von Sonatensatz und Rondo, weiß ich nicht. Ich glaube nur, daß ein so erfahrener Komponist nicht einfach Mist baut, sondern eher etwas versucht, das sich dem analysierenden Zuhörer nicht ganz erschließt.


    In der 7. also finde ich weder Kitsch nocht Parteimusik, sondern eine Symphonie auf der Basis einer einfachen, ins Ohr gehenden Melodik. Dazu kommt ein tänzerischer Gestus und etwas Geklingel in der Instrumentierung - insgesamt für mich ein schönes Werk - das natürlich an Bedeutung niemals mit der 2. und 3. mithalten kann.


    Die 4. schließlich ist IMO keine Symphonie, sondern eher eine symphonische Suite - sie existiert in zwei ziemlich unterschiedlichen Fassungen, von denen keine besser als die andere ist, sondern einfach nur anders. Und in beiden Fassungen herrscht eine gewisse Beliebigkeit des Materials. Für mich nicht nur Prokofjews schwächste Symphonie, sondern eines seiner schwächsten Werke überhaupt.

    ...

  • Hallo allerseits,


    in der Tat wurde es Zeit für diesen Prokofiew-Thread! :yes:
    Von den Symphonien des von mir hoch geschätzten Komponisten lernte ich vor ca. 15 Jahren zuerst die Nummern I und V kennen und fand sie hörenswert, packend (V.) und durchaus originell (I.). Als ich jedoch wenig später auch die restlichen Symphonien in der Gesamtaufnahme von Neeme Järvi (auf Chandos) kennenlernte, konnte ich nicht mehr nachvollziehen, warum in Konzerten - wenn Prokofiew auf dem Programm steht - immer nur die I. und die V. gespielt wird und nie oder so gut wie nie die III. oder II.


    Ich stimme also, was die Rangfolge betrifft, mit Edwin und Kurzstueckmeister absolut überein: Die II. und die III. sind auch für mich die Hauptwerke Prokofiews in der Gattung Symphonie. Wenn ich meinen persönlichen Favoriten nennen müßte, käme ich in arge Bedrängnis. Einerseits liebe ich die magisch-dämonischen Klänge der III., dieser "Suite" aus der Oper 'Der feurige Engel' - andererseits bin ich immer wieder tief beeindruckt und gefesselt von der Modernität, der Radikalität, der Ausdrucksintensität, der ungeheuren Energie der II., die in dieser Hinsicht dem expressionistischen Strawinsky von 'Le Sacre' absolut ebenbürtig erscheint. Im Moment habe ich eine leichte Tendenz, die II. der III. vorzuziehen. Allerdings kann und wird sich dies sicher immer wieder ändern.


    Eine Reihung fällt mir in bezug auf die V. und VI. ähnlich schwer wie bei der II. und III.
    Die V. hat wirklich großartige (auch bombastische) Momente, jedoch wurde mir, als ich vor ein paar Jahren die VI. in einem Konzert unter Leitung von Paavo Järvi hörte - ähnlich wie Edwin bemerkte - die unbedingte Eindringlichkeit und Leidenschaft (der Sätze I und II) der Symphonie vollends bewußt.


    Ebenfalls höre ich die "Symphonie Classique" (I.) gelegentlich recht gerne mit ihrem gewinnenden Charme und neoklassizistischen Witz.
    Zu den verbleibenden Nummern VII. und IV. habe ich bisher keinen wirklichen Zugang finden können.


    Meine Beliebtheitsreihung sieht also im Augenblick so aus: II - III - VI - V - I - VII - IV.


    Wie gesagt, kann ich die Gesamteinspielung von Neeme Järvi mit dem Royal Scottish National Orchestra auf Chandos wärmstens empfehlen! Seine Vorliebe für wilde Exzesse, grelle Farben und starke Kontraste kommt in dieser Aufnahme (sowie in anderen Einspielungen, wie der "Oktober-Kantate", opus 74) des Prokofiew-Experten Järvi vortrefflich zum Ausdruck!



    Schöne Grüße
    Johannes

  • Also ich besitze als echter Prokofiev-Fan so einige Sachen und ich muss eindeutig sagen die beste Gesamtaufnahme habe ich als Erato-Box achon vor einigen Jahre mir zugelegt. Das Orchestre National de France unter Rostropovitch gibt für mich eine viel transparentere, klarere und brilliantere Gesamtaufnahme ab als die Ozawa-Aufnahme.
    Auch wenn ich Karajan nicht für einen geeigneten Prokofiev-Dirigenten halte muss ich gestehen, dass die Symphonie Nr. 1 mit den Berlinern von 1982 immer noch mein Topfavorit ist.
    :hello:

  • Wie so oft bei russischer Orchester-Musik scheint Roshdestwenskij derjenige zu sein, den man kaufen sollte. Wie so oft ist er aber schwer erhältlich. Nun habe ich gerade gesehen, dass diese Box des Labels Venezia



    bei HMV Japan für umgerechnet rund 30 Euro angeboten wird. Kennt jemand diese Box? Ist sie empfehlenswert?


    Thomas

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  • Ich habe sie - ja, sie ist unbedingt empfehlenswert! Die Technik ist o.k. - und die Interpretationen sind für mich das Non plus ultra in Sachen Prokofjew. Eine längere Wartezeit in Kauf nehmen - und auch, daß Du die Box wahrscheinlich ersetzen mußt. Das russische Plastik dürfte noch spröder sein und schon durch genaues Hinsehen zerspringen.
    :hello:

    ...

  • Hallo,


    ich will den Thread noch einmal hervorkramen.
    Mich verblüfft eure Abneigung gegenüber der 7.! Diese Sinfonie ist vielleicht meine Lieblingssinfonie des 20. Jahrhunderts. Wie kann man dieses Werk, wenn man sich einmal das grandiose Scherzo (vor allem den Schluss) und das Finale mit seiner wunderschönen Thematik angehört hat, noch auf den letzten Rang setzen? Habe den bösen Verdacht, hier gilt zu "schön" = schlecht. Unbedingt ein Werk, was sich Alfred und Ulli mal anhören sollten ;-) (falls sie es nicht schon getan haben). Hier zeigt sich, dass Prokofjew im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten des 20. Jahrhunderts nicht davor zurückschreckte, Musik zu schreiben, die möglicherweise vielen auf leichte Weise Gefallen bringen wird.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Der Herr Rappy spricht mir aus der Seele.


    Die siebte Symphonie von Prokofiev ist ein sehr schönes und ausdrucksstarkes Werk. Nur weil es in der Musik nicht "Kracht" und "Zischt" oder das Elend eines gepeinigten Volkes nicht aus ihr spricht, ist die Komposition doch nicht schlecht.


    Die Symphonie ist der Jugend gewidmet; und die ist eben voller Ideale und Enthusiasmus. Und so klingt auch das Werk.


    Ich persönlich kenne die Aufnahme mit Neeme Järvi. Werde mich bei Napster aber mal die Einspielungen mit Rostropovitch anhören.


    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Treffend formuliert, Davidoff. Bezüglich der Aufnahmen hab ich ja gar nichts gesagt, ich hab die Sinfonien mit Oszawa und die Berliner spielen die 7. mit viel Charme, Energie und großer Klangvielfalt, unbedingt zu empfehlen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo, miteinander!


    Auch ich mag die Prokofieff-Sinfonien eigentlich etwa gleichermaßen, gerade weil sie so unterschiedlich sind. Mal brauche ich das expressionistische Raffinement der dritten, mal liebäugle ich mit der Haydn-Atmosphäre der ersten, mal mit dem Pathos der fünften, wobei mich der Schluss in seiner Doppelbödigkeit durchaus an Schostakowitsch gemahnt. Und die balletthafte siebente mag ja rückwärtsgewandt sein, aber vor allem das Hauptthema des Kopfsatzes, am Ende des Finales wiederkehrend, ist doch eine herrliche melodische Erfindung.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von rappy
    Hallo,


    ich will den Thread noch einmal hervorkramen.
    Mich verblüfft eure Abneigung gegenüber der 7.! Diese Sinfonie ist vielleicht meine Lieblingssinfonie des 20. Jahrhunderts. Wie kann man dieses Werk, wenn man sich einmal das grandiose Scherzo (vor allem den Schluss) und das Finale mit seiner wunderschönen Thematik angehört hat, noch auf den letzten Rang setzen? Habe den bösen Verdacht, hier gilt zu "schön" = schlecht. Unbedingt ein Werk, was sich Alfred und Ulli mal anhören sollten ;-) (falls sie es nicht schon getan haben). Hier zeigt sich, dass Prokofjew im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten des 20. Jahrhunderts nicht davor zurückschreckte, Musik zu schreiben, die möglicherweise vielen auf leichte Weise Gefallen bringen wird.


    Hallop rappy,


    ich mag alle Prokofieff-Sinfonien. Auch wenn ich seierzeit (2006) die Sinfonie Nr.7 in der Reihung auf Platz 7 gestellt hatte, so heißt das nicht das ich diese schlecht fände oder wenig schätzen würde. :D Irgendwie wollte ich eine Reihung hinbekommen und da traf es halt die Nr.7.


    :yes: Ich werde deine Anregung in den nächsten Tagen mal wieder zum Anlass nehmen dieses Werk zu hören. Ich nehme dazu meine Eurodisc-LP-Aufnahme mit Roshdestwensky / Moskauer PH, die ich leider nicht auf CD besitze, die aber die beste Aufnahme überhaupt sein dürfte und auch klanglich mithalten kann.
    :wacky: :( Ein Jammer das solche Aufnahme-Schätze von der Bildfläche verschwinden und nur die Japaner erkannt haben, dass es so etwas zu erhalten gilt. Es gibt die GA ja nur bei HMV Japan.


    :boese2: Melodiya !
    Wo ist Eure Neuauflage der GA mit Roshdestwensky ???????

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Hier zeigt sich, dass Prokofjew im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten des 20. Jahrhunderts nicht davor zurückschreckte, Musik zu schreiben, die möglicherweise vielen auf leichte Weise Gefallen bringen wird


    Edwin erwähnte es an anderer Stelle bereits, daß Prokofjew, der als "Formalist"
    verurteilt wurde und unter Dauer-Beobachtung des KGB stand, diese Wende
    zur Klang-und Formensprache der 7. Sinfonie wohl kaum ganz freiwillig vollzogen hat; will sagen, er hatte sicher NICHT vor, aller Welt gefällig zu sein, Hauptanliegen war es vielmehr, bei Stalin nicht mehr mißliebig aufzufallen.
    Diese Aspekte sollte sich JEDER verdeutlichen, der dieses Werk hört.


    Mir persönlich gefällt die Sinfonie eben genau aufgrund ihrer konventionellen
    Harmonik nicht, wie ich grundsätzlich an Musik, die sich einem sozusagen auf dem "Präsentierteller" darbietet, wenig interessiert bin.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Habt ihr Quellen dazu? Bei Wikipedia steht:


    Zitat

    Der betont melodisch-lyrische Gesamteindruck des Werks und dessen zugängliche Sprache resultieren auch aus der ursprünglichen Erwägung des Komponisten, diese Sinfonie spezifisch für Jugendorchester zu schreiben. Die Sinfonie wurde von Dmitri Schostakowitsch hoch gelobt und 1957 mit dem Lenin-Preis ausgezeichnet.


    Zudem ist ja bekannt, dass Prokofjew immer viel Wert auf Melodik gelegt hat.
    Was verstehst du unter Musk, die sich "auf dem Präsentierteller darbietet"?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Die Sinfonie wurde von Dmitri Schostakowitsch hoch gelobt und 1957 mit dem Lenin-Preis ausgezeichnet.


    1957 ? Also wenn die Jahreszahl stimmt, dann hat Prokofjew ja nicht mehr wirklich davon profitieren können, denn er starb auf den Tag genau delikaterweise, an dem auch
    das freundliche Väterchen Stalin zu seinen Vätern versammelt wurde, am 5. März 1953.


    Das Lob von Schostakowitsch war, wenn ich richtig informiert bin, eine seiner "offiziellen Verlautbarungen" in seiner Funktion als Boss des russischen Komponistenverbandes, also mehr oder weniger eine Pflichtübung. Sehr schön nachlesen über das Verhältnis Schostakowitsch/Prokofjew kann man in Wolkows Büchern "Stalin und Schostakowitsch"



    oder auch hier:



    "Musik, die sich auf dem Präsentierteller darbietet", ist für mich alles, was mich aufgrund
    zu geringer Anforderungen als Hörer zum reinen Konsumenten von Musik degradiert, d.h., ich könnte, ausser Musik zu hören, gleichzeitig essen, Geschirr spülen, eine Rechnung schreiben und dgl. mehr.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Naja, so kann man im Grunde jedes Werk, das unter einem totalitären Regime entstanden ist, degradieren, immer nach dem Motto "Das wollte der Komponist eigentlich gar nicht schreiben und hat es nur getan, weil er musste, und wenn jemand anderes es lobte, dann nur unter Zwang" - ich hätte immer noch gerne Quellen vllt. aus dem Internet? Bin kein soo großer Shosta-Fan, dass ich mir jetzt solch ein Buch kaufen würde.


    Gelten eigentlich eine Haydn-Sinfonie, Mendelssohns Orchestwerke, Mozartsonaten etc. auch als "Musik für den Präsentierteller" und damit als minderwertig?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Die Quellen für meine Anmerkungen sind in jeder Schostakowitsch- oder Prokofjew-Biografie, die nach 1990 veröffentlicht wurde, abrufbar und daß du weisst,wie Google funktioniert, davon kann ich doch wohl ausgehen....


    KSM hat es härter formuliert als ich:


    Zitat

    7 ist regimetreuer Kitsch.


    Die meisten der von dir aufgelisteten Komponisten interessieren mich kaum oder wenig. Das liegt bei Haydn und Mozart weniger am kompositorischen Können dieser Meister sondern eher am "Zeitstil", der mich wenig beeidruckt, aber Ausnahmen bestätigen die Regel wie z.b. bei Haydn die sogen. "Sturm-und Drang-Sinfonien" oder bei Mozart das "Requiem" und die Cmoll-Messe., Mendelssohns a-cappella-Chorwerke liebe ich sehr und hab etliche von ihen auch schon aufgeführt, doch meine ureigensten Interessen liegen in der Renaissance, dem Frühbarock und dann wieder ab der "klassischen Moderne" des 20. Jh.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Den Grund haben wir ja dann gefunden.


    Ich werde mal in Google schauen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Um nicht den "Was höre ich gerade jetzt"-Thread off-topic "anzupatzen" möchte ich hier antworten. Eigentlich wollte ich hier erst schreiben wenn ich alle Prokofiev-Sinfonien durchgenommen hätte, aber somit muß ich mich doch schon vorab ein wenig damit auseinandersetzen (gebe aber wohl lieber zukünftig nicht mehr einzelne Statements zu seinen Sinfonien sondern nur noch meine subjektive Rangliste bekannt)



    Hallo,


    Erstmal möchte ich anmerken das, wie du selber schon angedeutet hast,
    die Moderne nicht mein Steckenpferd ist, demzufolgend also meine Hörgewohnheiten in früheren Epochen hauptsächlich von Barock bis Hochromantik liegen - ich möchte hier natürlich Niemandem die Kompetenz abstreiten glaube aber dennoch das es hauptsächlich mit diesem wie zusammanhängend mit subjektiver Geschmacksempfindung zu tun hat und demnach ist es ja erfreulich wenn Andere einen viel besseren Zugang zu dieser Sinfonie finden. Ich muß auch manchmal feststellen das leider manche Klassikhörer nicht den richtigen Zugang zu meiner Lieblingsmusik finden, die gewisse musikalische Subtilität dahinter nicht empfindsam genug heraushören und stattdessen grobe plakative Effekte bevorzugt werden, aber das ist denk ich völlig normal und wertet deswegen nicht meine favorisierte Musik ab was ich auch nicht mit dieser Sinfonie vorhatte.
    Es kann nur besser werden
    hab ich natürlich alleine auf mich und meiner Erwartungshaltung bezogen, die Annahme es wäre die schwächste Sinfonie entnahm ich eher wie im Originalbeitrag von mir zitiert aus dem booklet indem Prokofiev (sowie seine
    Komponistenkollegen) selber unzufrieden mit dem Resultat waren und dieser Sinfonie deutliche Mängel bescheinigten (die er angeblich in seinen folgenden Sinfonien behoben haben soll). Vielleicht liegt es nicht alleine daran und ich hab auch allgemein (noch) ein Problem mit der Stilistik Prokofievs, das kann ich erst sagen wenn ich die restlichen Sinfonien gehört habe - die 1. hat mir natürlich naturgemäß ziemlich gut gefallen auch wenn ich die Einschätzung Prokofievs damit den Mozart-Stil imitiert zu haben überhaupt nicht teile, aber mal zugegeben...der Sprung in die 2. ist darauffolgend wohl für Jemanden wie mich so ziemlich wie der "Sprung ins kalte Wasser" ;) zumal sie ja in ihrer Anlage sehr expressionistisch ausgelegt ist, eine musikalische Form mit der ich mich noch kaum auseinandergesetzt habe (es gibt ja schließlich auch in meinen Gebieten noch so viel Neues zu entdecken)
    Ob ich jemals dieser Musik mehr abgewinnen könnte wenn ich sie öfter hören würde kann ich nicht sagen, ich begegne dieser Musik jedenfalls zum. vorurteilsfrei, offen und schaue einfach nur ob sie mich emotional anspricht - da kann dann Edwin & Co noch so viele Liebesbekundungen an diese Sinfonie richten, wenn sie nichts mit meiner subjektiven Gefühlswelt tut hab ich nicht viel davon.
    Ich bin aber gespannt auf die Nächsten, die Sinfonien sollen ja anscheinend sehr unterschiedlich sein und somit die Chance umso höher das ich hie und da doch noch seinen Sinfonien etwas abgewinnen kann, auch wenn ich eventuell dann andere favorisiere wie die Gemeinde der "eingefleischten Modernisten".


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Keine Angst, die 2. gefiel sogar Prokofjew selbst nicht.
    Nur weil Edwin sie mag und ich sie mag (und andere), muss das nichts heißen - ich denke nicht, dass sie besser komponiert ist als die 5., die dir garantiert wieder gefallen wird. Und die 7. sowieso.


    Ich fand Nummer 2 von Anfang an sehr gut zugänglich, leichter als 3 und 6.
    Wahrscheinlich eines der Werke, das einen entweder sofort anspricht oder nie?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von âme
    die 1. hat mir natürlich naturgemäß ziemlich gut gefallen auch wenn ich die Einschätzung Prokofievs damit den Mozart-Stil imitiert zu haben überhaupt nicht teile, aber mal zugegeben...
    lg
    Thomas


    Lieber Thomas,


    das stimmt so nicht. Meines Wissens nach entstand die 1. Symphonie Prokofievs als ironische Antwort auf die konservativ orientierten Musikgelehrten, die sich an Prokofievs vor seiner 1. Symphonie entstandenen Werken und ihrem damals durchaus modernen Ton stießen. Von Prokofiev selbst stammte wohl der bekannte Ausspruch zu seiner 1.: lebte Haydn in unserer Zeit, schriebe er Musik wie diese (sinngemäß zitert).


    Daß Prokofiev auf ein Talent für Motorisches beschränkt und ihm jegliche lyrische Begabung abgesprochen wurde, beflügelte diesen zur Komposition der "Visions Fugitives". Aber das ist dann ein anderes Thema.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Daß Prokofiev auf ein Talent für Motorisches beschränkt und ihm jegliche lyrische Begabung abgesprochen wurde, beflügelte diesen zur Komposition der "Visions Fugitives". Aber das ist dann ein anderes Thema.


    Huch, wer hat das denn behauptet? Prokofieff dürfte doch einer der "melodischsten" und "lyrischsten" Komponisten seiner Zeit gewesen sein...


    Ich kenne bisher nur die anscheinend mit Abstand am häufigsten eingespielten (und leicht einzeln erhältlichen) Nr. 1 und 5. Aber die 5. sollte Thomas vielleicht mal als Nächste versuchen, die entspricht (auch wenn sie nicht direkt romantisch klingt) relativ problemlos dem Modell einer "großen" klassisch-romantischen Sinfonie.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Prokoffiev-Freunde,


    Danke für den Tipp - vielleicht sollte ich wirklich lieber mit der 5. fortsetzen...ich brauche schließlich "Expressionismus für Einsteiger" ;) wenn man Bach nahe kommen wollte würde man ja in der Regel schließlich auch nicht mit der Kunst der Fuge beginnen.


    Zitat

    Original von Wulf


    Lieber Thomas,


    das stimmt so nicht. Meines Wissens nach entstand die 1. Symphonie Prokofievs als ironische Antwort auf die konservativ orientierten Musikgelehrten, die sich an Prokofievs vor seiner 1. Symphonie entstandenen Werken und ihrem damals durchaus modernen Ton stießen. Von Prokofiev selbst stammte wohl der bekannte Ausspruch zu seiner 1.: lebte Haydn in unserer Zeit, schriebe er Musik wie diese (sinngemäß zitert).


    Ich bin alles andere als ein Prokoffiev-Experte wie man sich denken kann, aber in meinem booklet steht folgendes:


    ...wie er sich in seinem Tagebuch im Mai jenes Jahres überlegte..."...dass der Stil meiner Sinfonie echte Mozartsche Klassik ist, und sie werden sie schätzen, während das breite Publikum usw."


    Ich würde als Prokoffiev-Laie also nie etwas aus eigener Fantasie heraus einfach so in den Raum stellen.
    :beatnik:


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    Hallo Prokoffiev-Freunde,


    Danke für den Tipp - vielleicht sollte ich wirklich lieber mit der 5. fortsetzen...ich brauche schließlich "Expressionismus für Einsteiger" ;)


    So expressionistisch ist die 5. eigentlich nicht ;)
    Aber das tut ja nichts zur Sache.


    Ich denke übrigens, dass gerade die 2. perfekten Expressionismus für Einsteiger darstellt!
    Aber vielleicht willst du ja gar keinen Expressionismus.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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