Liebe Forianer,
Bei der Beurteilung des nun zur Sprache kommenden Werkes, bzw
seiner Aufnahmen muß man sich zunächst die Frage stellen:
Wo ordne ich es zu ?
Hier bieten sich zwei Alternativen an:
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[*]Ich sehe es als Werk Schuberts, das verfremdet, verfälscht, bearbeitet, verbessert oder verdorben wurde, je nach Standpunkt
[*]Ich sehe es als Werk Zenders, das sich Schuberts Winterreise als Grundlage genommen hat, je die Melodie weitgehend erhalten hat, aber so tiefgreifende Einschnitte in die Substanz vorgenommen hat, daß man bereits von einem eigenen Werk sprechen kann, ähnlich wie Ravels Instrumentierung Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung", jedoch sind die Änderungen tiefgreifender.
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Ich habe mich dazu entschlossen diese Winterreise als eigenes Kunstwerk zu sehen, als Zenders Schöpfung, basierend auf Schuberts Vorlage. Das macht etliches leichter. Die Frage nach einem Sakrileg kommt ers gar nicht auf, weil was hier geschehen ist, durchaus Tradition hat.
Die Komposition Zenders dauert etwa 20 Minuten länger als die Vorlage, was teilweise auf rigorose Tempoveränderungen, teils auf Vorspiele, und auch auf Wiederholungen zurückzuführen ist.
Was hat der unbefangene Hörer zu erwarten ?
Daß ich nicht unbedingt ein revolutionärer Verfechter moderner Klassik bin ist ja hinlänglich bekannt. Ich habe auch sehr lange gezögert, mir diese Einspielung zuzulegen, weil ich meinte, es handle sich zwar um eine Modeerscheinung, die man ernst nehmen sollte, aber die Aufnahme wäre bald als geschmackliche Entgleisung in Vergessenheit geraten. ich weiß nicht ob das dereinst der Fall sein wird, aber ich muß sagen die Aufnahme dieses Werks hat mich persönlich sehr beeindruckt, so daß mir egal ist, wie die Geschichte sie dereinst beurteilen wird.
Zunächst die Instrumentation:
kaum vorstellbar, daß jemand das mit soviel Gespür für Effekte und Stimmungen heutzutage zustandebringt.
Manche Stimmungen sind so wirkungsvoll instrumentiert, daß es schon fast ein wenig kitschig wirkt, so schön klingt manches.
Umso wirkungsvoller heben sich Klangeffekte, unvermutetet Temporückungen davon ab, ebenso mache absichtlich verstörenden Stellen.
Egal wie man zu solchen Projekten steht, man wir schwer umhin kommen in den hypnotischen Bann dieser Version einzutauchen...
Manches wirkt geringfügig übertrieben, aber das ist wohl Geschmackssache. Die wirklich lyrischen Stellen wurden lediglich äusserst wirkungsvoll instrumentiert (Der Lindenbaum)
Es gibt von dem Werk bereits zwei Einspielungen, eine mit Blochwitz, die andere mit Pregardien. Ich besitzte jene mit Blochwitz
Fazit: Eine hochinteressante Aufnahme, die bei aller Modernität, die Melodie über weite Teile des Werkes unangetastet lässt und somit
auch jene zufriedenstellt, die sonst bei Moderner Musik nicht recht warm werden (euphemistisch gesagt). Die Wirkung der Gedichte
wird jedoch drastisch verstärkt.
Die Originalfassung ist davon nicht tangiert, sie ist nicht zu verbessern, ich sagte es schon, weitgehend ein anderes Werk....
Freundliche Grüße aus Wien
Alfred