Antonín Dvorák: Requiem b-moll, op.89

  • Hallo zusammen,


    zu meiner Überraschung habe ich festgestellt, dass trotz der zahlreichen Dvorak-Freunde hier im Forum noch gar kein eigener Thread für sein grandioses Requiem existiert! Lediglich im Thread Requiem ohne Brahms und Mozart wird es –leider viel zu kurz- erwähnt! :(


    Da muss wirklich dringend Abhilfe geschaffen werden!
    Dvoraks Chormusik steht immer –und das sehr zu Unrecht!- im Schatten seiner Sinfonien und des übrigen Instrumentalwerks. Auch seine zahlreichen Opern fristen gerade hierzulande auch immer noch ein Nischendasein... ;(


    Im Rahmen des „Dvorak-Jahres“ in 2004 hatte ich das Glück, sowohl sein Stabat mater ([url=http://www.tamino-klassikforum.at/thread.php?threadid=2655&hilight=Dvorak,]Antonín Dvorák: Stabat mater op.58 - Grandioser Auftritt in der Albert Hall[/url]) als eben auch sein Requiem einstudieren und singen zu dürfen.
    Und man lernt ein Werk eben am besten kennen (und lieben), wenn man die Gelegenheit hat, sich intensiv auch mit kleinen Details und Feinheiten beschäftigen zu können. Viele davon gehen beim bloßen (und evtl. gar nur einmaligen) Hören des Werkes einfach in der Fülle unter – das ist schade, aber wohl nicht zu ändern.


    Kurz zur Entstehung des Werkes:


    Dvoraks komponierte sein Requiem 1889/90 unmittelbar nach seiner 8. Sinfonie.


    Es war ein Auftragswerk des Festivalskomitees des Birmingham-Chorfestivals.
    Bei diesem Festival (und auch in London und in anderen Städten Englands) hatte Dvorak bislang mit seinen Chorwerken (beginnend mit Aufführungen seines Stabat mater in 1884/ 85) den größten Erfolg gehabt.
    Er hatte für die Chorfestivals in Birmingham und Leeds daraufhin die Chorwerke Die Geisterbraut (1884) und Die heilige Ludmilla (1886) komponiert.
    Beide Werke fanden zwar eine wohlwollende, aber nicht die enthusiastische Aufnahme wie zuvor das Stabat mater.
    Dies kann an der folkloristischen Thematik oder der nicht ganz glücklichen Übertragung der tschechischen Originaltexte ins Englische gelegen haben, die mit dem Duktus der Musik nicht richtig harmonierte.

    Dvorak wollte daher lieber wieder zu lateinischen, allgemeingültigen Texten zurückkehren.


    Man bot ihm daher vergeblich das Gedicht „The dream of Gerontius“ zur Vertonung an (es wurde erst im Jahr 1900 durch Edward Elgar vertont); schließlich entschied sich Dvorak jedoch für den Vorschlag von Alfred Littleton vom Musikverlag Novello, ein Requiem zu vertonen.


    Seine eher kammermusikalische Messe in D-Dur, op. 86 (Antonín Dvorák und seine einzige Messe op.86) aus dem Jahr 1887 erschien ihm –begreiflicherweise- kein geeignetes Stück für den Rahmen eines solchen Chorfestivals zu sein, das nach abendfüllenden, reich orchestrierten Stücke verlangte.


    Dvorak kannte die Requiem-Vertonungen von Verdi (1874) und Brahms’ eigenwilliges Deutsches Requiem (UA 1869) und hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, sich ebenfalls mit der Textvorlage kompositorisch auseinanderzusetzen.


    Mit ersten Skizzen begann Dvorak dann im Jahre 1889; auch während der im Jahr 1890 stattfindenden Reisen und Gastkonzerte arbeitete er an seiner Komposition. So notierte er über der Skizze zum Lacrimosa beispielsweise „geschrieben in Köln am Rhein auf der Reise nach London“.


    Im Sommer vollendete er das Werk in seinem Landhaus Vysoká. Es folgten noch die Reinschrift und einige Korrekturen in den folgenden Monaten.


    Die Uraufführung des Requiem fand am 09.10.1891 in Birmingham unter Dvoraks Leitung statt – es war ein überwältigender Erfolg, dem sich zahlreiche weitere äußerst erfolgreiche Aufführungen auf dem europäischen Festland (und den USA!) anschlossen, nicht zuletzt auch in Wien (1901), wo Dvoraks Werke zuvor eher weniger Erfolg hatten.


    Dvorak verwendete als Textgrundlage den lateinischen Text der katholischen Missa pro defunctis, also der in der Liturgie gebräuchlichen Totenmesse. Er teilt die 9 Teile des Textes in 13 einzelne Sätze auf – eine Aufführung seines Requiems dauert ca. 95 Minuten – es ist damit sein umfangreichstes Chorwerk.


    Dvorak wählte für seine Totenmesse die Tonart b-moll. Chopins Trauermarsch ("Marche funèbre") aus der Klaviersonate Nr. 2 in b-moll, op. 35 dürfte das wohl bekannteste Stück "Trauermusik" sein, das auch in dieser Tonart steht.


    Da es für einen Konzertsaal –und nicht für die Kirche (für eine liturgische Totenmesse ist es zu umfangreich)- gedacht war, besitzt das Werk eine allgemeingültige, nicht unbedingt ausschließlich an die katholische Tradition gebundene Aussage – ähnlich vielleicht wie die vom Protestanten Bach komponierte (dem katholischen Text folgende) h-moll-Messe. Der geübte und versierte Symphoniker Dvorak wird in der gekonnten motivischen Verzahnung der einzelnen Sätze merkbar.


    Mir persönlich war das Requiem –mit den Proben hierzu begannen wir parallel zur Einstudierung des Stabat mater- zunächst etwas „suspekt“.


    Es erschien mir viel „berechnender“ und konstruierter als das leidenschaftlich-spontane und ja auch aus tiefem persönlichen Leid heraus entstandene Stabat mater.


    Kein Wunder – es handelt sich ja beim Requiem auch um ein Auftragswerk, das diesmal ohne biographischen Hintergrund (also kein Todesfall im Familien- oder Freundeskreis) entstand und in dem eben der symphonisch-thematische Gedanke eine größere Rolle spielt – Dvorak wollte sich eben als Meister seines Faches von seiner besten Seite zeigen!


    Aber je mehr wir probiert haben, desto lieber habe ich das Werk gesungen: Einfach toll, welch große Breite musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten und Stimmungen die einzelnen Sätze umschließen. Und gerade für den Chor ist das Werk sehr dankbar: Außer in der Nr. 6 (Recordare) ist der Chor an allen übrigen 12 Sätzen maßgeblich beteiligt!
    Als wir dann endlich aufführungsreif waren, hatte ich zwischenzeitlich das Requiem lieber als das Stabat mater – aber das geht mir mit (fast) allen Chorwerken so, die wir gerade probieren... :D
    Beide Werke sind große Klasse – überquellend vor wunderbaren Melodien und Stimmungen und jedem Chormusik- und natürlich Dvorak-Freund nur wärmstens zu empfehlen! Am besten live!!!


    Im Herbst 2004 hatte ich dann also wie erwähnt Gelegenheit, das Requiem dreimal im Konzert mitsingen zu dürfen (im 2. Tenor): Einmal in der Kölner Philharmonie, dann im Altenberger Dom im Bergischen Land (dann doch mal in einer Kirche – da ist aber auch eine tolle Akustik!) und in der Bonner Beethovenhalle.


    Mit empfehlenswerten Aufnahmen möchte ich mich (noch) zurückhalten – bin aber gespannt auf Eure Lieblings-Einspielungen oder Erlebnisse und Erfahrungen mit dem Dvorak-Requiem!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Lieber Marc,
    wie Du habe ich das Werk als Chorist kennengelernt, die Aufführung war 1985 (weia!). Da hatte ich schon das Stabat Mater zweimal gesungen. Bei der ersten Einstudierung vom StM dachte ich zuerst, was für ein langweiliger Schnarch. Ich erhoffte mir Hilfe von der Kubelik-Aufnahme: Nichts. 4-5 Proben vor der Aufführung passierte etwas, was ich nicht gut beschreiben kann - vielleicht weil ich nicht damit rechnete: ich verstand diese Musik von einem Augenblick zum anderen mit dem Herzen. Nach der Aufführung kaufte ich mir die Sawallisch-Aufnahme und ich hatte auf einmal auch keine Probleme mehr mit dem Anhören. Das Stabat Mater gehörte und gehört zu meinen absoluten Lieblingswerken.
    Und dann kam das Requiem. Nichts und noch mal nichts. Kein Aha-Effekt vor der Aufführung noch während. Hier griff ich direkt zur Sawallisch-Aufnahme. Kein Zugang. Vielleicht waren meine Erwartungen einfach zu hoch. Nach der Aufführung habe ich mir die Schallplatte noch das ein oder andere Mal angehört: das Werk sagte mir nichts. Abgeheftet bis zum Sankt Nimmerleinstag - wie ich dachte. Erst 2005 hab ich mir ohne Grund aus einer Eingebung heraus die Aufnahme von Karel Ancerl gekauft. Und ich verstand und verstehe - besser, erheblich besser. Ich würde das Werk heute als nicht unbedingt leicht zugängliche, herbe Schönheit bezeichnen. Dieses empfinde ich besonders für den Introitus und die Sequenz. Ich mache dann meist eine kurze Pause von 2-3 Minuten. Mit dem zweiten Teil komme ich noch besser zurecht.
    Höre Dir evtl. noch die Aufnahme von Istvan Kertesz an, der Mann war immer für einen guten Dvorak gut. Ich weiß nicht, ob ich Dir die Sawallisch-Aufnahme empfehlen soll, ich bin da wohl zu vorurteilsbeladen. Obwohl ich heute eher glaube, ich war damals einfach zu jung für das Werk und jede seiner Interpretationen. Aber ich bin heute bereit, daran zu wachsen. Gesungen habe ich das Requiem seit damals übrigens leider nicht mehr.


    Danke für Deinen schönen, ausführlichen und tief empfundenen Beitrag.


    Liebe Grüße
    Bernd Hemmersbach (hemmi)

  • Ich danke dir, lieber Marc, ganz herzlich für diesen tollen Beitrag und Thread!
    Bernd hat es schon vortrefflich formuliert: schönen, ausführlichen und tief empfundenen Beitrag.


    Das Requiem habe ich eine ganze Zeit schon nicht mehr gehört, weiß aber noch, dass auch bei mir das Stabat mater tiefere und lebendigere Erinnerungen hinterlassen hat. Es hat mich mehr berührt und bewegt als das Requiem. Dennoch ist es mir keinesfalls negativ in Erinnerung.
    Ich sollte es unbedingt mal wieder hören, wenn ich demnächst in einer solchen Stimmung bin, denn die Erinnerung sind mir einfach zu wage, um sie hier nieder zu schreiben.


    In meinem Besitz befindet sich die Aufnahme mit Ancerl und der Tschechischen Philharmonie (DGG).
    Ich hab das Werk und die Interpretation als sehr gewaltig in Erinnerung und hatte keine Probleme mit der Interpretation. Das Werk hat mir zugesagt, was keinesfalls heißt, dass ich es in Ansätzen voll erfasst hätte.
    Aber ich freue mich sehr für euch beide, dass ihr diese Werke in dieser praktischen Variante kennen lernen konntet. Etwas, dass ich sicher nie im Leben vollbringen werde, da ich einfach so unbegabt und unfähig des Musizierens bin. Aber dennoch kann ich mich an der Musik, wie auch an dem Requiem, erfreuen - wenn es ob der Art der Musik hier auch etwas seltsam klingt. Aber gerade das Stabat mater ist einfach...(ich schreib jetzt das Wort, welches mir eben in den Sinn kam) himmlisch.


    Bis zu einer etwas ausführlicheren Beschreibung meiner Eindrücke zu dem Werk und meinen Empfindungen :hello:


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik und hemmi,


    schön, dass Euch der Beitrag gefallen hat - meine Begeisterung für Dvoraks Requiem brauchte ich beim Schreiben nicht zu zügeln... :]


    @ hemmi:
    Ich finde es besonders interessant, dass Du ähnliche Erfahrungen mit Stabat mater und Requiem von Dvorak beim Singen/ Einstudieren gemacht hast:


    Zitat

    4-5 Proben vor der Aufführung passierte etwas, was ich nicht gut beschreiben kann - vielleicht weil ich nicht damit rechnete: ich verstand diese Musik von einem Augenblick zum anderen mit dem Herzen. Nach der Aufführung kaufte ich mir die Sawallisch-Aufnahme und ich hatte auf einmal auch keine Probleme mehr mit dem Anhören. Das Stabat Mater gehörte und gehört zu meinen absoluten Lieblingswerken.


    Dieser "Effekt" war bei mir genau der gleiche, nur dass es bei mir eben bei beiden Werken "gezündet" hatte - bei Dir hat's ja beim Requiem während der Probenphase nicht so ganz funktioniert (sondern erst viel später) - interessanterweise hat aber zumindest das Stabat mater bei mir auch eher "die Hüllen fallen lassen", als das Requiem :D


    Ich hätte nie gedacht, dass man einem Werk derart anmerken kann, ob es eher absichtsvoll "geplant" und "konstruiert" wurde (das ist jetzt gar nicht negativ gemeint), oder ob es mehr aus persönlichem Bedürfnis heraus "aus dem Gefühl" geschrieben wurde - gerade beim direkten Vergleich der beiden genannten Dvorak-Werke ist das wunderbar zu vergleichen - und zwar nicht nur vom kompositionstechnischen Hintergrund, sondern eben auch vom "gefühlten" Sing- und Hörerlebnis her - vielen MitsängerInnen im Chor ging es nämlich ähnlich wie mir: Das Stabat mater noch im Ohr habend, wollte sich uns das Requiem zunächst so gar nicht richtig in seiner vollen Schönheit erschließen...


    Aber es kam - etwas zögernder vielleicht, aber unaufhaltsam :]


    Dvorak hat für das Auftragswerk Requiem ganz selbstbewusst eine Art Summe seines damaligen Könnens gezogen und viele raffinierte "Zutaten" in die Komposition hineingepackt:


    So hat er z. B. sein Requiem quasi unter das Motto eines Leitmotivs, einer „Idée fixe“ gestellt.
    Das sich in mannigfacher (auch rhythmischer) Variation durch das gesamte Stück ziehende „Requiem-Motiv“ taucht nicht nur in den Orchester- sondern immer wieder auch in den Gesangsstimmen auf und gibt dem Ganzen einen „roten Faden“.
    Die äußerst konsequente Verwendung dieses charakteristischen Motivs ist im Sinne einer für Dvorak nicht untypischen thematischen Vereinheitlichung ein Beleg für die symphonische Konzeption dieses Werkes – auch wenn man das Motiv schnell im Ohr hat, wird es nie langweilig, ihm im Verlauf des Requiems immer wieder zu begegnen, zu abwechslungsreich und oft überraschend sind die neuerlichen „Treffpunkte“.


    Dvorak hat das ganz meisterhaft gelöst.


    Der Musikwissenschaftler Peter Gatty schreibt sehr treffend (und wie ich finde, auch sehr poetisch) hierzu:
    „Die motivische Keimzelle des ganzen Stücks wird – ähnlich wie bei Wagners Tristan – in den ersten 3 bis 4 Takten vorgestellt, eine thematische Figur, die sich in chromatischen Schritten schmerzlich um den Dominantton f windet und gleichsam eine Frage stellt, die uralte, weltbewegende Frage nach den letzten Dingen des Lebens und Sterbens.“


    Dvorak soll dieses auch für mich wie eine Frage wirkende Requiem-Motiv aus einem Thema von Johann Sebastian Bach, dem engschrittigen Fugenthema des 2. Kyrie aus der h-moll-Messe, abgeleitet haben (müsste ich an der entsprechenden Stelle aber nochmal nachhören).

    Dies wäre meines Erachtens ein Beleg für die überkonfessionelle Aussage der Komposition, die einen allgemeingültigen Standpunkt zum alle Menschen bewegenden Themenkreis Tod, Trauer, Trost und ewigem Leben einnehmen will und sich nicht an irgendwelche konfessionellen Schranken gebunden fühlt (immerhin wurde sie ja auch für das anglikanische England komponiert).

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • ... da hab ich ja was angefangen mit diesem Thread :wacky:


    Er hat bewirkt, dass ich mir im Verlauf der vergangenen Tage doch tatsächlich meinen Klavierauszug geschnappt habe und mir das Requiem gleich noch mal in Gänze „reingezogen“ habe - mittlerweile bereits in 3 verschiedenen Aufnahmen.... ;)


    Und ich kann jetzt nicht widerstehen – ein paar An- und Bemerkungen zu den 13 Sätzen möchte ich hier noch reinstellen, vielleicht hat der Eine oder die Andere beim Hören dieses Werks ja auch schon ähnliche (oder vielleicht ganz andere) Gedanken und Empfindungen gehabt?


    Würde mich interessieren...


    Nr. 1 Requiem aeternam
    Pianissimo in den Streichern erklingt in den ersten Takten also das schon erwähnte Requiem-Motiv (zu Beginn sind es die Töne f-ges-e-f-f), bevor der Chor wenig später requiem-üblich ebenfalls düster und im pianissimo einsetzt.
    Wenn die „Requiem“-Rufe der einzelnen Stimmen bewegter werden, ist dann auch der erste dynamische Höhepunkt erreicht:
    Im fortissimo und unisono intoniert der Chor „Te decet hymnus“ in dreimaliger Steigerung, bevor mit dem Tenor der erste Solist zum Einsatz kommt, die anderen Solisten stellen sich ebenfalls kurz darauf erstmalig vor.


    Gegen Ende des ersten Satzes erfolgt dann die erste Überraschung: Eher beiläufig und leise singen die Chorbässe zur Melodie des Requiem-Motivs das „Kyrie eleison“, dem die anderen Stimmen mit dem „Christe eleison“ und dem abschließenden zweiten „Kyrie eleison“ folgen.
    Das Ganze erfolgt in aller Knappheit und ist damit bedeutend kürzer als beispielsweise das „Kyrie“ im Mozart-Requiem.
    Das überrascht schon, ist doch Dvoraks Requiem vom Gesamtumfang her fast doppelt so lang wie Mozarts Totenmesse – beim „Kyrie“ fasst Dvorak sich aber auffallend kurz.
    Es klingt ganz anders als Mozarts gewaltiges, fast trotzig wirkendes „Kyrie“-Fugenthema:
    Zerknirscht, ganz leise und demütig bittet der Chor –zuletzt gar a cappella- um Erbarmen – eine sehr sinnfällige klangliche Ausdeutung des Textes, die man in dieser Form aber nicht so häufig antrifft.


    Nr. 2 Graduale
    Während bei den meisten Requiem-Vertonungen das Kyrie der 2. Satz ist, hat Dvorak ungewöhnlicherweise hier ein „Graduale“ eingefügt – weder bei Verdi noch bei Mozart oder Suppé gibt es diesen Teil.


    Es ist hauptsächlich ein lyrisch-sehnsüchtiges Sopransolo, teilweise vom Damenchor unterbrochen. Ganz am Ende des Satzes bekommt der Herrenchor den ersten seiner in diesem Werk noch zahlreich auftretenden a-cappella-Einsätze:
    Pianissimo und sehr geheimnisvoll intonieren die tiefen Stimmen nochmals die Worte „Requiem aeternam“ eine Gänsehautstelle! :yes:


    Nr. 3 Dies irae
    Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde es nicht unüblich, die drastische, auf die Schrecken des Jüngsten Gerichts hindeutende Sequenz „Dies irae“ auszusparen (z. B. in den Requien von Fauré, Duruflé, u. a.), um den Totenmessen einen einheitlichen, eher meditativ-tröstlichen Charakter zu verleihen.
    Dvorak hingegen verzichtet nicht auf diese Textteile, die ja viele Komponisten, allen voran Berlioz und Verdi, zu spektakulären Apokalypse-Vertonungen inspiriert haben.


    Nun, Dvorak wählt einen „Mittelweg“ – und meidet die Drastik eines Berlioz oder Verdis (die auch kaum zu übertreffen wäre) – sein Requiem trägt auch in Teilen wie diesen eher lyrische Züge:
    Der Chor intoniert das „Dies irae“ –nach einem einleitenden tief und bedrohlich klingenden Wirbeln in den Bässen- rhythmisch ganz streng unisono.
    Es klingt – wenn der Dirigent den 6er-Rhythmus denn strikt einhält – wie ein bizarrer Schreittanz oder –marsch (die Tempobezeichnung lautet denn auch Allegro impetuoso [Alla marcia]), eben wie eine Art "Totentanz":


    Unerbittlich, drohend und immer wieder durchsetzt von schreckensrufartigen Ausbrüchen einzelner Stimmen. Ganz anders in der Wirkung als beispielsweise bei Verdi aber nicht minder beeindruckend!


    Nr. 4 Tuba mirum
    Erwartungsgemäß eröffnet Dvorak den Satz mit einem Blasinstrument, das zum Jüngsten Gericht ruft – allerdings ist es hier eine Trompete (während man von der berühmten Mozart-Parallelstelle eher die Posaune erwartet hätte).
    Doch das Ganze klingt nicht heroisch und majestätisch – es ist das fragende Requiem-Motiv, das hier erneut an prominenter Stelle zum Einsatz kommt.
    Solo-Alt, Bass und Tenor tragen den weiteren Text vor, immer wieder unterbrochen vom düster und verzweifelt klingenden Chor.


    Zur abschließenden Steigerung des ganzen Abschnitts wiederholt Dvorak dann nochmals den „Dies irae“-Totenmarsch aus der Nr. 3, der allerdings an dieser Stelle nochmals im Ausdruck und in der Dynamik gesteigert werden sollte – die Orchesterbegleitung ist hier ebenfalls wesentlich dichter und bewegter als beim ersten „Dies irae“.
    In dieser Wiederholung "dreht" Dvorak dann nochmal am Hebel "Dramatik" und verschärft die Wirkung und Drastik im Gegensatz zum ersten "Dies irae" - er schreibt nun u. a. auch den zusätzlichen Einsatz von Orgel und (Röhren-)Glocken vor (allerdings wohl "ad libitum", da nicht in allen Aufnahmen welche zu hören sind :( ).
    Kurz vor Ende dieses Satzes herrscht dann ein Höllenlärm:
    Der Chor deklamiert fortissimo erneut die Worte "Tuba mirum spargens sonum", dazu das wild bewegte volle Orchester (plus Orgel) und eben die über alles hinwegtönenden, kraftvoll geläuteten Glocken "des jüngsten Gerichts" - eine Stelle, die mir jedesmal Gänsehaut bereitet hat!!


    Und –was für ein Gegensatz- nach zwei abschließenden Unisono-Takten des vollen Orchesters kehrt von einer Sekunde auf die andere plötzlich Totenstille ein und der Herrenchor singt jetzt abrupt im pianissimo eine weitere a-cappella-Stelle, worauf der Satz mit einem kurzen leisen Nachspiel fast im Nichts endet – was für ein Wahnsinns-Effekt und was für ein Gegensatz zum kurz vorher so abrupt beendeten Forte-Fortissimo!! Schon wieder Gänsehaut... :jubel:


    Nr. 5 Quid sum miser
    Ungewöhnlicherweise beginnt Dvorak den nächsten Satz an dieser Textstelle – üblicherweise folgt auf das Tuba mirum das Rex tremendae.
    Dvorak geht aber –wie schon erwähnt- eher lyrisch vor und beginnt den Satz ganz zart und ratlos im Tonfall mit den Chorsopranen.


    Relativ unvermittelt in diese ratlose Atmosphäre (wiederum eine sehr schöne Textausdeutung!) bricht das in diesen Satz integrierte Rex tremendae herein – ganz traditionell in majestätisch-schreckensvoller Anrufungsform („Rex!“) gehalten. Das abschließende „Salva me“ klingt dagegen wieder ruhig und bittend.


    Nr. 6 Recordare
    Der einzige Satz des ganzen Werks, in dem der Chor mal Pause hat! :beatnik:
    Das Solistenquartett hat hier eine dankbare und äußerst klangschöne Aufgabe zu bewältigen – in diesem Satz klingt Dvoraks Musik ganz typisch „böhmisch“, sowohl vom oft synkopierten Rhythmus als auch von der wunderbar "holzbläserlastigen" Instrumentierung her. :)


    Nr. 7 Confutatis
    Das Confutatis klingt wie der Rex tremendae-Teil traditioneller – vor allem der Gegensatz zwischen den bedrohlichen „Confutatis“-Rufen und dem lyrisch klingenden „Voca me!“ ist in ähnlicher Form (z. B. auch von Mozart) gern in dieser Art vertont worden. Der Rhythmus zu Beginn des Satzes ist ein unerbittlich treibendes, sehr ins Ohr gehendes Motiv.


    Nr. 8 Lacrimosa
    Das auf der Durchreise in Köln skizzierte Lacrimosa beginnt mit dissonanten und schmerzlichen „Lacrimosa“-Rufen – sehr wirkungsvoll ist der im pianissimo vorgetragene kurze „Pie Jesu Domine“-Teil – ein kurzes Innehalten vor den abschließenden, sehr eindrücklichen „Amen“-Rufen, mit denen der 1. Teil endet.


    Nr. 9 Offertorium
    Mit Beginn des 2. Teils des Requiem ändert sich die Atmosphäre komplett: Nach all dem Schrecken und der Angst beginnt nun der tröstliche Teil des Werks – die Holzbläser intonieren ein friedvoll klingendes Andante, dem kurz darauf erstmalig auch die Harfe beigefügt wird – ein wirkungsvoller 1. Einsatz an dieser Stelle für dieses Instrument!


    Das ganze „Domine Jesu Christe“ ist sehr würdevoll vom Ausdruck, voller Zuversicht, stellenweise geradezu hymnisch.
    Sehr charakteristisch das mehrfach wiederholte, rhythmisch markante „Libera animas“-Motiv (später auch als „Libera eas“).


    Zum Abschluss des Satzes zeigt Dvorak, dass er auch ein Meister der Fugentechnik ist (um 1890 ist die Fuge ja nun wirklich kein besonders übliches Stilmittel mehr!):
    Traditionell ist der Textteil „Quam olim Abrahae“ auch bei ihm als ausgedehnte Fuge gestaltet (die Fuge benötigt immerhin vom Umfang her ein Drittel des Satzes!).


    Im frischen, fröhlich-zuversichtlichen Allegro-Tempo intoniert zuerst der Chortenor das Fugenthema – hierbei handelt es sich um ein altes böhmisches Kirchenlied aus dem 15. Jahrhundert, dass um 1890 auch noch in den Gottesdiensten in Dvoraks Heimat gesungen wurde und dessen Melodie daher zumindest seinen Landsleuten als „typisch böhmisch“ durchaus bekannt gewesen sein müsste.


    Die Fuge ist eine echte Herausforderung für den Chor, wir haben ziemlich zeitintensiv daran herumprobieren müssen.
    Aber das Ergebnis lohnt: Wenn es dann (endlich) richtig „läuft“ ist diese Fuge ein echter Ohrwurm – sehr mitreißend und unter raffinierter Ausnutzung sämtlicher satztechnischer Kunstgriffe mit einer grandiosen Steigerung zum Schluss hin ist sie ein echter Höhepunkt!


    Nr. 10 Hostias
    Die Stimmung wechselt erneut und wird grüblerischer, nachdenklicher, die charakteristischen punktierten Rhythmen einschließlich der „Libera eas“-Rufe aus dem vorangegangenen Satz tauchen aber auch hier wieder auf.
    Das Besondere an diesem Satz sind jedoch die beiden längeren a-cappella-Stellen für den vierfach geteilten Herrenchor (Fac eas, Domine):
    Sehr eindrücklich, harmonisch raffiniert – und ziemlich knifflig in der Ausführung. Lohnt sich aber auf jeden Fall, denn gerade diese beiden Passagen klingen sehr innig und flehentlich. Und a-cappella-Stellen lassen den Zuhörer unwillkürlich immer besonders aufhorchen! :yes:


    Und weil es so schön war (und die Arbeit bei der Einstudierung sich ja auch lohnen soll) – wird im Anschluss an diesen Teil die komplette „Abraham-Fuge“ aus der Nr. 9 wiederholt! :D


    Nr. 11 Sanctus
    Anders als der üblicherweise zu erwartende Sanctus-Jubel, beginnen die Solisten zunächst eher mit etwas gedämpften, weihevollen Lobrufen, bevor der Chor etwas später dann doch unisono im fortissimo mit „klassischen“, blockhaft-hymnischen Sanctus-Rufen einsetzt.
    Nach dem kurzen „Hosanna“-Teil überrascht Dvorak mit einem bemerkenswert kurz gefassten „Benedictus“.
    Überraschend deshalb, weil gerade dieser Textteil für gewöhnlich von vielen Komponisten sehr ausgreifend und sehr anrührend vertont wurde (z. B. in Beethovens „Missa solemnis“) und man im Rahmen der großen Anlage dieses Requiems eigentlich ähnliches erwartet hätte.


    Aber wie schon im Kyrie eleison beschränkt sich Dvorak hier auf eine vergleichsweise knappe Vertonung, die gleichwohl sehr schwärmerisch und zuversichtlich (und darüber hinaus harmonisch äußerst komplex) daherkommt. Ein knappes weiteres Hosanna beendet kräftig im fortissimo den Satz.


    Nr. 12 Pie Jesu
    Dieser Textteil (aus dem Lacrimosa) findet sich weder in den Requien von Mozart und Verdi an dieser Stelle zwischen Sanctus und Agnus Dei.


    Dvorak benutzt ihn, um kurz vor Schluss noch mal eine ganz verinnerlichte „Ruhepause“ einzulegen:
    Nach kurzem Vorspiel (Poco adagio) folgt ein weiterer a-cappella-Satz für den vierfach geteilten Herrenchor und die Altistinnen, die wie ein schlichtes Volkslied die Worte „Pie Jesu, Domine“ intonieren.


    Zeitweise werden zwar die Stimmen von der Orgel dezent (und mit tiefen, liegenden Tönen) begleitet, dennoch handelt es sich hierbei um die längste a-cappella-Passage des ganzen Werkes, die wiederum ziemlich anspruchsvolle harmonische Entwicklungen aufweist (auch das Requiem-Motiv findet erneut mehrfach Verwendung).


    Dass wir auch diesen Satz ziemlich intensiv "beackern" mussten, bevor die Intonation hingehauen hat (Anschluss-Stellen!!), brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen... :]

    Im Mittelteil des Satzes dürfen dann die Sopran-, Alt- und Tenorsolisten ebenfalls ihre a-cappella-Fähigkeit unter Beweis stellen :], bevor erneut der Chor (wiederum ohne den Chorsopran) den Satz a-cappella beschließt.


    Nr. 13 Agnus Dei
    Der erste Teil des Agnus Dei mit seinen in unterschiedlichen Stimmkombinationen wiedergegebenen Agnus Dei-Rufen erinnert mich vom Ausdruck her sehr an den Beginn des Agnus Dei in Beethovens Missa solemnis, wo der gleiche, über längere Passagen sich aufbauende, andächtig-bittende, aber zugleich auch reumütig-flehende Grundton vorherrscht.


    Dann intoniert der Solo-Sopran die Stelle „Lux aeterna luceat eis“ und plötzlich ändert sich die Stimmung, es ist, als ob das ewige Licht bereits erstrahlen würde:
    In wenigen Takten, in denen Chor und Solisten unisono geführt werden, erreicht Dvorak eine gewaltige, monumentale Steigerung, die bis zum forte-fortissimo reicht und sich dann ebenso abrupt in zügigerem Tempo in die „Quia pius es“-Rufe entlädt.


    Doch auch diese Episode währt nicht lange und sehr schnell drosselt Dvorak das Tempo wieder und kehrt zur Stimmung des Anfangs zurück.


    Der Tonfall wird immer verinnerlichter, der Chor erhält eine letzte kleine a-cappella-Stelle, die von einer dumpfen Pauke begleitet wird.


    Und wenn dann –fast flüsternd- zum letzten Mal die Worte „Et lux perpetua luceat eis“ mehr rezitiert als gesungen werden, schwingt sich das Orchester im kurzen Nachspiel noch einmal zum forte auf und intoniert abschließend das Requiem-Motiv, das ja auch ganz am Beginn des Werkes stand - das Motiv verebbt und im pianissimo endet das Requiem in b-moll. :angel:


    Was für ein Kreis schließt sich da – es ist, als würde ganz am Ende ein gewaltiges Buch zugeschlagen:
    Ein Buch, in dem es um dieses Motiv ging, das in unzähligen Veränderungen und Situationen den Hörer ständig begleitet hat und das am Ende dann einfach und friedlich ausschwingt – noch so eine Gänsehautstelle! :jubel:


    Von vorne bis hinten planvoll durchdacht und bis zum Rand gefüllt mit herrlichen Melodien und abwechslungsreichen Klangkombinationen - einfach fantastisch!


    Was will man mehr...? :yes::hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • hallo, marc,


    herzlichen dank für diese ausführliche, gefühlvolle beschreibung und deutung :yes:
    die macht wieder richtig lust auf das werk ..


    interessanterweise hatte mich immer das requiem wesentlich mehr angesprochen als das stabat mater ... das fand ich zeitweilig sogar ausgesprochen langweilig und lamoryant .. :rolleyes:


    zum glück hat sich diese phase aber wieder erledigt :yes:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo —


    unter der Leitung von Ancerl gibt es das Dvorak-Requiem neben der Aufnahme von 1959 mit Stader, Wagner, Haefliger und Borg ja auch noch in einer Fassung von 1964 mit Elisabeth Rose, Peter Schreier, Gertraud Prenzlow, Theo Adam und dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin.


    Kennt jemand die ’64er Aufnahme und ist sie empfehlenswert? Und wie steht sie aufnahmetechnisch/ausführungstechnisch zur ’59er Aufnahme?


    Grüße,
    ^_^J.

  • Neben der heiß und innig empfundenen und geliebten Aufnahme unter Karel Ancerl



    hatte ich mir vergangene Woche auch die unter Istvan Kertesz gekauft



    Ganz zum Schluß des "Tuba mirum", als der Chor im Fortissimo das "Tuba mirum spargens sonum" anstimmt, läßt Kertesz, im Gegensatz zu Ancerl, zum Orchester zusätzlich Glockengeläut spielen.


    Ich finde diesen Effekt ziemlich theatralisch und unpassend und frage deswegen einmal nach, wie es denn in der Partitur steht: Mit oder ohne Glocken?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Nach über zweieinhalb Jahren erlaube ich mir, diesen Thread wieder "wachzuküssen".


    Zu den beiden oben genannten Aufnahmen haben sich bei mir inzwischen noch drei weitere gesellt:



    -orchestral "seriös", klangtechnisch etwas neutral



    Ein hervorragendes Orchesterspiel, eine engagierte Interpretation, zwei gute Solistinnen, ein ebenso guter Chor, aber leider zwei Fehlgriffe bei den männlichen Solisten. Klaus Florian Vogt singt zwar wenig "opernhaft", dafür sympathisch zurückhaltend, aber seine Stimme ist (nach meinem Dafürhalten) auch für diese Partie "zu dünn".
    Gegen den Vortrag von Thomas Quasthoff gibt es ebenfalls keine Einwände. Auch er begreift, daß hier keine "Opernarien" gefragt sind, aber seiner Stimme hört man nur in der Mittellage gerne zu. Verläßt er sie, ist er schnell überfordert. Weder in den höheren Lagen, aber noch weniger in den tiefen, spricht seine Stimme sauber an, die Tiefen klingen stellenweise arg "brüchig". Aber selbst an stimmlich "gesunden Tagen" wäre die Baßpartie des Requiems nicht für ihn gedacht, denn ein profunder Baß ist er in meinen Augen nicht wirklich...



    "Meine Referenz". Das wundervolle Orchester und der fantastische Chor beweisen eindrucksvoll, daß sie sich bei dieser Musik "zu Hause fühlen".
    Des Weiteren läßt sich Sawallischs Dirigat nicht hoch genug preisen. Er vermeidet jede Übertreibung, läßt die Musik einfach fließen und gestattet ihr einen natürlichen Raum zur Entfaltung. Gleichsam akribisch widmet er sich den lyrischen Stellen als auch den großartigen Steigerungen (nicht nur im Dies irae, sondern insbesondere im Offertorium, das in seinem Melodienreichtum für mich den Höhepunkt des Requiems darstellt, insbesondere, wenn es so wunderschön dargeboten wird wie hier).


    Stimmlich sind beide Solistinnen für mich nicht zu überbieten. Jeglicher Superlativ erscheint mir angemessen ;) . Thomas Moser weiß mit seinem eher lyrischen Tenor für sich einzunehmen, und der Beckmesser in mir bemängelt zwar, daß ihm Jan-Hendrik Rooterings Timbre nicht sonderlich zusagt, kann aber gegen den Vortrag nichts negatives vorbringen.
    Alle vier Solisten stellen sich "in den Dienst der Musik", wollen nicht einzeln glänzen, sondern verstehen sich als homogenes Ensemble.


    Auch klanglich befindet sich die relativ frühe Digitalaufnahme (1984 entstanden) auf höchstem Niveau. Natürlicher läßt sich dieses große Chorwerk nicht abbilden. Die Tontechniker von Supraphon haben hervorragende Arbeit geleistet!

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo, liebe Dvorak-Freunde,


    eure vielschichtigen und fundierten Berichte haben mich richtig neugierig gemacht. Ich habe zwar auch eine Ausgabe des Requiems und de Stabat Mater mit Zdenek Kosler und der Slowakischen Philharmonie in meiner Sammlung, habe sie aber bisher nur einmal gehört, hatte auch viel mit anderen Hörprojekten zu tun.
    Allerdings habe ich auch schon mal, wie einige von Euch, Dvorak gesungen, und zwar seine Messe op. 86. Sie war vor 21 Jahren das erste Projekt, bei dem ich in meinem jetzigen Chor mitgewirkt habe. Es hat nicht nur mir damals ausnehmend gut gefallen. Auch einige noch ältere Chorkollegen reden heute noch begeistert über das damalige Projekt.
    Die hier schon mehrfach angesprochenen Aufnahmen von Karel Ancerl und Istvan Kertesz interssieren mich sehr, zumal ich mir von Kertesz jetzt auch die Sinfonien-Gesamtaufnahme bestellt habe. Sie wird sicherlich eine interessante Alternative zu meiner Kubelik-Gesamtaufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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